Ich begrüße unter unseren Gästen den Vorsitzenden des Rates für sorbische (wenidische) Angelegenheiten, Herrn Konzack, mit seiner Begleitung. Herzlich willkommen!
Ich habe Sie zu informieren, dass der Ausschuss für Haushalt und Finanzen in seiner 44. Sitzung am 14.11.2007 Herrn Abgeordneten Ralf Christoffers zu seinem Vorsitzenden gewählt hat. Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg!
Die überarbeitete Tagesordnung liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über die Tagesordnung abstimmen. Wer nach der Tagesordnung in der vorliegenden Fassung verfahren will, möge die Hand heben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Wir verfahren also wie beschlossen.
Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass Ministerin Ziegler heute ganztätig von Ministerin Dr. Wanka vertreten wird. Minister Junghanns wird ganztägig von Minister Rupprecht und Minister Schönbohm von Ministerin Blechinger vertreten. Ich hoffe, dass uns die Abarbeitung der Tagesordnung trotzdem gut gelingt.
Thema: Es ist fünf vor zwölf und es gibt immer noch kein neues Finanzierungsabkommen für die Stiftung für das sorbische Volk
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ces´cone knˇenje a knˇeze, ces´cone gós´ci, witaj´so k nam do krajnego sejma Bramborska, das am 28. August 1998 geschlossene - also zurzeit noch gültige - Finanzierungsabkommen zwischen dem Bund sowie den Ländern Sachsen und Brandenburg mit der Stiftung für das Sorbische Volk läuft zum 31. Dezember 2007 aus. Die Verhandlungen zu einem neuen Abkommen haben im Oktober 2006 begonnen. Nach Einschätzung des Bundesverwaltungsamtes sind die Verhandlungen als gescheitert zu bezeichnen, sodass die Finanzierung auf der Grundlage der Haushaltspläne von 2008 erfolgen muss. Träfe dies zu, hieße das, dass vonseiten des Bundes lediglich 7 Millionen Euro - also nicht die benötigten mindestens 8,2 Millionen Euro - zur Verfügung stün
den, wobei 2 Millionen Euro davon auf Veranlassung des Bundesfinanzministeriums zudem gesperrt sind.
Sachsen würde in bewährter Weise die geplante Summe zahlen, Brandenburg ebenfalls - jedenfalls ungefähr -, allerdings sind nach gegenwärtigem Stand 600 000 Euro des brandenburgischen Anteils vorläufig gesperrt. Den Sorben (Wenden) hilft all das wenig, weil das Finanzierungsabkommen insgesamt nicht stimmt, weil ein Geldgeber - nämlich der Bund - ausschert und die Finanzierung den Ländern am liebsten komplett übertragen würde. Natürlich steht auch das Land Brandenburg hier in der Pflicht; denn letztlich geht es um die finanziellen Voraussetzungen dafür, dass auch nach dem Jahreswechsel eine erfolgreiche Arbeit zur Bewahrung und Revitalisierung der sorbischen/wendischen Sprache und Kultur - ganz im Sinne von Artikel 25 der Landesverfassung - auch in Brandenburg geleistet werden kann.
Meine Fraktion hat in der Vergangenheit oft genug Gründe gesehen, die Sorben(Wenden)-Politik der Landesregierung zu kritisieren. Heute, Herr Ministerpräsident und Frau Ministerin Wanka, können Sie damit rechnen, uns bei Ihren offensichtlich schwierigen Verhandlungen mit dem Bund an Ihrer Seite zu haben.
Worum geht es? Wir beraten in dieser Aktuellen Stunde über den Umgang der deutschen Mehrheitsbevölkerung mit der Minderheit, die gerade einmal 0,25 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ausmacht. Wir sprechen über eine von vier autochthonen Minderheiten in Deutschland.
Doch im Unterschied zur dänischen Minderheit in Deutschland oder zur deutschen Minderheit in Ungarn, Rumänien oder Russland können die Sorben (Wenden) eben nicht auf ein Mutterland von außerhalb hoffen, wenn sie Bücher, Filme, Theater in ihrer eigenen Sprache haben oder sich wissenschaftlich mit der Geschichte ihres eigenen Volkes beschäftigen wollen. Sie können auch nicht, wenn es Probleme gibt, wie die deutschen Minderheiten in europäischen Ländern den Botschafter ihres Mutterlandes um Hilfe bitten. Das Mutterland der Sorben (Wen- den) ist Deutschland. Ihr angestammtes Siedlungsgebiet ist hier. Von daher ist es nur logisch, dass es nicht im Belieben von Landes- oder Bundespolitik liegen kann, ob oder wie die Sorben (Wenden) gefördert werden.
Außerdem hat sich die Bundesrepublik Deutschland zur Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates vom 17. Januar 1998 sowie zum Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1998 bekannt. Wir sprechen also in erster Linie nicht darüber, ob mehr oder weniger Finanzen für die Stiftung für das Sorbische Volk bewilligt werden können, sondern sprechen auf verfassungsrechtlicher Grundlage und im Kontext erfreulich hoher europäischer Standards über die Zukunft einer autochthonen Minderheit in Deutschland mit eigener Kultur und eigener Sprache.
Es geht nicht um Folklore oder gar um „pittoreske Kostümfeiern“, wie ein einflussreiches Wochenmagazin vor vier Wochen schrieb. Wenn aber von heute auf morgen Finanzen in siebenstelliger Höhe pro Jahr weniger zur Verfügung stünden, wären auch Folkloreveranstaltungen eventuell nicht mehr oder nur
noch auf ehrenamtlicher Grundlage möglich; solche Veranstaltungen soll es ja geben, und die Deutschen sollen ja auch hingehen. Wir wissen jedoch, dass dann vor allem die Hochkultur der Sorben (Wenden) gefährdet wäre - der Domowina-Verlag, das Deutsch-Sorbische Nationaltheater, das Wendische Museum in Cottbus, das Sorbische Institut und das Sorbische Nationalensemble -, und wir wissen auch, dass es die Hochkultur ist, die nicht nur das Gedächtnis eines Volkes ausmacht, sondern eben auch Identität stiftet und in die Zukunft weist.
Bereits jetzt sieht die Zukunft zum Beispiel des Sorbischen Nationalensembles Bautzen nicht rosig aus. Das kann uns in Brandenburg nicht gleichgültig sein. Dieses dreisprachige Ensemble - genau wie das dreisprachige Bautzener Theater - gastierte auch im Land Brandenburg mit Erfolg und wird über das bisherige Finanzierungsabkommen vom Land Brandenburg mitfinanziert. - Es spielt tatsächlich dreisprachig, nämlich obersorbisch, niedersorbisch und deutsch.
Sehr erfolgreich gastierte das Sorbische Nationalensemble im vergangenen Sommer in der Slawenburg Raddusch mit „Krabat oder die Erschaffung der Welt“.
Nun habe auch ich durchaus kritische Bemerkungen zu einzelnen Inszenierungen und höre Kritik am Gesamtkonzept des Theaters und des Nationalensembles oder des Wendischen Museums in Cottbus. Gegensätzliche Entscheidungen zum Haustarifvertrag für die Mitarbeiter des Sorbischen Nationalensembles sorgen nicht gerade für ein klares Bild von den Interessen der Sorben. Doch jede der beiden möglichen Reaktionen auf die finanzielle Krise des Flaggschiffs der sorbischen (wendi- schen) Kultur - Zustimmung zum Haustarifvertrag oder Ablehnung desselben - sollten von uns als die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker in erster Linie als Hilferuf der Sorben (Wenden) verstanden werden.
Es gilt bereits jetzt ohne die vom Bund geplante Kürzung, dass die gegenwärtige Finanzierung nicht ausreichend ist, um die Aufgaben im Sinne der beiden Landesverfassungen sowie der genannten europäischen Vereinbarungen zu erfüllen.
Es mag sein, dass die Opposition und die Regierungskoalitionen in diesem Punkt unterschiedlicher Meinung sind. Ich stelle aber fest, dass wir uns in letzter Zeit recht sachlich um die Lösung eines Problems bemühen. Zwar ziehen wir nicht unbedingt gemeinsam an einem Strang, aber zumindest ziehen wir die Stränge parallel in die gleiche Richtung.
Brandenburg hat sich in der gemeinsamen Sitzung mit der Sächsischen Staatsregierung zu seiner Verantwortung gegenüber den Sorben bekannt. Die Bundesregierung hat leider noch nicht einmal eine Stellungnahme zum Prüfbericht des Bundesrechnungshofs vom März 2007 abgegeben. Darin wird empfohlen, nach Wegen zu suchen, wie sich der Bund aus der Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk mehr oder weniger zurückziehen kann. Die entsprechenden Regelungen aus dem Einigungsvertrag seien verbraucht.
Wenn die Bundesrepublik an einem modernen Europa mitarbeiten will und die entsprechenden Verträge ernst nimmt, muss mit solchen diskriminierenden Empfehlungen Schluss sein. Das sage ich im Übrigen nicht im Namen der Sorben (Wen
den). Die Sorben (Wenden) können selbst für sich sprechen. Es ist etwas peinlich, dass eine offensichtlich paternalistisch eingestellte Mehrheit in diesem Hause nicht einmal die gewählten Vertreter des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten zu ihren eigenen Problemen reden lässt.
Nach den positiven Signalen aus dem Hauptausschuss habe ich wirklich gedacht, man könnte heute großzügiger verfahren.
- Man kann natürlich etwas, das man ohnehin nicht wollte, an Formalien scheitern lassen. Den Anruf gab es!
Ich sage noch einmal: Ich spreche hier für die deutsche Mehrheitsbevölkerung. Die Förderung der sorbischen (wendischen) Sprache und Kultur ist auch im Interesse der Deutschen in Brandenburg und Sachsen.
Ich möchte Beispiele nennen. Erstens: Eine großzügige Unterstützung von Minderheiten ist immer ein Beitrag zur Beförderung der Demokratie. Hieran zeigt sich, wie stark die Demokratie ist. Es ist quasi die Krone der Demokratie, wenn Mehrheiten in einigen wichtigen Dingen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, darauf verzichten, eine Minderheit überstimmen zu wollen. Das ist der Sinn von Minderheitenpolitik.
Zweitens: Die Lausitz wird in internationalen Debatten immer wieder als Beispiel für Regionen angeführt, die allein aufgrund der Existenz von zwei Kulturen einen großen Standortvorteil aufweisen. Hier bestehen nämlich genau durch diesen Umstand beste Voraussetzungen für interkulturelle Kompetenz als Allgemeingut. Sicher ist, dass die Probleme der Zukunft nur durch interkulturelle Kompetenz gelöst werden können.
Gerade in den östlichen Teilen Sachsens und im Süden Brandenburgs muss das nicht weiter bewiesen werden. Hier zeigt sich diese Funktion im Praktischen. Aber die Bedeutung des Sorbischen/Wendischen geht in dieser Frage über die Sprachbeherrschung hinaus. Es geht um den kultivierten Umgang mit der Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit unterschiedlicher Kulturen. Es geht um gelebte Toleranz und die Neugierde auf das ursprünglich Fremde. Es geht um gelebte Identität ohne Überhöhung oder Herabsetzung anderer Kulturen oder gar der eigenen. Das sind entscheidende Fragen der internationalen Politik geworden. Wir haben in unserer Region ausgezeichnete Voraussetzungen zur Entwicklung interkultureller Kompetenzen.
Drittens: Auf der Suche nach Standortvorteilen benachteiligter Regionen sollten wir stärker das Sorbische/Wendische entdecken und nutzen lernen. Man kann sich in anderen Regionen dieser Welt ansehen, wie das geht.
Am vergangenen Samstag war ein Aha-Erlebnis für Cottbuser Gäste sicherlich wichtiger als so manche Imagebroschüre. Als
auf dem 17. Festival des osteuropäischen Films die Preise vergeben wurden, wollte der Moderator von der jeweiligen internationalen Jury wissen, in welcher Sprache sie sprechen. Es ist selbstverständlich, dass auf einem internationalen Festival nicht nur Deutsch gesprochen wird. Gleich die erste Jurysprecherin antwortete mit erfrischender Selbstverständlichkeit: Sorbisch. - Warum Sorbisch?, wollte der Moderator wissen. Weil wir hier so sprechen, war die Antwort der jungen Frau. Genau das ist es. Lassen Sie uns daran arbeiten, dass das so bleibt und noch besser wird.
Sehr geehrte Frau Ministerin Wanka, wenn der Bund den Anteil an der Finanzierung vielleicht sogar erhöht, wie sorbische CDU-Mitglieder hoffen und mir immer wieder sagen, laden Sie meine Fraktionsvorsitzende, Herrn Christoffers und mich ein. Wir werden dann gemeinsam die Deckungsquellen finden, um den Anteil ebenfalls erhöhen zu können. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verzichte heute auf eine sorbische Ansprache, da ich diese Sprache im Gegensatz zu meinen Töchtern, die das niedersorbische Gymnasium besuchen, noch nicht beherrsche. Bisher haben die beiden den Vorteil, eine Sprache zu sprechen, die ihre Eltern nicht verstehen. Aber das kann sich ja noch ändern.
Lassen Sie mich einige Ausführungen zur Bedeutung des Sorbischen/Wendischen machen. Die Sorben besiedelten die Region in der Niederlausitz und in der Oberlausitz seit dem 6. Jahrhundert. Die Sprache und die Kultur haben sich, was sehr erstaunlich ist, über die Jahrhunderte trotz verschiedenartiger Anfeindungen und Assimilationsversuche erhalten. Sie wurden im Dritten Reich verfolgt. Das hat der sorbischen Kultur fast den Lebensatem genommen, denn mit dem Verlust der Sprache geht auch ein Verlust von Kultur und Identität einher.
Heutzutage hat sich das geändert. Durch die intensiven Bemühungen, zuletzt auch unterstützt von der Landesregierung, was die Revitalisierung der Sprache betrifft, ist es mittlerweile gelungen, ein sehr reichhaltiges Leben zu etablieren und zu fördern. Natürlich gibt es die Folklore, die sorbischen Tänze, die Trachten, die sehr farbenfrohen und bunten Gewänder und Kostüme. Es gibt die sorbische Volksmusik. Ich begrüße das außerordentlich. Sie sind sowohl für die Identität als auch für die Heimatstiftung in der Region im sorbischen Siedlungsgebiet überhaupt nicht hoch genug einzuschätzen.