Protocol of the Session on September 5, 2002

In der Landesverfassung - Sie haben bereits darauf hingewiesen - ist in Artikel 26 Abs. 2 die Schutzwürdigkeit anderer auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaften erwähnt, aber hier macht die Landesverfassung einen Unterschied, nämlich in Artikel 26 Abs. 1 werden der Schutz und die Förderung von Ehe und Familie durch das Gemeinwesen hervorgehoben. Herr Sarrach, ich brauche es Ihnen nicht zu sagen, Sie haben zwei gute Examina gemacht: Der Gleichheitsgrundsatz gebietet, dass man nur Gleiches mit Gleichem vergleichen kann. Das ist hier eben nicht der Fall.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen, den Sie in Ihrer Begründung angeführt haben und der mir zu denken gab. Sie haben ausgeführt, dass es eine gewisse Symbo

lik gebe, wenn gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften auch vor Standesbeamten geschlossen werden könnten. Es gibt durchaus viele christliche Lebensgemeinschaften, die der Symbolik der Kirche mehr Bedeutung beimessen als der der Standesämter. Ich warte ab, wann die PDS-Fraktion darauf kommt, sich für die Symbolik der Kirche für christliche Lebensgemeinschaften einzusetzen, sodass vielleicht auch dort eine Eheschließung möglich wäre.

(Zuruf von der PDS)

Ich habe schon einmal ausgeführt, dass die Verfassungsmäßigkeit des Ausführungsgesetzes nicht zu beanstanden ist und in den meisten Kommunen die Standesämter für die Eintragung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften bereits jetzt zuständig sind, wie Herr Bochow anhand der statistischen Zahlen hat anführen können. Es obliegt der kommunalen Selbstverwaltung, wo es letztendlich ausgeführt werden soll. Die Landesregierung sieht hierzu keinen Handlungsbedarf, diese Regelung zu ändern. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke auch. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der PDS beantragt die Überweisung ihres Gesetzentwurfes, Drucksache 3/4757, an den Innenausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in 1. Lesung abgelehnt und damit erledigt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3. Bevor ich den Tagesordnungspunkt 4 aufrufe, begrüße ich - jetzt bin ich ein bisschen in Not - neue Gäste. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Das sind offensichtlich überraschende Gäste, die von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit noch nicht in die Liste eingearbeitet worden sind. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie vielleicht aus Templin sind?

(Zuruf von den Gästen: Ja!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

1. Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenbur- gisches Schulgesetz - BbgSchulG)

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS

Drucksache 3/4758

Ich eröffne die Aussprache und erteile der beantragenden Fraktion das Wort. Bitte, Frau Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende der SPD-Fraktion hatte gestern schon vorausgesagt, dass die Koalition unserem Gesetzentwurf nicht zustimmen wird. In den 25 Jahren meines Lehrerinnendaseins habe ich immer auf die Kraft der Argumente vertraut. Nach zwei Jahren Parlamentsarbeit ist dieses Vertrauen so gut wie dahin,

(Beifall bei der PDS)

nicht aber mein pädagogischer Optimismus. Der ist mir erhalten geblieben. Ich versuche es einfach noch einmal.

Nachdem die Diskussionen um die Ergebnisse der internationalen PISA-Studie anfangs sehr heftig verliefen, drohten sie vor der Sommerpause im Sande zu verlaufen. Die Reformanstöße der Kultusministerkonferenz fielen - gemessen an den Erfordernissen - eher dürftig aus. Glücklicherweise wurden die Ergebnisse der Ländervergleichsstudie PISA-E kurz vor der Sommerpause veröffentlicht, sodass der erste Schock wegen der bekanntlich äußerst schwachen Ergebnisse Brandenburgs in den Parlamentsferien erst einmal verarbeitet werden konnte. Es bleibt aber keine Zeit für „Trauerarbeit“. Auch das Instrumentalisieren im Wahlkampf kostet wertvolle Zeit und ist wenig hilfreich. Sowohl die „leistungsorientierte Unionspolitik“ als auch die „linke Kuschelpädagogik“ entbehren nach PISA-E jeglicher empirischen Grundlage. Es gibt keine monokausalen Zusammenhänge und schon gar keine einfachen Lösungen.

Hamburg gibt das meiste Geld für Bildung aus und hat dennoch schlechte Ergebnisse. Sachsen-Anhalt hat eine sehr komfortable Lehrer-Schüler-Relation und teilt sich dennoch mit uns die hinteren Plätze. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben in etwa ein ähnlich hohes Unterrichtsvolumen und dennoch völlig unterschiedliche Ergebnisse. Länder mit Zentralabitur sind nicht automatisch besser.

Wo also fassen wir die „unendliche Natur“ im faustschen Sinne? Es muss ein Gesamtkonzept her, das Sicherung und Steigerung der Qualität von Bildung und wirkliche Chancengleichheit nicht als Widerspruch betrachtet.

(Beifall bei der PDS)

Die im Juni vom MBJS veröffentlichten Konsequenzen aus den PISA-Ergebnissen in Form von zehn Handlungsfeldern beinhalten eine Vielzahl richtiger Einzelmaßnahmen. Ein Konzept oder der Mut zu einer richtigen Reform ist daraus noch nicht erkennbar.

Herr Fritsch kündigte gestern eine Konzeption aus einem Guss an. Auf diese warten wir schon seit Jahren und sind nun gespannt darauf, wie angesichts der sehr unterschiedlichen Vorstellungen beider Koalitionspartner diese Konzeption wohl aussehen möge.

(Schippel [SPD]: Unsere ist die richtigere!)

Mit unserem Gesetzentwurf erheben wir nicht den Anspruch, diesen Mangel an Konzeption zu beseitigen, wohl aber wollen wir mit dieser Novellierung bei drei wichtigen Problemen die Weichen stellen.

Erstens: Wir wollen die gesetzliche Grundlage dafür schaffen,

dass Ganztagsangebote für alle Schulformen ermöglicht werden, wenn es dafür ein Bedürfnis gibt. Bisher waren Grundschulen, Förderschulen und Gymnasien davon ausgenommen. Auch Realschulen gibt es kaum mit diesem Angebot. Sicherlich sind Ganztagsschulen kein Allheilmittel gegen unsere Bildungsmisere. Mit den schon vorhandenen 87 Ganztagsschulen nehmen wir Brandenburger in Deutschland zwar einen Spitzenplatz ein, nicht aber im Rahmen der OECD-Länder. Was bisher fehlt, ist die Evaluation der Ganztagsschulen hinsichtlich der Qualität der pädagogischen Arbeit, zum Beispiel der Anwendung neuer Erkenntnisse der Lernpsychologie und der individuellen Förderung eines jeden Schülers. Dennoch wollen wir das Netz erweitern. Aufgrund der sinkenden Schülerzahlen gibt es dafür ausgesprochen gute Ausgangsbedingungen.

Wir haben ebenso die gesetzliche Grundlage zur Beschäftigung von Schulsozialarbeitern geändert. Da im Jahre 2005 das 610Stellen-Programm ausläuft, bedarf es aus unserer Sicht schon jetzt einer gesetzlichen Grundlage zur künftigen Absicherung der Schulsozialarbeit.

Zweitens: Die PDS-Fraktion hat sich nach sehr langer, schwieriger Debatte für das Sekundarschulmodell entschieden. Das geschah wohl wissend, dass Strukturänderungen allein keine bessere Qualität nach sich ziehen, wohl wissend aber auch, dass von Schule Betroffene berechtigte Ängste vor einer wiederum sehr tief greifenden Strukturreform haben. Wir haben die Chance, diese Aufgabe bis zum Jahre 2004 zu meistern.

PISA und die sinkenden Schülerzahlen fordern uns geradezu auf, hier zu handeln. Wir kämen dann zu einer Struktur, wie sie ähnlich auch in allen anderen neuen Bundesländern existiert, also einem Stück Vereinfachung der bundesdeutschen Bildungslandschaft. Das wünschen sich Wählerinnen und Wähler aller Parteien. Offensichtlich ist nun auf den Regierungsbänken Bewegung in die seit April 2000 im Koalitionsstau stecken gebliebene Debatte gekommen. Noch haben wir Zweifel an der Ernsthaftigkeit der angekündigten Überprüfungen zur Einführung der Sekundar- oder Mittelschule.

(Zuruf des Abgeordneten Petke [CDU])

Die beiden Bildungsexpertinnen der CDU bekennen sich öffentlich weiterhin zum Erhalt der Realschule und werden zur Rettung des Koalitionsfriedens heute nicht sprechen. Von Herrn Minister Reiche dagegen, der bisher immer um die Sekundarschule gerungen hat und an der starren Haltung der CDU-Fraktion scheiterte, war bei einer Wahlveranstaltung in Kremmen zu hören, dass er doch eher die bestehende Struktur bei Umwandlung einiger weniger Realschulen in Gesamtschulen favorisieren würde.

An die unwilligen oder bisher noch schwankenden Mitglieder der CDU-Fraktion und an alle Realschullehrer gerichtet möchte ich deutlich sagen: Wir wollen die Realschulen nicht abschaffen! Wir erkennen die an den Realschulen erbrachten Leistungen voll an. An diesen Schulen wurde häufig unter schwierigen Bedingungen - große Klassen, kaum Förder- und Teilungsmöglichkeiten, kein ausreichendes Schülerpotenzial, welches für die Fachoberschulreife geeignet ist - ausgezeichnete Arbeit geleistet. Wir wollen, dass die guten Erfahrungen dieser Schulform, insbesondere mit dem Unterricht in relativ heterogenen Klassen, in dieser neuen Schulform Sekundarschule aufgehoben werden.

(Beifall bei der PDS)

Gute Realschulen werden auch künftig übernachgefragt werden, wenn Sekundarschule über der Tür steht.

Der PDS-Fraktion fällt es äußerst schwer, sich von den Gesamtschulen ohne gymnasiale Oberstufe zu trennen. Die Arbeit dieser Schulen verdient schon deshalb besondere Anerkennung, weil sie in den vergangenen zehn Jahren nie die Chance hatten, wirkliche Gesamtschulen zu werden. Dennoch wurde gerade an den Gesamtschulen in den letzten Jahren pädagogische und soziale Schwerstarbeit geleistet.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Fraktion muss schmerzhaft zur Kenntnis nehmen, dass das Brandenburger Gesamtschulmodell aufgrund der Rahmenbedingungen nicht ausreichend funktioniert hat. Umso mehr fordern wir, dass die positiven Elemente in der künftigen Sekundarschule aufgehoben werden. Wir denken hierbei insbesondere an eine komfortablere Lehrerausstattung und an die Möglichkeit, dass die Schüler problemlos alle Abschlüsse erreichen können.

In diesem Zusammenhang haben wir auch den § 21 verändert. Nach bisher geltendem Recht wurde Schülern, die nach der 10. Klasse das Gymnasium verlassen müssen oder wollen, lediglich per Kannbestimmung ein den Leistungen entsprechender Abschluss erteilt. Die traurigen Erfahrungen des Thüringer Gutenberg-Gymnasiums lehren uns, hier griffiger vorzugehen.

Drittens: Das Problem der 200 gefährdeten Sek-I-Standorte, die in diesem Schuljahr besonders unzureichende Stundenzuweisung sowie die Probleme der Kreise bei der Erstellung der Schulentwicklungspläne haben uns zur Änderung des Paragraphen zum geordneten Schulbetrieb bewegt. Vier Kreistage und die Stadt Potsdam haben parteienübergreifend die Landesregierung aufgefordert, bezüglich der Mindestklassenfrequenzen umzudenken. Es ist eine alte Lehrerweisheit, dass ab 20 Schülern in einer Klasse jeder Schüler doppelt zählt. In Deutschland sind die Klassenfrequenzen in allen Ländern zu hoch. Die Lehrer-Schüler-Relation ist in allen Bundesländern schlecht. Hier muss auch in den Geberländern umgesteuert werden. Wir möchten, dass 15 statt bisher 25 Schüler pro Lehrer die Bemessungsgrenze bilden. Mit den dann möglichen Stunden könnten das Unterrichtsvolumen in den Grundschulen erweitert, die Vertretungsreserve verbessert, mehr Förder-, Teilungs- und Arbeitsgemeinschaftsunterricht angeboten, das Modell der flexiblen Eingangsphase ausgeweitet werden usw. Erfreulicherweise war in der Sommerpause auch von Frau Blechinger zu vernehmen, dass die Klassenfrequenz von 25 Schülern in der Grundschule nicht überschritten werden sollte. Wir meinen, 24 Schüler pro Klasse in allen Schulformen sind optimal.

(Beifall bei der PDS)

Vor allem brauchen wir - dafür ist unsere Novelle nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein - eine Lehr- und Lernkultur, die die individuellen Potenziale eines jeden Schülers entfalten hilft und dabei gleichzeitig die Motivation der Lehrenden steigert.

Weil das alles ohne Geld nicht geht, brauchen wir eine deutlich verbesserte Bildungsfinanzierung, die das Prinzip des Nachteilsausgleichs auf allen Ebenen wirksam werden lässt. Dazu wird es noch weiterer Gesetzesinitiativen bedürfen, die aber auf einem

erkennbaren Konzept basieren müssen. Lassen Sie uns zunächst mit dieser Novelle anfangen. Ich beantrage die Überweisung unseres Antrages an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Für sie spricht der Abgeordnete Klein.

(Petke [CDU]: Herr Klein war doch einmal Lehrer!)