Protocol of the Session on May 18, 2006

Vor Eintritt in die Tagesordnung begrüße ich Gäste, nämlich eine 9. Klasse der Oberschule Sachsenhausen. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg und einen interessanten Vormittag für euch!

(Allgemeiner Beifall)

Die geänderte Tagesordnung liegt Ihnen vor.

Der Tagesordnungspunkt 11, Förderung der Kommunikation von Schwerhörigen und Ertaubten, Drucksache 4/2891, wurde von der Antragstellerin, die Fraktion der Linkspartei.PDS, zurückgezogen - ich vermute, vorläufig -, sodass er heute nicht behandelt werden muss.

Die Tagesordnungspunkte 16 und 17 hatten wir bereits in die gestrige Tagesordnung aufgenommen. Beide Punkte entfallen somit.

Gibt es zur vorliegenden Tagesordnung in der geänderten Form Nachfragen oder Bemerkungen? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich um Ihre Zustimmung durch Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Ich eröffne die Tagesordnung mit Tagesordnungspunkt 1:

Aktuelle Stunde

Thema: Anstehende Modernisierung der Einbürgerungspraxis verlangt Bekenntnis zur deutschen Kultur und erfolgreiche Integration

Antrag der Fraktion der CDU

Die Debatte wird mit dem Beitrag der CDU-Fraktion eröffnet. Herr Abgeordneter Petke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Kompromiss der Innenministerkonferenz vom 5. Mai 2006 ist Deutschland, unser Land, in der Lage, bundesweit einheitliche Einbürgerungen zu betreiben. Damit werden zwar nicht die Fehler der letzten Jahre rückgängig gemacht, aber wir beenden die Beliebigkeit im Umgang mit diesem wichtigen Thema. Beliebigkeit kennt keine Vorgaben, was wir als Deutsche von denen verlangen müssen, die zu uns gehören wollen. Aufnehmende Gesellschaften wie die unsrige verfügen über einen historisch gewachsenen kulturellen Zusammenhalt, der als Koordinatensystem das Leben regelt. Im Zentrum dieses unseres Koordinatensystems stehen unsere Sprache, unser Recht und unsere Werte. Wer Beliebigkeit praktiziert, will in aller Konsequenz unsere Form des Zusammenlebens aufgeben. Damit würden

wir uns am Ende selbst aufgeben. Das kann keiner wollen. Selbstaufgabe praktiziert nur, wer mit sich selbst abgeschlossen hat, wer das Vertrauen in und seine Achtung vor sich selbst verloren hat. Wie soll jemand andere für sich gewinnen können, wie sollte ein solches Deutschland andere zur Integration bewegen können?

Schlimmer noch, allen, die zu uns kamen, wurde so über Jahre die Möglichkeit verweigert, sich bei uns zurechtzufinden; denn wer unsere Sprache nicht spricht, wird auch keinen Zugang zu unserer Gesellschaft, ihren Werten und unserer Kultur finden. Erst dadurch entstehen Parallelgesellschaften mit all ihren negativen Folgewirkungen. Es sind diese Parallelstrukturen, in denen die Rechte von Frauen teilweise brutal missachtet werden und wo unter Zuhilfenahme verquerer Ehrbegriffe Menschen in Selbstjustiz auch getötet wurden. Leider treten die Desintegrationsschübe im Bereich der Kriminalitätsentwicklung, aber auch bei abfallendem Bildungsniveau von Menschen mit Migrationshintergrund immer stärker in Erscheinung.

Die Politik hat hiervor lange, zu lange die Augen verschlossen, auch deshalb, weil es in den letzen Jahren geradezu verboten schien, diese Dinge beim Namen zu nennen. Es ist gut, dass unser Land, dass die Politik jetzt endlich die Kraft und die Entschlossenheit gefunden haben, das Alte und Falsche in dieser Frage abzuwerfen. Jetzt haben wir einen Kompromiss, um die Dinge in der Zukunft mit Vernunft und Nachdruck neu zu regeln. Mein Dank gilt hier ganz besonders den Innenministern des Bundes und der Länder, dass sie gemeinsam eine bundeseinheitliche Regelung gefunden haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Blick auf die Zahlen im Land Brandenburg genügt: Seit dem Jahr 1998 wurden in Brandenburg 7 025 Ausländer eingebürgert. Aber im Kern geht es um eine andere Frage, nicht allein um die zahlenmäßige Zuwanderung. Es geht nicht so sehr um das Wieviel, sondern vor allem auch um das Wie. Wie wollen wir die Praxis der Einbürgerung gestalten? Wie bekennen sich Einbürgerungswillige heute und in Zukunft zu den Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes? Wie bewerten wir die individuelle Integrationsbereitschaft der Einbürgerungswilligen? Wie sehen wir die Perspektiven der brandenburgischen Einbürgerungsund Integrationspolitik?

Nun kann man natürlich die Frage stellen, warum wir darüber gerade jetzt diskutieren. Warum stellen wir uns gerade heute diese Fragen? Wenn wir von „Modernisierung der Einbürgerung“ sprechen, dann stellen sich zunächst einmal die Fragen: Wie sieht die jetzige Regelung aus? Welche Vor- und Nachteile hat sie mit sich gebracht? Welche Konsequenzen sind zu ziehen?

Heute wird man Deutscher, wenn man acht Jahre durchgehend in Deutschland gelebt hat. Man muss in der Regel für sein Einkommen bzw. seinen Unterhalt selbst aufkommen. Dem Grundsatz nach darf ein Einbürgerungswilliger keine Sozialleistungen, wie etwa Arbeitslosengeld II, erhalten. Natürlich sind heute schon deutsche Sprachkenntnisse Voraussetzung für eine Einbürgerung. Diese können durch einen Schulabschluss, durch Sprachdiplome oder erfolgreiche Teilnahme an Sprachkursen nachgewiesen werden. Ist der Ausländer vor seinem

Einbürgerungsantrag wegen einer schweren Straftat verurteilt worden, kann er nicht eingebürgert werden. Unberücksichtigt bleiben allerdings schwächere Delikte von Jugendlichen, Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen und anderes. Der Aufenthalt in Deutschland muss auf Dauer ausgerichtet gewesen sein. Nicht zuletzt muss sich der Einbürgerungsbewerber heute schon zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und erklären, dass er keine ungesetzlichen Aktivitäten gegen die Verfassungsorgane im Schilde führt. Wer all diese Forderungen erfüllt, kann auch heute Deutscher werden. Er hat einen Rechtsanspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft.

Aber natürlich gab es Punkte, die dazu geführt haben, das bisher geltende Recht zu modernisieren. Die Änderung ist deshalb notwendig, weil die jetzigen Regelungen ungenügend sind. Derzeit reicht es aus, acht Jahre in Deutschland gelebt zu haben, mäßig deutsch zu sprechen, einen guten Leumund zu haben und ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu unterschreiben. Nicht beantwortet ist die Frage, ob sich der Einbürgerungswillige eigentlich mit unseren Grundwerten beschäftigt hat, ob eine aktive Hinwendung zu den Werten unseres Grundgesetzes erfolgt ist. Genau darin liegt das Problem. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass Probleme wie Parallelgesellschaften, mangelnde Integration, Nebeneinander statt Miteinander und Integrationsverweigerung Alltag in unserem Land sind.

Zweiter Grund für die Neuregelung ist der Missbrauch. Wir haben mehrfach festgestellt, dass es relativ leicht ist und oft getan wurde, die gegenwärtigen Einbürgerungsregelungen zu unterlaufen. Daraus erwächst eine klare Handlungsanweisung an den Gesetzgeber, insoweit Änderungen vorzunehmen.

Ein dritter Punkt ist verstärkt und vollkommen zu Recht in die Diskussion getreten. Wir begreifen die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft als Ziel und Endpunkt einer erfolgreichen Integration. Deswegen ist es so wichtig, ausführlich darüber zu sprechen; denn wenn die Integration erfolgreich verlaufen ist und am Ende die deutsche Staatsbürgerschaft steht, dann haben alle etwas davon - derjenige, der Deutscher wird, aber vor allem auch unsere deutsche Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Soweit man in Brandenburg von Integration in den Alltag sprechen kann, ist das, was passiert ist, zumeist über den Arbeitsmarkt erfolgt. Wenn der Arbeitsmarkt in unserem Land weiterhin seinen Beitrag zur Integration leisten soll, wird kein Weg daran vorbeiführen, dass in unserem Land Deutsch als Alltagssprache für jeden selbstverständlich sein muss.

Für Kinder von Migranten wird diese Voraussetzung zusätzlich erschwert, wenn dieser Gedanke von ihren Eltern nicht gelebt wird, was sich auch im Medienkonsum widerspiegelt. Deswegen müssen Deutschförderkurse festgeschrieben und Schulanfänger zurückgestellt werden, wenn sie nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Problem betrifft nicht nur Kinder von ausländischen Eltern. Die ungenügende Beherrschung der deutschen Sprache

betrifft mittlerweile leider auch viele deutsche Kinder, wie Schulen und Kitas immer wieder sagen.

Die Sprache ist eine Grundvoraussetzung, aber sie allein wird nicht genügen, die Integration zu verwirklichen. Auch bei Migranten mit deutschem Pass wird die Integration nicht einfach durch die Verleihung des Passes gelingen, zumindest dann nicht, wenn ihr geistiges und kulturelles Zentrum nicht in Deutschland ist.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass gerade Entwicklungen in Parallelgesellschaften Fehlentwicklungen wie die Diskriminierung von Frauen durch Zwangsheirat und die Benachteiligung bei der schulischen Ausbildung begünstigt haben.

Herr Präsident, hier blinkt die Lampe. Ich glaube aber, noch etwas Redezeit zu haben.

Wenn Sie Ihre gesamte Redezeit auf einmal in Anspruch nehmen, haben Sie nachher keine Redezeit mehr.

Danke für den Hinweis, Herr Präsident. - In der Parallelgesellschaft fällt die islamische Propaganda eher auf fruchtbaren Boden als in der integrierten Gesellschaft. Eine Verstärkung des aggressiven Verhaltens ist zu erfahren. Fest steht, dass der Integrationswille bestimmter Teile unserer Gesellschaft nicht ausreichend ausgeprägt ist. Wir müssen darauf reagieren, dass der Glaube, lediglich Integrationsangebote zu unterbreiten, ausreichend sei und die Integration dann schon irgendwie von selbst funktioniere, schlichtweg ein Irrglaube ist. Es muss klar sein, dass in unserer Gesellschaft eine Integrationserwartung besteht und dass wir von einer Integrationspflicht ausgehen. Wer in unserem Land auf Dauer leben will, muss zunächst einmal aus eigener Initiative und aus eigener Verantwortung wesentliche Integrationsleistungen erbringen.

(Beifall bei der CDU)

Der Staat kann an dieser Stelle zwar unterstützend tätig werden, den Betreffenden die künftigen Herausforderungen und Lasten aber nicht vollständig abnehmen. Eine Herausforderung für den Einbürgerungswilligen liegt sicherlich auch im Kennenlernen der oft neuen Rechts- und Werteordnung unseres Landes. Das ist zum Beispiel die Anerkennung unserer Verfassung. Über diesen Bereich müssen wir hier gemeinsam diskutieren. In dieser Diskussion müssen wir uns auch und gerade mit denjenigen auseinander setzen, die nicht so klar hinter den Werten unserer Verfassung stehen. Wir haben uns die Fragen zu stellen, was übersteigerter Gottesglaube ist, was Islamismus ist und wo Extremismus vorhanden ist. In der Diskussion darf das keine Tabuzone sein, sondern wir müssen die Diskussion auch in diesem Bereich aufrechterhalten.

Es geht darum, die Menschen zu integrieren und es zu schaffen, über die Grundwerte unserer Verfassung zu reden. Dieser Bereich betrifft nicht nur die Integration, sondern vor allem auch die Auseinandersetzung mit dem Extremismus und Rechtsextremismus. Es muss endlich wieder über völlig einfache Dinge geredet werden wie die Frage, was geschieht,

wenn wir unsere Sprache im Kindergarten fördern, aber die Kinder ab dem Nachmittag in einer Parallelgesellschaft leben oder überhaupt keine Möglichkeit zu Kontakten in deutscher Sprache haben. Uns ist klar, dass es dabei nicht den einen richtigen Weg gibt. Das angesprochene Bekenntnis zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung muss dabei eine herausgehobene und wichtige Rolle spielen.

Ich begrüße ausdrücklich, dass die diesbezügliche Einigung der Innenminister der Länder und des Bundes zustande gekommen ist. Die Einigung sieht vor, dass die Bewerber um die deutsche Staatsbürgerschaft künftig unter anderem Sprachtests und Einbürgerungskurse mit abschließender Prüfung absolvieren. Diese Einbürgerungskurse sollen einen bundeseinheitlichen Standard haben. Das ist wichtig, denn es geht schließlich nicht um die brandenburgische oder bayerische Staatsbürgerschaft. Diese Kurse werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgearbeitet. Am Ende der Kurse müssen ausreichende Kenntnisse nachgewiesen werden, die von den Einbürgerungsbehörden - hier im Land Brandenburg die kreisfreien Städte und die Landkreise - überprüft werden.

Wir hätten uns natürlich eine weitergehende Einigung gewünscht, insbesondere was die Überprüfung der Vermittlung der Kenntnisse betrifft. Nach der erfolgten Einigung der Innenminister begannen aber sofort Diskussionen über die entstehenden Kosten. Es wäre sozial ungerecht, so wurde gesagt, die Einbürgerungswilligen mit zusätzlichen Kosten für die Einbürgerungskurse zu belasten. Die dazu geführten Diskussionen kann ich in keiner Weise nachvollziehen. Selbstverständlich sollen und werden Menschen, die Deutsche werden wollen, Kurse und Prüfungen bezahlen und ihren finanziellen Anteil leisten.

Aufgrund der eben gemachten Ausführungen befürworten wir die Durchführung von Sprachtests und Einbürgerungskursen mit abschließender Prüfung. Wir müssen die Grundlagen entwickeln, anhand derer überprüft werden kann, ob der Einbürgerungswillige zu den Wertvorstellungen unseres Grundgesetzes ein Bekenntnis ablegt. Ich hätte mir weitergehende Regelungen gewünscht. Allerdings sind diese aus den bekannten Gründen nicht zustande gekommen. Es geht uns um die zentrale Frage, wie wir mit möglichst größter Sicherheit gewährleisten können, dass sich derjenige, der deutscher Staatsbürger werden möchte, tatsächlich mit unserer Werteordnung identifiziert und sich dadurch in unsere Gemeinschaft integriert.

Dass wir durch die Einbürgerungskurse keine absolute Sicherheit erlangen können, ist klar. Ebenso ist klar, dass jeder Leitfaden oder jeder Fragebogen nicht vor Missbrauch im Einzelfall schützt. Wer sich aber aus diesem Grunde gegen eine solche Prüfung ausspricht, kann gleich die Polizei abschaffen, weil sie nicht jede Straftat verhindern und nicht jeden Straftäter dingfest machen kann. Ausgangspunkt ist die aus unserer Sicht unzureichende jetzige Rechtslage.

Abschließend noch eine Bemerkung zum Verhältnis von Integration und Einbürgerung. Vor der Einbürgerung zu überprüfen, ob der Einbürgerungswillige sich mit unseren Werten identifiziert hat oder nicht, dient der Integration. Es ist gerade im Interesse der Einwandernden, wenn wir verlangen, dass sie bereit sind, sich anzupassen und sich zu integrieren. Erst dadurch können sie ein glaubwürdiger Teil unserer

Gesellschaft werden und von dieser Gesellschaft profitieren. Der Türke mit deutschem Pass muss Vergangenheit sein. Zukünftig muss es der Deutsche türkischer Abstammung sein, der bei uns lebt. Das ist gelebte Integration.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Redezeit geht zu Ende.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte über dieses wichtige Thema. Wir alle können stolz darauf sein, in diesem wichtigen Bereich ein Stück vorangekommen zu sein. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS fort. Es spricht Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das sollte endlich klar und deutlich anerkannt werden. Daran ändern auch die permanenten Abwehrmanöver der Union, die immer absurder werden, nichts.

Der Zuzug von Ausländern und ihre Integration sind selbstverständlicher Bestandteil deutscher, speziell auch brandenburgisch-preußischer Geschichte. Deren Betrachtung zeigt, dass diese Entwicklung letztlich kein Problem, sondern ein Gewinn für uns alle ist.