Mehr als ein Jahrzehnt lang trug die Brandenburger Förderpolitik, übrigens ganz im Sinne der Verfassung, die Überschrift: „Dezentrale Konzentration“. Nur: Offensichtlich wurde selten dezentral konzentriert, sondern zu oft unkonzentriert zentralisiert.
Das Prinzip der dezentralen Konzentration scheiterte doch nicht an sich selbst, sondern daran, dass sich die Regierung selbst oft genug nicht daran hielt. Dass zum Glück die Landesregierung nicht alles Geld in Millionengräbern versenken konnte - Herrn Ex-Minister Fürniß von der CDU holt seine Vergangenheit mit der Chipfabrik gerade wieder ein -, ermöglichte, dass in Regionen und Kommunen auch viel Vernünftiges geschehen ist. Es war ja nun wirklich nicht alles Gießkanne, wie Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihrem Bericht behaupten. Und mit Verlaub: Wo in den letzten Jahren gegossen wurde, haben Sie in der Koalition wesentlich mitbestimmt.
Woran ist denn das bisherige Leitbild gescheitert? Was sind die Ursachen? Wer trägt die politische Verantwortung für Fehlinvestitionen? Wo lagen die Irrtümer? Diesen Fragen stellt sich Ihre Landesregierung nicht.
Wohin führt angesichts dessen der von Ihnen heute beschworene Weg der Erneuerung? Im Februar hörten wir etwas über das „zupackende Land“, im vergangenen Jahr etwas über „Erneuerung aus eigener Kraft“. Heute geht ein „echter Ruck“ durch das Land. Meine Fraktion, die Fraktion der Linkspartei.PDS, befürchtet, dass wir uns an diese Art symbolischer Landespolitik unter Ihnen gewöhnen müssen und sich daran nichts ändern wird.
Sehr geehrter Herr Platzeck, Sie sind jetzt Ministerpräsident und Landtagsabgeordneter, zugleich Bundes- und Landesvorsitzender der SPD. Da reicht Rhetorik nicht. Da reicht es nicht, der bundesweit beliebteste Darsteller eines Ministerpräsidenten zu sein.
Vierfache Verantwortung vervierfacht auch unsere Erwartungen, aber vor allem die Erwartungen der Brandenburgerinnen und Brandenburger an Sie.
Zurück zu den Schwachstellen des neuen Förderkonzeptes! Es fehlen nicht nur Analyse, Leitbild und Kriterien, sondern Sie entschieden vom grünen Regierungstisch aus, ohne die Kreise, die Akteure vor Ort, Wirtschaftsexperten und Wissenschaftler vorher zu hören. Die gegen die ersten Standortentwicklungskonzeptionen geäußerten Bedenken haben Sie ignoriert. Sie entschieden, ohne sich mit Berlin und den anderen angrenzenden Bundesländern abgestimmt zu haben. Das durften wir in der gemeinsamen Ausschusssitzung in Berlin erleben. Sie entschieden, ohne die europäischen Verflechtungsbeziehungen speziell in der europäischen Region an Oder und Neiße zu be
Fast wie Nörgelei mag es klingen, wenn wir anmerken: Auch der Landtag war nicht einbezogen. Manche von uns wurden gar von Ihnen persönlich hinausgeworfen. Aber die Kritik, nicht einbezogen worden zu sein, kommt sogar aus den Koalitionsfraktionen selbst.
Herr Ministerpräsident, Sie verkündeten die neue Förderpolitik in einer Pressekonferenz, die parallel zur Landtagssitzung stattfand. Das sagt schon alles. Es konnte Ihnen nicht schnell genug gehen; Sie wollten schnell entscheiden.
Die gesamte Vorarbeit der Staatskanzlei auf der Suche nach den Wachstumskernen bestand in der Auswahl von Standorten mit überdurchschnittlichen ökonomischen oder wissenschaftlichen Potenzialen, einer Mindestgröße von 20 000 Einwohnern und mit Ausstrahlung auf ihr Umland. Die Standorte, die Sie gefunden haben, waren, ehrlich gesagt, nicht überraschend.
Die Standorte, die Sie selbst vom grünen Tisch aus ausgewählt hatten – nur diese! -, wurden befragt und angeschrieben. Einen nachvollziehbaren Abgleich gab es nicht, ein Ranking war unerwünscht. So blieben die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Havelland und Märkisch-Oderland von vornherein außen vor. Dort gibt es keine Höchstförderung, dort soll nichts mehr wachsen.
Wenn Sie die Starken wirklich stärken wollen, warum dann nicht auch in Teltow/Stahnsdorf oder Strausberg/Rüdersdorf? Das ist objektiv nicht nachvollziehbar. Es geht um Förderkonditionen, um Millionen. Da bleibt Protest nicht aus, wenn Landkreise unbegründet herausfallen.
Um nicht missverstanden zu werden: Eine Konzentration der Förderpolitik ist notwendig. Das sieht auch die Linkspartei.PDS so. Es bringt aber nichts - wir werden uns daran auch nicht beteiligen -, Landespolitik nur als Lobbyarbeit für bestimmte Regionen zu betrachten.
In der Fraktion der Linkspartei hat niemand etwas gegen den politisch entschiedenen Wachstumskern in der Prignitz. Im Gegenteil, es ist okay, dass dort ein neuer, 16. Wachstumskern hinzugekommen ist. Aber ich frage mich: Hat die Regierung diese zweifellos richtige Erkenntnis wirklich erst in den letzten Monaten erlangt?
Deshalb unterstreiche ich: Die Methode, regionale Wachstumskerne zu bestimmen, ist unstrittig. Nur muss das Gesamtkonzept mit objektiven Kriterien erkennbar und nachvollziehbar sein, zum Beispiel anhand von Arbeitsplatzzahlen, überregionaler Verflechtung oder von Ausschlussgründen. Aber auch diese kennen wir nicht. Deshalb ist Ihre Entscheidung nicht nachvollziehbar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das bisher gültige Leitbild der dezentralen Konzentration wurde bewusst gewählt. Es sollte entsprechend der Verfassung Grundlage für einen Interessenausgleich zwischen engerem Verflechtungsraum und äußerem Entwicklungsraum sein. Es kam anders. Es kam zu Fehlentwicklungen. Auf die zunehmende Arbeitslosigkeit, die Abwanderung junger Leute, die demografische Entwicklung und vieles andere mehr haben Sie in Brandenburg aber nicht
rechtzeitig reagiert. Andere Länder, wie Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, haben inzwischen Rückholprogramme für junge Fachkräfte gestartet und gewähren Mikrodarlehen für kleine Firmen und Sonderkonditionen für junge Existenzgründer. Natürlich können Sie sich heute dafür feiern, dass Sie endlich die Notwendigkeit des Umsteuerns erkannt haben. Ich wiederhole aber die Frage: wohin umsteuern?
In anderen Bundesländern war man schneller und hat sogar Schlussfolgerungen gezogen. Ich erinnere nur an die Sachverständigen– und Enquetekommissionen, nicht nur in Bayern, sondern auch im Osten. Der erste Antrag meiner Fraktion auf Einsetzung einer solchen Kommission datiert auf das Jahr 1996. Wir fragen: Warum verweigern Sie sich dieser Diskussion - damals wie heute?
Die Ende Juni mit Berlin getroffene Vereinbarung zur Neuausrichtung der gemeinsamen Landesplanung geht natürlich in Ordnung. Aber auch hier bleiben Fragen offen, zum Beispiel die nach der Umsetzung des Verfassungsanspruchs, in allen Teilen Brandenburgs gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Um Ihren Zwischenrufen zuvorzukommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD:
Es geht nicht um Gleichmacherei, das heißt nicht um identische, sondern um gleichwertige Lebensbedingungen. Mit Politik kann man nie hundertprozentig Gerechtigkeit herstellen. Soziale Gerechtigkeit als Anspruch bedeutet jedoch, die Belange aller, der Kinder und der Rentner, der Unternehmer und der Arbeitslosen, im Blick zu haben und zum Maßstab zu nehmen. Deshalb frage ich Sie noch einmal: Will sich die Landesregierung wirklich von der Politik des Interessenausgleichs verabschieden? Kann mit dem System der regionalen Wachstumskerne und der Branchenschwerpunkte der geltende Anspruch auf Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen noch gewährleistet werden? Wir meinen: nein.
Auch außerhalb der Wachstumskerne müssen öffentliches Handeln, Mobilität, der Zugang zu Bildung, Ausbildung und Hochschulbildung, zur Gesundheitsversorgung, zu Medien und Dienstleistungen, zu wirtschaftlicher Entwicklung, zu Beschäftigung, zu Finanzdienstleistungen und zur Justiz garantiert sein - für alle Bürger, die dort wohnen!
Schon das Beispiel der Neuordnung der Amtsgerichtsstandorte zeigt doch die Kurzsichtigkeit Ihrer Entscheidungen; denn danach sollen für die nächsten Jahre Gerichtsstandorte auf der Grundlage der alten zentralörtlichen Gliederung festgelegt werden. Neu definierte Wachstumskerne, wie Schwedt und Eisenhüttenstadt, sollen ihre Gerichte verlieren. Haben Sie das wirklich bis zu Ende gedacht?
Auf diese und andere Fragen erwartet nicht nur die Linkspartei, sondern erwarten vor allem die Brandenburgerinnen und Brandenburger immer noch Antworten von der Landesregierung. Ich stelle beispielhaft Fragen: Inwieweit ist das neu entwickelte Leitbild mit der neuen Förderpolitik vereinbar? Sind die regionalen Wachstumskerne mit dem Zentrale-Orte-System
kompatibel? Ist der Zentrale-Orte-Ansatz nach wie vor ein geeignetes Steuerinstrument? Was ist mit den Regionen des Landes, die nicht als regionale Wachstumskerne eingestuft wurden? Sagen Sie den Leuten bei mir im Oderbruch nun: Tut uns Leid, für Sie sind wir nicht mehr zuständig? Was passiert mit den Regionen, die sich erst in den nächsten Jahren zu potenziellen Wachstumskernen entwickeln? Soweit wir es verstanden haben - korrigieren Sie mich! -, sind hier Anpassungen nicht vorgesehen. Bleiben Sie dabei?
Dass man es anders machen kann, zeigt sich beim ILEK, dem Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzept. Hier verbinden sich Wachstumsorientierung und Interessenausgleich. Das ist eine andere Herangehensweise, als sie beim Konzept der regionalen Wachstumskerne Anwendung fand.
Dennoch bleibt letztlich auch hier die Frage: Wie verbinden Sie am Ende ILEK mit den anderen Fördervorstellungen des Landes?
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, weil wir diese und andere Fragen hatten, habe ich mich am 17. November schriftlich an Sie gewandt. Leider konnten Sie nicht persönlich antworten - wegen Überlastung, wie ich vermute. Ich habe dafür begrenztes Verständnis. Dafür, dass ich heute keine Antwort von Ihnen erhalten habe, habe ich jedoch kein Verständnis.
In meinem Brief habe ich argumentiert, dass die Landesregierung die Fragen, Probleme und Vorschläge der regionalen Planungsgemeinschaften und Landkreise in den letzten Standortkonferenzen praktisch nicht beantwortet hat. Dabei war die Mitarbeit der Regionen im Vorfeld doch ausdrücklich erwünscht.
Wir kritisieren das Vorgehen bei der Auswahl der regionalen Wachstumskerne; denn für die Bestimmung - das wiederhole ich - fehlen bis heute allgemein nachvollziehbare Begriffs- und Aufgabenanalysen. Das bestätigen brandenburgische Wissenschaftler, zum Beispiel Prof. Ribheke von der Viadrina. Wir baten Sie lediglich, Herr Ministerpräsident, die geplante Beschlussfassung im Kabinett bis zur Vorlage des Leitbildes einer europäischen Metropolenregion Berlin-Brandenburg auszusetzen und die Diskussion im Land zu führen. Leider sind Sie diesem Vorschlag nicht gefolgt. Sie haben schnell entschieden.
Andererseits lassen Sie sich bei der Vorbereitung der neuen EU-Förderperiode ständig mehr Zeit. Wenn wir nachfragen, sagen Sie uns, wir sollten nicht so drängeln, wir hätten noch genug Zeit. Dann hätte man sich auch bei der Entscheidung über die Wachstumskerne die Zeit nehmen und zum Beispiel die über 300 Seiten umfassende Analyse der sozialökonomischen Entwicklung bis 2013 mit ihren 26 Handlungsempfehlungen, die Sie ja selbst in Auftrag gegeben haben, berücksichtigen können.
Mein Fazit aus all dem lautet: Der vorliegende Bericht führt „Stärke“ zwar im Titel, aber nicht im Inhalt. Wenn wir Sie, Herr Ministerpräsident, für Ihre Politik kritisieren, dann machen wir uns über deren negative Folgen nicht lustig. Das ist wirklich ein Unterschied.
Die Linkspartei.PDS Fraktion ist offen für eine wirkliche Debatte zur Neuordnung der Landesentwicklungsplanung und der Förderpolitik. Wir sehen natürlich die wirtschaftlichen, finanziellen und demografischen Probleme. Wer politisch Verantwortung trägt - und die tragen auch wir 29 Abgeordneten der Linkspartei.PDS -, muss nach Lösungen suchen. Daher wollen wir die Debatte über das Leitbild für ein soziales Berlin-Brandenburg als Dialog für ein Brandenburg der Regionen breit und ergebnisoffen zu Beginn führen.
Dabei werden wir alle Potenziale jeder Region ernst nehmen. Ein Leitbild für Brandenburg muss regional und interregional, proeuropäisch und weltoffen gedacht sein. Darin unterscheiden sich unsere Ansätze von denen der CDU und, wie wir befürchten, auch immer mehr von der Brandenburger SPD. Das aber muss nicht so bleiben.
Wichtig ist kein neues, schönes funkelndes Konzept von zentralen Orten, Clustern, Netzwerken auf dem Papier. Es geht nicht um ein Trennen guter und schlechter Standorte und Branchen. Wichtig ist vielmehr, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Das geht nur, wenn Bereich für Bereich, Region für Region betrachtet wird. Ein solches Herangehen würde Verantwortliche zwingen, alles zu unternehmen, um aus dem Vorhandenen mehr zu machen und Ressourcen eben nicht zu vernichten oder zu ignorieren, sondern perspektivisch zu erhalten und sinnvoll zu nutzen. Darüber würden wir gern mit Ihnen auch hier im Landtag diskutieren, und zwar nicht nur in der einzigen Anhörung, zu der sich der Hauptausschuss nun doch durchgerungen hat.
Wir sind der Ansicht, dass es nicht reicht, die Selbstaktivierung im Land zu beobachten, wie Sie, Herr Ministerpräsident, sagten. Wir brauchen eine Diskussionskultur, in der Vorschläge nicht nach dem Verfasser, sondern nach dem Inhalt beurteilt werden. Ein Anfang wäre es zum Beispiel, Anträge meiner Fraktion in den Ausschüssen wieder fachlich zu diskutieren. Das kostet noch nicht einmal etwas. In diesem Sinne werden wir weiter arbeiten und unsere Möglichkeiten im Landtag, in den Kreisen, Städten und Gemeinden ausschöpfen. Wir werden den Druck auf Sie nicht verringern. Es bleibt unser Anspruch an Regierungspolitik, der Forderung nach gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Regionen des Landes gerecht zu werden.
Herr Ministerpräsident, die Linkspartei.PDS unterstützt Ihren jetzigen Kurs in der Förderpolitik nicht. Sie sagen, Sie seien fest entschlossen. Wir sagen: Sie sind festgefahren. Wir werden uns aber auch nicht verweigern. Sie können gewiss sein, dass wir weiterhin mit Vorschlägen und Ideen kommen werden. Wir werden uns am Dialog für ein soziales Brandenburg beteiligen.
Herr Ministerpräsident Platzeck, ich fordere Sie auf, ich bitte Sie, vom Eigenlob und von der sozialen Rhetorik endlich zu politischem Handeln zu kommen. Dabei geht es nicht ohne Gerechtigkeit gegenüber den Menschen und Regionen. Ihre Fragestellungen haben wir gehört. Sie gehen zum Teil in Ordnung. Wir haben unsere Fragen gestellt, aber wir erwarten auch Antworten. Ihre heutige Regierungserklärung gibt keine.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat zu Beginn seiner Regierungserklärung gesagt, Brandenburg sei ein Land in Bewegung. Das möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Diese Bewegung muss ein Aufbruch sein. Wir wollen einen Aufbruch und wir brauchen einen Aufbruch für Brandenburg, damit es besser wird, damit mehr Arbeit entsteht, damit unsere Kinder hier bleiben und damit die Menschen optimistisch in die Zukunft schauen. Wir wollen, dass sich Brandenburg bewegt, und zwar nach vorn. Nur mit Bewegung überwinden wir Probleme, schaffen wir Wohlstand und soziale Sicherheit.