Vierte Forderung: Einführung eines Bildungspasses in der Weiterbildung und mehr Durchlässigkeit im Berufsbildungssystem.
Wir hier auf der Landesebene müssen Klinken putzen und in die Schulen gehen, um unsere Kinder auf die Berufswelt mit vorzubereiten.
Ich habe meine Erfahrungen bei der Organisation der Bernauer Ausbildungs- und Studienbörse gemacht. Immerhin waren am 11. April dieses Jahres 110 Ausbildungs- und Studieneinrichtungen in Bernau vertreten. Die Resonanz von 4 000 Besuchern und die vielen Gespräche, die ich mit Besuchern und Ausstellern führte, zeigen mir, dass dies eine Möglichkeit ist, unseren Jugendlichen praktische Lebenshilfe zu geben und auch Unternehmer für zusätzliche Ausbildungsplätze zu gewinnen.
Wir werden im nächsten Jahr mithilfe des Wirtschaftsministeriums zwei zentrale Veranstaltungen in Brandenburg durchführen, eine Ausbildungs- und Studienbörse in Bernau für den Norden und eine solche in Lauchhammer für den Süden Brandenburgs.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung ist gefordert, sich im Bundesrat und im Vorfeld bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass bei der Schaffung von Ausbildungsplätzen keine neuen Barrieren errichtet und bestehende abgebaut werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Bartsch. - Das Wort geht für die Fraktion der SPD an den Abgeordneten Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wirtschaft schafft Arbeit“, wobei man das vielleicht andersherum formulieren sollte: Warum schafft Wirtschaft keine Arbeit?
- Das ist kein Blödsinn. Wir müssen doch feststellen, dass die Arbeitsplätze, die wir derzeit haben, überhaupt nicht ausreichend sind. Das heißt, dieses Prinzip „Wirtschaft schafft Arbeit“ scheint doch nicht zu funktionieren.
Wir haben offensichtlich ein Problem. Das brauchen wir uns gegenseitig doch gar nicht vorzuhalten, weil alle irgendwie daran beteiligt sind. Aber das ändert nichts daran, dass wir ein Problem haben. Wir haben die Situation, dass die Arbeitslosigkeit steigt. Wir haben einen demographischen Wandel, wie es ihn noch nie gegeben hat, nicht in der Bundesrepublik, wahrscheinlich woanders auch nicht. Wir haben eine steigende Belastung in den Sozialsystemen. Wir haben Steuereinnahmen, die massiv sinken, und wir haben steigende Sozialausgaben nicht nur im Bereich der Unternehmen, sondern auch im Bereich des Staates. Genau deswegen müssen wir handeln.
Wo liegt das Problem? Ich bin selbst seit langer Zeit auch unternehmerisch tätig und der Eindruck, den ich selbst und den ich bei vielen Unternehmen gewonnen habe, ist: Es ist nicht mehr interessant, Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist nicht interessant, weil irgendetwas nicht stimmt bei dem, was hinterher passiert, wenn ich den Arbeitsplatz geschaffen habe.
Wir haben hier in Brandenburg in vielen Regionen 27 % Arbeitslosigkeit. Wir haben 4,6 Millionen Menschen in Deutschland in Arbeitslosigkeit; jedenfalls im März war das so, deutlich besser ist es nicht geworden. Dafür muss es Gründe geben. Ich will einmal versuchen, das aus der Sicht des Mittelständlers zu beschreiben.
Es gibt vier Dinge, die man dabei berücksichtigen muss: Es gibt Voraussetzungen, es gibt Hürden, es gibt eine Gewinnaussicht und es gibt ein Risiko.
Die Voraussetzungen: Voraussetzung ist, dass man eine Idee hat, mit dem Unternehmen irgendetwas zu gestalten. Man muss beispielsweise ein Produkt oder eine Dienstleistung haben. Ich glaube, an der Stelle haben wir gar nicht das wirkliche Problem. Es gibt sehr viele findige Köpfe, auch in Brandenburg, die eine gute Idee haben, die ein Produkt haben. Daran liegt es also wirklich nicht.
Woran es schon eher liegt, ist die Frage des Startkapitals. Viele haben einfach das Startkapital nicht oder das, was danach kommt, die Sicherheiten, um Kredite zu bekommen, um das Unternehmen aufzubauen.
Des Weiteren haben wir in vielen Fällen ein Know-how-Problem. Es gibt viele Wissenschaftler, viele Techniker, die sehr pfiffig sind. Aber daraus ein Unternehmen zu machen, das ist immer noch eine ganz andere Sache, weil ein guter Wissenschaftler nicht automatisch auch ein guter Unternehmer ist. Also ein Know-how-Problem haben wir vermutlich auch.
Dann gibt es Hürden. Da wäre zunächst die Bürokratie zu nennen, Genehmigungsverfahren, die Frage der Bauordnung, gerade derzeit im Landtag aktuell, Denkmalschutzgesetz, Naturschutzgesetz. Da gibt es sicherlich einige Probleme, wobei es zu einfach wäre zu sagen, da ist das Hauptproblem. Das ist nicht das Hauptproblem.
Wenn es um den Gewinn geht, also um die Frage, was der Unternehmer davon hat, wenn er Arbeitsplätze schafft, spielen Dinge wie die Frage der Markterschließung eine ganz wesentliche Rolle. Das ist vermutlich eines der zentralen Probleme für unsere Unternehmen. Sie haben keinen Markt. Sie haben Probleme, die Markterschließung hinzubekommen.
Es gibt natürlich auch noch andere Dinge, zum Beispiel die Frage: Wie ist das Verhältnis der Produktivität zu den Lohnkosten und den Lohnnebenkosten? Dort liegt offensichtlich ein Problem. Die Lohnstückkosten sind in vielen Fällen einfach zu hoch. Das hängt oft mit einem Investitionsstau zusammen. Ich habe zu wenig Sicherheiten, ich kann nicht investieren, meine Produktivität ist zu gering und damit sind die Lohnstückkosten zu hoch.
Beim Risiko geht es um die Frage des eingesetzten Kapitals. Das wird in vielen Fällen als Risiko betrachtet. Aber auch die Frage der Kredite und Sicherheiten spielt eine Rolle. Wenn der Banker mir sagt: „Sie können das Unternehmen machen, wenn Sie Ihr Haus verpfänden und die Frau, die Oma und die Schwiegermutter bürgen, damit das Ganze funktioniert“, dann ist das natürlich eine Hürde.
Darüber hinaus haben wir das Problem, dass die Märkte derzeit nicht wachsen. Auch die Frage der Osterweiterung ist für viele Unternehmen eine gewisse Hürde, weil sie nicht wissen, ob das, was auf sie zukommt, eine Chance oder ein Risiko ist.
Es gibt also viele Gründe, die dazu führen, dass Menschen, die eigentlich in der Lage wären, Arbeitsplätze zu schaffen, für sich feststellen: Ich tue es nicht. Ich sehe entweder zu wenig Gewinnaussichten oder ein zu hohes Risiko oder der Weg ist mir zu steinig. - Genau an der Stelle muss man letztendlich ansetzen.
Damit kommen wir zu den Rahmenbedingungen. Das sind genau die Punkte, die wir hier miteinander bereden. Es geht dabei mit Sicherheit nicht ausschließlich um die Frage der Ausbildung, die Herr Bartsch so zentral formuliert hat. Das ist auch ein Problem, aber es ist letztendlich bestimmt nicht das zentrale Problem.
Wenn ich mir die Rahmenbedingungen der EU ansehe, dann werden wir eine Sache gemeinsam erstreiten müssen, nämlich dass Brandenburg solange wie irgend möglich, auch möglichst vollständig, Ziel-1-Gebiet bleibt, also in der vollen Höhe die Förderung bekommt. Dafür gibt es offensichtlich gute Zeichen aus Brüssel, aber offensichtlich schlechte aus der Bundesrepublik, weil nämlich manche westlichen Bundesländer dies nicht wollen. Das sind übrigens auch oft CDU-regierte Länder. Deswegen auch meine Bitte an Sie: Reden Sie mit den Bayern und mit den anderen, dass sie an der Stelle nicht gegen Brandenburg sind!
Beim Land haben wir natürlich auch einige Dinge zu bewegen. Da ist aber auch schon vieles auf dem Weg. Sie wissen das. Die Bauordnung ist auf dem Weg, wenn es also um die Frage von Hürden geht, das Denkmalschutzgesetz ist auf dem Weg, das Naturschutzgesetz auch. Wir müssen nur gemeinsam aufpassen, dass wir tatsächlich das erreichen, was alle hier wollen, dass möglichst viele Hürden, die nicht sinnvoll sind, auch wirklich weggeräumt werden, dass wir jeden Knüppel zwischen den Beinen der Unternehmer wegziehen, den wir wegziehen können.
Jetzt möchte ich zu den Rahmenbedingungen des Bundes kommen; denn vieles, was uns hier bedrückt, ist eben auch etwas, was wir selbst kaum verändern können, weil es Bundesangelegenheit ist.
Man muss natürlich fragen: Seit wann gibt es beim Bund einen Reformstau? Wir werden uns wohl sehr schnell einig werden, dass er nicht seit einem Jahr und auch nicht seit fünf Jahren besteht, sondern vermutlich seit 15, wenn nicht sogar 20 Jahren.
Insofern ist es eine gesellschaftliche Angelegenheit und man machte es sich zu leicht, wenn man hier die eine Partei gegen die andere stellte. Nur gemeinsam - gesellschaftlich betrachtet - wird man die Probleme wirklich lösen können. Daher ist das Vorhaben schon sehr sinnvoll und richtig. Auch die Kollegen von der CDU sagen, dass die Agenda 2010 in die richtige Richtung geht, weil sie in vielen Bereichen genau die Probleme angeht, die wir haben. Bezüglich der Frage, ob man damit den Durchbruch schaffen kann, gibt es in allen Parteien vermutlich gleich viele Skeptiker, und zwar in der einen wie in der anderen Richtung, aus dem einen Argument heraus wie aus dem anderen.
Ich will auf einige Punkte kurz eingehen. Wir haben im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit Anstrengungen zu unternehmen. Das hat Bundeskanzler Schröder klar erklärt, wobei ich voranstellen will: Wer behauptet, das Jump-Programm sei nicht richtig gelaufen oder gar unsinnig gewesen, hat sich mit den Zahlen, die sich damit verbinden, nicht wirklich beschäftigt. Es sind Hunderttausende von Jugendlichen, die an der Stelle eine Chance bekommen haben, die sie ohne Jump-Programm nicht gehabt hätten.
Trotzdem muss da mehr geschehen. Es ist vieles dazu in der Agenda 2010 enthalten, zum Beispiel das Programm „Kapital für Arbeit“ auf Auszubildende auszuweiten, womit ein zusätzlicher Anreiz entsteht, Ausbildungsplätze zu schaffen.
Hilfe für Existenzgründer - ich halte diesen „small business act“ für sehr sinnvoll, dass nämlich Kleinstunternehmen wirklich einmal an Entbürokratisierung partizipieren können, indem der bürokratische Aufwand erheblich reduziert wird. Wir haben sehr viele Kleinstunternehmen in Brandenburg. Insofern wird das wirklich helfen, vielen den Weg in die Selbstständigkeit zu erleichtern.
Die Modernisierung der Handwerksordnung ist hinsichtlich ihrer Auswirkungen sicherlich strittig. Ich befürchte, dass die
Modernisierung in Brandenburg nicht sehr viel bringen wird, weil wir nicht ein Problem mangelnder Unternehmen haben, sondern ein Marktproblem: Wir haben zu wenig Absatz. Deswegen können zusätzliche Unternehmen in vielen Fällen das Problem nicht lösen, sondern wir brauchen mehr Markterschließung.
Die Hilfe für die Städte und Gemeinden ist außerordentlich wichtig. Sie müssen in die Lage versetzt werden, weiterhin zu investieren, weil das, was die Städte und Gemeinden des Landes investieren, beim Mittelstand in der Region landet. Deswegen ist es so wichtig, dass dort das Sieben-Milliarden-Programm mit positivem Effekt auf den Weg gebracht wird.
Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ist sicherlich - auch in der SPD - außerordentlich strittig, aber das Ziel, das damit erreicht werden soll - nämlich die Senkung der Lohnnebenkosten -, ist absolut richtig. Deswegen wird man auch an einer solchen Diskussion nicht vorbeigehen. Auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung, genauso wie die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Auch das wird genau an der Stelle wirken, wo die Handwerker ihre Aufträge bekommen, nämlich in den Kommunen.
Bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik - auch ein wesentlicher Punkt der Agenda 2010 - geht es um die Frage: Wie wird man an der Stelle weiter agieren? ABM, SAM kennen wir. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Ist dies wirklich das richtige Mittel, um das Ziel zu erreichen, das wir haben, nämlich eine Brücke zu bauen? Darüber werden wir sicherlich weiter diskutieren müssen.
Auch im Gesundheitswesen muss etwas passieren - darüber sind wir uns, glaube ich, einig -, weil auch dort die Lohnnebenkosten negativ beeinflusst werden.
Insofern stellt man bei der Gesamtbetrachtung fest: Alle Punkte gehen in die richtige Richtung. Deswegen sollten wir hier auch nicht parteipolitisch aufeinander herumhacken, sondern gemeinsam versuchen, das formulierte Ziel zu erreichen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Müller. - Das Wort erhält nun die Fraktion der PDS, Herr Abgeordneter Christoffers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller, wenn ein Ziel mittels politischer Erpressung umgesetzt werden soll - indem ein Kanzlerrücktritt droht, wenn nicht genau nach vorgelegter Grundlage verfahren oder abgestimmt wird -, dann ist das möglicherweise ein politisch falscher Weg.
Meine Damen und Herren! Ja, Deutschland braucht Reformen, allerdings solche, die die demokratische, wirtschaftliche und
soziale Substanz dieser Gesellschaft in das 21. Jahrhundert transformieren. Das ist mit strukturellen Umbrüchen und Transferkosten verbunden. Wenn man sich diesen beiden Sachverhalten nicht zu stellen bereit ist, wird man diese Transformation, diese Reformidee nicht verwirklichen können.