Protocol of the Session on April 9, 2003

Insgesamt sind seit 1991 - das ist eine sehr bemerkenswerte Kennziffer - 25,9 Milliarden Euro allein für Investitionen in unserem Land Brandenburg ausgegeben worden. Das ist eine dreimal höhere Summe als die im selben Zeitraum in SchleswigHolstein ausgegebene.

Von Bund und EU erhalten wir pro Einwohner einen fünfmal höheren Zuschuss als die finanzschwächsten Westländer. Die Gesamteinnahmen je Einwohner sind derzeit insgesamt noch um 30 % höher. Stattdessen klafft eine gewaltige Finanzierungslücke in Höhe von 1,6 Milliarden Euro allein in diesem Jahr. Zudem sinken die Zuschüsse von EU, Bund und Ländern in absehbarer Zeit.

Diese Fakten belegen sehr eindringlich den Handlungsbedarf in Bezug auf Sparen. Wir sind uns dabei der großen Herausforderung, aber auch der Verantwortung für die notwendige soziale Balance im Land sehr bewusst. Vom Sparen allein kann man nicht reich werden. Hinsichtlich dieser Meinung, verehrte Frau Große, können wir vielleicht wieder zusammenkommen. Im Bildungssystem, bei Ausbildung, in Hochschulen wird weitestgehend nicht gespart, sondern investiert. Dort liegt unsere Zukunft; dort sehen wir unsere Perspektiven.

Mit den haushaltspolitischen Maßnahmen werden Einsparungen in Höhe von mehr als 400 Millionen Euro realisiert. Jede Einzelne davon ist für uns sehr schmerzhaft, für die SPD besonders auch im sozialen Bereich. Keine der 150 Einsparungen bleibt ohne Auswirkungen und konkrete Folgen. Aber wann immer jemand vom Sparen redet, redet ein anderer von sozialer Kälte.

(Frau Stobrawa [PDS]: Es kommt darauf an, wo sie ste- hen!)

Den Landtag haben inzwischen Hunderte Briefe von Sozialverbänden, Interessengruppen und auch von besorgten Bürgern erreicht. Wir haben uns mit vielen Argumenten und in vielen Gesprächen damit auseinander gesetzt.

Übrigens hat sich niemand, der sich an uns als SPD-Fraktion sowie auch an mich als Abgeordneter gewandt hat, grundsätzlich gegen den Sparkurs der Landesregierung ausgesprochen.

Die Fraktionen von SPD und CDU haben sich über eine Reihe von Umschichtungen zugunsten sozialer Anliegen verständigt, ohne - ich betone: ohne - die Neuverschuldungsgrenze zu erhöhen. Gegenüber dem Regierungsentwurf erhalten die Musikschulen über 500 000 Euro mehr an Zuschüssen.

(Beifall des Abgeordneten Prof. Dr. Bisky [PDS])

- Herzlichen Dank. - Freie Schulen werden ab dem 01.01.2004 mit 95 % - statt 93 % - der Personalkosten einer vergleichbaren staatlichen Schule unterstützt. 2003 gibt es keine Einschnitte bei Frauenhäusern. Innerhalb des Gemeindefinanzierungsgesetzes bleibt die zweckgebundene Zuweisung von über 8 Millionen Euro für den sehr wichtigen Bereich der Sozialen Dienste - wir reden hier von ambulanter Betreuung, von Kleiderkammern, von Altenhilfe, von Betreuung psychisch Kranker - erhalten und wird abgesichert.

Auch die kommunalen Haushalte - dies will ich nicht verschweigen - stehen vor enormen Herausforderungen, die wir anerkennen müssen. Der Fingerzeig von der Kommune auf das Land, von uns auf den Bund und vom Bund auf die EU hilft dabei relativ wenig. Die Reform der Kommunalfinanzen muss auf Bundesebene zügig umgesetzt werden und ist von Gerhard Schröder zum 01.01.2004 zugesagt worden.

Die Gemeindefinanzreform im Land Brandenburg mit dem kommunalen Finanzausgleichsgesetz soll ab 2004 wirken. Parallel dazu wurde ein erstes Artikelgesetz zur Entlastung der Kommunen erarbeitet und dem Landtag vorgelegt. Kommunen benötigen mehr Freiräume, um mit den äußerst knappen finanziellen Mitteln politikfähig zu bleiben. Landkreisordnung und Gemeindeordnung werden entrümpelt.

In diesem Zusammenhang - die Kommunen sollen von Pflichtaufgaben entlastet werden - wird auch über das Brandenburgische Kita-Gesetz diskutiert, ein Kita-Gesetz, das bundesweit zu den fortschrittlichsten gehört, ein Kita-Gesetz, das allen berufstätigen Eltern, ob in Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung, meine Damen und Herren, den Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung ihres Kindes von null bis zwölf Jahren sichert.

(Frau Große [PDS]: Der Rechtsanspruch ist nicht für die Eltern, sondern für die Kinder!)

- Das haben Sie vorhin bereits gesagt, heute auch im „Oranienburger Generalanzeiger“. Ich denke, das weiß hier jeder. Die Belehrung ist nicht notwendig.

Ich möchte aber für die SPD-Fraktion - ich denke, auch für die Koalition - ausdrücklich unterstreichen, dass an diesem Rechtsanspruch für alle, die in Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung stehen, nicht gerüttelt wird.

(Zurufe von der PDS)

Wenn Eltern nicht berufstätig sind, ist eine auf sechs und ab dem Grundschulalter auf vier Stunden begrenzte - zwischen dem 2. und 10. Lebensjahr für die Kinder, Frau Große, noch einmal zur Sicherheit - Betreuung gesetzlich gesichert. Ob dieser Rechtsanspruch für Kinder von nicht berufstätigen Eltern ab dem 2. oder 3. Geburtstag besteht, wird noch zu diskutieren sein.

An der Kita-Finanzierung des Landes allerdings rütteln wir bezüglich der Kinderkostenpauschale mit keinem Cent. Was Sie gelegentlich gern, ob in der Zeitung oder auf Kundgebungen, darstellen: Das Land kürzt massiv an Kita - ist falsch. Die Kinderkostenpauschale bleibt auf Euro und Cent vom Land auch 2003 mit über 100 Millionen Euro vollständig gesichert. Hier wird nicht gekürzt. Für uns sind der Rechtsanspruch auf KitaBetreuung und dessen Finanzierung auch keine beliebige Manövriermasse.

Wir wollen stattdessen vorrangig zuallererst in der eigenen Landesverwaltung sparen. Dieser Prozess ist eingeleitet und wird fortgesetzt. Behördenzusammenlegungen, Strukturreformen, ob bei der Polizei oder in der Forstwirtschaft, sind nur einige Beispiele. Dieser Prozess wird deutlich ausgeweitet und muss auch beschleunigt werden. Wir tragen den Entwurf des Haushaltssicherungsgesetzes und werden ihn an wichtigen Stellen noch ergänzen.

Brandenburg ist übrigens an vielen Stellen keineswegs Schlusslicht im Vergleich zu anderen Ländern. Die Studie von Prof. Seitz zeigt, dass es insbesondere im Personalbereich erhebliche Unterschiede gibt. Hier leistet sich Brandenburg deutlich zu viel im Vergleich zu den finanzschwächsten Flächenländern Westdeutschlands.

Unter Berücksichtigung der Tarifsteigerungen und der stark steigenden Pensionslasten wird dies auch in Zukunft eine sehr entscheidende Frage sein. Deshalb führt am Personalabbau in der Landesverwaltung kein Weg vorbei. Auch einzelne betriebsbedingte Kündigungen können und dürfen in Zukunft nicht mehr ausgeschlossen werden. Insgesamt müssen wir die Ausgaben jährlich senken - trotz Tarifsteigerungen und trotz steigender Pensionslasten.

Ich meine, keiner dieser Fakten ist für die Abgeordneten, die der Haushaltsdebatte jetzt folgen und zuhören, wirklich neu - keiner. Neu ist ein Haushaltssicherungsgesetz, das wir in der Landtagssitzung im Mai als Paket für den Haushalt 2003 und auch für das Haushaltsstrukturgesetz vorlegen. Nachtragshaushalt, Haushaltsstrukturgesetz, Haushaltssicherungsgesetz bilden eine Einheit, um die Konsolidierung des Landeshaushalts auf Dauer abzusichern.

Insbesondere das Haushaltssicherungsgesetz beinhaltet eine

Reihe mittel- und langfristig wirkender sehr intelligenter Lösungen, zum Beispiel die Nutzung von Synergien mit Berlin und eine gemeinsame Aufgabenerledigung, die Ausgliederung oder Standortzusammenlegung der eigenen Landesverwaltung.

Es ist sicher problematisch, einseitig nach Bundeshilfen zu rufen, aber es unterstreicht einen wahren Kern: Durch Sparen allein sind wir nicht in der Lage, die Probleme zu lösen. Durch Sparen allein kann man nicht reich werden.

Vorübergehende Bundeshilfen gibt es. Jedoch können sie - das will ich vor dem Hintergrund einer öffentlichen Debatte sehr deutlich und ehrlich sagen - nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. Wir brauchen positiv besetzte Leitbilder: Weg von der Randregion hin zu einem zentralen Bindeglied in einem geeinten Europa Berlin-Brandenburg als gemeinsamer Wirtschaftsraum mit weltweitem Bekanntheitsgrad.

Die Infrastruktur nach Polen, die im Parlament häufig zur Debatte steht, wächst. Die Chancen für Brandenburg überwiegen, wenn wir den Beitritt Polens aktiv nutzen und nicht mit dem Rücken zum Nachbarn stehen. Im Übrigen steht Polen längst mit dem Gesicht zu uns gewandt.

Ich bin davon überzeugt, dass sich unsere Investitionen, ob in Bildung, Hochschulen oder Infrastruktur, auszahlen werden. Trotz der Sparmaßnahmen ist die Investitionstätigkeit des Landes Brandenburg doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller Westländer. Es bleibt zu bedenken, dass die Investitionen von heute der Erhaltungsbedarf von morgen und übermorgen sein werden. Hierfür werden in Zukunft Spielräume benötigt, die nur mit der aktuellen Konsolidierung geschaffen werden können.

Bei all den Problemen sollte es auch Grund zu vorsichtigem Optimismus im Land geben. Auf nahe Sicht bleibt der Haushalt des Landes auf die Unterstützung von der EU, vom Bund und von den Ländern angewiesen. Noch immer werden mehr als 50 % der Investitionen von ihnen gefördert.

Jedoch verpflichtet uns insbesondere der Länderfinanzausgleich da dies ein Solidaritätsprinzip ist - zu eigenen, grundsätzlichen finanzpolitischen Anstrengungen. Das Land zahlt derzeit pro Jahr etwa 800 Millionen Euro an Zinsen für Mittel, die im Wesentlichen für den Aufbau unseres Landes eingesetzt worden sind. Ich denke, das begründet keinen Haushaltsnotstand. Das Land hat die Kraft, die Fähigkeit und die Verpflichtung, einen eigenständigen Weg zur Konsolidierung zu suchen und zu beschreiten. Dieses Gesetzespaket ist ein wesentlicher Schritt auf diesem Weg.

Von der PDS sind dieser Tage recht interessante Vorschläge zu lesen und zu hören. Während der PDS-Landeschef - ich sehe ihn heute nicht - vor kurzem in den „PNN“ einen Masterplan zu Brandenburgs Finanzen fordert, legt uns seine Fraktion ein A4Blatt zur Gegenfinanzierung aller PDS-Anträge für den Nachtragshaushalt 2003 auf den Tisch. Darin geht es um Kürzungen beim Verfassungsschutz in Höhe von etwa 400 000 Euro. Das ist ein Prozedere, ein Ritus, an dem Sie gern festhalten.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Sie kennen unsere Anträge nicht!)

- Wir kennen Ihre Anträge. Die hat jeder im Postfach liegen gehabt.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Dann reden Sie nicht so einen Blödsinn! - Weitere Zurufe von der PDS)

- Ich weiß nicht, ob sich Ihre „polemik-politische“ Sprecherin an dieser Stelle etwas zügeln könnte.

(Unruhe im Saal - Glocke des Präsidenten)

Ich denke, wir haben einen Stil, der auch unser Kulturniveau widerspiegelt. Ich nehme nicht an, dass Sie so eingestuft werden wollen, wie es sich hier anhörte.

Herr Präsident, ich entschuldige mich.

(Klein [SPD]: Das war jetzt aber etwas zu viel!)

- Gegenüber dem Präsidenten kann man das schon tun.

Zu den ersten beiden Positionen der PDS-Giftliste: Darin ist die Streichung der Gelder für die Terrorismusvorsorge in Höhe von mehr als 3 Millionen Euro vorgesehen. Ich will ganz deutlich unterstreichen, dass auch die SPD-Fraktion geschlossen gegen den Irak-Krieg ist. Wir lehnen den Irak-Krieg eindeutig ab.

(Beifall bei der SPD)

Die Sicherheitslage, meine Damen und Herren von der PDS, ist aber leider nicht besser, sondern schwieriger und unübersichtlicher geworden. Die Gefahren von Terrorismus sind real. Der bestmögliche Schutz der Bürger Brandenburgs begründet die Aufgabe und die Pflicht des Landes geradezu, dafür Gelder auszugeben, Experten bereitzustellen und zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?

Nein. - Kürzungen diesbezüglich sind indiskutabel und aus unserer Sicht unverantwortlich.

(Zurufe von der PDS)

Derartige Vorschläge und viele der vermeintlichen anderen erwähnten Geldquellen - Thomas Lunacek wird darauf noch eingehen - sind nicht geeignet, eine solide Finanzpolitik zu betreiben. Der Nachtragshaushalt wurde im Wesentlichen notwendig, weil der Wirtschaftsmotor zu langsam läuft.

Ein Land kann keine Steuern erheben, um bei fehlenden Einnahmen nachzujustieren. Vielleicht ist das gut; denn es zwingt uns zu einer Ausgabenpolitik mit Augenmaß. Viele der Sparmaßnahmen schmerzen die SPD insbesondere in den sozialen Bereichen, aber auch an zahlreichen anderen Stellen. Jedoch ist es notwendig, eine offene und ehrliche Antwort auf die Frage zu

geben, ob man auf Dauer mehr ausgeben kann, als vorhanden ist.