Protocol of the Session on June 27, 2002

Gerade wegen ihres besonderen Stellenwertes ist die Grundfinanzierung der Stiftung durch die finanzielle Beteiligung des Bundes und des Landes Brandenburg langfristig gesichert. Hinzu kommt die Förderung von einzelnen Projekten durch das Land auch in Verbindung mit dem Bund und anderen Partnern, die auch künftig fortgesetzt werden soll.

Besonders lobend hervorheben möchte ich, dass die Bundesregierung für die kommenden Jahre 9,7 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln der Stiftung zur Verfügung stellt. Damit können neue Investitionsvorhaben in Angriff genommen werden. Die Zuwendungen des Landes sind im Zusammenhang mit der Verstärkung der Mittel für Sicherheitsmaßnahmen in diesem Jahr sogar leicht angestiegen. Von der globalen Minderausgabe wurde die Stiftung aufgrund der politischen Brisanz ausdrücklich ausgenommen.

Die Stiftung hat jetzt den Auftrag. ein neues Konzept für die Organisation und die Personalstruktur zu erarbeiten, und ist aufgefordert. mit den Mitteln und Möglichkeiten effizient umzugehen. In dem Kulturentwicklungskonzept, das wir erhalten haben, ist auch ein großer Abschnitt den Gedenkstätten gewidmet. Ich stimme mit Ihnen, Herr Trunschke, völlig überein, dass wir uns im Ausschuss darüber unterhalten sollten. Ich hin auch dafür, wieder eine Ausschusssitzung vor Ort abzuhalten. Das können wir in der nächsten Sitzung nach der Sommerpause beschließen.

Ich empfehle, Ihren Antrag abzulehnen. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Konzack. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU. Für sie spricht der Abgeordnete Firneburg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor knapp zehn Jahren gründete die Regierung des Landes Brandenburg die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, deren Zweck es ist. an Terror, Krieg und Gewaltherrschaft zu erinnern. Die Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit diesem Thema soll gefördert und ein würdiges Gedenken der Opfer und Hinterbliebenen an die Verbrechen jeglicher Gewaltherrschaft ermöglicht werden. Zur Stiftung gehören die ehemaligen Konzentrationslager in Sachsenhausen und Ravensbrück sowie eine Dokumentationsstelle im ehemaligen Zuchthaus Brandenburg.

Der damalige Kultusminister des Landes Brandenburg sagte anlässlich des 5-jähri gen Bestehens der Stiftung in Oranienburg unter anderem:

„Wir dürfen nicht vergessen! Unsere Kinder und Kin

deskinder dürfen nicht vergessen! Sachsenhausen, Ravenshrück und Brandenburg sind Orte der Schrecken aller Schrecken.

Sachsenhausen, Ravenshrück und Brandenburg erinnern uns an das unendliche Leid, das viele Menschen ertra gen mussten. und an ihren schrecklich Tod. Diese Orte sind Zeugen gegen das Vergessen.

Die Stiftung soll die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und an die Opfer der sowjetischen Speziallager wach halten. Zu DDR-Zeiten wurde vor allem der Opfer des kommunistischen Widerstandes gedacht. Über die Toten der russischen Speziallager wurde überhaupt nicht gesprochen.

Als nach der gewaltlosen Revolution im November 1989 in Mitteldeutschland wieder offen und ehrlich über politische und historische Tatsachen diskutiert werden durfte, tauchten Augenzeu genberichte und Dokumente über Konzentrationslager auf, welche die Sowjets in ihrer Besatzungszone nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 errichtet hatten.

Sofort kamen beschwichtigende Stimmen aus kommunistischen Kreisen auf, die beteuerten, solche Auswüchse habe es in begrenztem Ausmaß gegeben, aber die sowjetischen Konzentrationslager hätten nichts mit dein eigentlichen Sozialismus und Kommunismus zu tun.

Die Wahrheit jedoch sieht anders aus. Der Marxismus-Leninismus schließt Terror nicht nur nicht aus, sondern ist ohne ihn überhaupt nicht lebensfähig. Eine neue Tür in der Geschichtsforschung wurde von der Stiftung Brandenbur gische Gedenkstätten aufgestoßen.

Mit einer Arbeitsstelle für die Erforschung des Speziallagers Sachsenhausen und einer Koordinierungs- und Beratungsstelle für die Speziallager im Land Brandenburg will die Gedenkstätte möglichst alle wissenschaftlichen Daten und Materialien über die Internierungslager in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone - SBZ - auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg sammeln und Initiativgruppen zur Erforschun g der Lager beraten.

Auf dem Territorium des Landes Brandenburg existierten insgesamt sieben Speziallager des NKWD/MWD. Auf dem Gelände des vormaligen NS-Konzentrationslagers Sachsenhausen stand zwischen August 1945 und März 1950 das größte Speziallager in der SBZ.

Ein Hauptbestandteil der Forschungsarbeit soll in der Befragung von Zeitzeugen und in der Sichtung der Bestände von etwa 20 Archiven in Deutschland und in Russland - darunter das KGB-Archiv in Moskau - bestehen.

Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten ist ein wichtiges Instrument zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte vor und nach 1945. Aber - meine Damen und Herren von der PDS. das haben Sie richti g erkannt - sie bedarf vor allem der finanziellen Unterstützung.

Hierzu ein kurzer Auszug aus einer Pressemitteilung:

„Zur Kompensation der nach jüngsten Schätzungen zu erwartenden Steuerausfälle hat die Finanzministerin für das Jahr 2002 eine Haushaltssperre verhängt. Die notwendigen

Einsparungen in Höhe von 130 Millionen Euro sollen von allen Ressorts gleichermaßen getragen werden.

Das bedeutet für das Wissenschafts-. Forschungs- und Kulturministerium eine Einsparsumme in Höhe von 10.5 Millionen Euro. Es gibt also wieder einmal kein Geld.

Wir werden uns hei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall hei der DVUl Vizepräsident Haberntann: Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Firncburg. - Ich gehe das Wort an die Fraktion der CDU. Für sie spricht der Abgeordnete Dr. Niekisch. Dr. Niekisch (CDU):

Hen- Präsident! Meine Damen und Herren? Die CDU-Fraktion lehnt den Antrag "Stärkun g der Arbeit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten" als sachlich unbegründet ah; denn erstens sind die darin angemahnten umfangreichen Verbesserungen eine Forderung. die den Kern der Sache nicht treffen. Die Arbeit der brandenburgischen Gedenkstätten, die pädagogische Betreuung und die Forschungsarbeit, befindet sich auf einem sehr hohen Niveau. Mit diesem Antra g unterstellen Sie, dass es hier einen erheblichen Verbesserungsbedarf gebe, der so jedoch nicht vorhanden ist.

Zweitens: Meine Damen und Herren von der neosozialistischen Fraktion. ich kann eine weitere Vorbemerkung nicht unterdrücken:

(Zuruf von der PDS)

Eine Partei bzw. Fraktion, die in direkter Nachfolge einer der SED-Herrschaft steht, welche über fünf Jahrzehnte in zynischer Weise das schreckliche Leid und die vielen Millionen unschuldige Opfer

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Bisky [PDS])

dafür missbraucht hat, die eigene menschenverachtende Herrschaft zu legitimieren und zu stabilisieren,

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Bisky 1 PDS 1)

sollte sich mit solchen Anträgen sehr zurückhalten und sich nicht in dieser Weise für diese Opfer bzw. die Aufarbeitung und Darstellung der Geschehnisse verwenden.

(Beifall hei der CDU - Vielze [PDS 1: Haben Sie dazu Ihre Doktorarbeit gemacht?)

Es kann mit ihnen hierzu keine Gemeinsamkeit geben. denn Sie stehen außerhalb des antitotalitären Konsenses der Demokraten. Das ist meine Überzeugung.

(Zustimmun g bei der CDU Frau Kaiser-Nicht [PDS]) : Das ist neu! - Vietze [PDS]: Diese Äußerung qualifiziert Sie als Demokraten! - Weitere Zurufe von der PDS)

Doch zur Sache: Die Koalition steht klar zur Förderung der Arbeit der Gedenkstätten in Brandenburg, vor allen Dingen der Begegnung junger Menschen mit Zeitzeugen und Opfern. der zeithistorischen Aufklärung mit den Schulen, zu einer guten pädagogischen Betreuung der Führung und zu vertiefenden Forschungsmöglichkeiten. Das alles ist selbstverständlich. Das ist unsere Aufgabe, weil wir eine kollektive Haftung für dieses Verbrechen haben, jedoch keine kollektive Verantwortung, was ein großer Unterschied ist.

Wenn Sie sich die Zahlen unserer Landeshaushalte der letzten Jahre ansehen, werden Sie feststellen: Wir müssen uns an vielen Stellen unglaublich nach der Decke strecken. beispielsweise bezüglich Kita, Kultur, Justiz, Forschung und Wissenschaft, bei der Polizei. möglicherweise auch bei der Feuerwehr. aber die Mittel für die Gedenkstätten und deren Forschungsarbeiten usw. haben wir in gleicher Höhe beibehalten. Dort sind wir aus Überzeugung und nicht nur aus Gründen der politischen Korrektheit konstant geblieben. Reichlich 5 Millionen Euro fließen dort hinein. 50 000 Euro für zweckgebundene Sicherheitsmaßnahmen und fast 5 Millionen Euro Bundesmittel für Auf- und Ausbau bis zum Jahre 2006 kommen dazu.

Das Fazit: Die Stiftung ist solide ausgestattet. Wünsche kann man viele haben, aber wir haben hier trotz der stark angespannten Haushaltslage nichts verändert. Es sollten alle davon Abstand nehmen, an Opferverbände und Opfer heranzugehen und dadurch womöglich dafür zu instrumentalisieren, utopische Forderungen zu stellen.

Eine Schlussbemerkung: Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und seine Teams - es sind 60 Mitarbeiter, deren Bestand nicht angetastet worden ist, sondern gleich geblieben ist - haben hervorragende Arbeit geleistet. aber es gibt auch die eine oder andere Stelle, die man kritisch betrachten muss.

Zum Beispiel wird die Ausstellung zum sowjetischen Speziallager Nummer 7 mit einem so genannten Zeittunnel eröffnet, worin ziemlich unvermittelt Zitate von Wilhelm Pieck und Konrad Adenauer über die Gründung der DDR und der Bundesrepublik herangezogen werden. Es haben ältere Menschen geschrieben, dass sie dies nicht verstehen und diese Darstellung als Verharmlosung empfinden. Auch wenn man denen schreibt. dass das für junge Menschen im Sinne eines modernen Jingles gedacht ist, wird diese Darstellung jener Zeit nicht gerecht.

Ich halte es auch nicht für gut, wenn sich der Direktor der Gedenkstätten in aktuelle politische Streite sehr kritisch einmischt wie beim Projekt zum Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam - und dabei internationale Friedensforscher

(Vietze [PDS]: Unverschämt. er hat eine persönliche Mei- nung!)

wie den Domherrn von Coventry in einer Weise kritisiert, die ihm einfach nicht zusteht.

Ich finde, hier sollte Sachlichkeit herrschen

(Lachen des Abgeordneten Vietze [PDS])

und hier sollte man bestimmte Positionen wirklich nicht dazu benutzen, in aktuellen polemischen Streit einzugreifen.

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Die Forschun gsarbeit, die Pfle ge der Gedenkstätten sind ein hohes Gut für alle Demokraten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es dort keine Kürzungen gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS')

Aber einer Instrumentalisierung, wie sie hei Ihnen immer unterstellt werden muss, werden wir uns nicht beugen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)