Protocol of the Session on October 13, 2004

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Zur heutigen konstituierenden Sitzung des Landtages von Brandenburg in seiner 4. Wahlperiode heiße ich Sie herzlich willkommen. Es ist parlamentarischer Brauch, dass der älteste Abgeordnete als Alterspräsident die erste Sitzung eröffnet und bis zur Wahl des Präsidenten des Landtages leitet.

Ich heiße Jörg Schönbohm und gehöre der Fraktion der CDU an. Mein Geburtsdatum ist der 02.09.1937 und ich möchte fragen, ob jemand vor diesem Datum geboren und damit älter ist als ich. - Ich stelle fest, dass dies nicht der Fall ist, und kann damit auch sagen:

„Ich stelle fest, dass ich einzig bin.“

Das sagte Konrad Adenauer, als er als Alterspräsident das erste Mal den Deutschen Bundestag eröffnete.

Ich eröffne hiermit die erste Sitzung des neu gewählten Landtages Brandenburg und begrüße Sie auf das Herzlichste. Mein besonderer Gruß gilt den Brandenburgerinnen und Brandenburgern und denen, die heute unsere konstituierende Sitzung in den Medien, in Fernsehen und Rundfunk, verfolgen. Ich grüße die ehemaligen Mitglieder des Landtages, die unter uns sind, und die Medien.

In Übereinstimmung mit den Fraktionen benenne ich als vorläufige Schriftführer die Damen und Herren Alter, Fechner, Geywitz, Günther, Krause, Lieske, Schier, Schulz, Wehlan und Wöllert. Die Abgeordneten Frau Alter und Herrn Krause bitte ich, neben mir Platz zu nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Konrad Adenauer musste sich, wie heute nur noch wenige wissen, vor den Nationalsozialisten einige Monate in Babelsberg verstecken. Woran sich jedoch kaum noch jemand erinnert, ist, dass Adenauer 1965 mit nur drei Sätzen auch die kürzeste Rede aller Alterspräsidenten hielt, als er den Deutschen Bundestag eröffnete. Er sagte 1965:

„Sie wissen, dass nach Artikel 38 jeder Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes ist. Wir werden aller menschlichen Voraussicht nach während der nächsten vier Jahre schweren Zeiten entgegengehen. Ich hoffe und bin davon überzeugt, dass sich dann alle Mitglieder dieses Hauses der Gemeinsamkeit dieser Verpflichtung bewusst sind.“

Auch die Verfassung unseres Landes Brandenburg bestimmt in Artikel 56:

„Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.“

So hoffe auch ich, dass wir uns stets dieser verbindenden Gemeinsamkeit zum Wohle unserer Mitbürger, unseres Landes bewusst sind. Ich hoffe dies vor allen Dingen für die Fälle, in denen es um schwierige bzw. schwerste Entscheidungen geht. Diese Gemeinsamkeit ist angesichts der großen Aufgaben, die vor uns liegen und die bewältigt werden müssen, auch angesichts der großen Probleme, denen sich unser Land gegenüber

sieht, geboten. Die Bürger erwarten das von uns. Sie verstehen, wenn wir um den richtigen Weg ringen, wenn wir argumentieren. Aber sie wollen auch verstehen, worum es geht.

Brandenburg wird eine gute Zukunft haben, wenn alle, wenn wir gemeinsam unsere Pflicht tun. Wir haben hart zu arbeiten. Dafür hat uns der Souverän das Mandat erteilt, ein Mandat auf Zeit. Wir sind nicht die Herren, wir sind Diener, Diener einer Sache, die uns zum Nutzen aller Menschen unseres Landes anvertraut worden ist. Dieses Vertrauen müssen wir rechtfertigen. Das ist insbesondere wichtig, weil in unserem Land die Demokratie noch verhältnismäßig jung ist.

Die Abstinenz der Bürger bei Wahlen in unserem Land macht auf ein gefährliches Defizit aufmerksam. Dieses Defizit ist aber nur mit der Wiedergewinnung von Vertrauen, Glaubwürdigkeit und dem Einsatz für das Gemeinwesen zu verringern. Ich sehe dies als die wichtigste Aufgabe aller demokratischen Kräfte dieses Landes an. Die Demokratie ist die Grundlage für eine Gesellschaft freier, mündiger Bürger. In ihr können sich die Menschen frei entfalten. Darum ist der tägliche Kampf für die Demokratie so wichtig. Bedroht ist sie nicht nur durch Gleichgültigkeit und Abkehr der Bürger, sondern auch durch Extremismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Machen wir uns die Forderung des Preußen und großen deutschen Philosophen Immanuel Kant zu Eigen. Er sagte:

„Handle nur nach denjenigen Maximen, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemein Gesetz werden.“

Unser Land tut viel im Kampf gegen Extremismus, vor allem gegen Rechtsextremismus und gegen Gewalt. Viele Bürgerinnen und Bürger stehen in ihrem Ehrenamt auch dafür ein. Sie haben unseren Dank und unsere Anerkennung verdient, so wie wir auch unseren Polizeibeamten, den Lehrern und den Erziehern, die sich dieser Aufgabe angenommen haben, zu Dank verpflichtet sind.

Brandenburg ist weltoffen, gastfreundlich und tolerant, jedoch ist auch Gewaltbereitschaft zu verzeichnen. Nur gemeinsam können wir gegen Gewaltbereitschaft und Fremdenfeindlichkeit vorgehen. Dabei sind wir alle gefordert, jeder an seinem Platz. Offenheit und Toleranz kann man lernen. Ich wünsche mir, dass wir nicht nur darüber reden, sondern mehr noch als bisher öffentlich Zeugnis davon ablegen.

Der französische Philosoph Voltaire, ein Freund Friedrichs des Großen, sagte einmal:

„Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“

Lassen Sie uns für diese Überzeugung gemeinsam werben.

Toleranz, meine Damen und Herren, heißt nicht lässiges Gewährenlassen. Vielmehr müssen wir uns überzeugend für die Grundlagen unseres Rechtsstaates sowie für die Freiheitsrechte der Einzelnen einsetzen. Vermeintliche Toleranz und Feigheit liegen bisweilen nicht weit auseinander. Wir brauchen ein Bekenntnis zu unserer Demokratie von allen.

Brandenburg hat die Zeit des Umbruchs, hat die Nachwendezeit hinter sich. Wir wagen jetzt den Neuanfang. Dazu müssen die Kräfte in der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft

zusammengeführt werden. Wir müssen aus dem Stadium so oft verwendeter Allgemeinplätze heraustreten. Richtiges klingt oft banal. Beginnen wir, die Worte mit Leben zu füllen. Wenn wir zusammenführen meinen, sollten wir auch damit beginnen.

Wir sind oft auch zu sehr Bedenkenträger, sind zu umständlich, zu sehr auf Vorgefasstes fixiert und rückwärts gewandt in dem, was wir tun. Auch benutzen wir allzu oft eine Sprache, die sich in Worthülsen und Phrasen flüchtet, die vernebelt und verschleiert, nur weil es kurzfristig erfolgreicher zu sein scheint. Die Menschen, nicht nur in unserem Land, haben es satt, immer nur schöne Worte des Scheins zu betrachten. Unsere Menschen und Mitbürger kennen die Probleme und wollen, dass wir, die wir von Ihnen gewählt wurden, diese Probleme ansprechen und Lösungswege aufzeigen, wie wir ihnen helfen können, die Probleme zu lösen. Sagen wir, wie es ist. Sagen wir, was zu tun ist. Und vor allen Dingen: Fangen wir an, es zu tun.

Ich meine, wir müssen zupackender, quirliger, tatkräftiger werden, wir alle, jeder an seinem Platz. Unsere Nachbarn in Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn machen es uns vor. Sie vertrauen den Kräften der Marktwirtschaft, genießen die Freiheit, bauen auf ihren Optimismus. Sie setzen auf ihre eigenen Kräfte und Fähigkeiten. Das können auch wir mehr als bisher tun. Es geht um uns, unser Land, um unsere Kinder und ihre Zukunft. Wer das erkannt hat, hat bereits den ersten Schritt aus dem Tal heraus getan, in dem wir uns befinden. Machen wir uns nichts vor: Es ist damit erst der Anfang getan. So weiterzumachen wie bisher lässt den Abstand zu den anderen Ländern immer größer werden. Die Schere geht weiter auf, wenn wir nicht mehr Engagement und mehr Biss zeigen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir bisher nichts getan, nichts erreicht haben. Vieles haben wir in diesem Land schon geschafft. Unbestreitbar hat es viele Brüche und Verwerfungen gegeben. Niemand, der es mit den Menschen gut meint, kann versprechen, dass es damit nun ein Ende hat. Nein, die Veränderung wird in unserem Land genauso wie anderswo weitergehen. Es ist richtig, die Anstrengungen müssen weiter verstärkt werden. Mit dem Erreichten zufrieden zu sein darf nicht mit einem Stopp für weitere Veränderungen einhergehen.

Dabei sollten wir auch froh und dankbar für das sein, was wir von 1990 bis heute gemeinsam erreicht haben. Fahren Sie einmal durch unser Land, durch unsere Dörfer und Städte, gehen Sie an unsere Seen und denken Sie daran, wie es früher war. Versuchen Sie zu telefonieren und stellen Sie fest, was heute geht. Riechen Sie die saubere Luft und genießen Sie unsere Natur. All dies haben wir, die Menschen in unserem Land, verändert. Das ist ein wichtiger Schritt. Es besteht kein Grund zur Resignation.

Der Mensch kann fast alles, wenn er nur will. Unterstützen wir unsere Bürger dabei, dass sie es wollen. Machen wir ihnen Mut, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten und Herausforderungen anzunehmen, und schöpfen wir Kraft und Zuversicht aus den Leistungen der Vergangenheit. Wir wollen mündige und verantwortungsvolle Bürger. Ohne sie werden wir den Neuanfang nicht schaffen können. Mündige Bürger sind zu großen Gemeinschaftsleistungen fähig. Ermuntern wir sie, diesen Weg zu beschreiten. Vor allem aber seien wir, die frei gewählten Abgeordneten, ein Vorbild.

Freuen wir uns über jeden, der Erfolg aufgrund eigener Leis

tung und aus eigener Kraft hat, und seien wir nicht neidisch auf die, die Erfolg haben. Wir haben ein gutes Potenzial für eine erfolgreiche Zukunft. Wir müssen dieses Potenzial gemeinsam nutzbar machen. Dazu bedarf es stärker der Tatkraft als Visionen.

Wenn diese Gesellschaft für alle lebenswerter sein soll, dann gilt dies in besonderer Weise für die Jugend unseres Landes. Für sie muss es erstrebenswert sein, hier zu leben und zu arbeiten, hier Familien zu gründen und Kinder großzuziehen. Seien wir doch auch optimistisch, weil wir etwas erreicht haben, weil wir etwas können. Die Menschen sollten mit mehr Zuversicht und auch mit mehr Freude in den Alltag gehen können. Vermitteln wir doch, dass sie Grund haben, auf das Erreichte stolz zu sein. Gewiss, nicht alle Tage herrscht Volksfeststimmung. Aber sieht der Alltag wirklich nur grau in grau aus, wie er häufig beschrieben wird?

Keine Regierung der Welt kann Arbeitsplätze auf Dauer schaffen. Niemand kann das versprechen. Gerade aber, weil uns die Sorge in diesem Hause eint, den Menschen unseres Landes ein lebenswertes Leben zu ermöglichen, müssen wir alles tun, jede Hilfestellung, die in unserer Verantwortung liegt, geben, damit die Menschen wieder aus eigener Kraft zu Arbeit und Lohn kommen. Unterstützen wir darum die Menschen, werben wir dafür, dass viele Bürger in unserem Land Initiative ergreifen. Mut zum Anfang ist der erste Schritt.

Meine Damen und Herren, wir wollen Brandenburg in Deutschland gemeinsam voranbringen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Kluft zwischen Ost und West vertieft wird. Wir erhalten Hilfe von den westlichen Ländern, weil wir als Volk und wiedervereinigte Nation in einem Land leben. Was gut ist für Deutschland, ist gut für Brandenburg und was gut ist für Brandenburg, ist gut für Deutschland. Wir müssen bei all dem, was wir tun, auch gesamtdeutsch denken.

In diesem Sinne wünsche ich uns, dass wir gemeinsam für unser Land und die Zukunft unserer Bürger in dieser so wichtigen Legislaturperiode gute Arbeit leisten, als Vertreter des ganzen Volkes, für unser Brandenburg, in unserem wiedervereinigten Vaterland. Gott segne unser Land! - Ich danke Ihnen.

(Anhaltender allgemeiner Beifall)

Wir kommen nun zur Feststellung der Beschlussfähigkeit. Ich möchte die Schriftführer bitten, die Namen aufzurufen.

Namensaufruf durch die Schriftführer Elisabeth Alter und Torsten Krause:

Renate Adolph Elisabeth Alter Alard von Arnim Günter Baaske Wolfgang Birthler Mike Bischoff Prof. Dr. Lothar Bisky Beate Blechinger Klaus Bochow Helga Böhnisch Ralf Christoffers Michael Claus Reinhold Dellmann

Dieter Dombrowski Thomas Domres Dr. Dagmar Enkelmann Birgit Fechner Tina Fischer Udo Folgart Gunter Fritsch Saskia Funck Wolfgang Gehrcke Klara Geywitz Christian Görke Martina Gregor Gerrit Große Thomas Günther Barbara Hackenschmidt Frank Hammer Carola Hartfelder Wolfgang Heinze Dieter Helm Liane Hesselbarth Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann Ralf Holzschuher Dierk Homeyer Ulrich Junghanns Peer Jürgens Kerstin Kaiser-Nicht Detlef Karney Wolfgang Klein Dr. Jens Klocksin Torsten Krause Andreas Kuhnert Sylvia Lehmann Jutta Lieske Thomas Lunacek Margitta Mächtig Susanne Melior Heiko Müller Dr. Martina Münch Dr. Wieland Niekisch Markus Nonninger Kerstin Osten Christian Otto Sven Petke Matthias Platzeck Steffen Reiche Barbara Richstein Stefan Sarrach Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg Roswitha Schier Werner-Siegwart Schippel Jörg Schönbohm Wilfried Schrey Dr. Esther Schröder Sigmar-Peter Schuldt Monika Schulz Christoph Schulze Norbert Schulze Ingo Senftleben Ingrid Siebke Britta Stark Carolin Steinmetzer - krankheitsbedingt entschuldigt Gerlinde Stobrawa Frank Szymanski Anita Tack

Otto Theel Heinz Vietze Prof. Dr. Johanna Wanka Karin Weber Kornelia Wehlan Frank Werner Dr. Dietmar Woidke Irene Wolff-Molorciuc Birgit Wöllert Dagmar Ziegler Alwin Ziel

Ich stelle fest, dass damit die Beschlussfähigkeit des Landtages hergestellt ist. Wir kommen zur

Beschlussfassung über die vorläufige Geschäftsordnung

Antrag des Abgeordneten Schönbohm

Drucksache 4/1

in Verbindung damit:

Beauftragung des Hauptausschusses

Antrag des Abgeordneten Schönbohm

Drucksache 4/2

Gemäß Artikel 68 der Verfassung des Landes Brandenburg gibt sich der Landtag eine Geschäftsordnung. Ich schlage vor, die Geschäftsordnung des 3. Landtages so, wie sie Ihnen mit der Drucksache 4/1 vorliegt, als vorläufige Geschäftsordnung des 4. Landtages Brandenburg zu beschließen.

Des Weiteren liegt Ihnen mit Drucksache 4/2 der Antrag vor, den zu bestellenden Hauptausschuss zu beauftragen, dem Landtag bis zu seiner Sitzung im Januar 2005 eine endgültige Geschäftsordnung zur Beschlussfassung vorzulegen.

Wenn es keine weiteren Bemerkungen zum Entwurf der vorläufigen Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg gibt, lasse ich über den Antrag in Drucksache 4/1 abstimmen. Wer der vorläufigen Geschäftsordnung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist die vorläufige Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg angenommen.