Protocol of the Session on March 3, 2005

Frau Dr. Enkelmann, an die Verfassungsabstimmung von 1968 kann ich mich noch gut erinnern, weil ich damals bereits 17 Jahre alt war. Ich war also nicht 10 Jahre alt wie Ihre Kollegin Steinmetzer, die hier so „wohlige“ Worte gefunden hat

(Zurufe von der PDS)

- Moment, der Gedanke ist noch nicht zu Ende! -, um die Wendezeit herum. Ich war damals also 17 Jahre alt und wohnte im Syrienweg in Berlin-Prenzlauer Berg. Um 15 Uhr klingelte es an unserer Tür. Draußen stand ein Herr und sagte: Herr und

Frau Schreiber - das sind mein Schwager und meine Schwester -, Sie waren noch nicht im Abstimmungslokal. Darauf haben wir gesagt: Wir kommen gleich. - Ich musste damals zum Glück noch nicht ins Wahllokal.

Das sind die Realitäten, meine Damen und Herren.

Auch zu dem Kollegen Gehrcke, dem Abgesandten der DKP,

(Beifall bei CDU und SPD - Unruhe bei der PDS)

möchte ich noch etwas sagen. Frau Dr. Enkelmann, reden Sie doch bitte einmal mit Ihrem Kollegen. Er wollte vorhin ausholen und zur verfassungsmäßigen Bewertung der Inhalte der DDR-Verfassung reden. Darüber hat er offenbar andere Erkenntnisse als Sie, die Sie diese Abstimmung so toll gefunden haben. Jedenfalls kann ich mich daran erinnern, dass die Werktätigen in der ehemaligen DDR die DKP und die SEW in Westberlin mit ihrer Arbeit, ihren Geldern immer mit durchfüttern mussten. Also auch die DKP, damit Sie, Herr Gehrcke, darüber auch gleich Bescheid wissen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung, bevor ich zu meinen eigentlichen Ausführungen komme, die im Zusammenhang mit dem Antrag, über den wir diskutieren, für Sie von der PDSFraktion nicht sehr schmeichelhaft sein werden. Dafür bitte ich den einen oder anderen von Ihnen um Verständnis. Aber ich sehe gerade vor dem Hintergrund, Frau Dr. Enkelmann, wie Sie heute wieder einmal die Maske heruntergelassen haben, keine andere Möglichkeit. Ich rede bei dieser Diskussion über die Europäische Verfassung, das europäische Völkerrecht aus einer Situation heraus, die auch viele andere - Tausende DDR-Bürger, die Opfer Ihres Regimes gewesen sind - betroffen hat, die aber von einem ordentlichen Gericht ordentlich rehabilitiert wurden. Dagegen versuchen Sie jeden Tag, sich und Ihre Partei selbst zu rehabilitieren. Das wird Ihnen hoffentlich nicht gelingen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Wir können ja einmal die Wahler- gebnisse vergleichen, Herr Dombrowski!)

- Frau Dr. Enkelmann, Sie können mich gern etwas fragen; ich würde mich darüber freuen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion lässt sich einfach zusammenfassen: Gefahren unterschätzen und Ängste schüren.

Die PDS-Fraktion eröffnet ihren Antrag mit Vulgärpazifismus, der das bekannte Lied der Abrüstung singt, ohne die reale Situation ernst zu nehmen, in der sich Europa befindet und sich wohl auch noch längere Zeit befinden wird. Vor dem Niedergang der realsozialistischen Diktatur konnten die SED-Genossen unter Ihnen gar nicht genug Militär und Militarisierung bekommen. Es ist gut, dass wir in der Kombination nationaler Streitkräfte mit dem transatlantischen Bündnis und einer zunehmenden Bedeutung europäischer Verteidigungsstrukturen eine Einbindung erreicht haben, die Alleingänge erschwert und militärisches Handeln dem Primat der Politik unterordnet.

Das entbindet uns nicht von der Pflicht, aufmerksam zu sein. Jenseits unserer europäischen Grenzen rüsten sich Diktaturen

hoch, greifen nach Atomwaffen. Verblendete Fundamentalisten blasen zum Angriff auf die westliche Wertegemeinschaft. Zu dieser Aufmerksamkeit gehört die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit. Diese nicht zu wollen heißt, die Sicherheit unserer Bürger ideologischer Verblendung zu opfern.

(Beifall bei der CDU)

Die Beteiligung der europäischen Verteidigungsagentur an der Gestaltung der Verteidigungspolitik ist selbstverständlich nötig. Aus der wechselhaften Geschichte der Demokratie wissen wir, wie wichtig es ist, militärische und Rüstungsentscheidungen in den Gesamtkomplex politischer Entscheidungen einzubinden.

Auch die Forderung, den Aufbau von kampfeinsatzfähigen Krisenreaktionskräften zu streichen, geht an der Realität vorbei. Wir haben inzwischen selbst mit Unterstützung grüner Pazifisten immer wieder erleben können, wie Krisenherde mit Krisenreaktionskräften befriedet werden können und wie dem sinnlosen Dahinmorden Einhalt geboten werden konnte.

Der Sinn der Forderung der PDS-Fraktion nach Ergänzung des Artikels zur Wirtschaftsordnung um eine Bestimmung zur Sozialbindung erschließt sich mir nicht, wenn ich den gesamten Text des Verfassungsvertrages zur Hand nehme. Der ganze Abschnitt II setzt einen Rahmen, der wesentlich konkreter und verbindlicher ist als die in Artikel 14 unseres Grundgesetzes verankerte Sozialbindung des Eigentums.

Die Angst der Genossen von der PDS-Fraktion vor den Kräften des Marktes ist allgemein bekannt. Wir in Brandenburg tragen noch immer die Folgen der kommunistischen Zerstörung produktiver Strukturen des Eigentums. Was nützt unseren über 5 Millionen Arbeitslosen eine Bestimmung zur Sozialbindung? Ihnen nützt nur eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, die den Wert ihrer Arbeitskraft braucht wie der Fisch das Wasser.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dombrowski, Sie überziehen bereits.

Ich komme zum Schluss. - Dass sich die Vertreter der beiden demokratischen Parteien im Landtag

(Unruhe bei der PDS)

nationalistischer, rassistischer und antidemokratischer Propaganda entgegenstellen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

Der Prozess der europäischen Einigung ist zu wichtig und der langjährige Weg zu einem europäischen Verfassungsvertrag war zu steinig, als dass wir ohne Not den Vertragsentwurf zur Disposition stellen sollten. Wir brauchen die europäische Einigung und der vorliegende Vertragstext ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Den Antrag der PDS-Fraktion können wir deshalb nur ablehnen. - Danke.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Position der Landesregierung bringt uns Staatssekretär Appel nahe.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das von der Bundesregierung im Dezember 2004 eingebrachte Ratifizierungsgesetz zum EU-Verfassungsvertrag ist am 18. Februar 2005 im Bundesrat im ersten Durchgang behandelt worden. Alle deutschen Länder haben sich für den Abschluss des Ratifizierungsverfahrens bis Juni 2005 ausgesprochen.

Mit ihrem Antrag versucht die PDS-Fraktion zu erreichen, dass bestimmte Artikel aus dem EU-Verfassungsvertrag genommen werden und der Vertrag um eine Regelung ergänzt wird. Mit dem Antrag der PDS-Fraktion wird damit suggeriert, der Bundesrat habe die Möglichkeit, bestimmte Teile des EU-Verfassungsvertrags streichen zu lassen.

Dazu ist festzustellen, dass Bundestag und Bundesrat dem EUVerfassungsvertrag nur in Gänze zustimmen oder ihn in Gänze ablehnen können; denn es handelt sich um einen Verfassungsvertrag. Sein Text ist von den Staats- und Regierungschefs am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichnet worden. Eine Änderung durch einen Mitgliedsstaat ist damit ausgeschlossen. Solcher Änderungen bedarf es aus Sicht der Landesregierung in den von der PDS-Fraktion angeführten Punkten auch nicht.

Als Gemeinschaft von derzeit 25 Staaten mit über 450 Millionen Einwohnern muss die EU bereit sein, Verantwortung für globale Sicherheit und Frieden, die Wahrung der Menschenrechte und die Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und Wohlstand in der Welt zu übernehmen.

Die aktuellen globalen Probleme können nicht von einzelnen Staaten allein gelöst werden, sondern erfordern ein gemeinsames, koordiniertes Handeln. Die EU darf sich ihrer Sicherheitsverantwortung nicht entziehen und tatsächlich bestehende Bedrohungslagen auch nicht ignorieren.

Die Möglichkeit, außenpolitisch mit einer Stimme sprechen zu können, verleiht Europa gleichsam ein Gesicht und vor allem politisches Gewicht; ein Gewicht, das unter anderem notwendig ist, um im Hinblick auf außenpolitische Maßnahmen in ein ausgewogenes, partnerschaftliches Verhältnis zu den USA zu treten.

Die PDS-Fraktion vermisst im EU-Verfassungsvertrag eine Regelung zur Sozialbindung des Eigentums. Dazu darf ich auf

den Zweiten Teil, auf die Charta der Grundrechte der Union, verweisen, die mit Artikel II/77 ein Eigentumsgrundrecht enthält, das die Bindung an das Wohl der Allgemeinheit ausdrücklich ausspricht.

Im Übrigen enthält die Charta eine Reihe von Grundrechten, die inhaltlich sogar deutlich über die Schutzstandards des Grundgesetzes hinausgehen, zum Beispiel das Recht auf Bildung und das Recht auf Gesundheitsschutz.

Der PDS-Antrag verlangt zudem eine regelmäßige Unterrichtung des Landtages über den Stand des Ratifizierungsverfahrens. Dem kommt die Landesregierung seit langem nach, indem sie kontinuierlich im Europaausschuss berichtet.

Was die Unterrichtung der Öffentlichkeit angeht, stimmt die Landesregierung ihre Aktivitäten eng mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland ab. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungpunkt angekommen. Ihnen liegen zwei Anträge vor. Der erste Antrag befasst sich mit dem Bedürfnis der DVU-Fraktion, den PDS-Antrag zu ändern. Dieser Antrag liegt Ihnen mit Drucksache 4/755 vor. Wer diesem Antrag der DVU-Fraktion zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Antrag ist ohne Enthaltung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

Der zweite Antrag liegt Ihnen mit der Drucksache 4/700 vor; hier handelt es sich um den PDS-Antrag. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Dieser Antrag ist ebenfalls ohne Enthaltung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 9 und wir sind am Ende der heutigen Sitzung angelangt. Die Sitzung ist geschlossen. - Ich wünsche Ihnen einen sicheren Heimweg.

Ende der Sitzung: 15.23 Uhr