Protocol of the Session on October 26, 2006

Das ist hier eben doch eine Bildungsveranstaltung. - Wir setzen mit dem Beitrag der DVU-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundeseinheitliche Mindeststandards für den Strafvollzug. Auch wir von der DVU-Fraktion sind dafür. Aber zu dem, was sich die Fraktion der Linkspartei.PDS darunter getarnt unter dem unbestimmten, unerklärten Begriff „humaner Strafvollzug“ vorstellt, besteht jedoch ein himmelweiter Unterschied, Herr Sarrach.

Klartext! Welche Ziele muss der Strafvollzug notwendigerweise erfüllen? Wir müssen in der Tat zweierlei erreichen:

Prävention, sprich: Abschreckung vor weiteren Straftaten, und Resozialisierung, sprich: Beseitigung der Defizite, die täterbezogen mitursächlich für die Straffälligkeit waren.

Was darf also nicht geschehen, meine Damen und Herren? - Kurzum: Genau das, was die Fraktion der Linkspartei.PDS offensichtlich bezweckt. Das ergibt sich meines Erachtens schon eindeutig aus dem Zusammenspiel der im Antragstext und der Antragsbegründung verwandten Schlagworte „humaner Strafvollzug“ und „Schäbigkeitswettlauf um die kostengünstigste Verwahranstalt“. Bei genauer Betrachtung zielt der Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS darauf ab, sozusagen durch die Hintertür bei uns in Brandenburg den Strafcharakter des Strafvollzugs abzuschaffen.

(Frau Steinmetzer-Mann [Die Linkspartei.PDS]: Ist das ein Quatsch!)

Konkret: Aus „Justizvollzugsanstalt“ wird dann „Hotel Blechinger“ - Freigang für alle garantiert.

(Beifall bei der DVU)

Das geht nicht, und das wollen wir von der DVU-Fraktion im Interesse unseres Landes und seiner Bürger, welche natürlich einen fundierten Anspruch auf Schutz vor Straftaten haben, nicht.

Im Sinne eines geregelten Strafvollzugs kann ein Hotel à la Linkspartei.PDS aus zwei Gründen nicht funktionieren: Erstens geht dessen generalpräventive Funktion völlig und die spezialpräventive Funktion in wesentlichen Teilen verloren. Das heißt, die strafrechtliche Sanktion der Haft schreckt nicht mehr ab, weder generalpräventiv, allgemein vor der Begehung von Straftaten, noch spezialpräventiv, den konkret straffällig gewordenen Täter vor Begehung weiterer Straftaten. Damit ginge die Schutzfunktion des Strafvollzugs verloren.

Was wir brauchen, ist Strafe und Resozialisierung und nicht Resozialisierung ohne Strafe.

Wie ist der Antrag der Linkspartei.PDS in diesem Zusammenhang einzuordnen? - Meiner Meinung nach als Luftnummer, abgesehen davon, dass dieser Antrag wohl dem Sinn und Zweck der Strafhaft in keiner Weise gerecht wird und schon deshalb von uns abgelehnt wird. Außerdem laufen gegenwärtig nach Mitteilung der Justizministerin im Rechtsausschuss ohnehin Verhandlungen mit anderen Bundesländern, um einheitliche Standards zu schaffen. Dazu brauchen wir diesen Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS nicht. Wenn die Ministerin uns im Rechtsausschuss sagt, dass sie sich mit aller Kraft dafür einsetzen werde, dann glaube ich ihr und wünsche ihr dazu viel Erfolg, auch zum Wohle eines einheitlichen Strafvollzugs. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete von Arnim spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der hier zur Abstimmung steht, zielt nach meinem Empfinden - ich

denke, das haben auch die Worte von Herrn Sarrach deutlich gemacht - ganz eindeutig auf Resozialisierung ab. Ich habe nicht das Gefühl, dass unsere Landesregierung verfassungswidrig handeln möchte. Da in der Verfassung steht, wie Resozialisierung im Strafvollzug zu erfolgen hat, sind wir gut bedient. Zur Schlussbemerkung von Herrn Sarrach, man möge es möglichst bald tun, ist zu sagen: Es ist schon erledigt; es steht in der Verfassung. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank. - Das Wort erhält die Landesregierung. Es spricht die Justizministerin, Frau Blechinger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Seit dem 1. September sind die Länder für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafvollzugs zuständig. Im Rahmen der Föderalismusdebatte - Herr Sarrach hat es angeführt - und auch bei der Anhörung haben sich zahlreiche Wissenschaftler, Vollzugspraktiker und Fachverbände für den Erhalt der Gesetzgebungszuständigkeit beim Bund ausgesprochen. Ich habe mich, wie auch meine Berliner Kollegin, in der Debatte für die Beibehaltung der Bundeszuständigkeit beim Strafvollzug eingesetzt.

Dennoch haben sich Bundestag und Bundesrat, letztendlich aus übergeordneten politischen Gründen, für die Übertragung der Zuständigkeit entschieden, um die Entscheidungsebenen zu entflechten, den Staat handlungsfähiger zu machen und den von der Föderalismuskommission ausgehandelten Kompromiss nicht zu gefährden. Nun müssen wir das Beste aus dieser Situation machen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in Brandenburg auf einem guten Weg sind.

Ich habe bereits mehrfach, insbesondere im Rechtsausschuss des Landtags, deutlich gemacht, dass ich keine Veranlassung sehe, das fortgeltende Strafvollzugsgesetz des Bundes durch Landesrecht zu ersetzen. In diesem Gesetz, das sich seit nunmehr fast 30 Jahren in der Praxis bewährt hat, haben die Werte des Grundgesetzes ihren Niederschlag gefunden. Das Strafvollzugsgesetz entspricht damit zugleich den Anforderungen, welche die brandenburgische Verfassung an den Strafvollzug stellt.

Ich danke dem Abgeordneten von Arnim, dass er darauf hingewiesen hat; denn die Verfassung unseres Bundeslandes enthält als Einzige in Deutschland hierzu eine ausdrückliche Bestimmung. Da der maßgebliche Artikel 54 möglicherweise nicht allen Kollegen präsent ist, darf ich ihn hier wörtlich zitieren:

„Im Strafvollzug ist die Würde des Menschen zu achten; er muss darauf ausgerichtet sein, den Strafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Der entlassene Strafgefangene hat nach Maßgabe der Gesetze einen Anspruch auf Hilfe zu seiner Wiedereingliederung.“

Das Resozialisierungsziel hat in Brandenburg also Verfassungsrang. Daran sind wir, Sie als Parlament, wir als Landesregierung, auch im Rahmen der Gesetzgebung gebunden.

Beschlüsse des Landtags, die bekräftigen, dass sie sich an die Verfassung halten wollen, sind überflüssig; denn das hieße, Eulen nach Athen zu tragen.

Welche detaillierten Vorgaben sich für die Gesetzgebung aus dem Grundgesetz und der Landesverfassung ableiten, zeigt die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Strafvollzug. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Urteil vom 31. Mai dieses Jahres zum Jugendstrafvollzug, in welchem das Gericht dem Gesetzgeber klare Vorgaben für die Ausgestaltung des Strafvollzugs gemacht hat. Ich habe vor kurzem in einem Vortrag vor der Juristischen Gesellschaft deutlich gemacht, wie hoch das Bundesverfassungsgericht die Messlatte gelegt hat.

Wir als Land Brandenburg streben eine einheitliche Regelung mit möglichst vielen Bundesländern, insbesondere mit unseren Nachbarländern, an. Dazu haben wir mit neun weiteren Ländern, die eine ähnliche Zielsetzung haben, eine Arbeitsgruppe gebildet, die bis Ende des Jahres einen gemeinsamen Entwurf vorlegen wird. Insgesamt zeichnet sich ab, dass sich die Gesetzentwürfe der Länder zum Jugendstrafvollzug nur in Nuancen voneinander unterscheiden werden. Gegen ein starkes Auseinanderdriften der Länderregelungen sprechen auch die langjährige enge Zusammenarbeit der Länder im Strafvollzugsausschuss, die noch an Bedeutung gewinnen wird, und die wachsende Zahl an internationalen Vereinbarungen und Empfehlungen, die auch die Landesgesetzgeber zu beachten haben.

Mit Blick auf die genannten Vorgaben und unsere Landesverfassung ist der beantragte Beschluss, gelinde gesagt, entbehrlich. Verwenden wir unsere Kraft lieber darauf, durch eine gute an den Vorgaben und Werten der Verfassung ausgerichtete Gesetzgebung die geäußerten Befürchtungen zu zerstreuen und stellen wir uns einem Wettbewerb um den besten Strafvollzug; nicht zu verwechseln mit „Best Practice“.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Für die Linkspartei.PDS-Fraktion erhält noch einmal der Abgeordnete Sarrach das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese soeben geäußerte rechtspositivistische Naivität hat mich doch schon ein wenig verunsichert. Freilich gibt es allenthalben nach der Verfassung die Bindung an Recht und Gesetz für die Exekutive und für die Legislative. Das heißt doch aber nicht, dass man immer rechtmäßige, immer verfassungsmäßige Entscheidungen trifft.

Es ist schön, dass Sie sich des Verfassungsgerichtes erinnern. Doch die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte beweist in der Tat doch nur, dass der Gesetzgeber gelegentlich auch einmal verfassungswidrige Gesetze verabschiedet hat und die Gerichte das dann korrigierten. Sonst benötigte man diesen verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht und es würde diese Verfahren nicht geben.

Als wir im Mai über den Antrag meiner Fraktion - Föderalismusreform: Einheitliche Standards im Strafvollzug sichern

debattierten, hörten wir - so auch heute - von der Koalition viele wohlklingende Worte, weshalb keine Gefahr für diese Standards bestünde. Es hieß, wir als Landesparlament, jedenfalls die Regierungsfraktionen, würden mit der neuen Verantwortung fertig werden.

Ich weiß nicht, woraus Sie diese Selbstüberschätzung speisen, nach der Sie wirklichkeitsfremd annehmen, wir müssten glücklich und zufrieden sein, von Ihnen regiert zu werden.

(Schulze [SPD]: Sehen Sie das nicht?)

Auch die Fachöffentlichkeit hat einen anderen Eindruck. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten beklagt und vermutet in der Oktoberausgabe „Der Vollzugsdienst“, dass die Fraktionen der SPD, CDU und der Linkspartei.PDS anscheinend wenig Interesse an wichtigen Grundsatzthemen für die Gestaltung des Strafvollzuges haben.

Für meine Fraktion kann ich diesen Eindruck entkräften, was ich gegenüber dem BSBD auch getan habe. Es war meine Fraktion, die den Landtag in der Frage Föderalismus und Strafvollzug zum Handeln aufforderte. Meine Fraktion war es auch, die immer wieder im Rechtsausschuss - zuletzt am 7. September - die Folgen der Föderalismusreform thematisierte. Heute beantragen wir schließlich, dass sich der Landtag selbst seiner Verantwortung und Pflicht nach zu den Grundwerten und Zielen eines humanen Strafvollzuges, dem Ziel der Resozialisierung und dem Konzept des Behandlungsvollzuges bekennt und ein solches Bekenntnis auch von der Justizministerkonferenz erwartet.

Das ist die Verantwortung, von der Sie in der Koalition sprechen, die aber stets immer nur wir - vermute ich - einfordern. Es kann Sie, Kollege Holzschuher, doch nicht beruhigen und Ihnen genügen, wenn die zuständige Ministerin in Beantwortung der Kleinen Anfrage 1221 von Herrn Dr. Klocksin unverbindlich ausführt, dass die Landesregierung nur nach gegenwärtigem Beratungsstand nicht beabsichtige, von der neuen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen.

Wir wissen bereits jetzt, dass einige Länder eigene Landesstrafvollzugsgesetze erlassen wollen, um die bisherigen Standards abzuschütteln. Das ist eine Entwicklung, die nicht abgewartet werden darf, sondern in die man sich jetzt aktiv einbringen muss.

Es ist zu wenig, wenn Ministerin Blechinger vor dem Rechtsausschuss ausführt, dass man sich als Land erst dann in die Debatte einbringen wird, wenn sich herausstellt, dass andere Länder eigene Gesetze verabschieden wollen. Nutzen Sie besser die nächste Justizministerkonferenz, um zu verbindlichen Verabredungen zu kommen. Vorschläge hierfür gibt es viele, zum Beispiel die Einführung einer Zweidrittelmehrheit für Standardänderungen im Strafvollzug oder gar das Einstimmigkeitsprinzip.

Der heute Morgen vereidigte Verfassungsrichter Dr. Schöneburg hatte im Sommer aufgrund seiner wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen mit dem Strafvollzug davor gewarnt, dass die Zukunft alles andere als rosig aussehen werde; denn wenn einige Länder die neue Eigenständigkeit nutzten und einen minderwertigen Strafvollzug vorsähen, weil sie ärmer als

andere Länder seien, dann bestehe die Gefahr, dass Straftäter als lebende Sprengsätze die Anstalten verließen. Ich habe noch keinen Praktiker getroffen, der dieser Wertung nicht zustimmte.

Das alles beirrt Sie nicht, Kollege Holzschuher.

(Holzschuher [SPD]: Ja!)

Sie glauben sogar an das Gute in der CDU-Justizpolitik,

(Holzschuher [SPD]: Das stimmt!)

dessen Vertreter Petke in der Presse unverhohlen bekennt:

„Für mich steht nicht die Sorge um den Täter im Mittelpunkt, sondern der Schutz der Menschen vor Straftaten.“

Welche Entwicklung Brandenburg einschlagen wird, verdeutlicht sich an weiteren Bekenntnissen von Herrn Petke. Abfällig meint er, Therapien aller Art hätten im Justizvollzug Konjunktur gehabt, was viel Geld und Energie gekostet habe. Erfolglose Therapie und rosaroter Glaube an die Möglichkeiten der Psychologie hätten neue Opfer von Straftaten nach sich gezogen.

Eine Zustimmung zu unserem Antrag ist daher gleichzeitig eine notwendige Distanzierung von solchen Worten und dem dahinterstehenden Geist. Sehen Sie nicht zu, dass man sich jetzt zurücklehnt, um Bayern, Hamburg oder Hessen nicht die Negativvorreiterrolle streitig zu machen, aber dann bei erstbester Gelegenheit dem Druck folgend nachvollzieht, was es an Standardabbau dann bereits anderswo gibt. Bedenken Sie das bei Ihrer Abstimmung. - Danke.