Um die Situation im Osten zu stabilisieren und möglicherweise auch jüngere Menschen hier zu halten, sind nach unserer Überzeugung drei Dinge notwendig.
Erstens die Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in Brandenburg wie im Osten insgesamt. Das ist eine vorrangige Aufgabe der Landespolitik, aber nicht der Landespolitik allein. Ich hoffe, darin sind wir uns einig. Diese Stabilisierung wird nicht gelingen, wenn es kein mit dem Bund abgestimmtes Vorgehen gibt.
Zweitens ist die Eröffnung eines tatsächlichen Zukunftspfades für Brandenburg, eines Zukunftspfades für den Osten überhaupt, notwendig. Nach unserer Überzeugung kann eine überzeugende Perspektive hierfür nur durch Innovation und Bildung erschlossen werden. Da sind wir gar nicht einmal so weit voneinander entfernt, in den konkreten Konsequenzen dann allerdings doch.
Drittens stehen wir vor der Aufgabe, Demokratie und Zivilgesellschaft neu zu entdecken und zu gestalten. Der Osten ist in gewisser Hinsicht nach wie vor zwar eine übergreifende Region, vielleicht auch eine Krisenregion, aber wir hier in Brandenburg, auch in der Region Berlin-Brandenburg, spüren doch in einer Deutlichkeit wie vielleicht nirgendwo sonst, wie differenziert der Osten inzwischen ist, ökonomisch, sozial, kulturell, mental. Uckermark und Prignitz, Speckgürtel, Teltow-Fläming - das alles ist Brandenburg. Mittendrin ist die Metropole Berlin und nur 80 km davon entfernt die Oder und die neuen Wirtschafts- und Sozialräume der EU.
Bei aller Differenziertheit meinen wir: Zur Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Lande gibt es keine Alternative. Dafür sind politische Konzepte zu entwickeln, soweit Politik das beeinflussen kann. Darauf muss auch das Hauptaugenmerk bei allen landespolitischen Anstrengungen gelenkt werden. Es geht um die Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung im Lande.
Da ich das aus Zeitgründen nicht allzu umfangreich darstellen kann, möchte ich jetzt auf von Dohnanyi und Rost zu sprechen kommen. Ich zitiere, was ich für richtig halte: „Verstärkte Umwidmung von Infrastruktur auf direktere Unternehmensförderung durch unternehmensbezogene wachstumsrelevante Inves
titionen auch der Kommunen und Gebietskörperschaften.“ Diese Mittel könnten dann bei entsprechender Konzentration auch mit beachtlichem Effekt gezielt in den Ausbau einer industriellen Basis im Osten investiert werden. Dabei wird die PDS den Impuls der Dohnanyi-Gruppe zugunsten einer Enttabuisierung von Industriepolitik im Osten aufgreifen und offensiv ausfüllen. Wir meinen, das ist ein richtiger Ansatz, wiewohl wir mit dem Gesamtkonzept von Herrn von Dohnanyi in einer Reihe von Fragen nicht übereinstimmen.
Das Zweite, was wir unbedingt sagen wollen, ist Folgendes: Zukunft durch Bildung und durch Innovation. Da müssen wir konkreter werden. Der Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung gesagt. Das greifen wir gern auf. Das ist ein Ansatz, den auch wir für wichtig halten. Nun müssen wir zu Potte kommen und uns allmählich darüber verständigen, wie das geschehen soll.
Da gibt es Entwicklungen, die mich zufrieden machen, es gibt aber auch Entwicklungen, die ich für außerordentlich bedauerlich halte. Man kann nicht unentwegt nur die wissensintensivere Produktion und die damit verbundenen Arbeitsplätze beschwören. Man kann nicht nur abstrakt auf Informations- und Wissensgesellschaft gehen. Vielmehr muss man dafür im Lande auch konkrete Konzepte haben.
Ich sage im Sinne der Kürze meiner Ausführungen, weil ich das einigermaßen überschaue, was auf dem Gebiet hier in der Medienlandschaft vor sich geht: Das ist nicht überzeugend, wenn es darum geht, die jungen Leute hier zu halten. Nicht wenige oder kreative junge Leute im Film- und Fernsehbereich gehen auch weg. Das bedauere ich. Damit rede ich nicht herbei, dass die Medienstadt Babelsberg ein etwas provinzielles Mediendorf zu werden droht. Ich würde viel dafür geben, wenn Babelsberg eine dynamische Medienstadt würde. Das ist bis jetzt aber nicht der Fall.
Berlin und Brandenburg haben angefangen und Ihre Regierung hat mit Berlin ein Medienboard gegründet - der ist schon wieder weggelegt -, ein Filmboard, der erfolgreich gearbeitet hat -, der ist schon wieder umstrukturiert. Auf diesem Gebiet ist also keine positive Entwicklung festzustellen. Darauf müssen wir jetzt zu sprechen kommen, wie wir in diesem Bereich gemeinsam wieder eine positive Entwicklung einleiten. Anderenfalls wird das nichts, bleibt das Stümperei.
Da die Zukunft heute beginnt, haben wir nicht allzu viel Zeit, zu warten. Selbstverständlich müssen wir die Ausbildung verbessern, selbstverständlich müssen wir die Schulbildung verbessern. Bildung ist auf diesem Gebiet außerordentlich wichtig. Ich meine schon, dass es für diesen Bereich Vorschläge gibt, die man aufgreifen kann.
Wir haben ein Innovationsprojekt Ost vorgeschlagen. Ich will das hier nur kurz erwähnen. Das kann im Einzelnen nachgelesen werden. Wir sagen: Innovation statt Billiglöhne. Das ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen im Osten. Wir registrieren durchaus aufmerksam, dass diese Position auch von ostdeutschen Sozialdemokraten, wenn auch manchmal etwas weiter von Potsdam entfernt, vertreten wird.
Was unter dem Schlagwort Sonderwirtschaftszone debattiert wird und damit als Heilmittel ins Gespräch kommt, erscheint vor dem Hintergrund der ostdeutschen Realitäten als altes Zeug, das nichts gebracht hat. Wenn man weiterhin darauf setzt, dann führt das nur dazu, dass wir auch weiterhin die Benachteiligten sind. Die politische Debatte erscheint vor diesem Hintergrund schnell als abgehoben und auch als zynisch. Ich glaube aber, dass wir auf diese Debatte ernsthaft eingehen sollten.
Wir brauchen neue Grundlagen für einen unverzichtbaren Neuansatz Ost. Ich sage nicht, dass wir die Rezepte haben, aber ich sage: Der Aufbau Ost als Nachbau West ist wirklich gescheitert. Folglich müssen wir nach den neuen Ansätzen suchen. Wir brauchen also einen Neuansatz Ost. Dafür müssen die bestehenden Leistungspotenziale, die vorhandenen Standortvorteile, die übergreifenden gemeinsamen Auffassungen und Erfahrungen der Ostdeutschen aufgegriffen werden.
Ich will Ihnen sagen, was wir dann auch noch brauchen, nämlich auf jeden Fall einen realistischen Blick. Wir wollen doch nicht Ihre Leistungen in Abrede stellen, wenn wir kritisch auf die Realität eingehen. Nach Ihren Reden - nicht nach der Rede des Ministerpräsidenten, sondern nach Ihren Reden, Herr Fritsch und Frau Blechinger - habe ich den Eindruck, Sie sind nicht bereit, sich der Realität zu stellen. Wenn Sie das nicht tun, dann haben Sie aber keine Chance, sie zu verändern. - Ich bedanke mich.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Prof. Dr. Bisky, und gebe das Wort noch einmal der Landesregierung. Bitte, Herr Ministerpräsident Platzeck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Prof. Dr. Bisky, Sie haben eben in einer Art Nebengang gesagt, dieser und jener sage auch etwas zum Thema Niedriglöhne versus Hochtechnologie. Ich will nur daran erinnern, dass ich heute früh und heute Nachmittag, und zwar nicht fern von Potsdam, sondern hier auf dem Brauhausberg mitten im Landtag und sehr deutlich etwas dazu gesagt habe.
Herr Ministerpräsident, haben sie registriert, dass ich das im Zusammenhang mit unserem Innovationsprojekt Ost gesagt habe und Sie nicht vereinnahmen wollte und deshalb die positiven Ansätze anderer Sozialdemokraten benannt habe? Dass Sie das gesagt haben, was Sie behaupten, habe ich nie infrage gestellt.
Als Zweites ein Satz zu den Ausführungen von Frau Enkelmann. Sie hat in ihrer Rede vorhin gesagt, wir sollten doch, unterstellt, wir würden dies nicht tun, aufbauen auf den Stärken der Menschen im Lande, auf ihrem Ausbildungsstand, auf ihrem Können und auch auf ihren Traditionen - Stichwort: Zukunft braucht Herkunft -, wenn es um die Entwicklung von Standorten gehe. Ich frage Sie, Frau Enkelmann: Was haben wir in Brandenburg, in Schwedt, in Schwarzheide, in Rathenow, in Eisenhüttenstadt denn gemacht?
Ich muss noch einen dritten Punkt anmerken. Frau Enkelmann, Sie haben in Ihrer Rede hier quasi unterstellt, positiv für sich unterstellt, dass mit Ihnen in Verantwortung nicht zugelassen würde, dass junge Menschen dieses Land verlassen. Ich wäre Ihnen dankbar - das sage ich hier völlig ungeschützt -, wenn Sie den Vorschlag, das Modell oder das Konzept, das Sie anscheinend im Hinterkopf haben, einfach einmal auf den Tisch legen würden.
Wenn Sie es aber uns schon nicht sagen, dann wäre es vielleicht innerparteilich kameradschaftlich, es Ihren in Verantwortung befindlichen Kollegen in Mecklenburg zu sagen. Dort nimmt die Abwanderung zu, seit sie in Verantwortung sind. Das muss man auch einmal sagen.
Ich danke Herrn Ministerpräsidenten Platzeck. - Ich gebe das Wort noch einmal der Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Klein, und weise ihn darauf hin, dass er nur 20 Minuten Redezeit hat.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie kennen das Sprichwort, das ich gern gebrauche, von der Kirche, die immer groß ist und nicht unbedingt voll sein muss. So wird es auch mit meiner Redezeit von 20 Minuten sein, die ich wahrscheinlich nicht voll ausschöpfen werde.
hat unlängst vor Schwarzweißdenken gewarnt, wenn es um den Umbau unseres staatlichen Systems geht. Wirtschaft, Politik und Verbände, alle hätten ihren Anteil an der schwierigen Lage in Deutschland. Weder dürften wir einfach alles so belassen, wie es ist, noch sollten wir die komplette Deregulierung zur einzigen Lösung erklären. Wir alle sollten uns ins Stammbuch schreiben, dass wir unseren ganz speziellen, vielleicht auch ganz persönlichen Anteil an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung dieses Landes haben und noch haben werden. Gesine Schwan steht für dieses neue Denken, das nicht immer nur die Schuld beim anderen sucht, sondern eine gemeinsame Verantwortung benennt und Konsequenzen daraus zieht.
Daran fehlt es in Deutschland bislang und daran werden wir arbeiten müssen, wenn wir bis zum Jahr 2020 weiterhin ein Land bleiben wollen, das Sicherheit und Wohlstand für seine Bürger bietet. Dieses neue Denken brauchen wir für die Entwicklung des Landes Brandenburg ganz besonders.
Wenn wir aus einer negativen Bevölkerungsprognose eine erste Konsequenz ziehen können, dann doch wohl diese: Wir dürfen es uns nicht leisten, den Standort schlechter zu machen, als er ist, und durch innere Zwietracht diejenigen abzuschrecken, die wir dringend brauchen, Menschen mit Initiative und Kreativität, Menschen, die hier investieren und arbeiten wollen. Und das allgemein an die PDS und speziell an Frau Enkelmann gesagt.
Das Land Brandenburg muss sich so wie alle anderen ostdeutschen Länder und übrigens auch das gesamte Deutschland auf enorme Veränderungen einstellen. Drei Dinge spielen dabei eine Rolle:
Erstens: Die Bevölkerung schrumpft. Bis zum Jahr 2020 verlieren wir insgesamt mehr als 5 % der Bevölkerung.
Zweitens: Das Land altert. Die Alterspyramide verschiebt sich bedrohlich zuungunsten der jungen und arbeitsfähigen Bevölkerung.
Drittens: Das flache Land leidet besonders. Die beiden vorgenannten Effekte betreffen den äußeren Entwicklungsraum dramatisch. Hier verlieren wir bis 2020 15 % der Bevölkerung, und der Altersaufbau wird besonders ungünstig sein.
Und jetzt kommt das große Aber. Meine Damen und Herren, wir sollten angesichts dieser dramatischen Entwicklung zwei Dinge festhalten.
Erstens: Die demographische Entwicklung über 20 Jahre ist bislang nur eine Prognose und kein endgültiges Schicksal.