Herr Schulze, ich weise Ihre Behauptung zurück, wenn Sie behaupten, dass ich die Arbeit des Petitionsausschusses durch den Dreck gezogen habe. Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen.
Ich wiederhole, dass die Aussprache damit beendet und der Bericht des Petitionsausschusses zur Kenntnis genommen ist.
Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. - Damit ist die Übersicht 4 des Petitionsausschusses zur Kenntnis genommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Auftaktveranstaltung des diesjährigen „Zukunftstages“ in der letzten Woche hat das Institut für Sozialforschung noch einmal eindringlich hervorgehoben, dass das Reservoir an qualifizierten Fachkräften in Brandenburg in den kommenden Jahren deutlich abnehmen wird. Der mit 33 % hohe Anteil an akademischen Fachkräften über 55 Jahre wird schon in naher Zukunft altersbedingt absinken. Spätestens dann wird in wissensintensiven Branchen Brandenburgs ein Engpass an Fachkräften entstehen. Das ist das Szenario, das uns erwartet, wenn wir nicht gegensteuern.
Modellversuch „Berufsausbildung mit Abitur“ in ausgewählten Berufen in Kooperation mit Brandenburger Unternehmen vorzubereiten, kann die geschilderte Situation sicherlich nicht beseitigt werden. Das ist aber eine Strategie - ich sage nicht, „die Strategie“, aber „eine Strategie“ - , um den demografischen Problemen in unserem Land frühzeitig zu begegnen.
Mit dem von uns geforderten neuen Bildungsgang im Brandenburger Schul- und Ausbildungssystem soll einerseits eine hochwertige berufliche Bildung mit hoher schulischer Bildung verknüpft werden. Damit können junge Menschen innerhalb von vier Jahren zum Beispiel die duale Berufsausbildung durchlaufen und zugleich den Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife erwerben.
Andererseits sollen dadurch die Übergänge für Schüler von der Schule in die Berufsausbildung, die so genannte erste Schwelle, und von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt, die so genannte zweite Schwelle, positiv beeinflusst werden. Denn wenn den kooperierenden Unternehmen die Möglichkeit eröffnet wird, dringend benötigte Fach- und Führungskräfte nach den eigenen Qualitätsanforderungen praxisnah auszubilden, versprechen wir uns davon maßgebliche Effekte. Wir glauben auch, dass das durchaus zu einer Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft bei dem einen oder anderen Unternehmen führen wird, das sich in den letzten Jahren aus den unterschiedlichsten Gründen aus der Ausbildung zurückziehen musste bzw. zurückgezogen hat.
Ein weiteres Ziel unseres Antrags ist es, mit dem zusätzlichen Bildungsangebot die Abiturquote in Brandenburg deutlich zu erhöhen. Der internationale Vergleich zeigt, dass im OECDDurchschnitt über 51 % der Schüler die Allgemeine Hochschulreife erreichen. In Brandenburg liegt die Quote derzeit wesentlich niedriger.
Der Bildungsgang „Berufsausbildung mit Abitur“ ist auch ein Modell für einen früheren Berufseinstieg. So können die Absolventen dieses Bildungsganges beide Abschlüsse, die allgemeine Hochschulreife und den Berufsabschluss, aus unserer Sicht in nur noch vier statt wie bisher in sechs bzw. fünfeinhalb Jahren erreichen.
Wir alle wissen doch - das konnten wir feststellen -, dass der Anteil der Schulabgänger, die nach dem Abitur ein Studium beginnen, derzeit stagniert. Wir wissen auch, dass viele junge Brandenburgerinnen und Brandenburger das Abitur nicht ablegen, um danach zu studieren, sondern um damit vielleicht eine bessere Chance zu haben, auf dem angespannten Ausbildungsmarkt eine der begehrten Lehrstellen zu erhalten. Für sie wäre die Berufsausbildung mit Abitur der klar bessere Weg und auch eine Alternative für ein späteres praxisnahes Studium.
Natürlich erfordert die Einführung dieses Schulversuchs Änderungen in der bisherigen Struktur der gymnasialen Oberstufe, zum Beispiel an den Oberstufenzentren, bzw. in der Berufsausbildung der Unternehmen. Aber wer glaubt, dass wir jetzt alles neu erfinden müssten, der irrt. Es geht um die curriculare, didaktische und methodische Verzahnung von zwei bereits vorhandenen Bildungsgängen. Insofern wird diese Forderung sicherlich transparenter.
Die Voraussetzungen für die Einführung sind aus meiner Sicht zurzeit gut. Die Oberstufenzentren möchten und müssen sich weiter profilieren. Im Jahre 2012 wird es in Brandenburg
34 000 Abzubis geben. Das ist gegenüber 75 000 Azubis im Jahr 2005 eine Halbierung. Die Brandenburger Unternehmen, sowohl die großen wie Daimler-Benz in Ludwigsfelde und BASF in Schwarzheide - Vattenfall hat es erklärt, EKO in Eisenhüttenstadt ebenfalls -, aber auch die kleinen benötigen in naher Zukunft hoch qualifiziertes Personal. Erst kürzlich haben Sie, Herr Kollege Folgart, erklärt:
„Auch in der Landwirtschaft stehen wir vor einem Generationswechsel. In den Unternehmen wird jede dritte Führungskraft aus Altersgründen in den kommenden Jahren aus der Berufstätigkeit ausscheiden.“
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, die Bedingungen sind da und das Zeitfenster ist offen. Ich hoffe, dass Sie sich mit der Terminsetzung zur Einführung eines möglichen Bildungsganges „Berufsausbildung mit Abitur“ zum Schuljahr 2007/08 nicht überfordert fühlen. Ich möchte klar und deutlich sagen: Für uns ist das eine Zielstellung, die wir verfolgen wollen. Ich glaube, Brandenburg braucht diesen Bildungsgang „Berufsausbildung mit Abitur“. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Görke. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Geywitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berufsausbildung mit Abitur, das war zu DDR-Zeiten ein durchaus gängiger Weg zum Abi. Besonders für jene Jugendlichen, denen aus politischen Gründen der Weg zur EOS versperrt blieb, war das ein zweiter Weg, doch noch das begehrte Abitur erwerben zu können.
Auch im heutigen Bildungssystem in Brandenburg gibt es an den Oberstufenzentren durchaus doppelqualifizierende Bildungsgänge, in denen man eine Ausbildung in Kombination mit der Erlangung der Fachhochschulreife absolvieren kann.
Wir reden hier allerdings über etwas anderes, nämlich über das Abitur, für das in dieser Bundesrepublik nach KMK-Vereinbarung mindestens 265 Stunden zu veranschlagen sind. Das hieße in Kombination mit einer Ausbildung: vier Jahre. Die Absolventen hätten anschließend die Berechtigung, an jeder Hochschule der Bundesrepublik zu studieren. Mit der Novelle zum Schulgesetz verkürzen wir nun aber gerade die Zeit bis zum Abitur von 13 auf zwölf Jahre; denn unsere Analyse zeigt, dass unsere Studierenden im internationalen Wettbewerb nicht mithalten können, weil sie schlicht und ergreifend zu alt sind.
Wenn wir dann noch den Wehrdienst und anderes dazurechnen, haben wir das Problem, dass unsere Berufsanfänger viel zu alt sind. Wenn wir jetzt ein System schaffen, bei dem man für Berufsausbildung mit Abitur vier Jahre braucht und anschließend noch studiert, geht dies genau in die falsche Richtung.
Sie haben darauf hingewiesen, dass es vielleicht gar nicht darauf ankomme, dass Jugendliche danach ein Studium aufnähmen. Ich finde, Sie unterstützen damit eine Tendenz, die in die falsche Richtung geht, nämlich die Tendenz, dass man für einen normalen Ausbildungsberuf das Abitur vorweisen muss und damit ein Verdrängungswettbewerb einsetzt, der auf Kosten der Oberschüler geht. Das sollten wir nicht auch noch unterstützen.
Ein weiterer, eher praktischer Grund ist unser demografisches Problem. Wir bemühen uns, möglichst viele Gymnasialstandorte und Oberstufenzentren zu erhalten. Klar ist, dass die verbleibende Masse an Schülern nur in begrenztem Maße aufgeteilt werden kann. Wenn man hier eine weitere Option schafft, bleibt für den Rest weniger übrig.
Auch nicht vergessen darf man, dass sich die Betriebsstruktur heutzutage deutlich von der zu DDR-Zeiten unterscheidet. Es ist schon sehr schwierig, Betriebe zu finden, die eine Ausbildung anbieten. Noch schwieriger wird es dann werden, solche Betriebe zu finden, die einen Auszubildenden neben der Ausbildung noch ins Gymnasium schicken. Das dürfte relativ selten der Fall sein. Bekanntlich haben wir Probleme mit der langfristigen Personalentwicklung. Es ist wohl unrealistisch, anzunehmen, dass ein Betrieb jemanden ausbildet, daneben ins Gymnasium und dann noch zum Studium schickt. Es gibt nur ganz wenige große Firmen, die eine derartige Personalentwicklungsplanung haben.
Meine letzte Bemerkung betrifft eine Forderung der Opposition. Wir haben in den letzten Jahren versucht, in Brandenburg das Bildungssystem in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Es gab sehr viele Modellprojekte. Einige davon haben sich bewährt, andere nicht. Was ich im Lande immer wieder zur Lebenspraxis höre, ist die Forderung: Macht das, was ihr euch vornehmt, ganz gezielt, setzt es um, aber macht bitte nicht jeden Tag etwas anderes, nicht ein Modellprojekt nach dem anderen und nicht Wettbewerb innerhalb des Systems, bei dem man sich gegenseitig die Schüler wegnimmt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Frau Geywitz hat gesagt, warum man den Antrag abzu
lehnen hat. Das sind genau dieselben Gründe, warum auch meine DVU-Fraktion diesen Antrag ablehnen wird. - Ich danke.
Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Senftleben. - Dieser Beitrag fällt offenbar aus.