Protocol of the Session on May 29, 2008

Zur Repression gehört aber eben auch, dass wir Verfassungsfeinden gar nicht erst die Chance einräumen, öffentliche Ämter zu bekleiden. Wenn jemand Landrat oder Bürgermeister ist,

weil er in diese Position gewählt wurde, dann ist er schließlich auch ein Repräsentant der Demokratie. Er ist jemand, der den Staat vertritt. Ich halte es für richtig, Wege zu finden, die es diesen Menschen von Anfang an unmöglich machen, für ein solches Wahlamt anzutreten. In Mecklenburg nennt man so etwas Demokratie-Checks. Ich habe unseren Innenminister wohl recht verstanden, dass er versucht, einen solchen Weg auch in Brandenburg zu finden, dies mit der hiesigen Rechtslage abzugleichen und die Möglichkeiten für ein solches Vorgehen zu prüfen. Wo es berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue bestimmter Wahlbewerber gibt, sollten diese meiner Meinung nach gar nicht erst antreten dürfen. Dahin müssen wir schließlich auch kommen.

Zweitens: Härte allein reicht jedoch nicht. Deshalb müssen wir auch die Ursachen des Rechtsextremismus sehr genau betrachten. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen. Wir wissen, es ist nicht nur Empirie, sondern wohl auch nachgewiesen, dass insbesondere Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig sind und unsichere Zukunftsperspektiven haben, für rechtsextremistisches Gedankengut anfällig sind. Das ist unstrittig.

Der Rechtsextremismusforscher Richard Stöss sagt deshalb, wir müssten, wenn wir das Übel wirklich an der Wurzel bekämpfen wollten, bei den Menschen wieder ein Gefühl schaffen und ihnen verinnerlichen, das ihnen signalisiert: Die Demokratie wird unsere Probleme lösen; wir leben in einem Wirtschaftssystem, das auch mir eine Zukunft gibt. Das heißt, wir müssen den Leuten auch Wege zeigen, wie sie sich dabei mit einbringen können. Darum müssen wir für Gremien in den Betrieben kämpfen, in denen Mitsprache möglich ist, also für Arbeitnehmerrechte. Wir brauchen aber auch einen Mindestlohn, um den Leuten zu zeigen: Deine Arbeit, die du hier leistest, lohnt sich.

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Wir brauchen ebenso Wege, um Älteren, die abgeschlagen neben dem Arbeitsmarkt stehen, Möglichkeiten zu eröffnen, wieder in den Arbeitsmarkt hineinzugelangen. Aber darüber sind wir uns wohl einig.

Besonders wichtig ist es, dass wir unsere jungen Menschen so fit machen, dass sie alle die Schule mit einem Schulabschluss verlassen, mit dem sie eine Lehre oder ein Studium beginnen können, um nach der Ausbildung auch eine Arbeit zu bekommen. Anderenfalls werden sie in der vielen freien Zeit, die sie zu Hause herumhängen, für Offerten von Rechtsextremisten oder Antisemiten und von Gewaltbereiten anfällig sein.

Darum begrüße ich es, dass es uns gelungen ist, die Arbeitsverwaltung umzubauen. Vor drei Jahren war ein Vermittler für 600 bis 700 Jugendliche zuständig. Gott sei Dank sind wir heute so weit, dass ein Vermittler nur noch 70 bis 80 junge Arbeitslose betreut, wenngleich auch dies noch nicht zufriedenstellend ist, denn meines Erachtens muss gerade bei arbeitslosen Jugendlichen die Betreuungsquote bei 1 : 30 oder 1 : 40 liegen. Ihre Zahl muss etwa in der Dimension einer Schulklasse liegen, damit man wirklich auf jeden individuell eingehen kann.

Drittens: Der Rechtsextremismusexperte Thoralf Staut, der dieses Phänomen insbesondere für Ostdeutschland untersucht hat, vertritt in Bezug auf die NPD die Meinung, wir sollten sie

widerlegen und nicht verbieten. Hinsichtlich eines Verbots bin ich anderer Auffassung als er, aber diese Diskussion gehört nicht hierher. Beim Thema Widerlegen darf man die Diskussion nicht scheuen. Wir sollten keine Angst vor ihnen haben, wir sollten aber auch nicht blauäugig sein. Weil ich hier die Kollegen vom Mobilen Beratungsteam sehe, möchte ich sagen, dass ich insbesondere die Aktion, die Wolfram Hülsemann in unserer Fraktion und meines Wissens auch in anderen Fraktionen dargestellt hat, begrüße. Die Kollegen des MBT sind bereit, mit unseren Kandidaten für die Kommunalwahlen Seminare durchzuführen - insbesondere mit den noch etwas unerfahrenen -, um ihnen zu erklären, wie man Rechtsextremisten erkennt, in welcher Gestalt sie auftauchen und wie man gegen sie argumentieren kann. Dieses Angebot, das von den Mobilen Beratungsteams unterbreitet wurde, halte ich für extrem wichtig und gut.

Wir sollten uns angesichts der Wortergreifungsstrategie, die derzeit Raum greift, nicht wegducken, und wir sollten insbesondere im Kommunalwahlkampf die Augen öffnen, die Sinne schärfen und genau hinhören, was gesagt wird. Viel zu oft lassen wir lax geäußerte Gedanken einfach laufen, widersprechen nicht, wenn jemand ein T-Shirt mit einer hässlichen Botschaft trägt oder irgendwelche dummen, demokratiefeindlichen Sätze sagt. Vielfach sind wir zu unkritisch, wenn wir das hören, vielleicht auch zu feige. Wir sollten nicht mit den Schultern zucken, wenn wir Äußerungen von Passivität erleben, sondern die freiheitlichen und demokratischen Werte offensiv verteidigen, und zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Hierfür gibt es im Lande gute Ansätze. Einen ganz wichtigen davon nenne ich: die vielen Menschen, die in lokalen Initiativen, in kleineren Aktionsbündnissen, auf Kreis- oder Ortsebene engagiert sind. Es wirkt als Signal, wenn sie sich aufraffen und sagen, wir haben die Schnauze voll, wir wollen das nicht länger hinnehmen.

Am Samstag hatte ich die Gelegenheit, die Schirmherrschaft für ein Fußballturnier zu übernehmen, eine sogenannte MiniWM in Hohenneuendorf. Die Kindergärten der Nordbahngemeinden haben sich zusammengetan, um eine Mini-FußballWM durchzuführen. Es war toll zu sehen, wie sich die Kindergärten sofort mit Nationen ihrer Wahl identifiziert haben. Es war toll anzuschauen, wie sich die kleinen Steppkes von fünf und sechs Jahren mit übergroßen T-Shirts, die ihnen mitunter bis in die Kniekehlen hingen, mit den Nationen identifizierten, die darauf genannt waren - Russland, Spanien, Brasilien, Ungarn oder was auch immer -, wie sie als spanische Toreros in den Kampf gingen und für Spanien gewannen, wie sie für Ungarn, für Russland oder auch für Deutschland in den Kampf gingen. Sie haben für die jeweiligen Nationen gestritten. Es war ihnen völlig egal, welche Nation es war; sie haben sich damit identifiziert. Wenn ich solche Kinder sehe, dann ist mir um die Zukunft unserer Brandenburgerinnen und Brandenburger im Umgang mit anderen Nationen nicht mehr bange. - Vielen Dank erst einmal.

(Beifall bei der SPD, der Fraktion DIE LINKE und ver- einzelt bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE setzt die Abgeordnete Kaiser die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Baaske erinnerte eingangs dieser Aktuellen Stunde an die gestrige Gedenkstunde. An deren Ende sagte unser Präsident in Würdigung der Rede von Herrn Mor, dass wir als Abgeordnete des Landtages uns in Verantwortung fühlen, in Verantwortung stehen für die Geschichte, aber auch für das Geschehen, das vor uns liegt. Deshalb ist der 10. Jahrestag des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ ein gutes Datum, ein guter Anlass für diese aktuelle Debatte. Bei den bevorstehenden Kommunalwahlen im Jahr 2008 werden nämlich auch rechtsextremistische Parteien weiterhin versuchen, politischen Einfluss zu gewinnen, und das vergrößert unsere Aufgabe.

Das Handlungskonzept ist seit zehn Jahren eine gute Grundlage im ständigen Ringen um mehr Demokratie und Toleranz sowie in der Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Bewegungen im Land. Leider hatte und hat unser Landtag nur zu oft traurigen Anlass gehabt, sich mit rechtsextremistischen Vorfällen auseinanderzusetzen. Leider haben sich in den letzten zehn Jahren Toleranz und Weltoffenheit eben nicht überall in Brandenburg durchsetzen können. Die Ermordung von Marinus Schöberl, der Überfall auf Noël Martin, der Tod von Omar Ben Nui und vieler anderer machte uns immer wieder betroffen und fassungslos. Diese Vorkommnisse zeigen, dass ein solches Handlungskonzept notwendig war und immer noch notwendig ist.

Angesichts der vielen Opfer rechtsextremer Gewalt seit 1990 stellt sich immer wieder die Frage, warum sich Menschen in rechtsextremen Parteien und Gruppierungen engagieren und versammeln, warum solche Gruppierungen auf dem Boden der Gesellschaft wachsen können und welche Wechselwirkungen zwischen dem herrschenden gesellschaftlichen Prinzip der Gewinnmaximierung und der in weiten Teilen der Bevölkerung immer wieder zu beobachtenden Offenheit für rechtsextreme Ideologien bestehen.

Wir wissen, die Ursachen des Rechtsextremismus sind sehr vielfältig. Rechtsextremistisches Gedankengut wächst leider trotz repressiven Handelns des Staates und vieler zivilgesellschaftlicher Initiativen. Rechtsextreme Einstellungen wachsen vom Rand zur Mitte und dies im gesamten Land. Faktoren wie soziale Probleme und Verarmung, der Verlust sozialer Milieus, auch ein autoritärer Charakter, der in der Sozialisierung durch eine Familie ausgeprägt werden kann, Politikverdrossenheit, fehlende demokratische Kultur und mangelnde politische Bildung sind alle ein Stück weit wirksam.

So verschieden, wie die Ursachen sind, so verschieden sind mittlerweile die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und, verehrte Kolleginnen und Kollegen, so verschieden müssen auch die Ansätze ausgestaltet sein, mit denen wir rechtsextremen Erscheinungen entgegentreten und sie zurückdrängen.

Einerseits bietet das Handlungskonzept dafür verschiedene methodische Ansätze, die von der Stärkung der Zivilgesellschaft über politische Bildung und Präventionsarbeit bis zur Repression reichen. Wichtig erscheint uns dabei vor allem eine nachhaltige und kontinuierliche Arbeit sowohl der Koordinierungsstelle als auch des gesellschaftlichen Aktionsbündnisses gegen Gewalt. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit muss durch alle Beteiligten begegnet werden.

Andererseits beobachten wir: In vielen Teilen des Landes sind auch verlässliche politische Strukturen und Akteure verlorengegangen, und das kann Felder öffnen für rechtsextreme Akteure und ihre Klientel. Den Akteuren der Koordinierungsstelle des Aktionsbündnisses, den Akteuren des Mobilen Beratungsteams gelten unser Respekt und unsere Anerkennung. In diesem Punkt schließe ich mich dem Kollegen Baaske an, denn klar ist: Wo Einzelne Gesicht zeigen und immer aktiv vor Ort mit ihrer Person für eine Sache stehen, da bekommen auch viele andere Mut, sich zu engagieren.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Es gibt auch zahlreiche Beispiele für ein gelungenes Engagement in der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus. Eben wurden schon einige genannt. Als Beispiel möchte ich natürlich auch Halbe und die jahrelangen Bemühungen nennen, in denen wir Demokraten es zweimal geschafft haben, dass Aufmärsche nicht stattfanden. Wir werden diesen Ort auch weiterhin gegen nationalistischen Ungeist verteidigen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Das vor Ort aktive Aktionsbündnis hat über viele Jahre eine engagierte Arbeit geleistet und so dem „Tag der Demokraten“ den Weg geebnet. Meine Fraktion ist dabei sehr stolz auf das Engagement von Frau Weber.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wichtig ist, Gesicht zu zeigen - aber überall. Ich will ausdrücklich den Respekt meinem Landrat Gernot Schmidt gegenüber äußern, der es nicht nur vor eineinhalb Jahren in Seelow geschafft hat, als die Nazis nach Seelow auswichen, dort mit dabei zu sein, sondern der auch kürzlich in Strausberg einem Infostand der NPD gegenübergetreten ist. Junge Leute haben ein öffentliches Frühstück veranstaltet und hinterher den rechtsextremistisch bedruckten Müll wieder eingesammelt. Da stand der Landrat in der ersten Reihe. Ich sage ganz deutlich: Diese seine Teilnahme - so exponiert - ermutigt und motiviert auch andere Leute, sich öffentlich zu engagieren.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

So war und ist das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ in seinem Bemühen, die Zivilgesellschaft gegen rechtsextreme Einstellungen und Gesinnungen zu stärken, Vorbild hier im Land für unser Engagement, aber auch Vorbild für andere Bundesländer. Mobile Beratung und Opferberatung sind mittlerweile von anderen Bundesländern übernommen worden. Das Konzept lebt nicht nur durch ein Beispiel auf dem Papier, sondern es lebt durch unser Engagement.

Derzeit laufende Bundesprogramme sind grundsätzlich richtig. Sie haben unserer Auffassung nach jedoch zwei grundsätzliche Probleme. Lassen Sie mich diese benennen. Zum einen wird Rechtsextremismus in ihnen zu sehr als Rand-, Jugend- oder Ostproblem verstanden. Es gibt unserer Auffassung nach eine zu starke Ausrichtung auf den Bereich Inneres. Der Einsatz für Demokratie und Toleranz ist aber eine Aufgabe für alle, so auch für alle Politikfelder von Bildung über Soziales bis hin zur Justiz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landtag hat als wichtiger Teil der Öffentlichkeit Brandenburgs eine eigene Verantwor

tung. Der Landtag sollte seiner Verantwortung gerecht werden und über eine Änderung der Verfassung des Landes diskutieren. Der Landtag wird an der Umsetzung dieser Forderung gemessen werden. DIE LINKE ist dazu bereit. Ein Vorschlag ist öffentlich bekannt. Wir haben ihn miteinander besprochen. DIE LINKE wird zur nächsten Landtagstagung einen Antrag auf Aufnahme des Verbots der Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts in die Landesverfassung einbringen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ - das sei an die Adresse der DVU gerichtet - rechnet sich. Keine Angst, es rechnet sich jeder Cent gegen Rechtsextremismus. Jeder Cent ist eine Investition in die Zukunft dieses Landes.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns alle gemeinsam an der Zukunft unseres Landes, an einem toleranten, weltoffenen, solidarischen Land Brandenburg bauen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Herr Abgeordneter Lunacek setzt für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen, am 23. Mai, jährte sich zum 59. Mal die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Gründung der Bundesrepublik trat das Grundgesetz in Kraft. Deshalb ist der 23. Mai als „Tag des Grundgesetzes“ in Deutschland staatlicher Gedenktag.

Leider findet dieser Gedenktag selten die ihm angemessene Aufmerksamkeit, erinnert er doch an einen der bedeutendsten Texte der deutschen Geschichte: an unser Grundgesetz. Das Grundgesetz ist die Grundlage für unseren freiheitlichen Rechtsstaat mit all seinen Segnungen: Das Recht auf Leben, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Meinungsfreiheit, der Schutz der Familie, die Religionsfreiheit, der Schutz der Wohnung, all das ist dort verankert.

Es gab in unserer Geschichte leider auch Zeiten, in denen den Deutschen all diese und andere Menschen- und Bürgerrechte vorenthalten wurden. Noch nie vorher in der deutschen Geschichte gab es eine Zeit, in der Menschenwürde, Freiheit und auch Wohlstand eine so sichere Grundlage hatten wie heute. Dafür können wir alle dankbar sein, es ist uns allen aber auch Verpflichtung, dies zu wahren.

Das Grundgesetz gibt unserem Staat und unserem Volk ein Wertefundament: In Artikel 1 Grundgesetz heißt es:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Der Schutz der Menschenwürde ist die Grundlage unseres Zusammenlebens in Deutschland. Diese personale Menschenwür

de und der Schutz der personalen Menschenwürde sind nicht selbstverständlich: Viele Kulturen auf unserer Erde kennen diesen Schutz so nicht. Sie basiert auf dem christlichen Menschenbild, das jedem Menschen diese besondere Würde aus sich selbst heraus, sozusagen als Geschöpf Gottes, zuspricht unabhängig von seiner Sprache, seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, seinen körperlichen Vorzügen oder auch Behinderungen. Unabhängig davon spricht es jedem Menschen dies zu. Nicht umsonst beruft sich das Grundgesetz deshalb in seiner Präambel auf die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“.

In der Aufklärung hat sich auf dieser Grundlage unser heutiges Verständnis von Menschenwürde entwickelt. Dies war ein sehr bedeutender Schritt in der Geistestradition unseres Kontinents, und wir tun gut daran, uns dieser Kostbarkeit immer wieder zu erinnern, denn tolerant kann nur derjenige sein, der auf festem Grund steht. Toleranz ist ein Kulturgut und hat eine lange Tradition: von den Zehn Geboten des Alten Testaments über die Schriften der Aufklärung bis hin zu unserem Grundgesetz.

Ein weiterer Wert für Toleranz und neben Toleranz ist für mich die Freiheit. Ohne Toleranz kann es keine Freiheit geben, und ohne Freiheit kann es keine Toleranz geben. Nicht umsonst haben die intoleranten Ideologien des 20. Jahrhunderts der Rechtsextremen - ich nenne aber auch ganz ausdrücklich die Linksextremen; welche Verheerungen sie in Europa angerichtet haben, ist auch schlimm - zur Unfreiheit bis hin zum Massenmord geführt. Zugleich war in diesen Zeiten der Unfreiheit die Toleranz gegenüber dem Anderen stets am fernsten.

Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ wurde heute vor fast zehn Jahren am 23. Juni 1998 beschlossen. Im Leitbild dieses Handlungskonzeptes ist festgehalten, dass die Landesregierung - und das gilt für alle demokratischen gesellschaftlichen Kräfte in diesem Land - für Freiheit, für Demokratie, für Solidarität steht. Es ist festgehalten, dass die Zivilgesellschaft gestärkt werden soll gegen Tendenzen, die gegen Freiheit, Demokratie und Menschenrechte stehen. Es soll ein gemeinsames Vorgehen aller zivilgesellschaftlichen Kräfte im Kampf für Freiheit, Demokratie und Toleranz erreicht werden. Dazu werden bestehende Strukturen vernetzt. Dazu werden Informationsstellen, zum Beispiel für die Opfer, oder Lotsendienste eingerichtet. Konkrete Projekte wie die Qualifizierung pädagogischer Lehrkräfte oder Tagungen wie die des Verfassungsschutzes vom 23. Mai dieses Jahres werden durchgeführt.

Meine Damen und Herren, wir haben Erfolg. Das Handlungskonzept hat gegriffen. Das ist gut so. Schauen Sie sich einmal an, wofür Brandenburg in den 90er Jahren stand: Mit Rechtsextremismus ist unser Land durch die deutschen und internationalen Gazetten gelaufen. Wir haben dafür gesorgt, dass in Halbe keine Rechtsextremen mehr so auftrumpfen, wie sie das noch vor wenigen Jahren gemacht haben. In Seelow ist Widerstand entstanden, ganz spontan, ohne Zutun der Landesregierung. Dieser Erfolg ist vielfach dokumentiert, beispielsweise im Verfassungsschutzbericht 2007 und in der Kriminalstatistik.

Der Verfassungsschutzbericht 2007 besagt, die gemeinsame Auseinandersetzung von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Strukturen habe dafür gesorgt, dass neonazistische Gruppierungen vorerst keine bedeutenden Kameradschaftsorganisationen mehr bilden können. Der Anstieg der Gesamtfallzahlen in den Jahren 2005 und 2006 hat sich nicht fortgesetzt. Rechtsex