Protocol of the Session on May 12, 2004

Die Kreise Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming, westlich von Berlin, haben seit 1995 kaum Arbeitsplätze verloren. Das ist im Osten das größte zusammenhängende Gebiet ohne nennenswerten Beschäftigungsrückgang während der letzten acht Jahre.

Dass diese unterschiedliche Entwicklung durch politische Strategien wenig beeinflussbar ist, hat sich in der Vergangenheit gezeigt. Auch durch die Festlegung von Verwaltungszentren im äußeren Verflechtungsraum sind wenige nennenswerte gegenläufige Impulse gesetzt worden. Deshalb ist es zwingend not

wendig, sich dieser Entwicklung zu stellen und zu untersuchen, wie auch bei abnehmender Bevölkerungsdichte die Grundversorgung mit sozialer, kultureller und technischer Infrastruktur sichergestellt werden kann.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Im Bericht der Landesregierung werden dazu viele Fragen gestellt und wenig Antworten gegeben. Das liegt zum einen in der Natur der Sache, gibt es doch zum Thema demographischer Wandel auch deutschlandweit noch keine schlüssigen Antworten, sondern nur unterschiedliche Konzepte. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass einige Lösungsansätze stärker herausgearbeitet werden. Der Ministerpräsident hat heute in seiner Rede einiges dazu gesagt.

Anlass zu besonderer Besorgnis gibt die in Brandenburg überdurchschnittlich schnell alternde Gesellschaft als Ergebnis von Geburtendefizit und steigender Lebenserwartung. Die Schere zwischen Geburten und Sterbefällen öffnete sich in Brandenburg in den 90er Jahren dramatischer als andernorts.

Auch die durchschnittliche Kinderzahl liegt in Brandenburg noch immer so niedrig wie nirgendwo in Deutschland. Daran hat auch der hohe Kita-Standard nichts ändern können.

(Zuruf von der PDS: Abschaffen!)

- Auch Sie sollten mir nicht Dinge unterstellen, die ich nicht gesagt habe. Das Wichtigste für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist erstens die Kinderbetreuung und zweitens ein Arbeitsplatz. Kinderbetreuungsplätze haben wir in Brandenburg genug; Arbeitsplätze haben wir nicht. Deshalb muss der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Entwicklung liegen.

Wo die wirtschaftlichen Perspektiven schlecht sind, bekommen die Familien weniger Nachwuchs. Weil dies oft auch Regionen sind, aus denen vor allem die Jüngeren abwandern, potenziert sich der Effekt noch.

Dass der Wirtschaftsbereich den Schwerpunkt bildet, kommt im Bericht der Landesregierung zum Ausdruck. Wichtige Maßnahmen zur Unterstützung von Innovationsprozessen sind neben der Förderung von Forschung und Wissenschaft die Stärkung der Humankapitalbasis sowie die Unterstützung beim Ausbau von Netzwerkstrukturen.

Welche Rolle die so genannten harten Standortfaktoren für die Entwicklung und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen spielen, geht aus Unternehmensbefragungen hervor. Das muss sich in der Schwerpunktsetzung bei künftigen Haushaltsaufstellungen widerspiegeln. Dass die Potenziale der Brandenburger Wirtschaft in der Herstellung hochqualifizierter Güter und Dienstleistungen liegen, ergibt sich nicht nur als Folge der EU-Osterweiterung, sondern insbesondere aus den Anforderungen des globalen Wettbewerbs. Daraus ergeben sich zwingende Schlussfolgerungen für den gesamten Bildungsund Ausbildungsbereich.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Wir werden es uns in Zukunft nicht mehr leisten können, dass Ausbildungsplätze frei bleiben, weil keine qualifizierten Bewerber zur Verfügung stehen. Wenn es uns nicht gelingt, die geisti

gen Potenziale unserer Kinder und Jugendlichen besser zu erschließen, werden wir den globalen Wettbewerb verlieren. Denn es ist kein Naturgesetz, dass es den Deutschen immer besser gehen muss als den Polen, den Tschechen oder Ungarn. Wenn ein Land wie Bulgarien bei der Grundschulstudie vor Deutschland liegt, zeigt das, dass es dabei nicht nur um Geld geht.

(Zuruf von der PDS: Voneinander lernen! - Klein [SPD]: Genau! - Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Bezüglich der Entwicklung der finanziellen Situation des Landes zeichnet der Bericht ein dramatisches Bild und verdeutlicht die zwingende Notwendigkeit der Reform der sozialen Sicherungssysteme. Dabei hat die Begrenzung des Anstiegs der Lohnzusatzkosten Priorität.

Wenn ein deutscher Facharbeiter rund sechs Stunden arbeiten muss, um mit seinem Nettolohn eine andere Facharbeiterstunde am regulären Markt bezahlen zu können, wird das Missverhältnis deutlich. Dann wird auch Schwarzarbeit attraktiv. Dann macht es Sinn, wenn jemand die Wohnung selber renoviert, auch wenn er dafür fünfmal so viel Zeit braucht wie ein gelernter Maler.

Die Debatte um die Kernaufgaben des Staates ist vor diesem Hintergrund neu zu führen. Im Bericht findet sich dazu der lapidare Satz:

„Die oben genannten zum Teil kostenträchtigen Maßnahmen“

- da haben alle Ressorts das aus ihrer Sicht Notwendige aufgeschrieben -

„müssen mit den abnehmenden finanziellen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden.“

Dieser Satz verdeutlicht die Herausforderung, vor der Brandenburg steht. Ohne eine klare Prioritätensetzung mit der Reduzierung auf das Machbare werden wir diese Herausforderung nicht meistern. Dass dabei nicht jeder das Rad neu erfinden muss, sondern vorhandene Erkenntnisse und Forschungsergebnisse ausgewertet und auf Brandenburger Tauglichkeit geprüft werden sollten, wird Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung der Probleme sein.

Vielleicht führt auch der Leidensdruck dazu, den Prozess der Entbürokratisierung und Verschlankung des Staates zu beschleunigen. Dabei kann ein Blick über den Tellerrand nur hilfreich sein. Dazu ist ja heute in der Aktuellen Stunde einiges gesagt worden.

Meine Damen und Herren! Ich bin trotzdem überzeugt, dass es durch eine Vielzahl von Maßnahmen gelingen kann, die Folgen des demographischen Wandels so zu gestalten, dass Brandenburg lebenswert bleibt. Im Übrigen gehören zur Bewältigung der nicht zu verharmlosenden Probleme auch positives Denken und Zupacken im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb sage ich: Brandenburg wird es schaffen! - Ich danke.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Blechinger. - Das Wort

geht noch einmal an die Fraktion der PDS, Herrn Prof. Dr. Bisky.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Schwierigkeiten, dem Gang der Debatte zu folgen.

(Freese [SPD]: Demographisches Problem!)

Wie Sie aus dem Abwandern junger Menschen auch noch eine Erfolgsstory für die große Koalition hervorzaubern,

(Zuruf von der PDS: Genau!)

das verblüfft mich schon.

(Beifall bei der PDS)

Es tut mir Leid. Ich will hier nicht über die Geburtsneigungen von Frauen - das ist ja ein weites Feld - oder von Männern reden. Aber Tatsache ist - ich hoffe, dass wir uns wenigstens darin einig sind -, dass sie in andere Bundesländer gehen und dass das ein Problem für das Land Brandenburg ist. Das ist ein Problem für das Land Brandenburg trotz Ihrer so erfolgreichen Regierungspolitik.

(Lachen bei der PDS)

Da möchte ich sagen, ich bin ganz froh darüber, dass andere dieses Thema seriöser angehen. Da komme ich auf die Debatten,

(Zuruf der Abgeordneten Blechinger [CDU])

in die die demographische Entwicklung eingeordnet werden muss: Aufbau Ost, Situation im Osten und das, was Dohnanyi und Rost vorgelegt haben. Ich finde, die gehen ernsthafter damit um. Ich sage Ihnen, wenn wir nicht anfangen, wirklich seriös über die Probleme zu reden und die Parteipolitik einmal weglassen und auch die Erfolgspropaganda,

(Zurufe von der CDU)

dann wird es wirklich schwierig.

(Beifall bei der PDS - Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

- Herr Klein, ich gehe von Folgendem aus:

Herr Prof. Bisky, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Herr Prof. Bisky, ich hoffe, dass ich Ihren Äußerungen nicht entnehmen muss, dass Sie das Abwandern junger Leute mit den gleichen Methoden wie zu DDR-Zeiten verhindern wollen.

Frau Blechinger, ich habe das Abwandern junger Leute zu DDR-Zeiten niemals bezweifelt. Ich verstehe nur nicht, dass Sie daraus, dass junge Leute jetzt abwandern, eine Erfolgsmeldung machen wollen.

(Beifall bei der PDS - Zuruf der Abgeordneten Blechin- ger [CDU])

Das hat mit der DDR bedingt zu tun. Übergeben Sie mir die DDR - über die Ost-CDU will ich gar nicht reden -, aber für das, was Sie hier, auch infolge der DDR, wirtschaftlich angerichtet haben, stehen Sie bitte gerade und reden Sie sich nicht heraus.

(Beifall bei der PDS)

Um die Situation im Osten zu stabilisieren und möglicherweise auch jüngere Menschen hier zu halten, sind nach unserer Überzeugung drei Dinge notwendig.