Protocol of the Session on December 13, 2006

- Denn nichts anderes, Herr Dr. Klocksin, ob Sie das nun wollen oder nicht, wird das Ergebnis Ihrer Förderungszentralisierung auf wenige Schlüsselbranchen in sogenannten Wachstumskernen sein.

(Beifall bei der DVU - Dr. Klocksin [SPD]: Kein eigener Gedanke!)

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Wir als DVU-Fraktion wollen kein Wirtschaftschaos, kein Förderchaos, kein Bildungschaos, auch kein Infrastrukturchaos, sondern ein lebens- und liebenswertes Brandenburg, in dem Menschen

(Dr. Klocksin [SPD]: Ja, ja, ohne Braune!)

in und von ihren Regionen leben, ohne Geburtenschwund, ohne Abwanderung und mit einer florierenden bodenständigen mittelständischen Wirtschaft, die Arbeitsplätze schafft und ihrer sozialen Verantwortung gerecht wird.

(Dr. Klocksin [SPD]: Gute Reise!)

Das unterscheidet uns diametral von Ihnen, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der DVU - Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD])

Der Schriftsteller Meinhard Miegel sagte einmal: Zukunft ist, was wir heute tun und lassen. - Ihr Tun, Herr Platzeck, und das Ihrer Regierung führt - das ist sicher - in keine lichte Zukunft. Die Vorschläge der DVU-Fraktion zur Wirtschafts,- Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Infrastrukturpolitik dagegen würden in eine bessere Zukunft führen. An dieser Stelle ein Zitat:

„Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig.“

Die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben in ihrer übergroßen Mehrheit bereits seit längerem das Gefühl, dass es mit dieser Regierung so nicht weitergehen kann.

(Beifall bei der DVU)

Ich begrüße unsere Gäste vom Erwin-Strittmatter-Gymnasium Spremberg und wünsche ihnen interessante Stunden.

(Allgemeiner Beifall)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Lunacek.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Neuausrichtung der Fördermittelvergabe zeigt erste Erfolge. Die Verantwortlichen in den Wachstumskernen haben sich an die Arbeit gemacht und Konzepte erstellt. Die Grundsätze und Ziele der neuen Fördermittelvergabe sind akzeptiert. In Gesprächen vor Ort habe ich erfahren: Die Leute finden es nachvollziehbar und verständlich, dass die Fördermittel angesichts der Veränderungen konzentriert werden müssen.

Vor gut einem Jahr fiel der Startschuss für die neue Förderpolitik; im September 2005 im Wirtschaftsministerium und mit Beginn dieses Jahres in den anderen Ressorts. Ich begrüße, dass wir heute darüber reden, eine erste Bilanz ziehen und prüfen, was funktioniert. Diese Erfolge sollten wir benennen.

Wir stehen im Land Brandenburg vor zwei wichtigen Herausforderungen. Die erste ist die demografische Entwicklung und der damit verbundene Einwohnerschwund im ländlichen Raum. Während die Einwohnerzahl der dortigen Städte und Dörfer schrittweise zurückgeht, wächst sie im Speckgürtel an. Die Uckermark hatte im Jahr 1990 noch 170 000 Einwohner, inzwischen sind es weniger als 140 000 Einwohner. Die Prignitz zählte im Jahr 1990 knapp 110 000 Einwohner, jetzt sind

es noch 88 000 Einwohner. Wenn wir verantwortlich handeln wollen, müssen wir auf diese Veränderungen reagieren.

Zweitens: Die Anzahl der Kinder geht zurück. In den berlinfernen Räumen sind die 10. Klassen an Oberschulen oder Gymnasien im Allgemeinen drei- und vierzügig, die 7. und 8. Klassen jedoch nur noch zweizügig.

Es kommt ein Weiteres hinzu: Die Solidarzuweisungen und die Zuweisungen der Europäischen Union werden gekürzt. Wir bekommen in diesem und im nächsten Jahr ca. 1,5 Milliarden Euro an Solidarzuweisungen im Rahmen des Aufbau-Ost-Programms. Ab dem Jahr 2009 werden diese Mittel schrittweise um jährlich 150 Millionen Euro abgesenkt. Kollege Baaske erwähnte es bereits: Im Jahr 2019 wird unser Haushaltsvolumen im Vergleich zum jetzigen um ca. 20 % reduziert sein. Insbesondere diejenigen, die kommunalpolitisch tätig sind, wissen: Dies zu stemmen ist eine Herkulesaufgabe und erfordert eine große Kraftanstrengung.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Das ist doch kein Naturgesetz!)

Wir haben diese Herausforderungen bereits vor den Koalitionsverhandlungen erkannt und deshalb im Koalitionsvertrag ein Umsteuern festgeschrieben. Darin steht:

„Die künftige Wirtschaftspolitik muss noch zielgenauer ausgestaltet werden als bisher. Die Förderung ist auf die vorhandenen Cluster und Kompetenzfelder zu konzentrieren, damit die starken Branchen sich positiv weiterentwickeln und Ausstrahleffekte entfalten können... Dies erfordert, dass sich alle anderen mit der Wirtschaftsentwicklung zusammenhängenden Politiken ebenfalls an diesem Ziel orientieren und im Rahmen der vorhandenen Steuerungsmöglichkeit auf entsprechende Schwerpunkte konzentrieren. Dies gilt beispielsweise für die Verkehrspolitik und die Hochschul- und Forschungspolitik.“

Wie gesagt: Wir haben dies erkannt und festgeschrieben und setzen es seit einem Jahr um.

Neben den beiden Herausforderungen möchte ich weitere Gründe nennen. Wir müssen uns die Frage stellen: Wo stehen wir im Aufbauprozess? Wo steht Brandenburg bei der Ost-West-Angleichung? - Diesbezüglich muss man sagen, wir haben den größten Teil der Wegstrecke geschafft. Die Infrastruktur in vielen Bereichen ist gut erschlossen, das Schienenund das Straßennetz wurden ausgebaut; in den Dörfern und Städten ist viel Neues entstanden; Fußgängerzonen wurden errichtet, die Städte und Dörfer erstrahlen. Das Gesundheitswesen hat Westniveau erreicht.

Das alles sind gute Erfolge, die wir benennen können und die Mut machen. Dennoch ist ein gutes Stück der Wegstrecke noch zurückzulegen. Die Zahl der Industriearbeitsplätze ist bei uns wesentlich niedriger als in den alten Bundesländern; dort besteht etwa jeder dritte Arbeitsplatz im Bereich des verarbeitenden Gewerbes oder der Industrie. Die Infrastruktur ist an einigen Stellen noch verbesserungsbedürftig. Die Forschungsintensität unserer Wirtschaft muss Schwung erhalten bzw. es gibt bei der Verbindung Wirtschaft-Forschung-Universitäten noch viel zu tun. Frau Kaiser, Herr Baaske hatte es zum Teil schon ausgeräumt: Es ist nicht richtig, dass die brandenburgische

Hochschullandschaft unterfinanziert ist, sondern es ist so, dass wir eine geringere Anzahl von Universitäten und Studienplätzen haben. Brandenburg könnte sich bezogen auf die Einwohnerzahl im Vergleich gut und gerne eine Universität mehr leisten; wenn wir sie denn finanzieren könnten.

(Beifall bei der CDU - Frau Kaiser [Die Linkspartei. PDS]: Aber das Kienbaum-Gutachten kennen Sie, ja?)

- Ja, das kenne ich, Frau Kaiser.

Beim Aufbau Ost und bei der von uns allen gewünschten OstWest-Angleichung ist es wie bei einem Marathon: Das letzte Stück ist das schwerste. Deswegen sagen wir: Es bedarf neuer Impulse. Wir als Union haben uns immer als Partei der deutschen Einheit verstanden und fühlen uns der inneren Einheit verpflichtet. Wir wollten sie, als alle anderen sie schon aufgegeben hatten. Deshalb sagen wir: Wir wollen neue Wachstumsimpulse für Brandenburg. - Diese geben wir mit der neuen Struktur.

Den Schritt hin zu einer konzentrierten Förderung haben viele wissenschaftliche Institute und auch die Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel als fortschrittlich gelobt. In einem ersten Schritt haben wir eine neue Wirtschaftsförderpolitik beschlossen, die nun fast ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten erste Erfolge zeigt. Wir haben uns auf wichtige Branchen konzentriert und die Förderinstrumentarien entsprechend angepasst.

Die Koalition und die Landesregierung haben aber auch auf anderen Feldern die Weichen neu gestellt. Mit dem Masterplan Stadtumbau hat das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung ein Zehn-Punkte-Programm vorgestellt, das die Städte in unserem Land in die Lage versetzen soll, sich auch zukünftig positiv zu entwickeln. Dazu zählen unter anderem die Stärkung der Innenstädte, die Stärkung der Städte als Wirtschaftsstandorte, die Förderung von familiengerechtem Wohnen und in Zukunft auch die Förderung des ländlichen Raums, die meines Erachtens eine wichtige Aufgabe für die kommenden Jahre ist und nicht aus dem Auge verloren werden darf.

Im Bereich der Kommunalfinanzen haben wir - durch den Symmetriebericht angeregt - ein zukunftsfähiges Konzept gefunden. Ich weiß, dass es einige Anlaufschwierigkeiten und zum Teil auch verärgerte Bürgermeister gibt, aber insgesamt ist das Konzept logisch, erklärbar und der richtige Weg.

Mit der Festlegung von 15 regionalen Wachstumskernen durch die Landesregierung haben wir in den Regionen des Landes einen Vorgang angeschoben, der bis heute einzigartig ist. Im Vorlauf der Festlegung haben sich kommunale Vertreter, Vertreter der Wirtschaft und Vertreter der örtlichen Bildung an einen Tisch gesetzt und über die Region bzw. deren Zukunft nachgedacht. Nach anfänglichem Klagen haben sie einen Weg gefunden, die positiven Seiten, die Stärken ihrer Region in den Vordergrund zu stellen. Die Frage war nicht mehr: „Wie können wir die Probleme und die Bedürftigkeit unserer Region in den Vordergrund stellen, um für den Erhalt von Fördermitteln möglichst attraktiv zu erscheinen?“, sondern: Wie können wir die Stärken unserer Region in den Vordergrund stellen? Worin sind wir richtig gut? Was ist unser Alleinstellungsmerkmal? Was zeichnet uns gegenüber anderen aus? - Dieser Prozess des Umdenkens hat zu mehr Selbstbewusstsein und einem anderen Auftreten nach außen hin, für mehr Attraktivität gegenüber In

vestoren oder anderen, die man in die Region holen will, geführt.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Prozess spielten die harten Fakten eine herausragende Rolle: Ohne eine vernünftige Anbindung wird kein Investor an den Standort kommen. - Im Verlauf haben sich aber auch andere Faktoren bzw. Fragen mehr und mehr in den Vordergrund gespielt: Haben wir genug gut ausgebildete Arbeitskräfte für die Wirtschaft? Funktioniert der Technologietransfer? - All das sind wichtige Punkte, wenn man eine Region voranbringen will.

Es gab auch eine andere unerwartete erfreuliche Entwicklung: Durch den Wettbewerb der Regionen untereinander, auch im Vorlauf der Ausweisung der Wachstumskerne, haben eine ganze Reihe von Regionen ihre Stärken benannt und in den Vordergrund gestellt. Auch wenn sie am Ende nicht als Wachstumskerne ausgewählt wurden, so haben sie sich doch auf die eigenen Kräfte besonnen. Als Beispiel nenne ich einmal die Orte Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf. Diesbezüglich gab es Überlegungen, Herr Klocksin - er hört im Moment nicht zu -, daraus einen Wachstumskern zu bilden. Dies wurde leider nicht Realität, weil sie als einzelne Orte die erforderlichen Einwohnerzahlen nicht vorweisen konnten. Dennoch gibt es auch hier Konzepte, die förderwürdig sind, und ich bin mir sicher, dass die Landesregierung auch hier fördern wird.

Des Weiteren nenne ich den östlichen Speckgürtel mit Erkner, Neuenhagen und Strausberg.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD])

Diese östliche Region des Speckgürtels ist ebenfalls kein Wachstumskern. Dennoch gibt es hier - vor allem mit Hoppegarten als einem sehr starken Industriestandort - Förderkonzepte und andere Konzepte für das Voranbringen der Region, die würdig sind, unterstützt zu werden. Ich bin mir sicher, diesbezüglich wird einiges machbar sein.

(Dr. Klocksin [SPD]: Als Wachstumskern, ja!)

In den regionalen Wachstumskernen wurde in mehreren Regionalveranstaltungen über das jeweilige Konzept diskutiert und gestritten. Schlussendlich ist eine Liste von Projekten herausgekommen, die es der einzelnen Region ermöglichen, ihren Bürgern eine sichere Zukunft zu bieten.

Als erstes Beispiel nenne ich den Wachstumskern Eberswalde. Dort haben sich die regionalen Vertreter zusammengesetzt und festgestellt, dass die Stadt nach dem Zusammenbruch der alten Industriestrukturen inzwischen wieder neue Industriepotenziale aufgebaut hat, mit denen an die alten Stärken angeknüpft wird. Es wurde festgelegt, die Verkehrsanbindung zu den Gewerbegebieten und die Verkehrsanbindung B 167 zur Autobahn prioritär zu verbessern.

Zudem wurde das Problem des Fachkräftemangels deutlich. Man hat festgestellt - das teilten mir auch Unternehmer mit -, dass es zum Beispiel an guten Schweißern und guten Ingenieuren fehlt. Diese werden trotz der bei etwa 20 % liegenden regionalen Arbeitslosigkeit gesucht. Aufgrund dessen bildete man einen Runden Tisch „Bildung“, an dem die Bildungs

träger, die Arbeitsagentur und andere kommunale Vertreter sitzen. Auch dies wird als förderwürdig akzeptiert und gefördert werden.

Als zweites Beispiel nenne ich den Wachstumskern Westlausitz. Dort wurde festgelegt, ein Netzwerk Kunststoff Chemie zu bilden und zu unterstützen. Dabei spielt BASF Schwarzheide eine herausragende Rolle. Hinzu soll unter anderem der Umbau des Autobahnanschlusses Ruhland kommen, damit Vestas seine Flügel für Windkrafträder besser transportieren kann. Das Unternehmen Vestas hat in dem Zusammenhang gesagt: Wir könnten uns vorstellen, uns an den Kosten zu beteiligen. - Demnach gibt es auch hier neue Impulse und Punkte, die wichtig und richtig sind.

Als drittes Beispiel nenne ich den Wachstumskern Oranienburg, Velten, Hennigsdorf. Hennigsdorf ist ein alter Industriestandort, an dem Schwerindustrie - das Stahlwerk - ansässig war. Derzeit befinden sich RIVA und Bombardier dort, die an die alten Stärken anknüpfen. Mit der Kommune wurde ein Flächenaustausch vereinbart, sodass weitere Gewerbeflächen entwickelt werden können; denn die großen Industrien dort entwickeln eine eigene Kraft. Es kommen neue Zulieferindustrien aus eigenem Antrieb hinzu, die beste Bedingungen vorfinden müssen. Das wird vor Ort gefördert.

Zudem empfiehlt sich Oranienburg als kultureller Standort und als Standort zum Wohnen, damit das Pendeln nach Berlin nicht mehr notwendig ist. Somit gibt es auch hier gute und richtige Impulse.

Anhand dieser Beispiele ist erkennbar, dass sich die Akteure vor Ort Gedanken darüber gemacht haben, wie sie ihre Region voranbringen können.