Ich lasse über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 4/7019 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Finanz- und Wirtschaftskrise sind derzeit in aller Munde. Genau genommen sind die Mechanismen die gleichen wie bei der Krise vieler Abwasserzweckverbände.
Das Schuldenmanagement der Landesregierung könnte man auch gut und gern als Schirm betrachten - ein Schirm, der denjenigen hilft, die schwere Fehler gemacht haben, die Missmanagement betrieben haben, ein Schirm der sichert, dass der soziale Frieden erhalten bleibt.
Die entscheidende Frage aber, wie die Ursachen bekämpft werden können, soll außen vor bleiben. Auch das Schuldenmanagement hilft in erster Linie den Gläubigern, die um ihre faulen Kredite fürchten.
Gestatten Sie mir daher, aus einem Angebot einer großen westlichen Landesbank an einen großen Baukonzern zur Errichtung einer viel zu großen Abwasseranlage in Brandenburg zu zitieren:
„Wir möchten vorab darauf hinweisen, dass wir die Rahmendaten für den Bereich des Abwasserzweckverbandes..., die der Dimensionierung der geplanten Anlage zugrunde liegen, für sehr optimistisch halten (Verdoppelung der Einwohnerzahl binnen fünf Jahren bei allgemein für den Landkreis angenommenen rückläufigen Bevölke- rungszahlen)... Es ist daher unumgänglich, in der Verhandlung mit dem Abwasserzweckverband die entstehenden Belastungen für den Fall darzustellen, dass sich die angenommenen Planungen nicht realisieren werden.“
Sicherlich handelt es sich hier nicht um einen Einzelfall. Nur so lassen sich die nach unseren Hochrechnungen nur zu etwa 50 % ausgelasteten Kläranlagen erklären. Die Landesregierung verweigert nach wie vor Auskunft über die tatsächliche Auslastung.
Nur so lassen sich die hohen Schuldenstände erklären. Brandenburg ist bundesweit unrühmlicher Schuldenkönig.
Die Abwasserpolitik der zentralen Kanalisation hat sich im dünnbesiedelten Flächenland Brandenburg als besonders unwirtschaftlich, unsozial und unökologisch erwiesen: viel zu große Kläranlagen, kilometerlange Leitungsnetze, viele verschuldete Zweckverbände. Hohe Gebühren und Anschlussbeiträge wie in keinem anderen Bundesland belasten die Bürgerinnen und
Bürger sowie kleine und mittelständische Unternehmen. Von dieser Politik haben hauptsächlich Banken und Baufirmen profitiert. Das ist die erschreckende Bilanz einer verfehlten Abwasserpolitik, die als Hypothek noch lange Zeit von den Brandenburgerinnen und Brandenburgern abzutragen ist.
Unsere mehrfachen Nachfragen nach der Höhe der Verbindlichkeiten der Aufgabenträger im Trink- und Abwasserbereich blieben bisher von der Landesregierung ebenfalls unbeantwortet. Man bleibt also weiterhin auf die Angaben aus dem Schuldenmanagement angewiesen, die einen Schuldenstand von ca. 1,5 Milliarden Euro im Jahr 1999 auswiesen. Ich wage die Behauptung, dass sich ohne die großzügigen und mindestens genauso leichtfertig vor allem in den 90er Jahren vergebenen Fördermittel heute eine deutlich entspanntere Situation ergeben würde.
Wie auch immer, wir müssen mit einer Situation umgehen. Es darf aber ein „Weiter so!“ nicht geben. Wenn also wieder Geld in die Hand genommen wird, dann nicht, um zu strecken, sondern um zu korrigieren, und auch nicht, um damit weitere Bürgerinnen und Bürger gegen ihren Willen an ein ineffektives Abwassersystem anzuschließen.
In der Laufzeit des Schuldenmanagementfonds von 1999 bis 2008 wurden 166 Millionen Euro verplant, 83 % davon als nicht rückzahlbar. Der weitere Finanzmittelbedarf für den Schuldenmanagementfonds wird mit 64,6 Millionen Euro beziffert. Konkret geht es um Rückzahlungen von Krediten. Begleitet wird das Vorhaben jedoch von Auflagen zur Beseitigung struktureller Defizite, dem Zusammenschluss von Zweckverbänden, der Qualifikation der Aufgabenträger und der Reduzierung der Betriebskosten.
Das Gesamtziel lässt sich auch als wirtschaftliche Stabilisierung der Aufgabenträger beschreiben. Dies ist bei 32 von 54 Verbänden gelungen. Bei 22 Aufgabenträgern besteht weiter akuter Handlungsbedarf.
Wenn in den Zielstellungen des Schuldenmanagements Bedingungen formuliert sind wie Erhöhung des Anschlussgrades und Anpassung - sprich Erhöhung der Abwassergebühren -, sind dies Konditionen, die die Linke gerade nicht möchte. Geeigneter wären - da stimmen wir mit zahlreichen Wissenschaftlern überein - Stilllegung und Rückbau von ineffizienten Anlagekapazitäten und Reduzierung der laufenden Betriebskosten.
Wenn sich die Linke nun entschlossen hat - glauben Sie mir, das ist uns nicht leichtgefallen -, einer Fortführung zuzustimmen, dann aus zwei Gründen: Erstens weil es die betroffenen Bürgerinnen und Bürger ent- und nicht belasten soll, zweitens weil es für die jetzt noch bestehenden Fälle der Fortführung der Hilfe bedarf. Es macht keinen Sinn, auf der Hälfte des Weges stehen zu bleiben.
Das Gutachten zum Schuldenmanagement macht deutlich, dass es nicht um schnelle Liquiditätshilfe geht, sondern dass langfristige stabile Lösungen auch einer entsprechenden umfassenden Beratung und Unterstützung bedürfen.
Es geht nicht um operative Aufgaben, sondern um nachhaltige Veränderungen. Ein Herausschieben von Problemlösungen
führt zu weiteren Belastungen. Geht es jedoch darum, „Lösungen umzusetzen, die im Zweifelsfall auch gegen die Überzeugung der kommunalen Vertreter umgesetzt werden sollen“, geraten wir in eine Situation, die niemand möchte. Es darf nicht darum gehen, mittels Anschluss- und Benutzungszwang die Schar derer zu vergrößern, die am Schlamassel zwar nicht schuld, aber gerade zu greifen sind. Das Instrument des Anschluss- und Benutzungszwangs darf nicht als Lizenz zum Gelddrucken auf Kosten der Menschen in diesem Land fungieren.
Bürgerinnen und Bürger sind nicht einfach Objekte willkürlichen Handelns, sondern sollen sehr wohl als Subjekt ihre Entscheidung für oder gegen eine technische oder wirtschaftliche Lösung treffen können. Auf diesen Ansatz bezieht sich der zweite Teil unseres Antrags. Es geht um eine Abkehr von der „Augen zu und durch!“-Politik in diesem Bereich. Zudem geht es um den Wechsel zu einer Politik, die sich nicht am Umsatz orientiert, sondern die individuellen Ansinnen von Bürgerinnen und Bürgern sowie die ökologische Nachhaltigkeit berücksichtigt. Es geht um ein langfristiges Handlungskonzept für einen sozialverträglichen Umbau der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schuldenmanagementfonds Abwasser wurde im Jahr 1999 aufgelegt und auf zehn Jahre befristet. Die SPD-Fraktion ist für eine Fortführung dieses Schuldenmanagementfonds über das Jahr 2008 hinaus, da er sich als Instrument zur Stabilisierung und zur Sanierung in Not geratener Aufgabenträger der Abwasserentsorgung bewährt hat und noch nicht alle Sanierungen abgeschlossen sind. Die dafür notwendigen Entscheidungen sind jedoch in der Landesregierung längst gefallen. Deshalb halten wir den von der Fraktion DIE LINKE vorgelegten Antrag für überflüssig.
Die Landesregierung hat im Jahr 2007 die Tätigkeit des Schuldenmanagementfonds Abwasser durch externe Gutachter untersuchen lassen. Die Gutachter kommen zu zwei wichtigen Ergebnissen.
Erstens: Die Tätigkeit des Schuldenmanagementfonds ist erfolgreich. Bei 32 von 54 betreuten Aufgabenträgern wurde die Sanierung erfolgreich abgeschlossen. Bei acht weiteren Aufgabenträgern steht die erfolgreiche Sanierung kurz vor dem Abschluss. Dies ist der Stand aus dem Jahr 2007. Dabei konnten die Aufgabenträger nicht nur durch finanzielle Unterstützung entschuldet werden. Zudem wurden durch die mit der finanziellen Unterstützung verbundenen Beratungen auch wirtschaftlich nachhaltige Strukturen und Arbeitsweisen geschaffen und die laufenden Betriebskosten reduziert. Dabei kam es bis Mitte 2007 zu 21 Fusionen von Aufgabenträgern. Elf weitere Fusionen befinden sich in der Vorbereitung.
Zweitens: Für eine Fortführung des Schuldenmanagementfonds besteht über den 31.12.2008 hinaus Bedarf, da etwa 13 Aufgabenträger noch nicht langfristig wirtschaftlich stabil sind.
Für die Fortführung wird ein Finanzbedarf - Frau Adolph hat dies bereits erwähnt - von etwa 65 Millionen Euro veranschlagt. Die Regierungskommission Abwasser - darin sind das Innenministerium, das Finanzministerium und das Umweltministerium vertreten - hat sich der Einschätzung der Gutachter angeschlossen und die Finanzierung der Fortführung im Rahmen des Doppelhaushalts bis zum 31.12.2009 als machbar eingeschätzt. Zu den konkreten Zahlen wird die Landesregierung sicherlich noch etwas sagen.
Über das von mir Genannte hat die Landesregierung bereits am 12. März 2008 im Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz berichtet. Die Inhalte können Sie im Ausschussprotokoll nachlesen.
Auch der zweite Punkt Ihres Antrages ist aus unserer Sicht nicht notwendig, da er ein Handlungskonzept für etwas verlangt, das bereits seit zehn Jahren erfolgreich praktiziert wird. Der Gutachter hat bestätigt, dass der Schuldenmanagementfonds nicht nur eine Entschuldung der Aufgabenträger vornimmt, sondern dass im Rahmen der Sanierung auch eine Schaffung wirtschaftlich nachhaltiger Strukturen erfolgt. Dazu gehört neben der Fusionierung von Aufgabenträgern auch die Stilllegung bzw. der Rückbau unwirtschaftlicher Anlagenkapazitäten. Ein weiterer Anschluss von Einwohnern an zentrale Abwasseranlagen erfolgt nur dort, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, Frau Adolph.
Es sei im Übrigen zu sagen gestattet, dass auch die Abwasserentsorgung zur kommunalen Selbstverwaltung gehört. Die Landesregierung kann hier lediglich beratend und unterstützend tätig werden. Alle wichtigen Sachentscheidungen treffen die Kommunen bzw. ihre Vertreter bei den Aufgabenträgern und werden auch von den Landesbehörden respektiert, soweit sie sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bewegen.
Meine Damen und Herren, Frau Adolph, da wir kurz vor Weihnachten - dem Fest des Friedens - stehen, möchte ich meinen Redebeitrag mit einer positiven Interpretation Ihres Antrags beenden. Indem Sie hier etwas beantragen, was die Landesregierung bereits seit langem praktiziert, sprechen Sie ihr indirekt ein Lob für ihr Handeln aus. Dem kann ich mich nur anschließen.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Verantwortungsvolle Politik bedeutet vor allem, die normative Kraft des Faktischen zur Kenntnis zu nehmen. Das Schuldenmanagement Abwasser hat in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, bei der Entschuldung eine Reihe von Zweckverbänden zu unterstützen. Zugunsten der Gebührenzahler haben wir für die Forde
rung der Fortsetzung des Schuldenmanagements durchaus Verständnis, Frau Adolph. Planerisch wurde mit der Entscheidung für die überdimensionierten Anlagen im Bereich der Abwasserent- und Wasserversorgung im Land Brandenburg von Beginn an ein kommunal-haushalterisches Fiasko produziert, das flächendeckend sowohl die Kommunen als auch die Grundstückseigentümer massiv belastet. Dies haben Sie, Frau Adolph, gesagt, und dies ist auch richtig.
Die rote Landesregierung hat von Anfang an die Zeichen der Zeit verkannt. Zudem wurden mit einer völlig verfehlten Förderpolitik nach dem Gießkannenprinzip in der Fläche - trotz der niedrigen Bevölkerungsdichte - vor allem zentrale Entsorgungskonzepte realisiert. Seit dem Jahr 1999 - sogar noch davor - sprechen wir darüber. Damals waren Sie, Herr Minister, noch Abgeordneter und haben uns ein wenig Recht gegeben.