Protocol of the Session on November 24, 2004

Föderalismusdebatte einzubringen. In dem Antrag, den Sie heute vorgestellt haben, habe ich darüber nichts gelesen. Die Mitbestimmungsrechte sind darin mit keinem Wort erwähnt.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Es ist schon gesagt worden: Es gibt einen Antrag zum 9. Bun- desparteitag der PDS - Frau Stobrawa ist Mitantragstellerin - , in dem nicht nur gesagt wird, dass die PDS- Fraktion den vorgelegten Verfassungsantrag ablehnt, sondern „sie wird parlamentarisch und außerparlamentarisch in Deutschland und international aktiv, um zu verhindern, dass der Vertrag in Kraft tritt.“

Weiter wird darin gefordert:

„Der Parteitag fordert die PDS- Landtagsfraktion auf, in ihren Parlamenten Beratungen über den Verfassungsvertrag zu initiieren und dazu zu nutzen, Ablehnung und Alternativen deutlich zu machen und dafür zu werben.“

Ich muss Ihnen sagen, dass wir dieses Spiel nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Schippel [SPD])

Die CDU ist für eine europäische Integration. Wir sind für eine lebendige Friedensgemeinschaft. Wir sind für den Europäischen Verfassungsvertrag und lassen uns von Ihnen nicht dafür instrumentalisieren, ihn durch eine Volksabstimmung letztendlich ablehnen zu lassen. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schönbohm, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag soll sich der Landtag zuvorderst pauschal für die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden und Referenden einsetzen. Die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene setzt voraus, dass die hierzu erforderlichen Grundgesetzänderungen von einer sehr breiten Mehrheit der Mitbürger sowie ihrer Repräsentanten im Deutschen Bundestag und Bundesrat mitgetragen werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ein solcher Konsens nicht ersichtlich. Dies gilt für die Grundsatzfrage, ob und gegebenenfalls inwieweit das Grundgesetz durch plebiszitäre Elemente ergänzt werden soll. Dies wird auch in der Frage des

Volksentscheides

Europäischen

Verfassungsvertrag deutlich. So hat zum Beispiel die FDPBundestagsfraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ausschließlich ein obligatorisches Referendum über den Europäischen Verfassungsvertrag vorsieht. Hierzu hat der SPD- Vorsitzende Müntefering bekräftigt, dass die rot- grüne Koalition keinesfalls einem Gesetzentwurf zustimmen werde, der ausschließlich einen Volksentscheid über den Europäischen Verfassungsvertrag vorsieht.

Stattdessen haben die die Bundesregierung tragenden Koalitionsfraktionen

vorgeschlagen,

Grundgesetz

grundsätzlich für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide zu öffnen. Aber um einen Volksentscheid

über den Europäischen Verfassungsvertrag zu ermöglichen, soll der Bundestag das Recht erhalten, ein Referendum zu außenpolitischen Fragen mit verfassungsrechtlichen Bezügen zu initiieren. Damit wäre auch ein Referendum über den Europäischen Verfassungsvertrag möglich. Ein etwaiger EUBeitritt der Türkei oder anderer Staaten könnte danach aber nicht Gegenstand eines Volksentscheides werden. Dagegen scheinen die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen dem Volk selbst nicht das Recht einräumen zu wollen, mittels Volksinitiative und Volksbegehren einen Volksentscheid über außenpolitische Fragen erzwingen zu können.

Bisher liegen jedoch nur Eckpunkte vor und noch kein Gesetzentwurf im Wortlaut. Darüber kann man hier noch weiter diskutieren. Aber dies zeigt bereits, dass die Diskussion auf Bundesebene in vollem Gange ist. Zu den Eckpunkten des Gesetzentwurfs der rot- grünen Koalition hat die Diskussion erst begonnen.

Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, wie der Antrag der PDS- Fraktion die laufende Diskussion auf Bundesebene befruchten könnte. Bei dem aktuellen Stand der politischen Willens- und Meinungsbildung auf Bundesebene vermögen Vorschläge zur Festigung des Landes weder das Landesinteresse noch die Herstellung eines breiten Konsenses zu befördern. Die Landesregierung wird die lebhaft und kontrovers geführte Diskussion über die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene mit großem Interesse verfolgen. Hierfür besteht schon deshalb Anlass, weil die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene unweigerlich zu einer Schwächung des föderalistischen Systems führen kann; denn dem Bundesrat und damit auch dem Land wären bei Plebisziten auf Bundesebene die Möglichkeiten der Mitgestaltung genommen. Damit bestünde die Gefahr, dass die Balance zwischen zentral- und gliedstaatlichen Entscheidungsbefugnissen in der Bundesgesetzgebung, also das Miteinander von Bundestag und Bundesrat, zulasten der Länder verloren ginge.

Es liegt also im ureigensten Interesse des Landes im Allgemeinen wie auch des Landtages und der Landesregierung im Besonderen, eine solche Entwicklung zu vermeiden. Pauschale Forderungen nach bundesweiten Volksentscheiden und Referenden sind dem Land nicht dienlich. Auch deshalb möge der Landtag den Antrag ablehnen.

Der Europäische Verfassungsvertrag ist am 29. Oktober dieses Jahres - also vor wenigen Tagen - in Rom unterzeichnet worden. Es liegt auf der Hand, dass die Öffentlichkeitsarbeit bezüglich des Inhalts des Verfassungsvertrags erst jetzt richtig anlaufen kann. Selbstverständlich werden sowohl die Europäische Kommission als auch die Bundes- und Landesregierung eine umfangreiche, auf mehrere Jahre ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit leisten, um den Mitbürgern den Verfassungsvertrag inhaltlich näher zu bringen.

Die nunmehr vorliegende Fassung des Verfassungsvertrags wurde bereits vonseiten der Bundesregierung und des überwiegenden Teils des Bundesrates in einer ersten politischen Bewertung gebilligt.

Infolgedessen wird sich auch die Landesregierung eindeutig für und nicht gegen den Vertrag einsetzen. Dabei wird die Landesregierung schon aus Effizienzgründen eng mit der Europäischen Kommission und der Bundesregierung zusammenwirken. Diese Zusammenarbeit sollte durch ein Abstellen auf einen eigenständig zu leistenden Beitrag - wie im Antrag

gefordert - nicht unnötig erschwert werden. Von daher bitte ich Sie, dem Antrag der PDS- Fraktion nicht zu folgen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Danke, Herr Innenminister. - Der PDS- Fraktion verbleiben noch 5 Minuten und 15 Sekunden Redezeit. Herr Abgeordneter Gehrcke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, die 15 Sekunden sind mir wichtig. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte klarstellen, was die PDS- Fraktion überhaupt beantragt hat und was sie wünscht.

(Schippel [SPD]: Nun sind die 15 Sekunden herum!)

- Gut gekontert.

Wir haben einen Antrag vorgelegt, ein positives Votum für eine

Volksabstimmung

Europäischen

Verfassungsvertrag abzugeben. Unser Wunsch ist es, dass dieser Antrag an den Ausschuss überwiesen wird, damit man dort weiter über die Inhalte diskutieren kann. Wir haben keine Bewertung - diesbezüglich haben wir deutliche Differenzen, Kollege Reiche - zum Vertrag selbst vorgenommen. Jetzt könnte ich sagen: Steffen Reiche ist für eine Volksabstimmung - Recht hat er. - Dann werden wir beide uns über die Probleme auseinander setzen müssen.

Uns bewegt folgende Problematik: Wir wollen, dass die Bevölkerung in Deutschland in dieser Frage zum Souverän gemacht wird. Es ist der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, dass die Bevölkerung in unseren Nachbarländer darüber abstimmen kann, in Deutschland jedoch die Entscheidungsbefugnis auf das Parlament beschränkt ist. Das zu ändern haben wir vorgeschlagen. Ich glaube, hier gibt es keine Differenz. Das würde im Übrigen eine gewisse Fremdheit gegenüber Europa abbauen und den Gedanken stärken, dass Europa von unten wachsen muss und die Menschen einen Anteil daran haben.

Die Differenz besteht in der Frage, auf welchem Wege das geschehen soll. Dazu liegen zwei Varianten vor: Die rotgrüne Koalition fordert eine grundsätzliche Änderung des Grundgesetzes bezüglich Volksabstimmungen etc. FDP und CDU möchten die Änderung auf den Europäischen Verfassungsvertrag begrenzt wissen. Das Erste ist uns sympathisch. Wir sind aber für beide Wege offen; unser Antrag schließt beides nicht aus.

Frau Richstein, Volksabstimmungen über Grundrechte, wie sie in der Verfassung verankert sind, sind völlig ausgeschlossen und müssen ausgeschlossen bleiben. Da darf es kein Vertun geben, das wissen Sie auch, da ist die Position sehr eindeutig.

Wenn man eine Volksabstimmung möchte und zulässt, Kollege Reiche, muss man auch akzeptieren, dass das Volk zum Europäischen Verfassungsvertrag möglicherweise Nein sagt. Wenn man an solch einen Prozess herangeht und sagt: „Wir machen es nur, wenn alle Ja sagen“, dann macht es keinen Sinn.

(Beifall bei der PDS)

Auf der Basis einer Volksabstimmung muss man sich dem freien Wettbewerb der Politik stellen. Dann wird sich zeigen, wer die besseren Argumente hat.

Ich bitte im Übrigen im Protokoll festzuhalten, dass Frau Stobrawa und ich den Antrag gemeinsam eingebracht haben, in dem wir den Verfassungsvertrag nach einem Abwägungsprozess kritisch beurteilt haben und zu einem ablehnenden Votum gekommen sind. Darüber würde ich gern weiter mit Ihnen diskutieren, die Zeit reicht dafür jedoch nicht aus. Diese Frage steht aber nicht im Antrag.

(Schulze [SPD]: Mangelnder Internationalismus!)

Wenn man eine Volksabstimmung durchführt, muss man akzeptieren, dass die Abstimmenden möglicherweise Nein sagen. Gucken Sie einmal nach Frankreich, gucken Sie nach Großbritannien! Es werden noch so manche Überraschungen ins Haus stehen - gerade in den Debatten in Frankreich. Das muss offen sein und dort wird die PDS streiten.

Es bleibt noch das Problem, in welcher Art und Weise wir die Debatte führen. An dieser Stelle appelliere ich an die demokratischen Fraktionen im Hause - die PDS- , SPD- und CDU- Fraktion - , die Diskussion gemeinsam in einem proeuropäischen Geist zu führen, auch wenn die PDS- Fraktion den Verfassungsvertrag kritisiert oder ablehnt.

(Beifall bei der PDS)