Es darf nicht sein, dass mit Unterstützung unseres Verfassungsschutzes zur Volksverhetzung aufgerufen werden darf.
Die PDS hat kein Verständnis dafür, dass alle Bedenken gegen diese Praxis in den Wind geschlagen worden sind, ob sie nun von uns kamen oder vom Brandenburger Generalstaatsanwalt. Es ist ein Skandal, dass die Parlamentarische Kontrollkommission auch nach dem Urteil nicht bereit ist, dem Antrag von Kerstin KaiserNicht auf Akteneinsicht zum Vorgang Toni S. zu folgen. Das bestärkt uns in der Auffassung: Hier soll etwas vertuscht werden.
Dass es so weit kommen konnte, dafür trägt die Koalition als Ganzes - auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD - die Verantwortung.
Mit Ihren Vorwürfen gegen die Berliner Behörden, Herr Schönbohm, haben Sie letztendlich den Rechtsstaat beschädigt. Statt sich in Verschwörungstheorien zu üben, man wolle gegen Sie einen politischen Prozess führen, sollten Sie von Ihrem Amt zurücktreten.
Wir fordern sofortige Konsequenzen in Bezug auf die Arbeit des Verfassungsschutzes. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass diese Behörde Straftaten verhindert und nicht erst die Bedingungen dafür schafft. Herr Ministerpräsident, Sie müssen sich entscheiden, ob Sie die Sicherheitspolitik dieser Art kritiklos akzeptieren oder in einem modernen Brandenburg auch eigene Akzente in der Sicherheitspolitik setzen wollen - solche, die sich an frühere Grundsätze der Sozialdemokratie anlehnen.
Wir begrüßen Ihre Aussagen zur Nachhaltigkeit. Wir unterstützen Ihre Aussage, dass politische Entscheidungen immer auch unter dem Gesichtspunkt ihrer ökologischen Verträglichkeit zu treffen sind. Ihr Amtsvorgänger, Herr Ministerpräsident, hat in seiner letzten Regierungserklärung darauf verzichtet, sich zu Umweltfragen zu äußern. Dabei galt Brandenburg lange Zeit als Musterländle auf diesem Gebiet. Aber da hatten wir auch noch einen
Umweltminister Platzeck. Ob es dem Ministerpräsidenten Platzeck gleichermaßen gelingen wird, den Attacken des Koalitionspartners zu widerstehen, wird sich zeigen.
Wir fordern die Landesregierung auf, das deutschlandweit einzigartige Großschutzgebietssystem zu bewahren und es zur Modellregion einer harmonischen, nachhaltigen Entwicklung von Landund Forstwirtschaft, Naturschutz und Tourismus einschließlich der Vermarktungsstrukturen weiterzuentwickeln.
Dass dazu eine gut funktionierende Naturwacht gehört, versteht sich von selbst. Ebenso warten wir auf die konkreten Schlussfolgerungen, die die Landesregierung zur Umsetzung des 5-Punkte-Programms der Flusskonferenz vom 15.09.2002 entwickelt. Noch ist die Flutkatastrophe ja in Erinnerung.
Gutes und weniger Gutes liegen aber oft sehr nah beieinander. So trägt das Land auf Jahrzehnte die schwere Hypothek einer durch den damaligen Umweltminister zu verantwortenden verfehlten Abwasserpolitik. Mit 1,5 Milliarden Euro Schulden sind die Abwasserzweckverbände - oder besser: die per Anschluss- und Benutzungszwang verpflichteten Bürgerinnen und Bürger - Dauerschuldner bei einer illustren Schar öffentlicher Banken. Dieses Refinanzierungssystem wird bis zum heutigen Tage intensiv betrieben; darüber lassen wir uns auch nicht durch die Alibiförderung von Kleinkläranlagen täuschen. Machen Sie endlich Schluss mit der Kanalisierung im ländlichen Raum, setzen Sie diese Mittel lieber für sinnvolle Infrastrukturprojekte in den finanziell gebeutelten Gemeinden ein!
Es ist schon bemerkswert, Herr Ministerpräsident, was wir in Ihren ersten Amtswochen in Sachen Haushalt erleben. Sie machen genau das, was Sie und andere aus der SPD der PDS immer vorgeworfen haben: Sie „beschließen” ganz einfach Geld, das Sie nicht haben. In diesem Jahr wollen Sie nun Kredite in Höhe von über 1 Milliarde Euro aufnehmen. Das sind 10 % des Landeshaushalts. Dabei habe ich noch gut im Ohr, wie Sie vor einem Jahr auf Ihrem Parteitag in Eisenhüttenstadt nicht nur genau dieses Argument gegen die PDS wieder bemühten, sondern vor allem feststellten:
„Auch wenn über die eine oder andere Maßnahme noch diskutiert wird, eines ist uns allen klar: Vom Ziel der Haushaltskonsolidierung bis zum Jahr 2004 können und dürfen wir nicht abrücken, sonst ist langfristig die politische Handlungsfähigkeit gefährdet.”
Nach zwölf Jahren SPD-Regierungsverantwortung in Brandenburg haben Sie ein schweres Erbe übernommen, Herr Platzeck: Die so genannte Konsolidierungspolitik Ihrer Regierung ist gescheitert. Ich möchte das an drei Hauptlinien der Politik auf diesem Gebiet beweisen.
Erstens: Im Koalitionsvertrag war vorgesehen, die Neuverschuldung im Jahr 2000 auf 625 Millionen DM, im Jahr 2001 auf 275 Millionen DM und im Jahr 2002 schließlich auf null zurückzuführen. Tatsächlich aufgenommen wurden aber bedeutend mehr Schulden: Anstelle von 460 Millionen Euro wurden Kredite in Höhe von mehr als 1,6 Milliarden Euro aufgenommen.
Zweitens: Im Koalitionsvertrag steht zur Investitionspolitik, die wichtig für eine Erhöhung der Einnahmen ist:
„Gleichzeitig wird eine Stärkung des Anteils der öffentlichen Investitionen am Gesamthaushalt angestrebt.”
Das ernüchternde Ergebnis: Die Investitionsquote ist von 24,4 % im Jahr 1999 auf 21,6 % im Jahr 2001 gesunken. Der Abfluss der ohnehin knappen Investitionsmittel lag am 30. September 2002 bei 45 %.
Drittens: Der Koalitionsvertrag legte Konsolidierungsprioritäten fest. Wir hatten schon 1990 davor gewarnt, dass Ihre verklausulierten Zielstellungen Sozialabbau bewirken würden. Was eintrat, ist bekannt: Kürzungen bei Kita, bei der Jugend- und Frauenförderung, im Bereich der Arbeitsmarktpolitik wie bei der Bildung, bei den Kommunen. Dieses Ziel hat die Regierung mit Akribie verfolgt - im Jahr 2002 nun schon mit der dritten Haushaltssperre.
Dessen ungeachtet habe ich heute keine tragfähigen Ansatzpunkte für ein Umsteuern in der Haushaltspolitik gehört.
Die Lage ist ernst und die Frage nach den Alternativen berechtigt. Auch die PDS-Fraktion sieht die Notwendigkeit einer Konsolidierung. Für uns liegen aber die Schwerpunkte in einer Reduzierung der allgemeinen Wirtschaftsförderung und nicht effektiver Zuweisungen, zweifelsohne auch in einem - allerdings sozialverträglichen - Personalabbau auf der Grundlage einer aufgabenbezogenen Verwaltungsoptimierung. Davon sind wir weit entfernt. Sozialabbau, wie wir ihn unter Rot-Schwarz erleben, ist mit der Brandenburger PDS weiterhin nicht zu machen.
Es ist schon bedrückend, dass diese Landesregierung partout nicht zur Kenntnis nehmen will, was die Spatzen von den Dächern pfeifen:
Unsere Haushaltsschieflage rührt bestenfalls punktuell aus zu hohen Ausgaben her; sie ist zuallererst das Ergebnis dramatisch wegbrechender Einnahmen. Hier ist Umkehr geboten. Da vermissen wir die Stimme der Landesregierung für eine sozial gerechte Steuerpolitik gegenüber dem Bund. Wir erwarten ein klares Wort, was Sie tun wollen, um die Einnahmen des Landes zu erhöhen und nicht - wie in der Vergangenheit - durch Zustimmung im Bundesrat zu verringern.
Wenn die OECD bezogen auf das Jahr 1999 belegt, dass der Anteil der Steuern auf Unternehmensgewinne in Deutschland nur bei 4,8 % der gesamten Steuereinnahmen, im Durchschnitt der europäischen Länder aber bei 8,8 % liegt, so wird die Schieflage deutlich, die unser Steuersystem auszeichnet - und das war noch vor dem von Rot-Grün gewollten Absturz der Unternehmenssteuern.
Die bundespolitischen Rahmenbedingungen der Landespolitik müssen verändert werden. Ich denke und hoffe, da könnten wir uns einigen. Nicht nur die Vorschläge der PDS, auch die Vorschläge von SPD-geführten Landesregierungen liegen auf dem Tisch. Ich zähle nur auf Wiederbelebung der Vermögensteuer auf veränderter Grundlage, Erhöhung der Erbschaftsteuer und der Schenkungsteuer, Korrektur der mittelstandsfeindlichen Wirkung der Unternehmenssteuerreform, eine direkte Besteuerung der primären Einkommen nach Leistungsfähigkeit und Erweiterung der Besteuerungsbasis auf Selbstständige und Beamte. Und so weiter und so fort.
Steuern Sie in Ihrer Politik gegenüber dem Bund endlich um! Der Bundesrat ist eine Ländervertretung, keine Versammlung von Aund B-Ländern, in der nach dem Parteibuch des Ministerpräsiden
ten entschieden wird. Der Eklat im Bundesrat zum Zuwanderungsgesetz und die Rüge des Bundespräsidenten sollten Anlass genug zum Nachdenken sein - bei der SPD genauso wie bei der CDU.
Lassen Sie mich auf ein Wort zu Ostdeutschland zurückkommen. Der für den Aufbau Ost zuständige Bundesminister Dr. Manfred Stolpe hat in seiner Regierungserklärung gesagt:
„Die Beseitigung der teilungsbedingten Rückstände ostdeutscher Infrastruktur ist ein Schlüssel zum erfolgreichen Abschluss des Aufbau Ost.”
Dem kann die PDS ebenso zustimmen wie den Schwerpunkten, die er genannt hat. Allerdings sind diese Forderungen in Ostdeutschland so neu nicht. Ich erinnere an einzelne Anträge der PDS-Fraktion, die von SPD und CDU in diesem Landtag regelmäßig abgelehnt wurden. Wir sind deshalb sehr gespannt, was die Bundesregierung, was Herr Stolpe in Berlin und Sie, Herr Ministerpräsident, hier in Brandenburg anders als bisher machen werden. Sie bilden ein interessantes Team.
Die erste Amtsperiode von Gerhard Schröder brachte da eher Gegenläufiges zutage. So habe ich noch des Kanzlers Wort im Ohr, Mobilität von jungen Leuten sei auch im Osten etwas Normales. Zweifel sind also angebracht, gerade nach der Regierungserklärung von Schröder, in der die ostdeutschen Länder nur mit wenigen Sätzen erwähnt wurden; sie werden immer noch als Spezialfall innerhalb der Bundesrepublik behandelt. Ostdeutschland wird immer noch nicht als Herausforderung und zugleich als Chance für die Bundespolitik betrachtet.
Wie die Ostinteressen-Vertretung von Rot-Grün konkret aussieht, erleben wir gerade im Bundestag. Was die Bundesregierung an Flickschusterei und sozialer Ungerechtigkeit in der Renten-, Gesundheits- und Arbeitspolitik anbietet, geht offenbar auch einigen märkischen Sozialdemokraten über die sprichwörtliche Hutschnur. Dafür habe ich tiefes Verständnis.
Eine Nullrunde bei der Gesundheitsversorgung im Osten ist falsch. Sie verschärft die Versorgungsmängel zum Nachteil der Patienten. Ein Vorschaltgesetz kann man vielleicht akzeptieren, wenn eine neue Regierung ein schwieriges Erbe anzutreten hat und zunächst einmal die Verhältnisse stabilisieren will. Das war 1998 ohne Zweifel der Fall. 2002 ist das anders: Rot-Grün tritt sein eigenes Erbe an. Statt vernünftiger Verbesserungen gibt es nun Leistungskürzungen pur.
Meine Damen und Herren, wir diskutieren doch nicht zum Spaß in diesem Hause seit Monaten über Probleme bei der gesundheitlichen Versorgung, über Ärztemangel im ländlichen Raum und ähnliche Dinge. Da erwarten die Bürgerinnen und Bürger von der Landesregierung mehr Engagement gegenüber der Bundesregierung und - wenn diese die Probleme durch neue Regelungen verschärft statt zu ihrer Lösung beizutragen - mehr als nur das Grummeln Einzelner. Zeigen Sie, dass Manfred Stolpe Minister für Aufbau Ost, nicht Minister für Stillstand Ost oder für Nulldiät ist!
Es reicht nicht, die richtigen Überschriften zu setzen; erforderlich sind Veränderungen in der Politik, andere Rahmenbedingungen für eine wirklich selbstbewusste und selbstbestimmte Politik aus dem Osten heraus.
Symbolpolitik gegenüber dem Osten, wie sie Gerhard Schröder zunehmend beherrscht, brauchen wir nicht. Symbolpolitik reicht den Menschen im Osten schon lange nicht mehr, auch wenn sie dieses Mal noch die SPD zur stärksten Fraktion im Bundestag gemacht haben.
Wir werden uns in einer Frage sicherlich einig: Es bedarf mehr als einer Initiative zur Ansiedlung mehrerer Bundesbehörden im Osten, die Sie, Herr Platzeck, oder Ihr Chef der Staatskanzlei während Ihres Urlaubs medienwirksam inszeniert haben.
Ostdeutschland als Aufgabe von Politik ist aber auch mehr als nur die Absolvierung der zweiten Hälfte des Weges Aufbau Ost. Nach der Überzeugung der Brandenburger PDS braucht der Osten einen Neuanfang, der an Erreichtem und an den eigenen Erfahrungen anknüpft, sich aber zugleich Neuem öffnet. Dass sich auch Ministerpräsident Platzeck in diese Richtung bewegt - ich will Ihnen nichts unterstellen -, wurde nicht nur von Journalisten, sondern mit einiger Beunruhigung auch von seinen Koalitionspartnern in der CDU bemerkt.