Protocol of the Session on November 22, 2006

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Koalitionsantrag, Drucksache 4/3662, Fördermaßnahmen für Schüler. Wer dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 15:

Verkürzung der Ausbildungsdauer in der Lehrerbildung

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/3663

Die Aussprache wird von Frau Geywitz von der SPD-Fraktion eröffnet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt ein Antrag zur Verkürzung der Ausbildungsdauer der Lehrerbildung vor. Es ist kein Antrag von Ingo Senftleben und Klara Geywitz, sondern, wie deutlich sichtbar, ein Antrag der SPD- und der CDU-Fraktion in diesem Hause.

Frau Große, ich habe mich schon sehr gewundert, mit welcher Wortwahl Sie, als wir die Anträge der Öffentlichkeit vorstellten, diese kritisiert haben. Es ist psychologisch schon interessant, dass gerade Sie als Lehrerin auf das Handeln von jungen Abgeordneten offensichtlich besonders allergisch reagieren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich habe Sie gerade auch im Bildungsausschuss als eine sehr fachkompetente Frau kennengelernt, mit der man sich immer vernünftig über in der Tat sehr unterschiedliche pädagogische Ansätze in der Bildungspolitik unterhalten konnte.

(Zuruf der Abgeordneten Große [Die Linkspartei.PDS])

Insofern frage ich mich schon, was Sie dazu gebracht hat, einen anderen Stil an den Tag zu legen, was ich schade finde, weil uns sehr viel an einem konstruktiven Dialog liegt.

Ich möchte das Bild, das Sie vorhin von unserer offensichtlich gestörten familiären Beziehung benutzt haben, aufgreifen. Frau Große, ich weiß nicht, ob Ihre Mutter Ihnen einmal gesagt hat, Sie seien auf dem Schulhof immer so ruhig, Sie sollten doch einmal ein bisschen lauter sein, zu den anderen Kindern gehen und denen einmal ganz laut Ihre Meinung sagen. Ich würde es schätzen, wenn wir wieder zu einem sachlichen Stil der Zusammenarbeit zurückkommen könnten.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Es liegt dieser Antrag vor. Was wir damit nicht beabsichtigen, ist eine Schmalspurausbildung für unsere Lehrer. Wir wissen, ein guter Unterricht ist davon abhängig, wie gut bzw. qualitativ hochwertig unsere Lehrer ausgebildet wurden. Aber alle Experten und auch die Praktiker sind sich einig, die erste Phase der Lehrerausbildung ist zu praxisfern. Das möchten wir ändern. Natürlich möchten wir nicht, dass durch einen stärkeren Praxisanteil die Lehrerausbildung insgesamt verlängert wird. Deswegen bitten wir das Ministerium zu prüfen, ob es sinnvoll ist, den Vorbereitungsdienst zu verkürzen, indem man in dem entsprechenden Umfang Schulpraktika anrechnet. Uns ist klar, dass das nur in Abstimmung mit der KMK passieren kann, weil wir natürlich wollen, dass unsere Lehrerausbildung in Brandenburg auch in den anderen Ländern anerkannt wird. Ich weiß, dass andere Bundesländer diese Prüfung parallel zu uns durchführen werden. Ich denke, dass wir so eine Chance haben - auch mit der Umstellung auf Bachelor und Master -, eine neue Konzeption in die Lehrerausbildung mit mehr Praxis schon im ersten Teil der Ausbildung hinzubekommen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Geywitz. - Nach Ihnen darf Frau Große für die Fraktion der Linkspartei.PDS reden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Offensichtlich haben wir hier einen Generationenkonflikt. Das habe ich noch gar nicht so gesehen.

Wer könnte schon dagegen sein, die Ausbildungsdauer künftiger Lehrkräfte zu verkürzen? Allein der gigantische Bedarf von ca. 1 100 Lehrkräften pro Schuljahr ab dem Schuljahr 2010/11 macht Druck auf das System.

Ich selbst als ostsozialisierte Diplomlehrerin für Musik und Deutsch stand nach vierjährigem Studium an der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg vor Schülern. Währenddessen habe ich auch mein erstes Kind geboren. Mit 22 Jahren stand ich vor Schülern, hatte mit 23 Jahren das Absolventenjahr vollendet, war hochmotiviert, damals noch so frisch wie Sie, empfand große Nähe zu den auch damals nicht ganz einfachen Schülerinnen und Schülern im Berliner Prenzelberg. Das war ganz normal so, das können die vielen hier im Landtag sitzenden Lehrerinnen und Lehrer bestätigen. Ich kann jetzt also auf 30 Jahre Schuldienst zurückblicken, 30 glückliche Jahre, zumindest solange ich noch nicht hier im Landtag war.

Möglicherweise war diese ostalgische Anwandlung die Mutter der Idee für diesen Antrag, was angesichts des Alters der beiden Antragsteller aber eher unwahrscheinlich ist.

Nach der Wende habe ich als Ausbildungslehrerin Referendarinnen und Referendare ausgebildet. Die waren in der Regel über 30 Jahre, hatten noch keine Kinder, vor allem aber so gut wie keine Praxiserfahrungen. Diese müssen ziemlich mühsam im Studienseminar und durch Learning by Doing mit Unterstützung der Ausbildungslehrer erworben werden. Für viele Referendarinnen und Referendare sind das qualvolle Erfahrungen, und manch einer merkt erst im Referendariat, dass es doch nicht der richtige Beruf ist. Es gibt also Handlungsbedarf.

In der Linkspartei können wir uns auch gut vorstellen, dass es ein einphasiges Lehrerstudium gibt, aber dann bedarf es einer grundlegenden Reform vor allem der ersten Phase der Lehrerausbildung. Sie wollen den zweiten Schritt vor dem ersten machen - das geht auch mit dem Bonus der jungen Wilden nicht.

Die von Ihnen erwähnten Länder mit der schnelleren Lehrerausbildung haben ein völlig anderes Profil in der Lehrerausbildung. In Finnland machen beispielsweise die Professionswissenschaften ungefähr 80 % des Studiums aus, die Fachwissenschaften nur 20 %. In Deutschland ist das weitgehend umgekehrt. So müssen zum Beispiel auch Grundschullehrerinnen gemeinsam mit Germanisten althochdeutsche Texte analysieren oder anderweitig den vorhandenen Wissenschaftlern beim „Züchten der Orchideen“ - das hat Frau Prof. Hasler einmal gesagt - helfen. Die gesamte erste Phase müsste stärker auf die Profession des Lehrerberufes ausgerichtet werden. Dazu aber braucht man einen gut ausgestatteten Bereich Didaktik, Praxisbetreuerkapazitäten usw. An allem mangelt es. Es ist für Universitäten derzeit auch nicht sehr attraktiv, Lehrer auszubilden.

Sie haben vor zwei Jahren Hals über Kopf das Lehrerbildungsgesetz durch eine Erprobungsklausel erweitert und damit die Universitäten gezwungen, die Struktur der Ausbildung auf Bachelor- und Masterstudiengänge umzustellen. Es gibt nach wie vor Schwierigkeiten, diese Studiengänge zu installieren und zu qualifizieren. Noch immer ist nicht klar, was ein Studierender mit seinem Bachelorabschluss auf dem Arbeitsmarkt anfangen kann.

Anfang nächsten Jahres soll den Parlamentariern ein Lehrerbildungsgesetz vorgelegt werden. Es liegt also quasi in der Schublade. Die Verkürzung der Vorbereitungszeit ist im Entwurf vorgesehen - mit Augenmaß, zunächst auf drei Semester unter Anrechnung von Praxisanteilen. Schon das wird schwierig genug. Es bedarf Ihres Antrags derzeit wirklich nicht.

Ich hoffe, das war jetzt sachlich genug, Frau Kollegin.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dass wir den Antrag sehr wohl brauchen, wird uns jetzt Herr Senftleben von der CDU-Fraktion darlegen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mir Mühe geben, dem Wunsch zu folgen. Ich denke, dass der Antrag seinen Sinn hat. Das wird sich in der Debatte und am Ende des Gesetzgebungsverfahrens zeigen.

Ich will aber eingangs darauf hinweisen, dass es ohne fachliches und pädagogisches Wissen, ohne eine positive Einstellung und ohne die Vorbildwirkung des Lehrers - das wissen Sie auch, Frau Große - gerade gegenüber den jüngeren Schülern keinen Schulerfolg für unsere jungen Leute und vor allen Dingen auch keine Begeisterung für den schulischen Alltag gibt. Frau Große, ich würde mir wünschen, dass auch bei Ihnen die Begeisterung für unsere Anträge etwas größer wäre.

(Zuruf der Abgeordneten Große [Die Linkspartei.PDS])

Sie haben den möglichen Generationenkonflikt beschrieben. Meiner Meinung nach ist es an der Stelle eher andersherum: Man sollte das, was wir heute besprechen, nicht als familiäres Problem ansehen, sondern sich Gedanken darüber machen, wie es in der Bildung vorangehen kann. Deswegen möchte ich mich den Worten von Frau Geywitz anschließen und sagen: Ein wenig Ernsthaftigkeit sollte bei aller Lockerheit des Alltags mit Sicherheit gegeben sein. Deswegen haben mich nicht nur Ihre heutigen Aussagen, sondern auch Ihre Pressemitteilung aus der letzten Woche zu diesem Sachverhalt ein wenig erschüttert.

Meine Damen und Herren, die Lehrerausbildung ist und bleibt - Sie haben gesagt, Sie hatten eine kürzere Lehrerausbildung; andere hatten eine längere - das Rüstzeug für den einzelnen Lehrer und die einzelne Lehrerin.

In Brandenburg fußt die Ausbildung auf zwei Säulen. Diese wollen wir als eine Herausforderung für die Zukunft überarbeiten. Aus diesem Grund werden wir das Lehrerbildungsgesetz im Bildungsausschuss im nächsten Jahr - es ist für März vorge

sehen - diskutieren. Wir werden dazu öffentlich anhören und am Ende darüber entscheiden.

Aber eines ist auch klar: Wir haben Bedingungen zu erfüllen, die uns bundesweit als Standards vorgegeben werden. Deswegen müssen wir auch die bundesweiten Standards der KMK aus dem Jahr 2004 in diesem Bildungsgesetz umsetzen. Das heißt, wir machen uns nicht einfach Gedanken aufgrund unserer regionalen Erfahrungen, sondern auch, weil wir die bundesweiten Anforderungen berücksichtigen müssen.

Wir haben aber auch gewisse Details in unserer Region und in Deutschland insgesamt, die es zu berücksichtigen gilt. Dazu zählt unter anderem: Die Mindestdauer der Ausbildung ist einfach zu lang, auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Deshalb ist die Frage zu stellen, wie das am Ende umgesetzt werden kann.

Des Weiteren kommt dazu, dass bei uns die berufspraktische Ausbildung einen Anteil von insgesamt 50 % einnimmt; im europäischen Durchschnitt sind es 30 %. Das heißt also, wir wollen an der Stelle prüfen, ob eine Senkung insgesamt möglich ist, ohne Qualitätsverluste hinnehmen oder Standards senken zu müssen.

Deswegen ist dieser Antrag an der Stelle sinnvoll, auch im Vorfeld einer solchen Gesetzesbehandlung wie dem Gesetz der Lehrerbildung im nächsten Jahr.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch auf ein anderes Thema hinweisen, das auch wichtig ist. Es geht um die Frage, wie viele Studenten für das Lehramt studieren und wie viele am Ende als Lehrer in den Brandenburger Schuldienst kommen, auch im Hinblick auf die Tatsache, dass wir zukünftig mehr Lehrer einstellen müssen. Es gibt aufgrund der aktuellen Bedingungen Zahlen, mit denen wir unzufrieden sind, zum Beispiel mit der Abbrecherquote. Sie ist in Brandenburg nach Auskunft der einzelnen Bereiche derzeit zu hoch. Wir sagen ganz klar: Ein wesentlich früherer Praxisbezug in der Ausbildung kann dazu beitragen, diese Quote zu senken. Wir sollten im Rahmen der Gesetzgebung diesen Punkt noch einmal getrennt beraten und behandeln. Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Senftleben. - Frau Fechner darf jetzt ihren Platz neben mir verlassen, um für die Fraktion der DVU zu reden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wollen denn die Vertreter der Parteien, die das brandenburgische Bildungswesen heruntergewirtschaftet haben, mit dem vorliegenden Antrag erreichen? Sie halten die Gesamtausbildungszeiten für Lehrkräfte für zu lang und wollen deswegen die Landesregierung auffordern, zu prüfen, ob eine Verkürzung möglich ist.

Interessant finde ich die Begründung. Als einziger Grund wird angeführt, in anderen Ländern sei die Lehrerausbildung kürzer,

deswegen solle sie nach Ansicht von CDU und SPD auch in Deutschland verkürzt werden. Komisch nur - wenn meine Fraktion sagt, in anderen Ländern seien die Steuern und Abgaben niedriger und deswegen müssten sie auch bei uns gesenkt werden, damit wir konkurrenzfähig bleiben bzw. werden, kommt von Ihnen jedes Mal der Einwand, das sei kein Argument. Doch das einzige Argument, mit dem Sie Ihren Antrag begründen, ist der Vergleich mit anderen Ländern. Plötzlich ist es also doch ein Argument. Das kann man verstehen, muss man aber nicht.

(Beifall bei der DVU)

Wir werden Ihrem Antrag übrigens zustimmen, denn zum einen soll die Landesregierung ja nur eine Möglichkeit prüfen damit sind wir durchaus einverstanden - und zum anderen gibt es auch andere deutsche Bundesländer, in denen die geforderten Verkürzungen bereits in der einen oder anderen Form genutzt werden, zum Beispiel Hamburg oder Baden-Württemberg.

Allerdings - das geben wir zu bedenken - gibt es bereits heute schon etliche Fachleute, die die zu geringen Praxisanteile in der Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte beklagen.

Meine Damen und Herren! Meine DVU-Fraktion ist der Auffassung, dass die Länge der Lehrerausbildung wirklich das geringste Problem ist. Was macht es schon für einen Unterschied, ob die Pädagogen ein Jahr früher oder später als Lehrer auf die Kinder losgelassen werden, wenn die Qualität ihrer Ausbildung nicht den Anforderungen an Lehrer in unserer modernen Zeit entspricht?