Protocol of the Session on September 24, 2003

Unterrichtung durch die Landesregierung

Drucksache 3/6420

Ich erinnere noch einmal daran, dass hinsichtlich der Redezeiten beim Haushaltsgesetz andere Regelungen gelten als in anderen Fällen. Hierzu ist zwischen den Fraktionen vereinbart worden, dass je Fraktion bzw. für die Landesregierung insgesamt 30 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen, wobei sich 20 Minuten auf den Haushalt und 10 Minuten auf das GFG beziehen sollen.

Wir schlagen Ihnen vor, diesen Tagesordnungspunkt vollständig zu erledigen - das würde etwa um 13.30 Uhr sein, wenn wir die Zeit voll ausschöpfen - und dann in eine kurze Mittagspause einzutreten, um danach die Plenarsitzung vom Tagesordnungspunkt 4 an fortzuführen.

Das Wort geht an die Landesregierung. Frau Ministerin der Finanzen, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Ihnen liegt der Entwurf für den Haushaltsplan 2004 und für die Finanzplanung 2003 bis 2007 vor. Der Haushalt 2004 ist in den letzten Wochen heftig diskutiert worden, innerhalb der Landesregierung, in der Öffentlichkeit, und ab jetzt, sehr verehrte Abgeordnete, sind Sie dran.

Der Entwurf ist ein Spiegelbild der Realitäten, nicht der Erfüllung aller Wünsche. Im Folgenden gehe ich auf die wesentlichen Rahmenbedingungen und Inhalte ein.

Erstens: Die gesamtgesellschaftliche Situation in Deutschland ist alles andere als zufrieden stellend. Ich will das an folgenden drei Beispielen verdeutlichen: Rund 4,5 Millionen Menschen in Deutschland sind von Arbeitslosigkeit betroffen, der Arbeitsmarkt und die Sozialversicherungssysteme in Deutschland harren umfassender Reformen und Deutschland wird mittlerweile in Europa als Hemmschuh des Aufschwungs in Europa betrachtet.

Auf Brandenburg bezogen bedeutet das: Rund 250 000 Menschen sind bei uns ohne Arbeit. In Brandenburg ist die wirtschaftliche Basis immer noch zu schwach, um von einer selbst tragenden Entwicklung sprechen zu können. Die unzureichen

den Perspektiven gerade in den äußeren Regionen des Landes führen dazu, dass auch leistungsstarke und jüngere Menschen wegziehen. Fehlende Reformen wirken sich in Brandenburg wie in den neuen Ländern generell negativ aus.

Zweitens: Die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte in Deutschland insgesamt - und auch in Brandenburg - hat sich seit Jahren verschlechtert. Beispiel: Im Jahr 2002 sind unsere Steuereinnahmen gegenüber 2001 um rund 10 % zurückgegangen. Dieser Rückgang zwingt uns zu einer deutlichen Korrektur der Einahmeplanungen für die folgenden Jahre. Zusätzlich werden wir mittelfristig mit weniger Geld von Bund und EU rechnen müssen, dies aber als normaler Anpassungsprozess an den Durchschnitt der westlichen Flächenländer. Auch wenn sich am Horizont die Wirtschaftsaussichten für die kommenden Monate nicht nur gefühlsmäßig, sondern auch tatsächlich gebessert haben, besteht kein Anlass zu übertriebenem Optimismus für das kommende Jahr.

Drittens: Die Ausgaben sind schlichtweg höher als unsere Einnahmen. Wie dramatisch sich die Lage verändert hat, zeigt ein Vergleich mit der bisherigen Finanzplanung; denn danach war im Jahr 2004 eine Kreditaufnahme in Höhe von 150 Millionen Euro vorgesehen. Tatsächlich legen wir Ihnen einen Haushaltsentwurf für 2004 vor, der eine Nettokreditaufnahme von rund 1,1 Milliarden Euro vorsieht. Das heißt, wir leisten uns für rund 1,1 Milliarden Euro mehr Ausgaben, als uns Einnahmen zur Verfügung stehen. Jeder Familienhaushalt und jedes Unternehmen weiß: Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

(Homeyer [CDU]: So ist es!)

Ohne die vielfältigen Ausgabenkürzungen, die wir auch gerade in der aktuellen Fragestunde besprochen haben, wäre die Kreditaufnahme noch höher und die Verfassungsmäßigkeit unseres Haushalts überhaupt nicht mehr gegeben.

Für 2004 sind deshalb Einsparungen von mehr als 340 Millionen Euro vorgesehen - auch eine seit Bestehen des Landes noch nie da gewesene Größenordnung. In Haushaltsklausuren hat die Landesregierung den Haushalt Stück für Stück nach Einsparmöglichkeiten durchforstet, die Arbeitsgruppe Fördereffizienz der Landesregierung hat die Förderprogramme zusammengestutzt und die Haushaltsverhandlungen wurden zielorientiert auf größtmögliche Einsparungen hin geführt.

Die Umsetzung des Konsolidierungskurses bedeutet aber auch, die Prioritäten der Landespolitik so weit wie möglich von Einsparungen zu verschonen. Folgende Beispiele sollen das verdeutlichen:

Der im Jahr 2001 verabschiedete Hochschulentwicklungsplan wird im Jahr 2004 ungeschmälert fortgesetzt. Die Ausgaben für die Hochschulen steigen im Jahr 2004 um 34 Millionen Euro. Damit bleibt das Land ein berechenbarer Partner für die Entwicklung der Hochschulen des Landes und gleichzeitig erhalten alle Hochschulen große Spielräume für eine intelligente und effiziente Mittelverwaltung.

Im Bildungsbereich werden sich bei sinkender Schülerzahl im Jahr 2004 die Ausstattungsparameter verbessern, obwohl die Ausgaben um 37 Millionen Euro zurückgehen werden. Schon jetzt haben wir in Brandenburg eine Schüler-Lehrer-Relation, um die wir in den westdeutschen Bundesländern beneidet wer

den. Dieser Wert wird sich bis 2010 weiter kontinuierlich verbessern. Aus finanzpolitischer Sicht sind damit die Rahmenbedingungen geschaffen worden, um bildungspolitisch auf die schlechten PISA-Ergebnisse reagieren zu können. Die aufgrund des Schülerrückgangs entstehenden Spielräume nutzen wir aber nicht allein zur Verbesserung des Unterrichts. Beginnend mit dem Jahr 2004 richtet die Landesregierung einen so genannten Personalkostenausgleichsfonds ein, der in einer ersten Rate mit 13 Millionen Euro dotiert wird. Er soll dazu dienen, die Beschäftigungsumfänge der Lehrer insbesondere im äußeren Entwicklungsraum zu stabilisieren.

Für die Förderung der regionalen Wirtschaftsentwicklung stehen im nächsten Jahr aus der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und aus dem Europäischen Strukturfonds EFRE rund 268 Millionen Euro bereit. Darüber hinaus sind für die Förderung der mittelständischen Wirtschaft einschließlich Tourismus 35,3 Millionen Euro vorgesehen. Bei der Filmförderung wird mit 8 Millionen Euro und bei der Technologieförderung mit 5,4 Millionen Euro etwa das Niveau des Vorjahres gehalten. Für den Ausbau der Infrastruktur stehen aus der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und aus dem Europäischen Strukturfonds EFRE 214 Millionen Euro bereit. Insgesamt gibt das Land damit 5 % seines Haushalts zugunsten der originären Wirtschaftsförderung aus. Das dokumentiert die hohe Bedeutung, die wir der Wirtschaftsförderung in unserem Land trotz der unumgänglichen Kürzungen beimessen.

Die Ausgaben für Hochbaumaßnahmen des Landes steigen gegenüber den Ansätzen des Jahres 2003 um 12 Millionen Euro. Damit werden zum Beispiel die notwendigen Investitionen für die Polizeistrukturreform angestoßen. Es wird auch sichergestellt, dass das Bau- und Investitionsprogramm des Landes für die Justizvollzugsanstalten weiter umgesetzt werden kann. Im Jahr 2004 können die Anstalten in Duben und Wriezen fertig gestellt werden.

Nicht zuletzt sind die insgesamt stabilen Bauinvestitionen unseres Landes und die auf hohem Niveau fortgeführte Städtebauförderung von großer Wichtigkeit für die kleinen und mittleren Betriebe in unserem Land. Für die Städtebauförderung werden im kommenden Jahr 6,5 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen als Kofinanzierungsmittel für die vom Bund für den Stadtumbau bereitgestellten Mittel. Damit sind die Ausfinanzierung der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2003 und der Abschluss der Verwaltungsvereinbarung 2004 gesichert.

Die Arbeitsmarktförderung wird auf dem Niveau des Jahres 2003 fortgeführt. Der Anteil der für den Bereich des Europäischen Sozialfonds vorzuhaltenden Mittel steigt entsprechend dem abgestimmten operationellen Programm. Damit werden ausreichend Mittel bereitgestellt, um die Ausfinanzierung der wesentlichen Programme der Arbeitsmarktförderung insbesondere im Bereich der beruflichen Erstausbildung sowie der Qualifizierung und Weiterbildung sicherzustellen.

Der Bereich Soziales ist geprägt von einem sehr hohen Anteil an gesetzlichen Leistungen. Für Erhöhungen infolge von Kostensteigerungen für gesetzliche Leistungen ist nach heutigem Kenntnisstand in ausreichendem Maße Vorsorge getroffen. Dass das Gesamtvolumen gegenüber dem Vorjahr dennoch um rund 44 Millionen Euro zurückgeht, liegt im Wesentlichen am

Auslaufen der vom Bund bisher für das Investitionsprogramm Pflege bereitgestellten Mittel. Die Ausfinanzierung dieses Investitionsprogramms ist dadurch jedoch nicht gefährdet.

Kürzungen im wesentlich kleineren Bereich der freiwilligen Leistungen waren in diesem Einzelplan - wie auch in allen anderen Einzelplänen - nicht zu vermeiden. Allerdings wurde den Besonderheiten dieses Einzelplans Rechnung getragen. Insbesondere kann die Förderung von Frauenhäusern auf dem Niveau des Jahres 2003 fortgeführt werden.

Meine Damen und Herren, die Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs beinhaltet zwei Risiken. Erstens: Wir befinden uns in einer Situation, in der die Auswirkungen der Reformen auf Bundesebene noch nicht quantifizierbar sind und daher auch nicht veranschlagt werden konnten. Zweitens: Es gibt zwar eine unterzeichnete Willensbekundung von Gewerkschaftsführungen und Landesregierung über Solidarpaktverhandlungen der Abschluss steht jedoch noch aus. Die Konsequenzen aus diesen beiden Risiken werden sich in den bis zum Jahresende verbleibenden Wochen ergeben. Ich sage jedoch gleich: Dafür, zulasten weiterer Politikfelder Einsparvorschläge zu unterbreiten, sehe ich für 2004 keine Möglichkeiten.

Lassen Sie mich zusammenfassen.

Erstens: Mit dem Haushalt 2004 werden wir die Konsolidierung der Landesfinanzen weiter verfolgen und die Ausgaben um insgesamt 3,4 % senken.

(Frau Osten [PDS]: Das ist wirklich ein Witz!)

Zweitens: Es werden die von der Koalition beschlossenen Prioritäten Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie zukunftsfähige Arbeitsplätze ausfinanziert.

Drittens lassen wir nicht von dem Ziel ab, durch strukturelle Maßnahmen den Landeshaushalt zu entlasten und die Kreditaufnahme mittelfristig zu senken.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, jetzt sind Sie an der Reihe. Mein Appell an Sie lautet: Sichern Sie mit Ihren Beschlüssen die Handlungsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes! Und vor allem: Diskutieren Sie mit den Bürgerinnen und Bürgern offen und ehrlich die notwendigen Maßnahmen sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene! Vermitteln Sie Vertrauen in die Politik! - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Prof. Dr. Bisky.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Sie uns als Entwurf des Landeshaushalts 2004 vorgelegt haben, ist ein schlechter Haushalt. Nur eines ist tröstlich: Es ist der vermutlich letzte Haushalt, den die große Koalition in dieser Wahlperiode einreicht.

(Beifall bei der PDS)

Angesichts der Erfahrungen mit den vergangenen beiden Doppelhaushalten ist es gut, dass Sie nun wieder zur Normalität, zu einem Jahreshaushalt, zurückkehren. Ich gehe allerdings davon aus, dass selbst dieser Jahreshaushalt das Schicksal seiner Vorgänger teilen wird: Kaum beschlossen folgt die erste Haushaltssperre, Nachtragshaushalte sollten unweigerlich folgen.

Dabei ist unbestritten: Es gibt in der gesamten Bundesrepublik eine Krise der öffentlichen Haushalte. Bundesfinanzminister Eichel musste gegenüber der Europäischen Kommission erneut den Offenbarungseid leisten: Auch in diesem Jahr wird die Bundesrepublik die Defizitkriterien, die mit der Euro-Einführung festgelegt wurden, nicht erfüllen können.

Die Finanzministerin hat Brandenburgs Situation heute mit dem gebührenden Ernst beschrieben. Dass unsere Kommunen aufschreien, ist angesichts bundes- und landespolitischer Entscheidungen, die sie unmittelbar treffen, nachvollziehbar.

Auch auf Bundesebene gibt es Verantwortlichkeiten. Da wir hier im Landtag sind, benenne ich aber in erster Linie die Landesregierung, die über den Bundesrat in die bundespolitische Entscheidungsfindung einbezogen ist, auch wenn Frau Ziegler - wie im Übrigen alle Finanzministerinnen und -minister, die ich seit 1990 hier erlebt habe - gern auf Berlin, auf die Bundesregierung, schimpft, so als hätte Brandenburg im Bundesrat regelmäßig gegen die Vorlagen der Bundesregierung votiert. Das war jedoch fast nie der Fall.

Brandenburg werde die Reformvorhaben der Bundesregierung im Bundesrat nicht blockieren, hörten wir vom SPD-Landesvorsitzenden am Wochenende. Hoffentlich sieht der Koalitionspartner das genauso; denn wir haben das unselige Theater zum Zuwanderungsgesetz noch in Erinnerung.

Die Frage nach einer möglichen Blockadehaltung gegenüber Reformen aber ist die falsche Frage. Um Reformen zu blockieren, bräuchte man erst einmal Veränderungen, die den Namen „Reform“ verdienen.

(Beifall bei der PDS)

Solche sind nicht einmal am Horizont zu entdecken. Weder beim Arbeitsmarkt noch in der Gesundheitspolitik, bei der Rente oder gar der Kommunalfinanzierung gibt es Veränderungen, die zukunftsfähig und sozial gerecht sind. Die „Reformen“ der Bundesregierung bringen für ein Land wie Brandenburg nur einen Effekt: Die Löcher in den öffentlichen Haushalten werden größer. Hinzu kommt, dass die zusätzlichen Belastungen für viele Arbeitnehmer, Rentner und vor allem auch Familien nicht mehr verkraftbar sein werden.

Ich will es einmal an den Plänen für das Vorziehen der Steuerreform plastisch darstellen. Natürlich werden auch kleinere und mittlere Einkommen entlastet; das stimmt. Dies sieht dann wie folgt aus: Steuerzahler A mit einem Jahreseinkommen von 15 000 Euro hat eine Steuerersparnis von 276 Euro im Jahr. Nach Gesundheits- und anderen Reformen - etwa die Pendler und die Eigenheimbesitzer betreffend - wird von diesem Betrag fast nichts übrig bleiben. Steuerzahler B hat ein Jahreseinkommen von 1 Million Euro und er kommt auf eine Steuerersparnis von 67 000 Euro im Jahr. Ich frage: Ist das sozial gerecht?

Jeder, der sehen wollte, konnte aus bisherigen Steuerreformen zumindest eines lernen: Die ohnehin Armen wurden noch ärmer; die Reichen hingegen sahen sich mitnichten veranlasst, Steuerersparnisse in die Schaffung von Arbeitsplätzen zu investieren.

(Beifall bei der PDS)

Die öffentlichen Haushalte hatten infolge dessen Einnahmeverluste in Größenordnungen zu verkraften.

Trotz all dieser bekannten Wirkungen hat die Brandenburger SPD schon wieder ihre Vorabzustimmung zum geplanten Vorziehen der Steuerreform erteilt, ohne dass zuvor die Folgen für unser Land abschließend geklärt waren. Wir würden ja nicht zum ersten Mal vom Bundesfinanzminister gelinkt werden, Frau Finanzministerin. Dass Sie, Herr Platzeck, als Gegenleistung für Ihre Zustimmung nur eine Teilkompensation der Verluste durch den Bund fordern, ist uns zu wenig.

(Beifall bei der PDS)