Protocol of the Session on September 17, 2008

Gibt es Abgeordnete im Plenarsaal, die keine Gelegenheit hatten, ihr Votum abzugeben? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Meine Damen und Herren, ich teile Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Fraktion der DVU, der Ihnen in der Drucksache 4/6638 vorliegt, mit:

Für den Antrag stimmten 6 Abgeordnete, gegen ihn stimmten 60 Abgeordnete. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 5347)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 17 und rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/6663

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der DVU. Herr Abgeordneter Nonninger, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Alle Macht geht vom Volke aus. Aber wo geht sie hin?“ - Dieser bekannte Ausspruch von Kurt Tucholsky ist zu den Überlegungen der Väter unseres Grundgesetzes spiegelbildlich. Im Jahr 1948 wurde auf Herrenchiemsee das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland konzipiert. Dieses Grundgesetz ist von der Einsicht getragen, dass die Freiheitsrechte der Menschen sowie das Rechtsstaatsprinzip in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung höchsten Wert haben. Aus diesem Grund wurde auch die Ewigkeitsklausel des Artikels 79 Abs. 3 in das Grundgesetz eingefügt, womit das Rechtsstaatsprinzip sowie der Kernbereich der Grundrechte unabänderlich sind.

(Sarrach [DIE LINKE]: Für Menschen, wie Sie es sind, wurde das getan!)

Unser Grundgesetz legt zudem in Artikel 19 Abs. 2 fest, dass kein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden kann.

Seit dem schrecklichen Terroranschlag in New York am 11. September 2001 hat sich nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland das politische Klima klar verändert. Nirgendwo hat sich das Verhältnis der Bürger zum Staat in den letzten Jahren so verändert wie im Bereich der Sicherheit. Dort, wo früher ein vermeintlich allmächtiger Staat übereinstimmende Abwehrreflexe freigesetzt hätte, tritt seit Jahren - aufgrund eines schier unstillbaren Bedürfnisses nach Sicherheit - eine gesetzliche Maßnahme nach der anderen zutage. Die einschlägigen Änderungen in unserem Polizeigesetz - insbesondere zur VideoÜberwachung, Kennzeichen-Fahndung und Mobilfunküberwachung - sind dafür nur beispielhaft.

(Abgeordneter Schulze [SPD] lacht.)

Dabei ist es nicht allein die allgegenwärtige, für den Normalbürger jedoch kaum fassbare terroristische Bedrohung, die den Trend zum Überwachen und Strafen fördert. Kontrolle und Zwang sind mittlerweile wieder akzeptierte Formen gesellschaftlicher Selbstregulation geworden.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Sie müssen es ja wissen!)

Das im vorliegenden Antrag meiner Fraktion genannte, auf Bundesebene geplante Gesetzgebungsprojekt hat indes eine völlig andere Qualität. Das im Bundesministerium der Justiz vorbereitete Gesetzesvorhaben würde einen gravierenden Bruch in der Strafrechtsdogmatik bedeuten. Bislang ist für die Strafwürdigkeit und damit für den Unrechtsgehalt einer Tat immer noch entscheidend, dass jemand anders unmittelbar oder zumindest mittelbar gefährdet wird.

Mit den vom Bund intendierten Änderungen soll jedoch bereits der Erwerb von Kenntnissen unter bestimmten Voraussetzungen und Motiven schwer bestraft werden. So verwerflich irgendwelche Motive auch sein mögen, die Strafbarkeit des bloßen Erwerbs von Fähigkeiten oder Kenntnissen hat mit einem Rechtsstaat nicht mehr das Geringste zu tun, sondern erinnert an unselige, dunkle Zeiten in der Geschichte.

Wir als Abgeordnete haben jedoch gegenüber den Menschen in unserem Land eine große Verantwortung übernommen. Jeder von uns sollte sich dem Grundgesetz und der Verfassung des Landes Brandenburg so weit verpflichtet fühlen, dass er das zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Erforderliche tut. Ich meine damit nicht nur die Mitglieder meiner Fraktion, sondern auch die wenigen anderen demokratischen Abgeordneten in diesem Haus, für die Verfassungstreue nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern echte Überzeugung ist.

(Beifall bei der DVU)

Auf Landesebene respektieren wir als Abgeordnete den Souverän. Da können wir selbst die Verfassungskonformität unseres Landesgesetzes im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutieren und abwägen. Auf Bundesebene können wir dies nicht. Hier kann nur die Landesregierung im Bundesrat dafür sorgen, und um nichts anderes geht es in unserem Antrag. Daher bitten wir jeden verfassungstreuen Abgeordneten dieses Hauses um Zustimmung.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Christoph Schulze. Er spricht für die SPD-Fraktion und die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man wirklich lachen.

(Zuruf von der DVU: Sie haben doch gelacht!)

Die DVU geriert sich hier als liberale Freiheitspartei. Das ist der Treppenwitz des Jahres. Ich glaube, den sollte man unbedingt aufschreiben. Die DVU ist keine normale Partei. Die DVU ist keine demokratische Partei. Die DVU ist eine Partei, die offen, mal verdeckt, das Gedankengut aus der NS-Zeit weiterhin vertritt.

(Zurufe von der DVU)

Wir konnten hier im Landtag häufig sehen, wie sie die Grundwerte des Grundgesetzes ständig infrage stellt. Der Antrag ist an Verlogenheit nicht mehr zu übertreffen. Die Brandstifter belehren die Feuerwehr! Die Verfassungsfeinde bringen einen Antrag ein, um die Demokraten aufzufordern, sich zum Grundgesetz und zur freiheitlichen Grundordnung zu bekennen. Das ist eine Bodenlosigkeit, die einen sprachlos macht, die aber auf der anderen Seite auch entlarvend ist.

Kurt Tucholsky zitieren! Er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass die DVU seinen Namen in den Mund genommen hat. Er ist genau das Gegenteil von Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich fordere an dieser Stelle die DVU-Fraktion auf, sich selbst zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen. Ich fordere sie auf, hier im Landtag einen Antrag einzubringen, in dem steht: Die DVU bekennt sich zur Freizügigkeit aller Menschen. - Ich verlange von Ihnen, dass Sie sich hier zum Gleichheitsgrundsatz bekennen, wonach alle Menschen gleich sind, unabhängig von Rasse, Religion oder Herkunft.

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Ich verlange von Ihnen, dass Sie sich hier zur Glaubens- und Religionsfreiheit bekennen, dass Sie sich zur Meinungsfreiheit bekennen. Ich verlange von Ihnen, dass Sie die Gewaltenteilung anerkennen, die Sie hier regelmäßig auch in Abrede stellen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Geschichte anerkennen und keinen Geschichtsrevisionismus betreiben und Ihre ständige Geschichtsklitterung im Landtag bleiben lassen, die Sie schon vielfach vorgeführt haben. Ich verlange, dass Sie sich gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus aussprechen und ganz klar dazu bekennen, dass das Gedankengut ist, das man nicht vertreten kann.

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Herr Schulze, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich lasse mich von diesen Damen und Herren nicht unterbrechen. - Alles dies haben Sie fortwährend stets und ständig hier im Landtag in Abrede gestellt. Wir kennen das. Wir haben die Protokolle. Wir haben Ihre Worte. Das können Sie nicht leugnen.

Die DVU, Bündnispartner der neofaschistischen NPD, hat ein Problem mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie lehnen sie nämlich in Wirklichkeit ab. Der Antrag ist eine Farce. Er ist eine Provokation und letztlich auch ein Offenbarungseid. Die DVU ist der Wolf im Schafspelz.

Meine Damen und Herren, ich sage: Hören Sie auf, sich zu verstellen! Seien Sie so, wie Sie wirklich sind - in Ihren nicht öffentlichen Sitzungen und in Ihren Hinterkammergesprächen und in dem, was man in Ihren Druckwerken lesen kann. Nehmen Sie die Maske ab und zeigen Sie das, was Sie wirklich sind. Sie sind nämlich keine demokratische Partei. Sie sind auch keine Demokraten. Sie wollen letztlich einen anderen Staat. Sie vertreten ein Gedankengut, das mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist. Wir werden uns von Ihnen nicht an einem Ring durch die Arena zerren lassen, um uns zu dem zu bekennen, was Sie in Wirklichkeit ablehnen und zerstören wollen. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei SPD und CDU und bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Bernig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der DVU-Fraktion ist ein Schaufensterantrag, der an Heuchelei kaum zu überbieten ist. Genauso ist es mit Ihrem Bekenntnis zur Verfassungstreue, Herr Nonninger.

Die DVU-Fraktion spielt sich in ihrem Antrag als Gralshüter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf. Dabei weiß man doch, dass ihr Vorsitzender und Parlamentarischer Geschäftsführer der Brandenburger Spitzenkandidat der NPD für die Bundestagswahl 2005 war. Die Kooperation der DVU mit der NPD - Kollege Schulze hat darauf hingewiesen - ist hinreichend bekannt.

Dass die NPD verfassungsfeindlich ist und die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch eine Diktatur ersetzen will, die eine demokratische Rechtsordnung gar nicht kennt, weiß man. Der Vorsitzende der DVU selbst hat auf dem Parteitag am 25.02.2007 das bestehende Politik- und Wirtschaftssystem als Verirrung des menschlichen Geistes bezeichnet, das auf Dauer nicht lebensfähig sei. Der NPD-Vorsitzende Voigt hat erklärt, dass er die Bundesrepublik abwickeln will. Wie das passieren soll, dokumentiert die NPD auch damit, dass sie verurteilte Gewalttäter für Kommunalparlamente kandidieren lässt, wie das in Guben der Fall ist.

Das alles ist bezeichnend genug für die tatsächlichen Ziele rechtsextremer Parteien. Das sollte und muss man den Bürge

rinnen und Bürgern vor den Kommunalwahlen noch einmal ganz deutlich sagen.

(Görke [DIE LINKE]: Genau! - Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Es ist keine Frage der inhaltlichen Auseinandersetzung, sondern eine Frage der politischen Hygiene und des Schutzes der Demokratie, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Die Landesregierung verzichtet. Somit erhält Herr Abgeordneter Nonninger noch einmal das Wort.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das reicht!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin über die Reaktion meiner Vorredner auf meinen Antrag schon einigermaßen erstaunt.