Ich danke allen, die sich seit dem 2. März an der Debatte zum Haushalt beteiligten. Frau Osten tat es bereits, ich will es auch tun. Es war eine sehr aufregende Debatte und sie wird in den nächsten Jahren noch aufregender. Herr Lunacek sieht das genauso. In dieser Debatte zeigten die Abgeordneten aller Fraktionen - nicht nur in den letzten beiden Tagen, sondern auch in den Wochen davor -, dass sie sehr engagiert und interessiert an diesem Haushalt sind und die Problemlage, in der Brandenburg sich befindet, erkannt haben.
Ich greife drei Punkte heraus und verdeutliche insbesondere am dritten Punkt, in welche Richtung es in den nächsten Jahren gehen muss.
Es wird nicht einfach sein, das Ruder in einem solchen Haushalt herumzureißen und den Politikwechsel um 180 Grad zu vollziehen, vor allem, wenn unter anderem eine Volkswirtschaft, viele Unternehmen und Schulen daran hängen. Jedoch ist der Richtungswechsel verdeutlicht worden, was ich darstellen werde.
Die Debatte führten wir vor dem Eindruck einer riesengroßen Haushaltsproblemlage, in der sich Brandenburg befindet. Jeder weiß inzwischen, dass wir mit 17 Milliarden Euro in der Kreide stehen, wir womöglich zudem Kredite in Höhe von 917 Millionen Euro aufnehmen müssen, wir fast so viele Zinsen zahlen werden, wie wir Kredite aufnehmen, die Schuldenfalle über Brandenburg zugeschnappt ist und wir uns anstrengen und bemühen müssen, wieder herauszukommen.
Dazu kommt die Steuerschätzung der vergangenen Woche, die verdeutlicht, dass in diesem Jahr weitere 120 Millionen Euro und im nächsten Jahr weitere 130 Millionen Euro fehlen werden. Das haben wir alles gefressen, das wissen wir alles, das brauchen wir nicht zu vertiefen. Wir wissen auch, dass wir dagegen angehen müssen, dass wir mit diesem Thema umgehen müssen.
Ich bin froh, dass das Thema Demografie in den letzten beiden Tagen sowohl bei der Koalition als auch bei der Opposition eine wichtige Rolle spielte und bei keinem Einzelplan außer Acht gelassen wurde. Dieses Thema wird weiterhin unser Tun und Handeln bestimmen. Wir können nicht so tun, als hätten wir Geburtenraten wie im Jahr 1970, wenn wir wissen, dass wir im Jahr 1990 nur noch 40 % jener Geburtenrate im Lande hatten. Wir müssen das zur Kenntnis nehmen, realisieren und unsere Einzelpläne darauf ausrichten.
Das größte Problem ist aber - das verdeutlichten bereits die Kollegen Lunacek und Enkelmann - die grassierende Arbeitslosigkeit. In Brandenburg liegt die Arbeitslosenquote bei 19,2 %, was zu viel ist. 257 000 Menschen in Brandenburg sind ohne Arbeit. Jeder Fünfte im erwerbsfähigen Alter ist arbeitslos.
In der Debatte wurden verschiedenste Konzepte gemeinsam erörtert. Der Streit um die Arbeitslosigkeit wurde bei allen Einzelplänen geführt, was gut und wichtig ist. Das zeigt, dass wir uns bezüglich der Hauptproblemlage dieses Landes einig sind.
In den nächsten Tagen werden wir über den weiteren Verlauf der Wirtschaftsförderung sprechen müssen. Kollege Lunacek hat es dargestellt, Frau Enkelmann hat es auch aufgeworfen. Einige sagen, wir sollen Sachsen nacheifern, andere sagen, wir
sollen Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin nacheifern. Sachsen hat eine Arbeitslosenquote von 19,3 %. Demnach verzeichnen beide Länder, Brandenburg und Sachsen, mit diesen und jenen Konzepten eine hohe Arbeitslosigkeit. Allein dadurch, dass wir unterschiedlich Zuschüsse an Firmen vergeben, werden wir das Problem nicht beheben. Dem müssen wir uns beugen und anpassen. Jedoch wird es nicht das allein selig Machende sein, mit dem wir die Arbeitslosigkeit plötzlich auf 4 oder 5 % ziehen.
Frau Enkelmann, hinsichtlich des zweiten Arbeitsmarktes bringen Sie gern Mecklenburg-Vorpommern vor. Wenn wir uns bemühen, bekommen wir - sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Brandenburg mit ähnlicher Bevölkerungszahl höchstens 10 000 bis 14 000 Menschen in den zweiten Arbeitsmarkt, was auf die eine oder andere Weise finanziert wird.
Das ist die Dimension. Gemessen an etwa 1,3 Millionen Menschen, die am Arbeitsmarkt teilhaben wollen, sind diese 10 000 nur der von Ihnen genannte Tropfen auf den heißen Stein. Selbst mit erheblichen öffentlichen Mitteln werden wir das Problem der Arbeitslosigkeit in Brandenburg nicht lösen.
In den letzten Jahren wurden für den zweiten Arbeitsmarkt - ABM und SAM - in Brandenburg fast 15 Milliarden Euro ausgegeben, was dem anderthalbfachen Jahresbudget des Landtags entspricht. Diese Gelder retteten dieses Land jedoch nicht. Sie führten nicht zu einer Arbeitslosenzahl, die man akzeptieren könnte, sondern sorgten dafür, dass viel Geld ausgegeben wurde und zumindest bei den Bildungsausgaben zum Teil - ich spreche nicht von ABM und SAM - mit großen Schippen Luft über den Maschendrahtzaun geschippt wurde. Sie sorgten nicht dafür, dass wir die Menschen in Arbeit schicken können. Demnach war es auch nicht das allein selig Machende.
Wenn Sie, Frau Enkelmann, sagen, dass Kommunen in Brandenburg überlegen, in Richtung Sachsen abzuwandern, kann ich nur sagen: Sie sollten sich gut anschauen, wie die Abwanderung aus Sachsen vollzogen und wie in Sachsen mit Regionen umgegangen wird, die weit entfernt von Leipzig und Dresden liegen. Aus Sachsen ziehen jährlich mehr Menschen weg als aus Brandenburg. Das hat nicht nur eine Saldowirkung in Bezug auf Berlin,
sondern hat auch etwas damit zu tun, dass die Menschen in Sachsen unzufriedener sind, wenn sie nicht in den Regionen Leipzig und Dresden leben. Ich könnte Ihnen auch sagen, wer von dort wegzieht, aber das ist nicht das Thema.
Wir haben über die Ausgaben im ländlichen Raum diskutiert und darüber, wohin das Geld gehen soll. Jedoch wird das auch nicht das allein selig Machende sein, ebenso wenig wie es eine gute Polizeiarbeit ist. Das wird - egal, wie gut oder schlecht sie werden könnte - nicht für eine Senkung der Arbeitslosigkeit sorgen.
Ob wir ein Filmorchester in diesem Land haben, wird auch nicht das allein selig Machende sein und das Abendland in Brandenburg nicht retten.
Des Weiteren wurde viel über Verkehr und Straßenbau gesprochen, unter anderem darüber, ob man an einige Stellen Investoren für den Bau einer Straße oder einer Brücke locken sollte.
Es wurde über die Abschaffung des Sterbegeldes diskutiert. Angesichts der Tatsache, dass Sie alle noch gut und munter aussehen, werden wir damit weder den Haushalt retten, noch das Problem der Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren reduzieren können.
Wir haben dann - Herr Homeyer hat das gestern sehr intensiv getan - über Bürokratieabbau gesprochen. Herr Lunacek, Sie wollen dieses Jahr zum Jahr des Bürokratieabbaus machen. Ich habe Ihnen schon öfter gesagt, dass ich sehr dabei bin und versuchen werde, alles das, was an Vorschlägen kommt, mit hineinzutragen.
Aber ich habe den vergangenen Sommer in Berlin zugebracht und zusammen mit Wolfgang Clement, wirklich ernsthaft versucht, Lockerungen allein im Handwerksrecht zu bewirken. Wir wollten, dass Gesellen - egal aus welcher Branche - ihr eigenes Unternehmen gründen können. Dann kamen die Zehnjahresregelung und die eine und andere Kompliziertheit dazu und es ist nachher nicht gelungen, die Handwerksrolle A massiv zu entlasten und die Überführung in die Handwerksrolle B, aus der heraus man sich sehr schnell in die Selbstständigkeit bewegen kann, herbeizuführen.
Blockierer dabei waren nicht die SPD und nicht die Grünen, die Blockierer kamen aus den Reihen der CDU/CSU,
die gesagt haben: Genau das wollen wir eben nicht; wir wollen, dass da angemeldet wird, wir wollen, dass dort geprüft wird, wir wollen, dass die Handwerkskammern ein Mitspracherecht haben usw. Es war nicht so einfach, das, was wir letztlich erzielt haben, durchzudrücken, und zwar gegen den massiven Widerstand der CDU/CSU.
Ich würde mich freuen, wenn das hier in Brandenburg von der CDU dann, wenn es nachher wirklich ums Eingemachte geht, anders gesehen würde.
Wir haben eben noch einmal das Argument Familie und Arbeit gehört. Frau Enkelmann, ich habe auch sehr lange die Position vertreten - ich vertrete sie immer noch -, dass es viele Familien gibt, die sich ein Kind oder zwei Kinder oder ein drittes Kind nicht zutrauen, weil sie nicht wissen, ob sie das Kind oder die Kinder auch in sozialem Wohlstand groß kriegen können. Das ist klar.
Allein wenn wir uns angucken, dass Kinderkriegen auch in Brandenburg ein Armutsrisiko erster Klasse ist, ist das offensichtlich. Im vergangenen Jahr, als wir noch Sozialhilfeempfänger hatten, waren unter den 70 000 Sozialhilfeempfängern 28 000 Kinder und 9 500 allein erziehende Mütter. Das macht deutlich, dass die Problemlage für allein erziehende Mütter oder Familien mit Kindern relativ groß ist. Klar ist das so.
Aber zum anderen müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass inzwischen fast 60 % der jungen Akademikerinnen und Akademiker keine Kinder haben werden, obwohl sie nicht arbeitslos sind. Es gibt praktisch keine jungen arbeitslosen Akademiker in diesem Land. Das ist aber nicht deshalb so, weil sie wegziehen. Die bekommen hier Arbeit, weil sie gesucht sind. Aber auch diese wollen keine Kinder haben. Wir brauchen nicht zu denken, wenn wir ihnen Arbeit geben, werden sie auch Kinder haben. So ist es nicht.
- Nein, nein, Sie haben es schon so gesagt: Sorgen Sie dafür, dass Arbeit da ist, und dann kommen auch wieder Kinder.
In den 15 Jahren haben wir in diesem Land viel investiert. Wir haben in den letzten 15 Jahren pro Jahr mehr investiert, als wir in den nächsten Jahren pro Jahr investieren können. Das ist uns allen klar. Der Haushalt geht stark nach unten. Auch das so genannte Westgeld fließt nicht mehr so, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. Also wird es nicht so sein, dass das, was bisher investiert wurde, auch in Zukunft investiert werden kann.
Angesichts dessen muss man dann auch einmal über den Investitionsbegriff nachdenken, denn wir werden eben das alles nicht mehr machen können, was auch Politikern so viel Spaß macht, nämlich Brücken eröffnen, die roten Bänder durchschneiden, Straßen übergeben, Bürgerhäuser übergeben, Krankenhäuser eröffnen, Altenpflegeheime eröffnen. Das sind immer schöne Tage und das macht alles Spaß und das sorgt auch dafür, dass dann in diesem Land tatsächlich eine moderne Infrastruktur entsteht. Aber es ist die Frage zu stellen, wie nachhaltig diese Investitionen sind, wie lange diese Investitionen wirken. Sie schaffen sicherlich kurzfristig im Baugewerbe und in verschiedenen anderen Bereichen Arbeitsplätze, wenn man zum Beispiel Boote oder Autos übergibt. Natürlich ist das so. Aber wie nachhaltig ist das?
Ich glaube nicht, dass das tatsächlich die Zukunft dieses Landes prägt. Darum sage ich ganz ehrlich, wir müssen über den Investitionsbegriff noch einmal reden.
Frau Funck, Sie haben gestern den Investitionsbegriff am GmbH- und Aktienrecht festgemacht. Das ist gut und schön. Das kann man machen.
Ich glaube nicht, dass es so viele Investoren gibt, die deswegen nicht nach Brandenburg kommen, weil hier die Infrastruktur nicht steht. Denn wir haben infrastrukturell gut erschlossene Gebiete. Sehen wir nur in den Südwesten des Landes, nehmen wir den gestern von Herrn Homeyer genannten Landkreis Teltow-Fläming. Dort geht offenbar die Bürokratie relativ zügig vonstatten, da haben wir gut erschlossene Gewerbegebiete und trotzdem stehen dort die Investoren nicht Schlange. Das ist nun einmal so. Das heißt, niemand wird heutzutage in diesem Land daran gehindert, zu investieren weil die Infrastruktur nicht da wäre.