Protocol of the Session on June 9, 2005

Aus meiner Sicht gibt es drei grundsätzliche Feststellungen.

Erstens - das war erstaunlich - sagen drei Viertel aller Schüler, sie gehen gern zum Sportunterricht. Sie wollen sich anstrengen, ihre Leistungen gewürdigt sehen und neue Bewegungen erlernen.

Zweitens ist festzustellen, dass auf der anderen Seite eine wachsende körperliche Inaktivität der Kinder zum Rückgang der körperlichen Fitness und der motorischen Leistungsfähigkeit führt. Mittlerweile ist jedes sechste Kind übergewichtig. Das hat gravierende Folgen für die persönliche Entwicklung.

Drittens - das wussten schon alle - liegt jetzt auch wissenschaftlich fundiert vor: Im Sportunterricht wird wie überall im Bildungsbereich gespart - mit gravierenden Folgen.

Bisher konnte sich die Politik immer mit der fehlenden Datenlage aus der Affäre ziehen; doch das ist nun vorbei. Die Schulsportstudie sagt repräsentativ aus: Die Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert. Der Altersdurchschnitt der deutschen Sportlehrer liegt jetzt bei 44 Jahren. Von den vorgesehenen drei Sportstunden, falls sie überhaupt ausgewiesen sind, werden nur 2,2 tatsächlich abgehalten und viele Lehrkräfte im Fach Sport unterrichten fachfremd.

Das ist die Ausgangslage, die uns zu unserem Antrag veranlasst hat. Frau Hartfelder, meine Damen und Herren von der CDU, Sie werden nachher sicherlich wieder Ihr Unverständnis äußern, wie Sie es schon in der vergangenen Woche im Bildungsausschuss getan haben, und fragen, was dieser Antrag hier soll.

Der Ausschuss war nämlich Gast an der sportbetonten Gesamtschule in Potsdam und konnte sich über eine erfolgreiche Bilanz dieser Eliteschule informieren. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Man wünschte sich auch für die „normalen“ Schulen in Brandenburg, Herr Minister, solche Rahmenbedingungen. Als Beispiel nenne ich den großzügigen Pool an Teilungs- und Förderstunden.

Ein Tagesordnungspunkt der Ausschussberatung war eine kurze Einschätzung durch Sie, Herr Minister, zum Schul- und Breitensport, in der Sie zu dem Schluss kamen: Brandenburg ist nicht schlecht, nur die Sportlehrer sind ein bisschen alt. Gerade an diesem Punkt setzt unser Antrag ein.

Unserer Meinung nach reicht es nicht aus, solch eine oberflächliche Aussage im Ausschuss zu machen.

(Zurufe)

Sie dient maximal der Selbstberuhigung und spiegelt die Wirklichkeit im Lande ungenügend wider.

Wie sieht es im Einzelnen im Land Brandenburg aus? Noch am gleichen Tag des Erscheinens der Schulsportstudie haben Sie in einer Presseerklärung verkünden lassen: Brandenburg hat seine Schularbeiten bereits gemacht. - Sie bezogen sich vor allen Dingen auf die dritte Sportstunde, die in Brandenburg die Regel ist. Sicherlich - diesbezüglich haben Sie Recht - ist es ein Erfolg, diese dritte Sportstunde in der Stundentafel auszuweisen. Aber stimmt es nicht auch, dass mittlerweile im Grundschulbereich jede sechste Stunde und im Sekundarstufenbereich jede fünfte Stunde aus den unterschiedlichsten Gründen nicht erteilt wird?

Wie sieht es mit dem Altersdurchschnitt der Sportlehrer in Brandenburg aus? Ich habe es schon angedeutet. Ich war über die Antwort auf meine Kleine Anfrage an das Ministerium ziemlich entsetzt: 49,6 Jahre. Im Grundschulbereich sind wir völlig vergreist: Durchschnitt 51 Jahre.

(Zurufe - Bischoff [SPD]: Weil in Brandenburg niemand entlassen worden ist!)

- Ich komme gleich dazu. Lieber Kollege Bischoff, das hat nichts mit Entlassungen zu tun.

(Bischoff [SPD]: Darüber müssen wir reden!)

Das ist der fehlende Einstiegskorridor, den Sie mit zu verantworten haben und der nicht nur im Sportbereich zur Vergreisung der Lehrerschaft geführt hat.

(Beifall bei der PDS)

Wir hatten in der letzten Sitzungsperiode bzw. der letzten Sitzung des Landtags, als es um den Haushalt ging, Vorschläge unterbreitet. Denen haben Sie sich verweigert.

(Zurufe von der SPD)

Gestatten Sie mir noch eine Frage; sie hat vielleicht nichts mit den fiskalischen Gründen zu tun: Wie viele Lehrkräfte unterrichten fachfremd?

(Schulze [SPD]: 51-jährige Menschen sind also Greise!)

Ich habe gesagt: Wir vergreisen. - Herr Schulze, stellen Sie eine Frage, dann habe ich auch mehr Zeit, darauf zu antworten.

Ich komme noch einmal zur Fachbesetzung. Nach Informationen des brandenburgischen Sportlehrerverbandes ist jede vierte Lehrkraft im Grundschulbereich keine Fachlehrkraft. Genau deshalb unser Antrag. Wir brauchen erstens eine genaue Analyse über die Qualifikation und den Fortbildungsstand der Sportlehrerinnen und Sportlehrer, und das nicht nur in der Grundschule.

Zweitens brauchen wir, Herr Kollege, genauere Informationen über den dringend benötigten Einstellungskorridor. Sie können den Minister ja einmal fragen, wie groß der Einstellungskorridor in diesem Jahr aufgrund des Abschmelzens in Cottbus ist. Ich glaube, er geht gegen null.

Gebraucht werden auch Informationen zur Situation der Sportund Schwimmhallen im Land. Herr Minister, Sie haben in der letzten Ausschusssitzung verkündet, dass die Zahl der Nichtschwimmer von 2001 bis 2003 von 13,4 auf 11,4 % zurückgegangen ist. Sie haben leider nicht erwähnt, dass zum Beispiel in der Uckermark nach dem obligatorisch erteilten Schwimmunterricht jedes vierte Kind über keine ausreichenden Fähigkeiten verfügt. Über diese Fragen müssen wir reden. Ursache sind meiner Meinung nach fehlende schulnah gelegene Schwimmhallen und eine nicht vorhandene Rettungsschwimmerbefähigung, die Voraussetzung dafür ist, den Unterricht durch Lehrkräfte abzusichern. Gleiche Zahlen gibt es für die Prignitz.

Ein weiteres Problem ist das Ganztagsschulprogramm. Hat die Landesregierung in Vorbereitung dieses Programms geprüft, ob beim Ganztagsbetrieb, der zusätzliche Bewegungsangebote beinhaltet, die Hallenkapazitäten ausreichen? Auch dazu hätten wir gern Informationen. Ich glaube, es ist Zeit, diese zu bekommen.

Müssen wir für die Kooperation von Schule und Verein, für die immer geworben wird, und speziell für die Sportförderung nicht mehr Mittel bereitstellen, als dies jetzt der Fall ist? Mit 150 000 Euro aus den Konzessionsabgaben für die Sportförderung konnten 621 Anträge positiv beschieden werden. Das sind 241 Euro pro Jahr und Maßnahme - ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Schulze [SPD]: Haben Sie einmal mitgezählt, wie oft die PDS mehr gefordert hat?)

Wie viele Schulsportkoordinatoren in den Landkreisen feststellen, gehen die Teilnehmerzahlen der Schülerinnen und Schüler, die sich an den Wettkämpfen „Jugend trainiert für Olympia“ beteiligen, zurück. Es ist nicht hilfreich, wenn man in Brandenburg darauf abhebt, im Vergleich der Länder einen Beteiligungsgrad von 16 % vorweisen zu können. Mitte der 90er Jahre hat bei uns noch jeder vierte Schüler daran teilgenommen. Das hat mit Finanzen im engeren Sinne nichts zu tun.

Fragen über Fragen, die nach Antworten rufen. Der vom Ministerium vorzulegende Schulsportbericht könnte manch erhellende Antwort geben. Den Antworten müssten natürlich auch Maßnahmen folgen.

Die Sprint-Studie ist keine PISA-Studie. Es geht in erster Linie um die Rahmenbedingungen des Sportunterrichts. Der von uns geforderte Bericht könnte ein detailliertes Bild zeigen.

Ich hoffe, meine Damen und Herren von der Koalition, aber auch von der Regierung, dass Sie heute nicht zum Schönreden neigen, sondern mit uns darin übereinstimmen, dass wir Faktenwissen brauchen, welches dieser Bericht vermitteln könnte.

Übrigens werden in 14 Tagen zusätzliche Studiendetails veröffentlicht. Diese Datenbasis wird noch stärker belegen, dass wir Defizite haben, über die wir reden müssen. Wenn man sie erkannt hat, kann es ein zupackendes Land mit ihnen aufnehmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Geywitz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Blick auf die Aktuelle Stunde heute Morgen möchte ich darauf hinweisen, dass es weder sehr charmant noch sehr höflich ist, wenn man angesichts des Durchschnittsalters von 51 Jahren bei Sportlehrern im Grundschulbereich von Vergreisung spricht.

(Beifall bei der CDU)

Die Aktuelle Stunde liegt zwar schon ein paar Stunden zurück, aber vielleicht kann man sich das in Erinnerung rufen.

Es wurde gesagt, dass der Schulsport in Brandenburg ein wichtiges Thema ist. Dazu gibt es sehr viel Positives, aber auch sehr viel Kritisches zu sagen. Die Situation ist sicherlich verbesserungswürdig, wenngleich wir bereits Erfolge vorweisen können. Sie haben die Sportschule Potsdam genannt. Es gibt noch weitere in Frankfurt (Oder) und Luckenwalde; das muss ich Ihnen nicht sagen. Wir stehen im Sportschulbereich gut da. Ich denke, dass es sehr sinnvoll ist, wenn sich der Bildungsausschuss kontinuierlich mit diesem Thema beschäftigt. Wir waren eben erst an einer Sportschule.

Ich bin über Ihren Antrag zu diesem Thema etwas verwundert. Sie haben sehr viele Fragen gestellt, auch in Ihrer Rede. Der beste Ort für Fragen ist meiner Meinung nach die Fragestunde zu Beginn des Plenums. Des Weiteren besteht die Möglichkeit,

an die Landesregierung eine Anfrage zu stellen und die Antwort darauf qualifiziert im Ausschuss nachzubereiten.

Ihr Antrag enthält einen Satz und ansonsten viele Fragen. In dem, was Sie eben erzählten, findet sich Ihre Position zu Schulsport in Brandenburg nicht wieder. Es findet sich auch kein materieller Regelungsinhalt wieder, denn Sie formulieren einfach nur Wissensbedarf. Diesen Wissensbedarf können Sie sicherlich auf andere Art und Weise stillen als durch einen durch die Landesregierung zu erstellenden Bericht. Uns allen ist klar, was das Berichtswesen anrichtet, welche bürokratischen Prozesse beim offiziellen Bericht der Landesregierung in Gang gesetzt werden. Ich verweise auf den Beschluss des Landtags, dieses Berichtswesen zu reduzieren, um Kosten zu sparen.

Ich kann Ihren Informationsbedarf sehr gut verstehen. Sie können ihn sicherlich auf andere Art und Weise unkomplizierter erfüllt bekommen. Wir sind gern bereit, erneut über das wichtige Thema Schulsport im Ausschuss zu diskutieren. - Diesen Antrag werden wir ablehnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir setzen mit dem Beitrag der DVU-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Fechner, bitte.

(Schulze [SPD]: Jedes Jahr zur selben Zeit!)

- Ja, ja, Herr Schulze. Sollten Sie nicht Ihren Arzt wechseln?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den vorliegenden Antrag das erste Mal durchgelesen habe, gingen mir folgende Gedanken durch den Kopf:

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

- Hören Sie gut zu!