Protocol of the Session on June 8, 2005

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/1237

1. Lesung

Zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/1237 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dieser Empfehlung Folge leistet, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Überweisung einstimmig zugestimmt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweites Gesetz zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO)

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/1318

1. Lesung

Auch hierzu wurde vereinbart, keine Debatte zu führen.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung. Wer dieser Empfehlung Folge leistet, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Demografischer Wandel in Brandenburg - Erneuerung aus eigener Kraft Ursachen und Folgen - Strategien und Handlungsfelder, Projekte und Maßnahmen

Bericht der Landesregierung

Drucksache 4/1291

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung. Für sie spricht der Innenminister. Herr Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat mit dem Bericht „Demografischer Wandel in Brandenburg - Erneuerung aus eigener Kraft“ ihren zweiten Bericht zum demografischen Wandel vorgelegt.

Ich möchte einen kurzen Blick in die Vergangenheit werfen. Nach thematischen Klausuren im Jahr 2003 und dem Einsetzen einer ressortübergreifenden Projektgruppe „Demografische Entwicklung“ unter Leitung der Staatskanzlei haben wir im Februar 2004 den 1. Bericht zu demografischen und wirtschaftsstrukturellen Auswirkungen in Brandenburg beschlossen und im Landtag debattiert. Darin sind die ersten Auswirkungen des demografischen Wandels beschrieben. Detailliert wurden dabei Fragen an die einzelnen Politikfelder gestellt, die hinsichtlich der Gestaltung der Folgen des demografischen Wandels beantwortet werden müssen.

Der bis zum Herbst vergangenen Jahres erreichte Erkenntnisfortschritt bewirkte, dass die beiden Koalitionspartner für die Zusammenarbeit in der 4. Legislaturperiode 2004 bis 2009 nahezu zu jedem Politikfeld einen sehr deutlichen demografiebezogenen Prüfauftrag formulierten.

Wir sind in Brandenburg von dieser Entwicklung sozusagen in vierfacher Hinsicht betroffen. Wir haben nicht genug Kinder, wir haben ein Problem mit der Abwanderung in den Westen, wir erleben eine starke Binnenwanderung in Richtung der Metropolenregionen und wir werden immer älter. Älter zu werden ist kein Problem, sondern eine Freude, wenn ich das sagen darf.

Wir müssen anerkennen, dass die Folgen des demografischen Wandels für ganz Deutschland unausweichlich sind. Demografieexperten prognostizieren, dass bei unveränderter Geburtenrate künftig jede Generation um ein Drittel kleiner sein wird als ihre Vorgängergeneration. Das hat Auswirkungen auf die Staatsschulden, die Renten, das Gesundheitssystem, die gesamte öffentliche Infrastruktur. Es ist also eine dramatische Herausforderung.

Aber es gibt einen Unterschied. Wir in den neuen Bundesländern vollziehen diesen Wandel im Zeitraffertempo. Es geht viel schneller. Das Besondere dabei ist, dass die Herausforderungen zur gleichen Zeit auf allen Politikfeldern und auf allen Ebenen politischen Handelns sichtbar werden und mit anderen strukturellen, vor allen Dingen wirtschaftlichen Umbrüchen zeitgleich aufeinander treffen.

Nicht ganz freiwillig nehmen wir in dieser Situation, da es keine fertigen Musterlösungen gibt, sozusagen eine Vorreiterrolle ein. Wir nehmen diese Herausforderung an und wollen sehen, welche Chancen sich daraus ergeben. Wir werden unseren Anteil daran leisten, einerseits bei den Ursachen anzusetzen, andererseits aber die notwendigen Anpassungen an den demografischen Wandel nicht zu verschleppen und uns weiterhin Chancen zu erschließen.

Von den Antworten, die wir heute finden, können andere in ein paar Jahren lernen. Bei dieser Einschätzung war sich die Landesregierung im Übrigen mit Bundespräsident Horst Köhler einig, der bei seinem Besuch im April festgestellt hat, dass wir in Brandenburg nach seiner Kenntnis in diesem Bereich in den Überlegungen am weitesten fortgeschritten sind.

Bei der Suche nach langfristig tragfähigen Lösungen haben wir feststellen müssen, dass es nirgendwo Patentrezepte dafür gibt, wie in einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft Wohlstand, soziale und auch Generationengerechtigkeit erhalten werden könnten. Alle Konzepte, die in der Vergangenheit entstanden sind, setzen in der Regel immer Wachstum, ob nun Bevölkungsoder Wirtschaftswachstum, voraus. Wir wissen, kurzfristige Aktionen können nichts bewirken. Gefordert sind auf Langfristigkeit ausgerichtete und zum Teil auch neue gesellschaftspolitische Ansätze. Wir sind uns auch bewusst, dass eine zukunftsfähige, den Erfordernissen des demografischen Wandels gerecht werdende Politikgestaltung eine Sichtweise erfordert, die deutlich über den Zeitraum einer Legislaturperiode hinausgeht.

Die Probleme, die wir in dem Bericht dargelegt haben, weisen darüber hinaus. Darum müssen wir uns mit der Entwicklung über einen Zeitraum bis etwa zum Jahr 2020 befassen. Von daher gesehen kann die künftige Gestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur auf der Basis der Auswertung der jetzigen Lage erfolgen. Zwingend notwendig ist es zum Beispiel, eine Debatte über die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu führen, auch Bundes- und Landesverhältnisse aufzugreifen und damit neue Akzente zu setzen.

Es wird in Zukunft nicht darum gehen, zu entscheiden, wo etwas aufgegeben wird und wo nicht. Aber wer in dünn besiedelten Räumen lebt, der muss vorher wissen, dass er sich auf eine Lebensqualität einstellen muss, die anders ist als die in den Städten, zum Positiven und zum Negativen. Jeder, der auf dem Land wohnt, muss wissen, welche Unterschiede es zur Stadt gibt. Diese Unterschiede können wir nicht ausgleichen. Aber jede Region hat ihre Besonderheit, die die Menschen erfüllt und deretwegen sie dorthin ziehen.

(Beifall bei der CDU)

Darum können wir nicht Ungleiches gleich machen.

Wir registrieren bereits heute, dass insbesondere in den entfernt gelegenen Dörfern das Leerstandsrisiko ständig wächst, weil sich die individuellen Lebensvorstellungen der Kinder, der jüngeren Generation von denen der Eltern unterscheiden. Die Kinder haben das Recht, sich anders zu entscheiden. Wir müssen sehen, wie wir ihnen Anreize geben, dort zu bleiben und dort zur Entwicklung unseres Landes beizutragen.

Die Daten des Demografieberichtes liegen Ihnen vor. Ich möchte mich jetzt nur auf die politischen Konsequenzen konzentrieren.

Die Folgen des demografischen Wandels verbunden mit dem immer enger werdenden Finanzrahmen zwingen uns zu einem grundlegenden und konsequenten Umsteuerungsprozess. Nach der Verabschiedung des Haushalts sind die finanziellen Rahmenbedingungen eindeutig bekannt.

Lässt sich der Prozess des demografischen Wandels aufhalten? Nein, ich glaube, er lässt sich nicht aufhalten. Es geht jetzt darum, langfristig tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Wir müssen wissen, dass sich die Geburtenrate in Brandenburg zurzeit aufgrund der Mitbürger, die hier leben, so entwickelt, dass dies zu einer Katastrophe führen kann, wenn nicht rechtzeitig und wirksam gegengesteuert und den Menschen eine Hoffnung gegeben wird, in unserem Land zu leben und Kinder großzuziehen.

Damit sage ich auch, was sehr klar ist: Kinder sind das Fundament jeder Gesellschaft, auch der unsrigen. Deshalb sollte sich jeder die Frage stellen, was uns die Kinder eigentlich wert sind. Mit großer Sorge beobachte ich, dass sich diese Frage bei manchen potenziellen Eltern überhaupt nicht stellt. Das Glück, Kinder zu haben, stellt sich manchem aus der heranwachsenden Generation überhaupt nicht mehr. Die Gründe sind vielfältig und sehr individuell. Dabei wollen wir gar nicht rechten. Wir wollen nur feststellen, dass dies ein Problem ist.

In einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zeigt sich, dass dieses Spektrum sehr breit ist. Es reicht von der Partnerwahl über die Sorge um die Zukunft der Kinder, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um den Arbeitsplatz bis hin zur mangelnden Bereitschaft zur Aufgabe von Freizeitinteressen.

Von daher gesehen führen viele unterschiedliche Erwägungen im Ergebnis zur Entscheidung für oder gegen Kinder. Einen einzigen Grund, der alles erklärt, gibt es nicht. Darum gibt es keine einzelne Maßnahme, die alles verändert, es gibt nur ein Bündel von Maßnahmen.

Darum ist es für Politik und Verwaltung so schwer, darauf zu reagieren. Es gibt nur eine komplexe Herangehensweise, die uns helfen kann. Dies kann auch nur mittel- und langfristig wirken und bedarf vor allen Dingen eines Mentalitätswechsels.

Man muss auch sehr klar sagen: Das Glück der Familie und der Kinder ist durch nichts zu ersetzen. Die Offenheit für Kinder müssen wir uns in Deutschland mehr erarbeiten. Alle können dafür einen Beitrag leisten.

(Beifall bei der CDU)

Jeder von uns kann es erleben. Ich will ein Beispiel sagen, um zu zeigen, was ich damit meine. Ich ging mit meiner Enkeltochter, vier Jahre alt, einkaufen. Da kam eine ältere Dame, etwa mein Alter, und sagte zu der Kleinen, weil diese etwas getan hatte, was der Dame nicht gefiel: Geh mal zur Seite und tu dieses und jenes. - Ich habe zu der älteren Mitbürgerin gesagt: Wissen Sie was, das ist ein kleines Mädchen, das zahlt demnächst Ihre Rente, seien Sie ein bisschen nett zu ihr. Die Dame sah mich an und meinte: An sich haben Sie Recht.

Damit meine ich: Natürlich sind Kinder manchmal laut und belästigend, aber sie sind doch auch ein Vergnügen. Das sage ich als Vater von drei Kindern und Großvater von sechs Enkelkindern. Nichts ist schöner, als wenn das Haus voll Lärm ist.

(Beifall bei der CDU)

Das ist wirklich eine schöne Sache. Darum lasst uns auch den anderen sagen, dass dieses Glück der Familie dazugehört.

Es geht um die Frage, wie wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern können, von der Tagesmutter bis zum Kita-Platz, vom Elterngeld bis zum Familiensplitting. All das spielt eine Rolle. Aber keine der einzelnen Maßnahmen alleine wird das Problem lösen.

Die Eltern sollen entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten. Wenn eine Mutter sich entscheidet, sich um die Kinder zu kümmern und nicht arbeiten zu gehen, dann sollte man der Mutter Anerkennung zollen. Wenn sie sagt, „Ich gehe arbeiten, obwohl ich Kinder habe“, hat sie genauso Anerkennung verdient. Beides muss möglich sein.

(Beifall bei der CDU)

Es geht also um das Klima, welches wir verändern müssen. Dazu können wir alle beitragen. Es geht um materielle Bedingungen und dabei natürlich um das Thema Arbeitsplätze.

Der zweite Schlüssel liegt in der Bildung. Den Wohlstand unserer Gesellschaft sichern wir nur, wenn wir unseren Kindern eine vernünftige Ausbildung ermöglichen. In Brandenburg muss jedes Kind - auch im ländlichen Raum - eine Chance erhalten. Wir können es uns nicht leisten, auch nur ein einziges Kind zurückzulassen - auch nicht in dünn besiedelten Regionen. Darum müssen wir überlegen, wie wir diese ungleichen Ausbildungschancen behandeln. Der Kollege Bildungsminister versucht, dies im Lande zu erklären und umzusetzen. Einfach ist es nicht, das wissen wir, aber es ist zu schaffen. Andere Länder haben es uns vorgemacht.

Gute Bildung ist die größte Investition in die Zukunft, aber Bil

dung im Licht des demografischen Wandels heißt auch, Schulund Ausbildungszeiten zu verkürzen, damit Jugendliche früher ins Erwerbsleben einsteigen und die dafür erforderlichen Qualifikationen - die Anforderungen der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts sind hoch - erwerben können.