Protocol of the Session on January 22, 2009

(Dr. Klocksin [SPD]: Natürlich, ne!)

- Herr Dr. Klocksin, ich sage gleich etwas dazu.

Wir haben uns noch nie aus reinem Populismus heraus sinnvollen und notwendigen Initiativen in diesem Haus verweigert,

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Wo waren Sie denn vorher?)

weil sie von einem politischen Gegner eingebracht worden sind, um diesen dann leicht verändert als eigenen Antrag selbst wieder einzubringen.

Der Forderung nach der insofern längst überfälligen Bedarfsanalyse werden wir uns nicht verschließen. Dennoch, meine Damen und Herren der Linken, kommt hier wieder einmal die Mentalität des Trittbrettfahrers Ihrer Fraktion durch. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Werner das Wort. - Bitte schön.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Loehr, der Vergleich mit dem Neubau des Landtags ist nun wirklich die unpassendste Geschichte, die Sie hier vortragen. Ich formuliere es etwas salopp: Die Ministerien haben sich über 18 Jahre hinweg nahezu die Türklinken vergoldet. Wir hausen noch immer in einer Bruchbude. Ich denke, es ist dringend not

wendig, einen neuen Landtag zu bauen. Dass Ihre Partei vor dem historischen Hintergrund natürlich Schwierigkeiten hat, wieder in ein Schloss zu ziehen, ist vollkommen klar.

(Zustimmung des Abgeordneten Bochow [SPD] - Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Ich pflichte dem Kollegen Holzschuher bei, wenn er sagt, dass Ihr Antrag falsch, überflüssig und rätselhaft ist. Jedoch möchte ich Ihnen, Herr Holzschuher, ein wenig widersprechen; denn in einem Punkt ist der Antrag richtig, und zwar in der Überschrift. Diese heißt: „Zukunft der Brandenburgischen Amts- und Arbeitsgerichte sichern!“ Genau darum geht es uns in der Koalition auch. Allerdings ziehen Sie aus der richtigen Überschrift die vollkommen falsche Schlussfolgerung und schreiben etwas vollkommen Verkehrtes auf. Dies ist genauso falsch wie die Schockstarre des Hasen vor der Schlange. Insofern zitiere ich den Kabinettsauftrag vom Januar 2005:

(Unruhe)

„Die Landesregierung beauftragt die Ministerin der Justiz, bis Ende 2005 ein Konzept zur sachgerechten Reduzierung der Zahl der Amts- und Arbeitsgerichtsbezirke vorzulegen und auf dieser Grundlage gemeinsam mit dem Minister der Finanzen die bislang vorgesehenen Baumaßnahmen zur Unterbringung der Gerichte zu überprüfen.“

(Glocke der Vizepräsidentin)

Was ist dann geschehen? - Der Finanzminister hat eine Zahl in den Raum geworfen. Wenn ich mich recht entsinne, ging es in etwa um sieben Gerichte. Anschließend hat die Justizministerin gesagt: Das nehme ich nicht so einfach hin. Ich möchte erst einmal gründlich prüfen, welche Gerichtsstandorte tatsächlich geschlossen werden können bzw. geschlossen werden müssen. - Danach ist eine eingehende Prüfung sowohl aus finanzieller als auch aus justizpolitischer Sicht erfolgt. Insofern ist es nicht richtig - dies haben Sie in Ihrer ersten Begründung geschrieben -, dass es justizpolitisch nicht zu begründen sei.

Im Übrigen hat die Landesregierung nicht drei Jahre lang jemanden verunsichert, sondern sie hat geprüft. Nach eindringlicher Prüfung hat man die vier besagten Standorte ermittelt.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Dies war das Konzept der Landesregierung, nachdem an der einen oder anderen Stelle gesagt wurde: Das geht nicht. Diesen Standort können wir nicht schließen. Das bringt am Ende nichts. - Auch Sie als Opposition tragen Verantwortung für den Haushalt. Auch wenn es, Kollege Loehr, angeblich nur um 13 Millionen Euro geht, stehen Sie in dieser Verantwortung. Ich möchte Sie bei der nächsten Haushaltsverhandlung, bei der ich nicht mehr anwesend sein werde, gern einmal sehen, wenn Sie auf der einen Seite Anträge einbringen und Forderungen stellen, aber auf der anderen Seite nicht bereit sind, Einsparungen mitzutragen.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Jetzt gehe ich noch einen kleinen Schritt weiter. Es wird darüber spekuliert, dass der Finanzminister im nächsten Kabinett möglicherweise der Innenminister sein könnte. Er hatte schon

einmal etwas von Kreisreform anklingen lassen. Es könnte durchaus sein, dass es eine Kreisreform gibt. Wenn dies eintritt, stellen sich an die nächste Landesregierung ohnehin folgende Fragen: Wie geht die Landesregierung mit den Strukturen um? Wird dies dann nicht auch auf die Gerichtsstrukturen durchgreifen?

Um es noch einmal sehr deutlich zu sagen: Das Ziel der Koalition ist und bleibt der Erhalt einer modernen und bürgerorientierten Justizstruktur. Deswegen ist eine grundlegende Reform auch weiterhin dringend notwendig.

Gestern Abend habe ich die Gelegenheit genutzt, noch einmal mit dem OLG-Präsidenten zu sprechen. Die Justiz des Landes Brandenburg - in persona des OLG-Präsidenten, der Landgerichtspräsidenten und anderer hochrangiger Vertreter - hat voll und ganz hinter diesem Konzept gestanden.

Sie haben gesagt: Das ist richtig, das ist notwendig. Es mag einzelne Richter gegeben haben, die das anders gesehen haben; in der Justiz wurde es als notwendig erachtet. Von daher ist es für mich nicht verständlich, dass aufgrund einzelner territorialer Interessen, die hier offensichtlich den Ausschlag gegeben haben, das Konzept insgesamt zurückgezogen wurde. Von daher kann ich es auch nur als rätselhaft bezeichnen, dass Sie plötzlich noch in dieser Wahlperiode ein Gutachten haben wollen. Ich meine, wenn es für diese Wahlperiode zurückgezogen wurde, dann sollte die nächste Landesregierung darangehen, ein solches Konzept zu erarbeiten.

Ich freue mich auch, dass sich die Deutsche Justiz-Gewerkschaft, die diesem Ansinnen in diesem Jahr nur wegen der Standorte ablehnend gegenüberstand, nun wieder aktiv in die Diskussion einbringen will. Von der Seite können wir auch einige Vorschläge erwarten und das in großer Gemeinsamkeit auch mit den Betroffenen besprechen. Ich gebe diesen Auftrag gern an die Kollegen, die dann im nächsten Landtag darüber zu entscheiden haben, weiter. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Wir haben heute nicht die letzte Sitzung des Landtags in dieser Wahlperiode. Sie haben durchaus die Chance, hier noch ein paar Mal zu reden. - Frau Ministerin Blechinger, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur die Amtsgerichte des Landes Brandenburg waren schon mehrfach Gegenstand von Erörterungen hier im Plenum wie auch im Rechtsausschuss. Auch der heute hier vorgelegte Antrag ist in weiten Teilen nicht neu. Schon einmal haben wir die Forderung nach einer gutachterlichen Stellungnahme zur amtsgerichtlichen Struktur diskutiert. Der Landtag hat diesen Antrag damals abgelehnt; er sollte es wieder tun.

Wie Sie alle wissen, habe ich im Jahr 2005 einen Auftrag des Kabinetts bekommen, ein Konzept zur Reduzierung von Amtsgerichtsbezirken und Gerichtsstandorten vorzulegen. Von einer Justizreform war im Übrigen zu keinem Zeitpunkt die Rede. Ich habe dieses Konzept zeitgerecht vorgelegt. Auf der Basis

dieses Konzepts und der Ergebnisse einer mit dem Finanzminister gemeinsam vorzunehmenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hat das Kabinett beschlossen, die Amtsgerichte in Guben, Zossen, Eisenhüttenstadt sowie das Arbeitsgericht Senftenberg zu schließen. Den dies umsetzenden Gesetzentwurf habe ich ebenfalls auftragsgemäß vorgelegt.

Diese Pläne sind nach einer Entscheidung des Ministerpräsidenten und der stellvertretenden Ministerpräsidentin in dieser Legislaturperiode nicht mehr weiter zu betreiben. Sie sind nicht aufgegeben, wie der Antrag es formuliert, sondern vertagt bis nach der Landtagswahl, und dies nicht etwa, weil die zugrunde liegenden Konzeptionen nicht tragfähig wären oder sich die haushälterischen Rahmenbedingungen zu einem Besseren geändert hätten, sondern weil für die Schließung von Standorten jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Warum? - Weitere Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

An der sachlichen Rechtfertigung des eingeschlagenen Weges ändert das nichts. Soweit Sie Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für Ihren Antrag auf eine gleichmäßige Amtsgerichtsstruktur in Anspruch nehmen, darf ich darauf hinweisen, dass sich dieses Grundrecht auf den Rechtsschutz des Einzelnen gegen Eingriffe der öffentlichen Hand bezieht, in diesem Zusammenhang also gar nichts zur Sache tut.

Der verfassungsrechtlich garantierte allgemeine Justizgewährungsanspruch resultiert aus Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Er beinhaltet neben dem Recht auf Zugang zu den Gerichten auch den substanziellen Anspruch des Bürgers auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch des Rechtsuchenden darauf, in einer bestimmten Entfernung zu seinem Wohnort gerichtliche Hilfe zu erlangen, resultiert daraus aber nicht.

Insofern weise ich Ihre Behauptung zurück, der Rechtsstaat würde sich zurückziehen. Selbstverständlich hat die Frage der Bürgernähe dennoch in dem von mir vorgelegten Konzept zur sachgerechten Reduzierung von Amts- und Arbeitsgerichten eine erhebliche Rolle gespielt. Neben der Zahl der Gerichtseingesessenen, der Verteilung der Amtsgerichte auf die Landkreise, dem räumlichen Zusammenhang mit anderen Justizeinrichtungen war und ist die Erreichbarkeit ein entscheidender justizpolitischer Faktor. Für die Rechtsuchenden haben wir eine Entfernung von 35 km Luftlinie als zumutbar angesehen. Damit würden keine längeren Anfahrtswege bzw. -zeiten entstehen, als sie bereits in anderen Landesteilen aufgrund der Entscheidung des Landesgesetzgebers im Jahr 1992 existierten.

Soweit Sie im Übrigen in Ihrer Forderung auf gutachterliche Prüfung den Vergleich mit anderen Bundesländern aufnehmen, darf ich sagen, dass etwa bei einem Vergleich mit der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen auffällt, dass in Brandenburg selbst nach einer Schließung der genannten Amtsgerichte, bezogen auf die Einwohnerzahl pro Amtsgerichtsbezirk, mehr Amtsgerichte bestehen bleiben würden.

Im Übrigen: Welche Aufgaben ein Amtsgericht wahrzunehmen hat, wird im Wesentlichen durch Bundesgesetze vorgegeben. Man braucht kein Gutachten, um das herauszufinden. Der Bundesgesetzgeber ist es auch, der die Ermächtigung zur Zuständigkeitskonzentration in einem Bundesland oder über Landesgrenzen hinweg gewährt.

Im Land Brandenburg haben wir da, wo es Sinn macht, etwa bei der Spezialmaterie des Landwirtschaftsrechts oder der Errichtung des zentralen Mahngerichts Berlin-Brandenburg, davon Gebrauch gemacht. Ich habe hierzu bereits in der Sitzung des Landtags am 26. April 2007 zu Ihrem nahezu gleichlautenden Antrag ausführlicher Stellung genommen und erlaube mir deshalb, darauf Bezug zu nehmen. Durchweg haben wir mit diesen Konzentrationen gute Erfahrungen gemacht. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um grundlegende Veränderungen in der Gerichtsstruktur, wohl aber um die Möglichkeiten der Qualitätssicherung in der Justiz durch Spezialisierung.

Kurz zusammengefasst: Ich habe der Landesregierung auftragsgemäß einen Gesetzentwurf zur Schließung von Amtsgerichtsstandorten vorgelegt, der nur Standortschließungen beinhaltet, die justizpolitisch begründet und zudem wirtschaftlich gerechtfertigt sind. Zu den Grundlagen benötige ich keine weiteren gutachterlichen Stellungnahmen, schon gar nicht zu den vorliegenden Fragestellungen. Ein Beispiel: Das Gutachten soll Antwort geben auf die Frage, welche amtsgerichtlichen Gliederungen in Zukunft zu erwarten sind. Die amtsgerichtliche Gliederung beschließt der Landtag. Insofern sollte der Auftrag nicht an einen Gutachter, sondern an einen Hellseher gehen, der voraussagt, welche Gliederung der Landtag in Zukunft beschließen wird.

Die Änderung von Gerichtsstandorten und die Schließung von Gerichten ist - ich kann dies nur wiederholen - eine Sache des Landesgesetzgebers. Ich möchte ergänzen: Es ist offenkundig auch eine höchst politische Frage, bei der uns auch die Gutachter die Entscheidung nicht abnehmen können. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort erhält noch einmal der Abgeordnete Loehr. - Er verzichtet.

Dann schließe ich die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt der Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 4/7136 (Neudruck) vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist mehrheitlich gegen diesen Antrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und die heutige Sitzung. Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg.

Ende der Sitzung: 17.33 Uhr