Protocol of the Session on June 16, 2004

(Fortsetzung der Sitzung: 13.01 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne den Nachmittagsteil der 97. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

2. Lesung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag vom 26. April 2004 über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg sowie zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg und anderer Gesetze (betreffend die Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/7444

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 3/7575

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Abgeordneter Vietze, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vor, in der es um die Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg geht. In Artikel 109 soll ein neuer Absatz mit folgendem Wortlaut aufgenommen werden:

„Errichtet das Land mit anderen Ländern gemeinsame Gerichte, kann durch Staatsvertrag Abweichendes bestimmt werden.“

So etwas ist in der bisherigen Brandenburger Verfassung nicht geregelt, demzufolge auch nicht möglich.

Dennoch haben Ministerpräsident Platzeck und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Wowereit, am 26. April einen Staatsvertrag zur Errichtung gemeinsamer Oberverwaltungsgerichte abgeschlossen. Was wir jetzt machen sollen, ist: Wir sollen nicht nur diesem Staatsvertrag morgen die Zustimmung geben, sondern sollen heute durch die Änderung der Verfassung überhaupt erst einmal die Basis schaffen dafür, dass das, was am 26. April verhandelt wurde, mit der Brandenburger Verfassung in Übereinstimmung steht, also ein Heilungsverfahren im Nachhinein durchzuführen.

Ich möchte klar und deutlich sagen, dass wir als PDS für dieses Verfahren nicht zur Verfügung stehen; denn wir haben nicht nur einmal darauf hingewiesen, dass genau diese Praxis eine Missachtung des Parlaments beinhaltet.

(Beifall bei der PDS)

Worum geht es? - Wir schlagen vor, dass wichtige Sachverhalte auch im Zusammenhang - Frau Richstein hat gesagt, es gehe um eine Signalwirkung für die Fusion; Herr Schönbohm macht

sich große Sorgen darüber, wie das für die Fusion der beiden Länder wirkt - sachlich behandelt werden.

(Zurufe von der CDU)

Wir sind der Meinung - das haben wir auch versucht -: Wir reden zunächst über die Verfassungsfragen in der Region, wir reden davon ausgehend über die Ansprüche, sozusagen die Standards, wir schaffen die Voraussetzungen für die Rechtsangleichung und danach die Strukturen für die praktische Umsetzung.

Aber wie praktizieren wir das in Brandenburg in diesem Fall im Zusammenwirken mit Berlin? - Wir missachten das Parlament, reagieren nicht auf Verfassungserfordernisse, sondern wir schaffen einfach Verträge, um Signale zu setzen. Ich gehe davon aus: Wenn es ein Signal gibt - was ich nach dem Volksentscheid zum Neugliederungsstaatsvertrag, der in dieser Regierung und auch bei der Parlamentsmehrheit angekommen ist, eigentlich erwartet habe -, dann ist es jenes Signal, die Menschen und das Parlament auf dem Weg mitzunehmen und sie nicht immer nur mit der Entscheidungsfrage „Ja, nein, Zustimmung?“ zu konfrontieren, womit sich alles erledigt haben soll.

(Beifall bei der PDS)

Das Verfahren ist also nicht nur zu kritisieren, sondern wird mit uns auch nicht zu machen sein.

Das Zweite: Wir haben, nachdem die Regierung den Staatsvertrag eingebracht hat, Veranlassung gehabt, eine Anhörung durchzuführen. Dort ist deutlich geworden, dass es keineswegs nur die von uns gegebene Begründung für verfassungsrechtliche Bedenken gegeben hat - deswegen auch dieses Heilungsverfahren -; vielmehr gab es auch die Situation, dass die Beschäftigten, die ehrenamtlichen Richter und ihre Vertretungen die Gewerkschaften darauf aufmerksam gemacht haben, dass sie hinsichtlich ihrer Rechte nicht in den Prozess einbezogen waren. Aber das war eigentlich eine Aufgabenstellung. Oder will ich wiederum ein Signal in der Region an den Menschen vorbei setzen, ihre Mitwirkung nicht in Anspruch nehmen und ihre Rechte nicht ausreichend berücksichtigen?

Ich komme zum Dritten. Frau Konzack, das ist für Sie wichtig!

(Frau Konzack [SPD]: Leiser!)

- Ja, leiser. Gut, Frau Konzack. Das ist aber manchmal auch das Mikrofon. Mein Lungenvolumen habe ich nun einmal gratis.

(Dellmann [SPD]: Man versteht Sie besser, wenn Sie lei- ser reden!)

- Nein, das Problem besteht darin: Bei Ihnen kann man nicht laut genug reden, damit Sie mitbekommen, was man sagt.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich möchte ausdrücklich sagen, dass seitdem Druck auf Abgeordnete ausgeübt wird. Zeitdruck wird gemacht. Es wird als Begründung „Kosteneinsparung“ angegeben, die man dann auf konkrete Anforderung hin nicht nachweisen kann. Da macht man sich Sorgen. Frau Konzack macht sich Sorgen um den Gerichtsstandort Cottbus.

(Frau Konzack [SPD]: Nicht nur!)

Er bleibt auf alle Fälle - ebenso wie der Gerichtsstandort Frankfurt - erhalten, Frau Konzack, wenn der Vertrag heute und morgen nicht bestätigt wird. Wir haben, wenn wir die Verfassungsänderung nicht vornehmen, vielleicht die Zeit, dafür zu sorgen, dass der Staatsvertrag nicht in Kraft gesetzt wird, sondern wie in Berlin - übrigens hat es dort auch schon die Verhandlung gegeben - auf den Herbst verschoben wird. Die Zeit können wir nutzen, um möglicherweise vernünftigere Regelungen anzustreben.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

- Das Leben ist immer konkret. - Für die Verfassungsänderung brauchen Sie eine Zweidrittelmehrheit, für die Inkraftsetzung des Staatsvertrages die einfache Mehrheit.

(Klein [SPD]: So ist es!)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrages!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wenn der Verfassungsänderung heute zugestimmt wird, hat die Mehrheit ein leichtes Spiel mit dem Staatsvertrag; denn die einfache Mehrheit hat man schnell zusammen.

Wir wollen Ihnen klar und deutlich sagen: Wir stimmen gegen die Verfassungsänderung, weil wir verhindern wollen, dass Hals über Kopf, unzureichend koordiniert und aus unserer Sicht verantwortungslos ein Staatsvertrag auf eine Schiene gebracht wird, der aus unserem Blickwinkel der deutlichen Qualifizierung bedarf.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine schwache Begrün- dung!)

Es hat in diesem Hause schon die Situation gegeben, dass man souverän entschied. Ich bin der festen Überzeugung...

(Zuruf des Abgeordneten Petke [CDU])

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie jetzt zum Schluss!

Nein, Herr Petke, Sie haben eben nicht zugehört, obwohl ich laut war. Sie müssen sich das andersherum angewöhnen: Zuhören, danach denken und sich dann äußern! - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter, da hatte noch jemand die Absicht, eine Frage zu stellen. Ich wollte Sie nicht unterbrechen. - Bitte sehr!

Herr Vietze, aufgrund Ihrer Aussagen gäbe es viele Fragen zu stellen. Darauf wird noch einzugehen sein.

Nur eine Frage: Ist Ihnen bewusst, dass wir heute das letzte Mal in dieser Wahlperiode zusammensitzen und dass der Staatsvertrag, wenn wir ihn in dieser Wahlperiode nicht mehr auf den Weg bringen, der Diskontinuität anheim fällt und dann nach der Wahl des Landtages ein neuer Staatsvertrag auszuhandeln wäre,

(Zurufe von der PDS)

während in Berlin die Situation eine andere ist? Dort läuft die Wahlperiode weiter. Wollen Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?

Wollen Sie des Weiteren zur Kenntnis nehmen und anerkennen, dass bei der Aushandlung eines neuen Staatsvertrages die Ausgangslage für Brandenburg eine wesentlich schlechtere wäre und dann möglicherweise der Standort Cottbus nicht mehr verhandelbar wäre?

(Zuruf der Abgeordneten Osten [PDS])

Herr Werner, September wird hier gewählt. Ich weiß nicht, wie sich die Mehrheitsverhältnisse nach dem Monat September in Brandenburg zeigen werden. Dass damit ein schlechterer Staatsvertrag mit Berlin verbunden wäre, kann ich nicht sehen. Was wir auf alle Fälle jetzt, in der letzten Sitzungsperiode dieses Parlaments, machen können: einen schlechten Staatsvertrag verhindern, indem wir der Verfassungsänderung nicht zustimmen. - Danke schön.