Protocol of the Session on May 18, 2006

Fortbildung der Lehrkräfte

Große Anfrage 17 der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2318

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/2674

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS. Frau Große, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wenige Tage nach Ihrem Amtsantritt haben Sie, verehrter Herr Minister Rupprecht, zwei Themen - die Begabtenförderung und die Fortbildung der Lehrkräfte - benannt, denen Sie in Ihrer Regierungszeit besondere Priorität einräumen wollten. Für beide Probleme sahen Sie am Anfang Ihrer Dienstzeit - geprägt durch Ihre Erfahrung als Schulleiter - dringenden Handlungsbedarf. Das Problem der Begabtenförderung versuchen Sie im Schulgesetz auf eine Art und Weise zu lösen, über die wir noch kräftig streiten werden. Hinsichtlich der Lehrkräftefortbildung ist uns bisher keine große Aktivität bekannt.

Aufgrund dessen kamen wir zu dem Schluss, dem Minister zu helfen und ihn für dieses Thema, das bereits lange auf unserer Agenda stand, neu zu sensibilisieren.

Eine Große Anfrage schien uns das geeignete Instrument zu sein, zunächst eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, um dann gegebenenfalls gesetzliche Aktivitäten auszulösen oder einzuleiten.

Die Antwort auf die Große Anfrage erweckt jedoch den Eindruck, dies sei nicht notwendig. Auf die Frage, inwieweit die gesetzlichen Grundlagen ausreichten und deren Umsetzung zufrieden stellend sei, mussten wir lesen:

„Die Landesregierung hält die gesetzlichen Grundlagen der Lehrkräftefortbildung für ausreichend und ist der Ansicht, dass die genannten Gesetzestexte in zufriedenstellender Weise umgesetzt werden.“

Diesbezüglich gibt es einen großen Widerspruch zwischen der gefühlten Bewertung des ehemaligen Schulleiters Rupprecht und der des Ministers.

SchiLF, m.a.u.s., MoSeS, BUSS - all das sollen die geeigneten Instrumente zur Verbesserung der Qualität sein. Wenn das alles so gut ist, Herr Minister, warum wollten Sie sich dieses Themas dann annehmen?

Noch interessanter wäre zu wissen: Warum legen Sie eine so geschönte, weichgespülte Antwort auf einer Datenbasis vor, die - wie Sie selbst entschuldigend einräumen - keine ist?

Die uns mit PISA und in Zukunft auferlegten Herausforderungen - ich erinnere dabei an die drei T's, die Herr Ministerpräsident Platzeck vor kurzem auf einer Bildungsveranstaltung eingefordert hat und die für die Grundherausforderungen Technologie, Toleranz und Talent stehen sollen - werden wir nur mit Lehrkräften bewältigen, die ein hohes professionelles Niveau besitzen, die sich selbst als Teil eines lernenden Systems verstehen, die noch neugierig sind und Bildungsbedürfnisse sowie Möglichkeiten zu deren Befriedigung haben.

Mit PISA wurden uns bezüglich der diagnostischen und lernpsychologischen Kompetenzen der Lehrkräfte erhebliche Defizite bescheinigt. Schüler individuell zu fördern heißt sie als unterschiedliche Lernlandschaften wahrzunehmen. Das haben auch Lehrkräfte, die in der DDR studierten, unzureichend gelernt.

Die Ausbildung der neuen Lehrkräfte zeigt jedoch noch größere Defizite. Die Hoffnung auf eine bessere Lehrerbildung ist aufgrund des zumindest für die nächsten fünf Jahre geringen Einstellungskorridors und aufgrund der Tatsache, dass die Umstellung auf Bachelor/Master keine besser ausgebildeten Lehrer bezüglich der Professionswissenschaften verheißt, ohnehin nur gering.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Lebenswirklichkeit unserer heutigen Schülergeneration ist oft eine völlig andere als die der Schule und der Lehrkräfte. Deshalb werden zu viele Schüler nicht erreicht und es verweigern sich auf unterschiedliche Art und Weise zu viele Schüler der Schule. Zu viele, Herr Kollege Senftleben, sagte ich.

(Zuruf von der CDU)

Lehrkräfte zu stärken und ihre Professionalität zu fördern ist dringend geboten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Welche Chance bekommen Lehrkräfte, über den Schultellerrand hinauszusehen?

Herr Minister Rupprecht, Sie werden sich sicherlich noch an die Qualität vieler Fortbildungsangebote erinnern, die nicht dazu angetan war, weiterhin Zeit und oft eigenes Geld zu investieren.

Sie werden doch auch bestätigen können, dass die 33,7 Stunden - eine große Summe -, die sich Lehrkräfte im Jahr durchschnittlich fortbilden, deshalb keine belastbare Größe ist, weil sich die Quantität sehr unterschiedlich verteilt und es bisher keine Anreize und keine dienstrechtlichen Möglichkeiten des Auferlegens einer Fortbildungsverpflichtung gibt. In der Antwort erfahren wir, dass es noch nicht einmal Überlegungen bezüglich dieser Regelungen gibt.

Lassen Sie mich, bevor ich auf einige Detailfragen eingehe, noch zwei grundsätzliche Anmerkungen machen: Die ca. 23 000 Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land haben seit 16 Jahren permament systemische Umstellungen bewältigen müssen,

(Unruhe im Saal - Glocke der Präsidentin)

mehrfach geänderte Lehrpläne, Richtlinien, Verordnungen, Vergleichsarbeiten, Standards, Prüfungen usw. Dies hat von jeder Lehrkraft individuelle Fortbildungsleistungen gefordert, die hier nicht analysiert wurden. Dafür und natürlich auch für die große Bereitschaft der meisten Lehrkräfte, sich trotz hoher Arbeitsbelastungen fortzubilden oder selbst als Fortbildner tätig zu sein, gebührt ihnen an dieser Stelle auch Anerkennung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich will die vielen Projekte der Landesregierung nicht kleinreden und auch anerkennen, dass die aufgewendeten ca. 8 Millionen Euro in Form von Stellen, Sachkostenzuschüssen, ESFKofinanzierungen nicht wenig sind - wie im Übrigen auch die finanziellen Eigenleistungen der Lehrkräfte, die ebenfalls nicht erfasst werden.

Es stellt sich die Frage nach der Effizienz. Da die zentrale Fortbildungsdatenbank aber erst Ende des vergangenen Jahres installiert wurde - dafür wurde ein unglaublich langer Zeitraum benötigt -, wird der Datenabgleich auch erst später möglich sein. Eine Evaluation der Fortbildung ist nicht geplant, was für mich angesichts der Summe, die beispielsweise in das Beratungs- und Unterstützungssystem für staatliche Schulämter und Schulen gegeben wird - es sind immerhin 4,85 Millionen Euro -, nicht nachvollziehbar ist. Dieses System sollte auch einmal evaluiert werden. Auch eine Überprüfung der angeblich straffer gewordenen Fortbildungsstrukturen wäre aus unserer Sicht angebracht. Das Fortbildungssystem ist nach wie vor unübersichtlich, zergliedert, dezentralisiert. Hier werden Potenzen vergeudet.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Problematisch ist aus Sicht der Fraktion der Linkspartei.PDS aber vor allem die Tatsache, dass kein mittelfristiges inhaltliches Konzept der Landesregierung zur Lehrkräftefortbildung existiert. So etwas stelle man sich einmal bei einem Konzern der Wirtschaft mit 23 000 Beschäftigten vor! Dass sich die Lehrkräftefortbildung aus den Handlungsfeldern der Bildungsoffensive ergibt, ist doch noch kein Konzept. Mit einem entsprechenden Antrag sind wir vor einigen Jahren - in der letzten Legislaturperiode - gescheitert. Es ist also nicht gewollt.

Die zuerst nicht so geliebte schulinterne Fortbildung im Umfang von 16 Stunden pro Schuljahr und Schule hat sich nun doch etabliert und wird im Rahmen der Schulvisitationen auch überprüft. Das halten wir für richtig. Im Übrigen ist der Bericht zum Pilotprojekt Schulvisitation im Vergleich mit der Antwort auf unsere Große Antrage wohltuend ehrlich, kritisch und dennoch sehr konstruktiv. Hier kann man also auch innerhalb des MBJS voneinander lernen.

(Hört, hört! bei der Linkspartei.PDS)

Wir bedauern sehr, dass die Landesregierung noch keinerlei Überlegungen hinsichtlich anderer Arbeitsmodelle bezüglich der Fortbildung anstellt. Wir haben noch ca. fünf Jahre mehr Lehrer im System als nach bisher geltenden Gesetzen nötig - eine komfortable Situation, um Lehrkräften zu gewissen Konditionen eine universitäre Zusatzausbildung einzuräumen. Ohnehin ist die Verbindung zur Universität einer der Schwachpunkte im System. Hier machen uns auch die skandinavischen Länder vor, wie man Synergieeffekte besser nutzen kann. Also Herr Minister: Erinnern Sie sich an Ihre Wurzeln! Lesen Sie die Antwort noch einmal mit den Augen des Schulleiters und - noch wichtiger - halten Sie die Zügel straff bezüglich einer Neujustierung der Lehrkräftefortbildung! Ohne Konzeption allerdings wird es nicht gehen, ohne Mut zur Innovation auch nicht. Wir erwarten von Ihnen nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank. - Jetzt spricht die Abgeordnete Siebke zu uns.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie herzlich, Gespräche so leise zu führen, dass die Rednerin oder der Redner hier noch verstanden wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD und DVU)

Ich bedanke mich.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Mikrofonausfall)

- Sie merken schon, wir werden bescheiden. Jetzt wird nur noch leises Reden gefordert - kein Nichtreden.

(Vereinzelt Heiterkeit - Bochow [SPD]: Wir sparen! Das haben Sie gerade gemerkt!)

- Genau, da passt das Thema Schule. Da sind die Forderungen an die Schüler auch sehr unterschiedlich. Manche geben sich auch mit leisem Reden zufrieden und sind glücklich, wenn das befolgt wird. Aber das ist nicht die Regel - hoffe ich jedenfalls.

Wir haben dank der Großen Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS das Thema Fortbildung auf der Tagesordnung. Frau Große hat ihre Einschätzung gegeben. Es wird nicht erstaunen, dass meine etwas anders aussieht. Dafür, dass diese Große Anfrage richtig war und uns auch weitergeholfen hat, die Situation der Fortbildung der Lehrkräfte im Land Brandenburg jetzt konkreter einschätzen zu können, meinen Dank.

Fortbildung der Lehrkräfte ist im Land Brandenburg rechtlich ausreichend geregelt. Wir haben Regelungen im Brandenburgischen Lehrerbildungsgesetz und Regelungen im Schulgesetz. Im Zusammenhang mit rechtlichen Regelungen wurde immer wieder - das hat Frau Große angesprochen - überlegt, ob es nicht eine gesetzlich verankerte Verpflichtung zur Fortbildung geben sollte. Ich gebe zu, dass ich auch lange Zeit gedacht habe, das sei sinnvoll. Wenn ich mich heute jedoch vor Ort umschaue und diese Antwort hier lese, denke ich schon, dass das Bewusstsein in der Lehrerschaft so weit gediehen ist und inzwischen auch Schulleitern mehr Kompetenzen eingeräumt werden, dass Fortbildung hier eine größere Rolle spielt, als dies vor einigen Jahren der Fall war, als wir schon einmal darüber sprachen.

Schule - das ist richtig - ist ein lernendes System. Ein lernendes System setzt voraus, dass man sich dessen bewusst ist; das ist auch richtig. Ohne Fortbildung ist Schule kein lernendes System. Ich brauche also Lehrer, die fortbildungswillig sind, und ich brauche natürlich auch die gut ausgebildeten Berater, die dieses System fortentwickeln helfen.

Ich wiederhole eine Zahl, die hier genannt worden ist: Wenn brandenburgische Lehrkräfte im Durchschnitt 33,7 Stunden pro Jahr an Fortbildungen teilnehmen, so ist dies eine Größenordnung, die sich sehen lassen kann. Das bestätigt die Aussage, die ich vorher getroffen habe. Da dies im Vergleich zum Jahre 2002 eine Steigerung um 39 % ist, so kann man damit zufrieden sein, ohne zu übersehen, dass es bei einzelnen Lehrkräften bestimmt noch Nachholbedarf gibt. Das ist bei Durchschnittsangaben jedoch immer der Fall.

Was für mich wichtig ist, ist die Aussage - das haben wir auch immer gefordert -, dass Fortbildung im Wesentlichen außerhalb von Unterrichtszeiten stattfinden soll. Auch hier ist ein erheblicher Schritt in die vorgegebene Richtung getan worden. Als richtig erweisen sich, wenn man diese Steigerungszahlen sieht, auch die Schulämterreform und die Angliederung der Fortbildung an die regionalen Schulämter.