Protocol of the Session on May 18, 2006

Der Zuzug von Ausländern und ihre Integration sind selbstverständlicher Bestandteil deutscher, speziell auch brandenburgisch-preußischer Geschichte. Deren Betrachtung zeigt, dass diese Entwicklung letztlich kein Problem, sondern ein Gewinn für uns alle ist.

Unser Land ist nicht durch widersinnige Diskussionen um eine deutsche Leitkultur, von der keiner weiß, was das sein soll, vorangekommen, sondern durch einen lebendigen Austausch der Kulturen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das gilt übrigens auch in ökonomischer Hinsicht. So hat der Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration 2004 festgestellt, dass jeder Zuwanderer - konkret bezogen auf das Jahr 1997 - der Bundesrepublik einen volkswirtschaftlichen Gewinn von 900 Euro gebracht hat. Diese Angaben gelten auch für die gegenwärtigen Bedingungen. Mit Blick auf das bevorstehende Ereignis dieses Jahres frage ich Sie: Wo stünde die deutsche Fußballnationalmannschaft, wenn sie in der Sturmspitze nicht solche Leistungsträger wie Klose, Assamoah, Neuville oder Podolski hätte?

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Bravo!)

Wie sieht die Einbürgerungspraxis eigentlich aus? In den Jahren 1981 bis 2003 erhielten knapp 1,5 Millionen Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit 2000 ist die Zahl der Einbürgerungen kontinuierlich zurückgegangen. Bekamen im Jahre 2000 noch knapp 187 000 Menschen den deutschen Pass, so

waren es im Jahre 2004 nur noch 127 000. Im Land Brandenburg sind in den Jahren 2000 bis einschließlich 2005 insgesamt 2 551 Personen eingebürgert worden.

Meine Damen und Herren, um es klar zu sagen: Eine Einbürgerung sollte etwas Besonderes sein, das nicht nebenbei und lieblos erfolgt. Ein feierlicher Akt wäre übrigens auch bisher schon möglich gewesen.

Es ist auch unstrittig, dass ein Einzubürgernder mit den Gegebenheiten des Landes vertraut sein und sprachlichen Zugang haben sollte. Es spricht auch nichts dagegen, bundesweit ein einheitliches Vorgehen anzustreben. Aber vor dem angeführten statistischen Hintergrund und vor dem Hintergrund einer in der Bevölkerung latent vorhandenen Ausländerfeindlichkeit stellt sich die Frage, mit welcher Motivation die Einbürgerungspraxis zum jetzigen Zeitpunkt verändert werden soll. Da hat mich Ihre Argumentation, Herr Petke, nicht überzeugt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Großkoalitionäre feiern die in der Innenministerkonferenz gefundene Vereinbarung als Kompromiss. Die Union hat sich mit ihrem Anliegen einer Verschärfung der Einbürgerungspraxis durchgesetzt. Das bezeichnet die CDU mit ihrer Aktuellen Stunde fragwürdigerweise als Modernisierung. Die SPD wiederum ist zufrieden damit, dass sich der Koalitionspartner bereit erklärt hat, an der Verbesserung von Integrationsangeboten mitzuwirken.

Die entscheidende Frage ist jedoch: War es angesichts der konkreten Entwicklung der vergangenen Jahre erforderlich, die ohnehin hohen Hürden für eine Einbürgerung weiter anzuheben, und welche Wirkungen werden dadurch ausgelöst? Hat es in der Einbürgerungspraxis massive Anzeichen für einen leichtfertigen, oberflächlichen Umgang mit der deutschen Staatsbürgerschaft gegeben? Mir sind keine seriösen Angaben bekannt, die das bestätigen könnten, und ich weiß mich dabei in Übereinstimmung zum Beispiel mit dem SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz, der in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 25. März dieses Jahres feststellte:

„Hier wird in verantwortungsloser Weise ein Problem herbeigeredet, das es in Deutschland gar nicht gibt.“

Auch der damalige SPD-Bundesvorsitzende Matthias Platzeck äußerte sich in ähnlicher Weise, indem er ein Ende der Einbürgerungsdebatte unmittelbar nach den Landtagswahlen im März prognostizierte. Ich stütze mich auch auf die Aussagen von Innenminister Schönbohm, der im April vor dem Landtag feststellte, dass ihm im Land Brandenburg kein Fall einer Einbürgerung bekannt geworden sei, bei dem ein Ermessensfehler vorliege. Er sah lediglich das Erfordernis, den Mitarbeitern in den Ausländerbehörden durch einen Leitfaden die Arbeit zu erleichtern. Herr Schönbohm hat sich bei dieser Gelegenheit ganz klar gegen schematisierte Testverfahren oder Ähnliches ausgesprochen und stattdessen für Gespräche vor Ort, bezogen auf die jeweilige Person, plädiert.

(Minister Schönbohm: Ja, richtig, das haben wir auch beschlossen!)

Bei CDU-Generalsekretär Petke hörte sich das ganz anders an. Im Unterschied zu seinem Parteivorsitzenden forderte er die Einführung des heftig umstrittenen Einbürgerungstests nach

dem Vorbild von Hessen und Baden-Württemberg, und diesem trauert er auch noch nach. Dabei ist er das lebende Beispiel für die Ungeeignetheit dieses Tests. Sich ausgerechnet bei der Frage nach den ersten Zeilen der Nationalhymne bis auf die Knochen zu blamieren ist wahrlich keine Meisterleistung.

(Lebhafter Beifall bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Aber das ficht Herrn Petke nicht an. Die Lernfähigkeit, die er immer wieder von anderen verlangt, lässt er bei sich selbst vermissen. Kaum hatten sich die Innenminister geeinigt, feierte er den so genannten Kompromiss als notwendige deutliche Verschärfung der Einbürgerungspraxis und forderte im gleichen Atemzuge die Einführung von Wissenstests im Land Brandenburg. Das ist ja hier wiederholt worden.

Ich frage Sie, Herr Innenminister: Was gilt denn nun? Gilt das, was Sie noch vor einem Monat hier im Landtag gesagt und hoffentlich auch in der IMK vertreten haben, oder macht Generalsekretär Petke mit seiner unverbesserlich scharfmacherischen Linie die Politik der brandenburgischen CDU? Wenn im Land Brandenburg keine Veranlassung zu sehen ist, die bisherige Einbürgerungspraxis wegen missbräuchlicher Handhabung grundsätzlich infrage zu stellen - so verstehe ich Herrn Schönbohm -, sollte das auch der Maßstab für das weitere Vorgehen sein. Dann darf es nicht darum gehen, Ausländer durch höhere Hürden von einer Einbürgerung abzuschrecken.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir brauchen vielmehr ein Klima, das Einbürgerungswillige willkommen heißt. Es darf eben nicht der Eindruck erweckt werden, als ob es darum gehe, es ihnen immer schwerer zu machen, weil hinter jedem Ausländer ein potenzieller Terrorist, Krimineller oder vielleicht Sozialschnorrer vermutet wird. Dazu gehört auch, die Integrationsbemühungen spürbar zu verstärken. Die jetzt vorgegebenen Einbürgerungskurse, die bezeichnenderweise von den einbürgerungswilligen Migranten künftig selbst finanziert werden sollen, werden das schwerlich leisten können. Gefragt sind frühkindliche Förderung und Unterstützung, Chancengleichheit auch auf dem Arbeitsmarkt, bei der Bildung usw.

Man muss sich also darüber im Klaren sein, dass es sich beim Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht um die Krönung einer erfolgreichen Integration handeln kann, wie die CDU bei dieser Aktuellen Stunde auch wiederholt; denn erst der Zugang zu staatsbürgerlichen Rechten ermöglicht eine volle Integration.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das scheinen die Innenminister aber nicht erkannt zu haben.

Versäumt wurde auch, eine längst überfällige Bleiberechtsregelung für die langjährig Geduldeten zu schaffen. Die erneute Vertagung dieses Problems bedeutet, dass mehr als 200 000 Menschen weiterhin mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, eventueller Abschiebungsandrohung und ohne Zukunftsperspektive leben müssen.

Meine Damen und Herren, noch ist offen, wie das Land Brandenburg die Ergebnisse der Innenministerkonferenz konkret umsetzt. Wir setzen uns dafür ein, dass die Einbürgerungspolitik in unserem Land nicht noch restriktiver als bisher gestaltet wird. Das Problem liegt nicht bei denjenigen, die sich einbür

gern lassen wollen, sondern besteht darin, dass es zu wenige sind, die diesen Weg suchen. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Debatte wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Stark von der SPD-Fraktion fortgesetzt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die SPD-Landtagsfraktion begrüßt ausdrücklich, dass sich die Innenminister der Länder auf eine gemeinsame Linie einigen konnten. Wer Deutscher werden will, der muss sich also acht Jahre lang in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten haben.

Herr Petke, Sie erwecken mit Ihren „Parallelgesellschaften“ und Ihren Beschwörungen den Eindruck, als seien Asylbewerber und Einwanderer in einen Topf zu werfen. Dabei wird immer vergessen, dass erst jemand, der mindestens acht Jahre hier ist und seinen sozialen Unterhalt durch Arbeit nachweisen muss, in der Lage ist, sich einbürgern zu lassen. Sie bringen immer alles durcheinander,

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

aber wahrscheinlich tun Sie dies bewusst.

Wir sind auch dafür, dass es keine Tests und keine Wissensfragen, sondern einen bundeseinheitlichen Einbürgerungskurs gibt. Dass auch die Beherrschung der deutschen Sprache Voraussetzung ist, um hier wirklich am Leben teilzunehmen, dass man sich sozusagen dem Recht entsprechend zu verhalten hat und Vorstrafen höchstens 90 Tagessätze betragen dürfen, ist in Ordnung. Dass letztlich durch einen feierlichen Eid - ich bin eher für ein Bekenntnis in feierlicher Form - die Einbürgerung stattfinden kann, ist auch okay.

Wir begrüßen auch, Herr Petke und Ihre CDU-Kollegen, dass die unsäglichen Einbürgerungstests nunmehr wegfallen. Man fragt sich, was die Geburtsstunde dieser Tests war. Ich kann Ihnen sagen, wie es dazu kam. Es waren die nahenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Hessen, die diese Tests auf die Tagesordnung brachten. Es war auch nicht das erste Mal, dass Herr Koch in dieser Art und Weise auf Stimmenfang gegangen ist, und zwar erfolgreich.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Um es hier noch einmal klar und deutlich zu sagen: Natürlich kann man von Menschen, deren Wunsch es ist, in Deutschland zu leben, verlangen, dass sie das Land kennen, dass sie etwas über die Geschichte des Landes wissen, dass sie Traditionen akzeptieren und bereit sind, sich mit den gesellschaftlichen Strukturen auseinander zu setzen und sich einzufügen. Ich bin allerdings überzeugt, dass die Mehrzahl der Menschen, die sich in den Einbürgerungsprozess begeben, das auch wollen, dass man ihnen das also nicht abverlangen, sondern von unserer Seite entgegenkommen muss.

Wir haben uns über die Einbürgerungstests unterhalten. Ich habe in meinem Umfeld festgestellt, dass sehr viele Deutsche,

mich eingeschlossen, dem hessischen Test nicht gerecht werden konnten und somit ausgebürgert werden müssten. Mir sind zum Beispiel die Fußballgrößen nicht eingefallen und ich konnte die Frage nach dem Steuerflüchtling Schumi nicht beantworten. Aber ich habe mich nicht sehr darum gegrämt, weil so große Leute wie Reich-Ranicki auch öffentlich bekannt haben, dass sie ihre Schwierigkeiten mit diesem Test hatten.

Jetzt frage ich Sie noch einmal in aller Öffentlichkeit, Herr Kollege Petke: Ist es wirklich wahr, dass Sie auf die Frage nach dem Beginn der Nationalhymne geantwortet haben: „Deutschland, Deutschland“? Deutschland, verehrter Herr Kollege, das ist eben nicht das, was die Menschen veranlasst und motiviert, zu uns zu kommen, sondern Einigkeit und Recht und Freiheit.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Also, noch einmal, klare Ansage: Wir sind dafür - nicht, dass das fehlinterpretiert wird, auch nicht von Ihnen, Herr Minister -, dass den Einbürgerungswilligen ein bestimmtes Maß an Kenntnissen über unser Land, unsere Geschichte, unser Leben abverlangt wird, aber es darf nicht in Deutschmacherei oder Gesinnungstests ausarten.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS - Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Ich sage Ihnen, was ich will. Im Zeitalter der Globalisierung darf es doch nicht darum gehen, fremdenfeindlich alles, was nicht deutsch ist, abzuschotten und die Latte für die ohnehin immer weniger werdenden Einbürgerungswilligen so hoch zu legen, dass es schier unmöglich ist, zu uns zu kommen. Jährlich gehen ca. 100 000 Deutsche in die weite Welt hinaus und wir erwarten ganz selbstverständlich, wenn wir in Skandinavien, Australien oder sonst wo auf dieser Welt ankommen, dass man uns mit offenen Armen empfängt oder uns zumindest vorurteilsfrei entgegentritt. Da können wir noch eine ganze Menge lernen.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS - Zurufe von der CDU)

Herr Petke, es kann doch nicht sein, dass wir jemandem die Gnade erweisen, nach der deutschen Staatsbürgerschaft ersuchen zu dürfen, sondern die Frage muss sein: Wie gehen wir mit Menschen um, die bereits lange hier leben - mindestens acht Jahre - und zum Teil hier geboren sind? Diese Menschen sprechen die deutsche Sprache, sie gehen hier arbeiten, sie sind hier eigentlich integriert.

(Zuruf des Abgeordneten Lunacek [CDU])

- Ja, Sie bringen immer alles durcheinander. Das ist der Punkt.

(Zuruf der Abgeordneten Funck [CDU])

Wenn wir uns dann noch mit der demografischen Entwicklung in Deutschland beschäftigen, müsste uns doch erst recht klar sein, dass wir viel mehr junge Leute hier brauchen, arbeitsfähige Menschen, die sich einbürgern lassen wollen. Die Tendenz ist das sagte ich schon - gegenläufig.