Protocol of the Session on October 11, 2007

Für die CDU-Fraktion setzt der Abgeordnete Lunacek diese lebhafte Debatte fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eines vorausschicken: Frau Kaiser, die Behauptung, dieser Landtag hier sei mit einem Antrag der Koalitionsfraktionen konfrontiert, mit dem die Pläne von Vattenfall befürwortet würden, ist unverschämt. Das weise ich zurück.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass eine entsprechende Entscheidung nicht Aufgabe dieses Landtags ist, sondern dass dafür ein Planverfahren durchzuführen ist. Es wäre gar nicht zu verantworten, so etwas von dieser Stelle aus zu befürworten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Bundesregierung hat in den zurückliegenden Monaten immer wieder ein Bekenntnis zum Klimaschutz abgegeben. Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Klimaschutz für Deutschland zur Chefsache erklärt. Sie hat das alles selbst in die Hand genommen. Beraten wird sie unter anderem von dem renommierten Potsdamer Klimaforscher Prof. Schellnhuber sowie auch vom Vattenfall-Chef Göran Josefsson.

Es ist bekanntlich Programm der Union: Wir wollen, dass der Anteil regenerativer Energien an der Energieversorgung in Deutschland deutlich zunimmt. Wir streben an, diesen Anteil, der jetzt gut 5 % beträgt, bis zum Jahre 2020 auf 20 % zu erhöhen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Dabei gehen wir aber nicht mit dem Kopf durch die Wand, wie es die Fraktion DIE LINKE gern realisiert haben will, sondern wir wollen das verträglich machen. Die Entwicklung ist ja nicht vorhersehbar. Ob der Anteil regenerativer Energien bis 2050 auf 50 % erhöht werden kann, kann nicht vorhergesehen werden. Was vom Bundesumweltamt dazu gesagt wird, ist nur eine Prognose. Deshalb ist es unverantwortlich, hier zu erklären, dass wir aus der Kohle aussteigen könnten. Das geht nicht, meine Damen und Herren.

Für die Energieversorgung müssen wir mehrere Ziele anstreben.

Erstens: Wir wollen Versorgungssicherheit. Unsere Industriegesellschaft hängt in ganz hohem Maße von einer sicheren Energieversorgung ab. Wenn die Energieversorgung nicht gewährleistet ist, dann hat das schwere wirtschaftliche Schäden zur Folge.

Zweitens: Wir müssen die Kosten im Auge haben. Die Stromkosten sind mit jetzt 19 Cent/kWh bereits in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das ist ein sehr ernst zu nehmender Kostenfaktor. Auch ist es eine Frage von Sozialverträglichkeit, wie hoch die Energiekosten sind. Auch insofern kann man nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen, sondern muss die Energiekosten für den Bürger im Auge haben.

Drittens: Wir wollen Umweltverträglichkeit. Das heißt, dass wir den CO2-Ausstoß, der den Klimawandel befördert, im Auge behalten und senken müssen. Es muss ganz klares Ziel sein, die Inanspruchnahme von Natur an dieser Stelle zurückzudrängen, um Umweltverträglichkeit zu erreichen.

Viertens: Wir wollen Sozialverträglichkeit. Das heißt, bei Umsiedlungen sind die Belastungen so gering wie möglich zu halten bzw. sind Umsiedlungen dann, wenn es möglich ist, zu vermeiden.

Diese Ziele sind ohne die Nutzung von Braunkohle eben nicht in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen bzw. aufrechtzuerhalten. Deshalb wollen wir einen Energiemix für Brandenburg, zu dem regenerative Energien gehören - diese wollen wir ausbauen -, aber eben auch die Braunkohle. Auf diese ist im Augenblick nicht zu verzichten.

Wenn die Fraktion DIE LINKE nur Nein sagt, dann reicht das nicht. Auch der stereotype Verweis auf regenerative Energien reicht nicht. Kurz- und mittelfristig ist kein vollständiger Ersatz der Braunkohle durch regenerative Energien möglich. Deshalb kann dies auch nicht gefordert werden.

Herr Thiel sagt, Sie wollten die Sozialverträglichkeit bei der Energieversorgung. Dazu muss man sich einmal vor Augen führen, dass der Anteil der Kohle an dem in Brandenburg erzeugten Strom 84 % beträgt. Ich frage Sie: Wie wollen Sie diesen Anteil innerhalb weniger Jahre durch regenerative Energien ersetzen?

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Bei regenerativer Energieerzeugung sind die Erzeugerkosten zurzeit mindestens doppelt so hoch. Das würde den Strompreis entsprechend in die Höhe treiben. Sie reden doch immer von Armut und Belastung. Sie wären dann diejenigen, die hier gerade sozial Schwache weiter belasten, und hätten dafür auch die Verantwortung zu tragen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir können nicht gleichzeitig die Kernkraftwerke abschalten, Versorgungssicherheit garantieren, die Energiepreise sozial verträglich halten und auch noch aus der Braunkohle aussteigen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Wenn Sie so etwas propagieren, dann ist das Populismus. Davon rate ich Ihnen dringend ab.

Damit komme ich zum Stichwort Kernkraft. Herr Ministerpräsident, Sie haben hier die sozialdemokratische Parteiposition vertreten. Auch Ihnen rate ich von Populismus ab. Es macht nämlich wenig Sinn, zu sagen, wir wollten in Deutschland sichere Kernkraftwerke abschalten, um in der Praxis Strom aus französischen Kernkraftwerken und auch von ukrainischen Kernkraftwerken, deren Sicherheit wir ja seit Tschernobyl kennen, zu importieren, um uns dann auch noch an die Brust zu klopfen und zu sagen: Jetzt haben wir richtig was erreicht. Auch das macht keinen Sinn. Das ist nicht vernünftig, sondern zweifelhaft.

Mit unserem Bekenntnis zu einem Energiemix ist das Ziel verbunden, die CO2-freie Kohlenutzung voranzutreiben. Die Technologie dafür ist vorhanden. Sie muss weiterentwickelt werden, großtechnisch erprobt werden und dann zum Einsatz kommen.

Hier besteht auch eine Verantwortung für die internationale Entwicklung. Die Kohle ist nach wie vor einer der wichtigsten Energieträger international. Der Anteil dieses Energieträgers sinkt nicht, sondern er steigt eher. Deshalb sind wir in Brandenburg auch so etwas wie ein Labor. Wir haben die Technologie, und wir sind geradezu verpflichtet, diese Technologie voranzutreiben, sie für die internationale Entwicklung und den weltweiten Klimaschutz nutzbar zu machen.

Wir haben auch eine Verantwortung für die Arbeitsplätze. In der Lausitz sind allein im Bereich von Vattenfall 5 500 Arbeitsplätze von der Kohle abhängig. Vattenfall ist dort der größte Arbeitgeber. Im Übrigen hat die Kohlenutzung dort Tradition. Es wäre unverantwortlich, die dortigen Arbeitsplätze durch eine überhastete Handlung in dieser Frage zu gefährden. Sie von der Fraktion DIE LINKE gefährden durch Ihre massive Forderung, bei der Sie keine Rücksicht auf die nötige Balance nehmen, die dortigen Arbeitsplätze. Das ist nicht verantwortbar.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Wir haben auch für die Menschen, die von der Umsiedlung betroffen sind, eine Verantwortung. Man kann das gut nachvollziehen: Wenn jemand sein Haus und seinen Hof verliert, wo er sein ganzes Leben verbracht hat, wo die Kinder herangewachsen sind, wo er selbst gebaut und gestaltet hat, dann ist das ein sehr schwerer Einschnitt, den man nicht gering schätzen sollte.

Wir haben in unserer Fraktion eine Betroffene, nämlich Monika Schulz, die aus Atterwasch kommt. Das ist ein Ort, dessen weitere Existenz in dem Zusammenhang jetzt infrage steht. Sie hat berichtet, was das alles für die Kinder, für die ganze Familie bedeutet. Ich sage den Bürgerinnen und Bürgern draußen im Lande auch: Wir wissen, was dort an Sorgen und Empfindungen vorhanden ist. Wir versprechen Ihnen, alles dafür zu tun, dass die Inanspruchnahme im Rahmen der Umsiedlungen so gering wie möglich ist und dass es eine vernünftige und faire Entschädigung geben wird, sodass ein Ausgleich da ist.

Bei Diskussionen über dieses Thema vor Ort in der Lausitz hat mir ein Bürger aber auch Folgendes gesagt: Meine zwei Söhne sind hier aus der Lausitz. Die mussten jetzt nach Süddeutschland gehen, weil sie dort Arbeit gefunden haben, und jetzt bin ich hier allein. - Auch diese Menschen haben ihre Heimat verloren, und auch diese müssen wir im Auge behalten. Wir müssen hier also abwägen, eine Balance finden. Das ist verantwortliche Politik, die wir hier betreiben.

Wir wollen verantwortungsbewusst vorgehen, wollen den Umbau hin zu mehr regenerativen Energien, dies aber in einem Maße, das sozial verträglich ist. Wir wollen die Möglichkeiten zur Energieeinsparung konsequent nutzen. Die Nutzung von Braunkohle wollen wir nicht verteufeln, sondern diese umweltfreundlich gestalten. Dann werden wir unserer Verantwortung gerecht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank. - Ich begrüße neue Gäste. Es sind Schülerinnen und Schüler der Oberschule Sachsenhausen. Herzlich willkommen und einen interessanten Vormittag für euch!

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort erhält jetzt Minister Junghanns.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einiges richtigstellen. Wir haben eine Energiestrategie, und wir diskutieren die Fortschreibung derselben. Wir diskutieren sie intensiv - dies sage ich insbesondere an die Opposition gerichtet -, weil wir uns nicht nur der Zeitpläne wegen an die Zeitpläne halten, sondern weil wir uns vorgenommen haben, aktuelle Erkenntnisse, aktuelle Erkenntnisfortschritte in die Bewertungen einzubeziehen, weil wir uns vorgenommen haben, unsere bisherigen Bewertungen zu überprüfen, ja infrage zu stellen, um dem gerecht zu werden, was die Fragen des Klimaschutzes uns abverlangen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Es gibt also eine öffentliche Diskussion. Diese Diskussion wird heute hier geführt, sie wird beim Energietag geführt, sie wird allerorten geführt. Wir alle tragen gemeinschaftlich dazu bei. Das Papier wird also auf den Tisch gelegt, und wir haben dann Zeit, das zu erörtern.

Heutzutage - das ist das eigentlich aktuelle Thema - ist doch die Frage zu stellen, ob unsere Lebensform unseren Planeten

gefährdet. Es passt gut mit der heutigen Debatte in dieser Aktuellen Stunde zusammen, dass sich genau in dieser Woche Nobelpreisträger aus diesem Fachgebiet diesem Thema hier in Potsdam widmen werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang Herrn von Klitzing zitieren, der gesagt hat: Unsere Autorität als Nobelpreisträger ziehen wir aus der Tatsache, dass wir nicht Lobbyisten für irgendeine Sache, sondern Vertreter einer selbst gewonnenen Überzeugung sind. - Einen Satz weiter sagt der gleiche Mann: Es ist töricht, ein Stück Realitätsverweigerung, wenn man aus der Atomkraft aussteigen will.

Was sagt uns das, wenn uns so etwas von einem solchen Mann mit auf den Weg gegeben wird? Es sagt uns, dass wir als Politiker in der komplexen Frage der Energiesicherung für heute und für morgen in hohem Maße Schwierigkeiten damit haben, mit dem Für und Wider jedes Energieträgers - jeder Energieträger hat ein Für und Wider - umzugehen. Dort beginnt unsere politische Verantwortung im Umgang. Deshalb deklariert unsere Koalition: Wir wollen eine Versorgungssicherheit. Diese Versorgungssicherheit misst sich nicht an den Grenzen des Landes Brandenburg. Eine biologische bzw. eine Erneuerbare-Energien-Bilanz für das Land Brandenburg ist falsch, irreführend und demoralisierend. Wir haben eine Verantwortung. Wir wissen, dass sich die komplexe Verantwortlichkeit für eine sichere Energieversorgung national und europaweit aus einer gemeinschaftlichen Vernetzung speist.

Jetzt ist die Frage: Was ist die Konsequenz aus der großen Ansage, global zu denken und lokal zu handeln? Ihre Antwort ist, sich zurückzuziehen und Selbstgerechtigkeit aufzubauen mit den Themen, die Sie glaubten, hier entscheiden zu können, indem man den Hebel umlegt. Nein, im Sinne der gewonnenen Überzeugung von Nobelpreisträgern ist die Botschaft - das ist auch die Botschaft dieser Tagung -, das, was man an Wissen und Fähigkeiten hat, regional und national zu nutzen und in diese globale Debatte einzubringen. Deshalb sind wir als Koalition verpflichtet, diesen Ball auch mit der Autorität von Wissenschaftlern aufzunehmen und zu sagen, was wir können. Wir können technologische Entwicklungen im Bereich der erneuerbaren Energien vorantreiben, und wir tun das. Wir können die konventionellen Energien - sprich: auch die Braunkohle - in diesem Bereich anpacken und eine technologische Entwicklung voranbringen.

Die Prognosen für die Effizienzentwicklung kennen wir auch alle. Wir ziehen daraus nicht den Schluss, es nicht zu tun, weil es aus der heutigen Erkenntnis heraus vielleicht nicht klappt, sondern wir vertrauen im Sinne der Kompetenz, die Deutschland hat, die Brandenburg hat, darauf, diese Sachen zu lösen, auch im Sinne des eingangs genannten Zitats. Wir werden heute, wir werden morgen damit zu tun haben, dass sich um jeden Energieträger ein Für und Wider rankt, das wir im Sinne einer politischen Abwägung gegenüber den Menschen klug zu erläutern und zu vertreten haben. Deshalb ist die Herausforderung für Brandenburg eigentlich eine ganz andere. Es ist keine Herausforderung für Hessen oder für Schleswig-Holstein. Wir sind das Land, auf das man schaut, und zwar in dem Duktus: Wie werden die das Gegeneinander von Kohle und erneuerbarer Energie austragen? Wer wird diesen Kampf gewinnen? Es ist ein Stück unserer Verantwortung im Sinne von global denken und regional handeln, den Beweis dafür zu liefern, dass sich ein Miteinander für einen stabilen Energiemix entwickelt. Wir als Landesregierung werden nicht die Arbeitsplätze der Braunkohle gegen die im Bereich der erneuerbaren Energien ausspie

len. Wir haben in den letzten Jahren massiv dafür gearbeitet, dass sich die Überzeugung entwickelt, dass im Bereich der alternativen Energien ein neues Arbeitskräftepotenzial steckt. Aber wir tun das nicht in der Absicht, Arbeitsplätze in der Braunkohle zu zerstören. Wir sind als politisch Verantwortliche gefordert, das Miteinander der Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien und im traditionellen Bereich zu organisieren,

(Beifall der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

das Miteinander und die Vernetzung verschiedener Energieträger.

Der Umgang mit Vattenfall, der nun einmal unser Partner ist, ist unverantwortlich. Es ist ein Unternehmen, das für unsere Energieversorgung wirtschaftlich tätig ist, das sich an verschiedenen Stellen auch darum kümmert, dass diese Entwicklung zukünftig im Klimainteresse läuft. Dieses Unternehmen im Grunde genommen auf ein Gewinnstreben zu reduzieren und damit in der Ihnen eigenen Art eine Diffamierung zu erzeugen

(Beifall bei CDU und SPD)

ist eine Unart. Sie rauben den Menschen die wirtschaftlichen Grundlagen zur Lösung ihrer Entwicklungsprobleme.

Auf den Punkt gebracht, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde: Nehmen Sie bitte die Herausforderung an! Die Energiediskussion wird es uns im Sinne dessen, was der Ministerpräsident zur Komplexität dieser Materie gesagt hat, abverlangen, um im Land Brandenburg und damit auch zur Lösung globaler Probleme das Miteinander für einen stabilen Energiemix zwischen erneuerbaren Energien und Braunkohle zu organisieren. Wir haben es in der Hand. Daran wird man uns messen. Zu Recht wird man uns daran messen, wie wir dieser Verantwortung gerecht werden.

Wir haben in dieser Region eine Betroffenheit. Ich habe mit den Betroffenen unmittelbar nach dem Bekanntwerden gesprochen. Diese Betroffenheit ist echt. Nur, was läuft gegenwärtig ab? Diese echte Betroffenheit wird im Grunde genommen dafür benutzt, die komplexen Fragen, die wir hier diskutieren, einseitig zu kanalisieren und einseitige Fronten aufzubauen. Das wird der Verantwortung, die wir haben, nicht gerecht. Deshalb sind wir bereit, mit den Betroffenen zu sprechen. Wir sind bereit, in einem transparenten Verfahren die Abwägung zwischen dem Interesse des Braunkohlenabbaus und den Interessen der Betroffenen weiter voranzutreiben und dann den Ausgleich zu suchen. Wir werden uns darum kümmern, dass die konkreten Betroffenheiten transparent und nachvollziehbar betreut werden und aus Betroffenen Beteiligte werden, sodass sichergestellt wird, dass das wirtschaftliche Image der Region auch zukünftig erhalten bleibt. Deshalb werbe ich für Verantwortung im globalen Sinne, aber mit dem Mut, die eigenen Erkenntnisse in diese Entwicklung einzubringen. Ich werbe für ein Miteinander von Kohle und erneuerbaren Energien im Land Brandenburg. Wir brauchen die Kohle! Das ist eine ehrliche politische Aussage. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)