„fast alles andere abhängen wird. Die Zukunft des modernen Brandenburg steht und fällt mit unserer Fähigkeit, dieser fundamentalen Einsicht politische Taten folgen zu lassen.“
Diese fundamentale Einsicht äußerten Sie, verehrter Herr Ministerpräsident - nun ist er leider nicht da; es ist also nicht von mir, Herr Klein, sondern vom Herrn Ministerpräsidenten -, vor einem halben Jahr in Ihrer Regierungserklärung und ernteten auch von der PDS zustimmendes Kopfnicken.
Wie ist es dieser fundamentalen Einsicht nun ergangen? Sollen wir etwa den vorliegenden Nachtragshaushalt zu den politischen Taten zählen, die dieser Einsicht folgen? Die Zukunft des modernen Brandenburg befindet sich angesichts des vorliegenden Zahlenwerks dann wohl eher im freien Fall.
Kaum ein anderer Bereich muss so bluten wie der Bildungsbereich. Kein anderer Bereich im öffentlichen Dienst muss einen derart großen Anteil am Stellenabbau erbringen wie der Schulbereich. Die konkreten Zahlen sind bekannt, sie brauchen hier nicht wiederholt zu werden. Oder doch? - 28 Millionen Euro im Nachtragshaushalt, bis 2010 Einsparung von ca. 7 000 Stellen und darüber hinaus Einsparungen durch globale Minderausgaben bis 2006 in Höhe von 81,4 Millionen Euro sowie bis 2010 eine Entlastung des Haushalts um weitere 81,2 Millionen Euro, im Kita-Bereich Kürzung der Ausgaben insgesamt um dann fast 70 Millionen Euro und weitere Einschränkungen des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz stehen bevor.
Dazu muss immer wieder daran erinnert werden, dass von 1990 bis 2003 schon 11 100 Stellen gestrichen worden sind und dass der Stellenabbau seit 1990 trotz anderer Behauptungen eben doch höher ist als die sinkenden Schülerzahlen.
Bundesweite Vergleiche zeigen, dass Brandenburg bereits in den letzten Jahren wesentlich weniger in seine Schüler investiert hat als andere Bundesländer. Lagen die Ausgaben pro Schüler in der Bundesrepublik im Durchschnitt des Jahres 2001 bei 4 300 Euro, so waren es in Brandenburg nur 4 100 Euro.
Bezogen auf die Schularten stellt sich die Situation so dar: Brandenburg gibt für einen Schüler an einer Grundschule 2 900 Euro aus; der Bundesdurchschnitt liegt bei 3 600 Euro. Für einen Schüler an einer Gesamtschule gibt Brandenburg 4 500 Euro
aus; der Bundesdurchschnitt liegt bei 5 400 Euro. Für einen Schüler an einer Realschule gibt Brandenburg 3 500 Euro aus; der Bundesdurchschnitt beträgt 4 300 Euro. Für einen Gymnasiasten gibt Brandenburg 3 900 Euro aus; der Bundesdurchschnitt liegt bei 5 200 Euro.
Die Personalausgaben je wöchentliche Unterrichtsstunde liegen in Brandenburg bei 2 000 Euro, während der Bundesdurchschnitt 2 700 Euro erreicht. Schon angesichts dieser Zahlen müssten bei allen mit Bildung Befassten die Alarmglocken läuten.
Die genannten Zahlen sind wesentlich aussagekräftiger als die von der Landesregierung als Argument für das Sparen gebetsmühlenartig ins Feld geführten sinkenden Schülerzahlen und die Lehrer-Schüler-Relation.
Mit dem Nachtragshaushalt sollen zusätzlich allein 13 Millionen Euro im Bereich der Personalausgaben gekürzt werden - als hätte es keine PISA-Befunde gegeben, die eine Bankrotterklärung brandenburgischer Bildungspolitik sind.
- Nein. - Wie ernst soll man angesichts dieser Kürzungen noch das Schulressourcenkonzept nehmen, wenn schon jetzt Haushaltseingriffe erfolgen? Wir sind uns darüber im Klaren, dass mehr Geld allein nicht zu höherer Unterrichtsqualität führt. Es liegt aber wohl auf der Hand, dass bei derartigen Einschnitten eine Qualitätsentwicklung nicht erreicht werden kann.
Auch im Jugendbereich soll drastisch gespart werden, wo dieser Bereich doch seit Jahren chronisch unterfinanziert ist. So verfügen nicht nur die freien Träger der Jugendarbeit ständig über leere Kassen. Für viele freie Träger werden die Einsparungen nicht nur zu drastischen Einschränkungen ihrer Arbeit führen, sondern auch zum Wegbrechen ganzer Strukturen, die über Jahre hinweg mühsam aufgebaut wurden.
Mit den Kürzungen bricht die Landesregierung erneut die Koalitionsvereinbarung. Von festen Stellen für die Jugendarbeit in Brandenburg wagt kaum noch jemand zu sprechen. Stattdessen hat sich dieser Bereich seit Jahren auf die Förderung über ABM und SAM einstellen müssen. Schon jetzt liegt Brandenburg bei diesen Ausgaben im Bundesvergleich an letzter Stelle; dafür liegt Brandenburg, wie wir alle wissen, bei der Jugendarbeitslosigkeit an erster Stelle - eine Bilanz, auf die wohl niemand stolz sein kann. Mit jedem Jugendlichen, der durch fehlende Ausbildungs- und Arbeitsplätze und durch eine unzureichende Jugendförderung zum Weggang gezwungen wird, verliert das Land ein Stück Perspektive, ein Stück seiner Zukunft.
Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich erinnere an das eingangs zitierte Wort des Ministerpräsidenten zur Zukunftsfähigkeit des Landes. Wie vereinbaren sich damit Kürzungen in Höhe von 933 000 Euro im Bereich der Weiterbildung, womit allein bei der im Weiterbildungsgesetz verankerten Grundver
sorgung ein Drittel aller Mittel gestrichen wird? Während Brandenburg bezüglich der kommunalen Förderung der Weiterbildung einen Spitzenplatz einnimmt, sind die Vergleichszahlen bei der Pro-Kopf-Finanzierung des Landes schon jetzt alarmierend. In Niedersachsen gibt man 6,33 Euro und in Thüringen 3,20 Euro an Landesmitteln für die Weiterbildung aus. In Brandenburg sind es ganze 1,54 Euro. Der genannte Anspruch gerät damit zur Farce.
Verehrte Damen und Herren! Im zuständigen Ausschuss stießen unsere solide gegenfinanzierten Änderungsanträge bisher auf die Ignoranz oder die Disziplin der Vertreter der Koalition. Heute bestünde noch einmal die Chance, diesen Fehler zu korrigieren. Heute können Sie Ihre Hand für die Zukunftsfähigkeit des modernen Brandenburg heben. - Danke.
in Brandenburg wird mehr als jeder zehnte Euro für die Bildungspolitik ausgegeben. Im Jahre 2003 sind das exakt 1,197 Milliarden Euro. Wir starten eine Bildungsoffensive und finanzieren diese auch. Sie als Bildungsexpertin wissen das sehr genau.
Ich frage Sie deshalb: Ist es falsch, wenn wir in Brandenburg eine bessere Schüler-Lehrer-Relation haben als in Bayern? Ist es falsch, wenn wir im Rahmen eines Schulinvestitionsprogramms unseren Kommunen Mittel in Millionenhöhe zur Verfügung stellen, um heruntergewirtschaftete und heruntergekommene Schulbauten aus den 60er und 70er Jahren zu modernisieren? Ist es falsch, wenn wir eine m.a.u.s.-Initiative starten - für 40 Millionen Euro schon abgeschlossen -, in deren Folge an allen Schulen, von der Förderschule über die Grundschule und die Gesamtschule bis hin zum Gymnasium, jede Schülerin und jeder Schüler einen modernen, internetfähigen Computer bedienen kann? Ist es falsch, wenn wir die erste Fremdsprache ab der 3. Klasse einführen? Ist es falsch, wenn wir in der Grundschule, in der 5. und 6. Klasse, mehr Unterrichtsstunden anbieten? Ist es falsch, dass wir wieder Prüfungen nach der 10. Klasse eingeführt haben?
Ist es falsch, wenn wir wieder ein Zentralabitur eingeführt haben? Ist es falsch, wenn wir neue Rahmenlehrpläne erarbeiten und die Entscheidungskompetenz auf die Schule vor Ort verlagern? Ist dies alles falsch?
einer Bildungsoffensive, die aus dem Haushalt - ich wiederhole es - mit knapp 1,2 Milliarden Euro finanziert wird.
Frau Große, es ist noch nicht einmal zehn Monate her, als Sie von dieser Stelle aus einen 12-Punkte-Forderungskatalog vorgetragen haben. Ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie sagten, dass dieser Forderungskatalog „noch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt“.
Ich greife vier Ihrer Forderungen heraus: Sie verlangen die sofortige Rücknahme der Kita-Gesetzänderung aus dem Jahre 2000.
Sie fordern einen Stopp beim Stellenabbau von Lehrerpersonal, obwohl die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Brandenburg drastisch gesunken ist, wie Sie als Expertin sehr genau wissen. Das macht 35 Millionen Euro.
Sie fordern ein Sofortprogramm zum Erhalt von möglichst vielen Schulstandorten, obwohl es die entsprechenden Schüler nicht mehr gibt. Die Kosten dieser Forderung belaufen sich auf 400 Millionen Euro.
Mein letztes kleines Beispiel: Sie fordern die schrittweise Reduzierung der Lehrerwochenstundenzahl. Dies schlägt noch einmal mit 22 Millionen Euro zu Buche.
- Dazu braucht man keinen Taschenrechner. Wenn ich alle zwölf Forderungen angeführt hätte, hätte ich einen Taschenrechner gebraucht. - Die Kosten Ihrer Forderungen liegen bei 487 Millionen Euro. Sie machen uns jetzt - angesichts einer Bildungsoffensive, die in Ostdeutschland einmalig ist - den Vorwurf einer verfehlten Bildungspolitik und zu geringer Investitionen für Kinder und Jugendliche. Diesen Vorwurf weise ich zurück. Sie versuchen, heute Politik auf Kosten der Kinder von morgen zu machen und sich damit zu profilieren. Würden Ihre Forderungen erfüllt, wäre der Landesetat verfassungswidrig. Wir betreiben eine solide Bildungspolitik, finanzieren diese und werden dies in entsprechenden Debatten immer wieder verdeutlichen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in der 2. Lesung des Nachtragshaushaltsgesetzes und des Haushaltsstrukturgesetzes 2003.
- Keine Panik auf der Titanic, Herr Vietze! Immer schön ruhig bleiben! - Ich wage die bescheidene Prognose: Vermutlich werden Frau Kollegin Osten und Herr Kollege Domres von der PDS-Fraktion in ihren Redebeiträgen den Nachtragshaushalt auch wortgewaltig und bildreich geißeln und von Chaos und Versagen auf der ganzen Linie reden, so wie Sie als Opposition es vielleicht tun müssen.
Wir dagegen werden die Verantwortung nicht nur für Einzelne, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg verdeutlichen und die Debatte im Landtag für Argumente, Fakten und zum Aufzeigen unserer Alternativen nutzen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dennoch ist die Situation diesmal eine andere. Der einzige, aber sehr markante Unterschied ist, dass der Nachtragshaushalt eine Finanzierungslücke nicht von 2 %, auch nicht von 5 %, sondern von 16 % zu schließen hat. Lücken von 2 % oder 5 % waren in den letzten Jahren nichts Ungewöhnliches. Aber eine Lücke von 16 % markiert einen klaren Unterschied zu allen bisherigen Haushaltsdebatten in diesem hohen Hause.
Die Einnahmen sinken um 608 Millionen Euro. Die Löhne steigen um über 4 %. Beides hat Gründe. Der Wirtschaftsmotor läuft europaweit zu leise und die schrittweise Lohnangleichung ist gewollt. Eines ist sicher: Gewohnte Rituale lösen diese Herausforderung in Form eines Defizits von 1,6 Milliarden Euro jedenfalls nicht. Es ist klar, dass wir hier nicht unser Geld verteilen oder aus Krediten finanzieren, auch nicht die 2 Millionen Euro, die wir schon jetzt jeden Tag für Zinszahlungen einsetzen müssen. Es geht um das Geld der Brandenburgerinnen und Brandenburger, das Geld der Bürger, das Geld der Arbeiter, der Angestellten und auch der selbstständigen Unternehmer. Weder ein Arbeiter noch ein Angestellter, schon gar kein selbstständiger Unternehmer kann es sich auf Dauer leisten, mehr auszugeben, als er wirklich hat.
Sparen ist also für uns kein Selbstzweck, sondern die ehrliche Antwort auf eine ganz realistische Situation und die absehbare Entwicklung,
Nach 13 Jahren - ich wiederhole mich, sage es aber trotzdem bewusst, ehrlich und auch gern - ist das Leben in unseren Städten, Dörfern und Gemeinden lebenswerter als je zuvor.