Das gilt auch für die Fahrtkostenerstattung für Schülerinnen und Schüler, die gerade im ländlichen Bereich solche Praktikumsplätze aufsuchen sollen, wie Sie es ja gefordert haben: Bis heute keine Lösung.
Oder nehmen wir das Modellprojekt „Produktives Lernen“. Dieses Modellprojekt wurde initiiert, um Schulmüdigkeit und vor allem die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren. Dieses eigentlich wirksame Projekt gibt es nur an sieben Schulen. Ausweitung: Fehlanzeige. Lesen Sie bitte auch einmal unsere entsprechende Kleine Anfrage vom letzten Jahr. Darauf wurde uns geantwortet, dass das nur aus Kostengründen nicht ausgeweitet werde. Es hieß, die Landesregierung sei nicht bereit, die nicht unerheblichen Mittel - dass das nicht unerhebliche Mittel sind, sehen auch wir so - in ein entsprechendes Fortbildungsprogramm der Lehrkräfte zu stecken.
Herr Kollege Müller, im Übrigen verkaufen Sie uns hiermit einen Antrag - sicherlich wird das auch noch bei dessen Beratung heute Nachmittag deutlich -, mit dem Sie eine flächendeckende Einführung des Praxislernens und die Ausweitung des produktiven Lernens beantragen. Ich frage Sie: Wie ernst ist es Ihnen mit der systematischen Berufsorientierung, wenn Sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal die notwendigen Unterrichtsvorraussetzungen absichern können?
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir jetzt noch eine Bemerkung in Richtung Wirtschaft. Es ist die ureigene Aufgabe der Wirtschaft, für ausreichend qualifizierte Kräfte selbst zu sorgen. Es kann nicht sein, wie im aktuellen Betriebspanel für Brandenburg ermittelt, dass in acht von elf Industriebranchen die Übernahmequoten trotz guter Konjunktur rückläufig sind. Es gibt hier Rückgänge von 6 bis 25 %. Deshalb appelliere ich noch einmal an alle Unternehmer - aber auch an Behördenchefs -: Wer künftig Fachkräfte haben will, der muss sie ausbilden, übernehmen und an sein Unternehmen binden.
Die Aufgabe des Staates und damit auch die der Landesregierung ist es, für entsprechende Rahmenbedingungen zu sorgen. Wenn das Arbeitsministerium fast die Hälfte seiner aus dem
Europäischen Sozialfonds zur Verfügung stehenden Mittel aufwenden muss, um das jährliche Ausbildungsplatzdefizit zu beheben, dann fehlt natürlich das Geld für eine Modernisierung der beruflichen Bildung in Brandenburg. Im laufenden Haushaltsjahr sind es immerhin 40 Millionen Euro, die zur Schaffung überbetrieblicher Ausbildungsplätze, also für Lehrstellen, die die Wirtschaft aus den unterschiedlichsten Gründen momentan nicht bereitstellt, eingeplant werden.
Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören, aber mein Kollege Krause hat es Ihnen gestern auch schon bei der Diskussion der Großen Anfrage über die Zukunftsperspektiven von Jugendlichen gesagt: Die Fakten, Herr Müller sprechen für sich.
Erstens: Es ist überfällig, diese Ausbildungsumlage einzuführen, um damit wenigstens einen Lastenausgleich zu erreichen und den finanziellen Spielraum der öffentlichen Hand zu vergrößern.
Ein zweiter Baustein ist die systematische Berufsorientierung mit der Stärkung des Faches WAT, Wirtschaft-Arbeit-Technik, an den weiterführenden Schulen. Dieses Fach ist prädestiniert, Schülerinnen und Schüler systematisch auf ihren künftigen Beruf vorzubereiten. Deshalb schlagen wir vor: Erleichtern Sie den Lehrkräften den Kontakt zu Unternehmen! Bieten Sie den Lehrkräften quantitativ und qualitativ mehr Fortbildung an! Das wäre ein solider Schritt auf einem geeigneten Weg für eine systematische Berufsorientierung. Allerdings wäre das weniger medienwirksam, weil es im Grunde genommen schwarz auf weiß in den entsprechenden Unterrichtsplänen dieses Landes steht, und deshalb spielt das wahrscheinlich in Ihrem Antrag, den wir heute Nachmittag behandeln, eine geringe Rolle.
Ich möchte einen dritten Vorschlag unterbreiten: Nehmen Sie Ihre Regierung, die Sie tragen, in die Pflicht, endlich Einfluss auf die Bundesagentur mit ihren sogenannten Einkaufszentren zu nehmen, um vor allem zu verhindern, dass Billiganbietern bei der Ausbildungs- und Benachteiligtenförderung der Weg gebahnt wird! Auf der Strecke bleibt die qualifizierte Berufsausbildung, aber auch so mancher Ausbildungsträger.
Viertens: Wenn Sie die Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler wirksam verbessern wollen, dann streben Sie eine Änderung des SGB II und des SGB III mit dem Ziel an, dass für die Berufsberatung der Brandenburger Schülerinnen und Schüler ausschließlich die Bundesagentur zuständig ist, das heißt, auch für Kinder von Arbeitslosengeldempfängern in den Optionskommunen.
Fünftens: Widmen Sie den beruflichen Bildungsgängen an den Oberstufenzentren endlich mehr Aufmerksamkeit! Verhindern Sie - was jetzt geplant ist - eine weitere Absenkung der Teilungsstunden von 5 auf 2 %! Bei einer Absenkung können die vorhandenen Werkstätten und Labore in unseren modern eingerichteten Oberstufenzentren nicht wirklich genutzt werden.
Sechstens: Verbessern Sie die Abiturquoten in unserem Land, und nehmen Sie die in der letzten Schulgesetznovelle aufgebaute zusätzliche Hürde bei den Zugangsbeschränkungen für die Gymnasien zurück!
Führen Sie den Bildungsgang Berufsausbildung mit Abitur ein! Ermöglichen Sie es jungen Menschen - wie bald in Berlin -, innerhalb von vier Jahren eine duale Berufsausbildung und gleichzeitig die allgemeine Hochschulreife zu erreichen! Auch das wäre ein Beitrag, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzutreten.
Siebentens: Stellen Sie insgesamt tatsächlich mehr Geld - Sie als Mehrheitsfraktion können das - für die Bildung zur Verfügung. Wer durchschnittlich - es hat sich ein wenig verbessert - immer noch nur 3 900 Euro pro Schüler und Jahr im Landeshaushalt für Bildung ausgibt - damit belegen wir immer noch einen der hinteren Plätze im bundesdeutschen Durchschnitt -, der braucht sich über die gesamte Problemlage in puncto Ausbildungsfähigkeit wirklich nicht zu wundern. Sie als Wirtschaftspolitiker werden die Studie des Hamburger Wirtschaftsinstituts über die Zukunftsfähigkeit des Brandenburger Schulsystems kennen. Die dort getroffene Feststellung spricht wahrscheinlich auch Bände.
Meine Damen und Herren, ich komme nicht umhin, Sie an Ihre Koalitionsvereinbarung zu erinnern. Da ist die Rede von einer „Strategie zur Bekämpfung des Fachkräftemangels“. Bisher ist es Ihnen zumindest bestens gelungen, diese Strategie vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Ich hoffe, dass Sie uns in der weiteren Diskussion noch die entsprechende Erhellung bringen.
Übrigens hätte ich fast vermutet, dass Sie uns nach dem grünen Pfeil, den Oberschulen und der Gemeindeschwester die Wiederbelebung einiger weiterer Begriffe offerieren, vielleicht die Patenbrigade. Aber offensichtlich gibt es sie weder in Finnland noch in Niederösterreich, sodass Sie auf diesen Umwegen nicht in Ihren Forderungskatalog eingreifen konnten. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Stichwort „Patenbrigade“ hat mir einen Aufhänger geliefert, weil ich mir gut vorstellen könnte, dass Sie als PDS-Fraktion die Ersten wären, die eine solche Patenbrigade hier im Land Brandenburg bilden würden. In diesem Land wird niemand daran gehindert, dies zu tun.
Was nicht irgendwo geschrieben steht, ist noch lange nicht verboten, das heißt, Sie können sich jeden Tag als eine solche verstehen und auch entwickeln. Das tun auch andere.
Meine Damen und Herren, mit einem Blick auf den persönlichen Lebensweg eines jeden von uns werden Sie feststellen, dass der berufliche Abschnitt eindeutig den Schwerpunkt bildet. Mit einem weiteren Blick auf die Zeit vor Ihrer Berufsausbildung, vor der Berufswahl werden Sie feststellen, dass man sich möglicherweise nicht immer sehr genau orientiert hat, was man eigentlich danach machen will.
Deswegen ist es ein nachvollziehbares Anliegen, dass wir versuchen wollen, den jungen Menschen von heute die eine oder andere negative Erfahrung, die wir selbst gemacht haben, zu ersparen - wie gesagt, zumindest den Versuch zu unternehmen, obwohl auch das Sammeln von Erfahrungen zum Lernen gehört.
Meine Damen und Herren, die Berufswahl von heute ist keine einmalige Entscheidung mehr; sie ist vielmehr - das müssen wir heute auch noch einmal betonen - der Einstieg ins Berufsleben. Das Stichwort „lebenslanges Lernen“ sagt doch eindeutig aus: Es ist ein ständiges Weiterentwickeln der beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Deswegen sind auch die Berufsbilder längst keine starren Gebilde mehr, nein, sie müssen sich aufgrund neuer Anforderungen ständig verändern.
Zugleich ändern sich die Ausbildungsmöglichkeiten. Wir haben die duale Ausbildung, wir haben die Ausbildung im kooperativen Modell, wir haben die Berufsfachschulen, wir haben die freien Berufe, wir haben Gesundheitsberufe, also eine Vielzahl von Möglichkeiten, in Brandenburg insgesamt über 300 Ausbildungsberufe, in denen sich die jungen Menschen entwickeln können.
Jetzt frage ich einmal: Wie soll ein junger Mensch all dies in einer Zeit, die für ihn selbst aufregend ist, verstehen, verarbeiten, und wie soll er sich dann noch zugleich orientieren? Deswegen ist es eine Herausforderung gerade für diese jungen Menschen, für jede Schülerin und jeden Schüler, aber auch für deren Eltern und Lehrerinnen und Lehrer.
Diese Aktuelle Stunde heute gibt auch die Möglichkeit, einmal zu hinterfragen, was wir den jungen Menschen mit auf den Weg geben und was wir verantworten können, wenn sie sich auf diesen Schritt vorbereiten. Deshalb unterstütze ich die Worte Herrn Müllers, der gesagt hat: Die wichtigste Berufsvorbereitung ist eine gute schulische Ausbildung. Das ist das A und O dessen, was die Schüler leisten können und leisten müssen.
Da gibt es mit Sicherheit viele gute Botschaften. Reden wir unsere Jugend nicht immer schlechter, als sie ist. Ich bitte darum auch im Hinblick darauf, dass ich junger Vater geworden bin.
Ich möchte, dass wir unsere Jugend starkreden, dass wir sie unterstützen bei dem, was die Jugendlichen selbst entwickeln wollen.
Aber wir haben auch die negativen Schlagzeilen, meine Damen und Herren. Das ist auch eine Wahrheit, nämlich die Wahrheit, dass wir jedes Jahr ungefähr 3 500 junge Menschen haben, die ohne einen Schulabschluss die Schule verlassen. Darauf müssen wir letztendlich eine Antwort geben. Deswegen ist die Bildungsoffensive der Großen Koalition ohne Alternative gewesen. Sie ist der Raum dafür gewesen, dass wir gesagt haben: Es war ohne Alternative, den Bildungsauftrag in die Kindereinrichtungen zu tragen; es war ohne Alternative, die Erhöhung der Grundschulstunden zu erreichen; es war ohne Alternative, die Oberschule einzuführen - ein Gewinn für Schüler, Eltern und Lehrer.
Und es hat keine Alternative dazu gegeben, zu sagen: Wir müssen leistungsschwächere Schüler in diesem System genauso gut fördern können wie leistungsstärkere Schüler. Das ist mit diesem neuen Schulgesetz auch endlich erreicht worden.
Herr Görke, Sie haben davon gesprochen, die Abiturquote zu erhöhen. Ich weiß nicht, ob Sie die Zahlen falschherum gelesen haben. Wir in Brandenburg haben die höchste Abiturquote im Vergleich mit anderen Bundesländern.
Wir haben aber ein anderes Problem: dass ein Viertel der jungen Leute, die das Abitur anstreben, nicht wie gewünscht ankommt. Da fehlen die Voraussetzungen. Dafür müssen wir etwas tun und dürfen nicht nur einfach irgendwelche Quoten verlangen. Das ist Schaupolitik, die mit uns nicht zu machen ist; das sage ich ganz klar.