Protocol of the Session on March 6, 2002

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Ich erteile Herrn Abgeordneten Bartsch für die Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Projekt Chipfabrik waren seit Anbeginn große Hoffnungen in ganz Brandenburg verbunden. Bei meinen vielen Gesprächen mit den Menschen, ob im Barnim, in der Prignitz, in der Uckermark oder in der Lausitz, habe ich den Eindruck gewonnen, dass all ihre Blicke hoffnungsvoll nach Frankfurt (Oder) gerichtet sind. Dieses Projekt ist der Leuchtturm, auf den in Frankfurt (Oder) seit Jahren so sehnsüchtig gewartet wird.

Ich kann mich an die Demonstrationen der Frankfurter hier vor dem Landtag noch genau erinnern, an die Hoffnungen und an die Versprechen. Ich kann mich noch an die Diskussion im Wirtschaftsausschuss erinnern. Hier sei nur das Stichwort TongWei-Gruppe genannt. Dann gab es wieder bittere Enttäuschung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle stehen in der

Pflicht für die Frankfurter, diese Chance, die sich durch Minister Fürniß aufgetan hat, zu nutzen.

(Beifall bei der CDU)

Minister Fürniß ist es gelungen, internationale Investoren für den Standort Frankfurt (Oder) zu gewinnen, Investoren wie Intel, die Weltklasse besitzen. Das Interesse, das bei der Veranstaltung in Frankfurt (Oder) bekundet wurde, hat uns gezeigt, dass der typische Brandenburger Pessimismus verflogen ist,

(Vereinzelt Widerspruch bei der PDS)

dass sich eine Region im Aufbruch befindet. Ich freue mich daher über die Entscheidung, die gestern im Kabinett gefallen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie machen wir hier in Brandenburg unsere Hausaufgaben? Sagen wir “Herzlich willkommen”? Ebnen wir alle steinigen Wege? Sind wir ehrlich der Meinung, dass dieses Projekt ohne Risiken, ohne Probleme zu lösen ist?

Bei einer Werksbesichtigung bei BMW in München hat mich ein Spruch tief beeindruckt, der in der ersten Werkshalle in großen Lettern an der Wand stand:

“Wir sind nicht dafür da, über Ihre Probleme zu reden, sondern wir lösen Ihre Probleme.”

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Hier wollen Weltkonzerne in Brandenburg in eine Spitzentechnologie investieren und wir reden ernsthaft darüber, ob diese Chance wirklich eine Chance ist. Da werden in der Presse Details aus Kabinettssitzungen durchgestochen, da wird hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, ob dieses Projekt in den richtigen Händen liegt usw. Des Weiteren wird in der Presse und insbesondere beim ORB kaum positiv, sondern überwiegend negativ berichtet, ähnlich wie wir es auch schon bei der Bewerbung für die BMW-Ansiedlung erlebten. Da wurde nicht die Aufbruchstimmung in der Region eingefangen, sondern eine Hand voll Pessimisten kam zu Wort. “Wir brauchen keinen, der Brandenburg schlechtredet; das tun wir selbst.” Unter diesem Motto findet die Außendarstellung Brandenburgs durch die Medien und durch uns selbst oftmals statt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es Fehlentwicklungen gibt, soll darüber berichtet werden. Das hebe ich deutlich hervor. Gerade wenn internationale Investoren so wie gegenwärtig auf Brandenburg schauen, kommt den Journalisten eine hervorgehobene Aufgabe zu. Es wäre doch eine echte Aufgabe, etwas positiver zu berichten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir in Brandenburg müssen lernen, uns besser zu verkaufen und unsere Chancen zu nutzen. Der Kreativabteilung des Wirtschaftsministeriums kommt dabei eine Schlüsselposition zu. Dies gilt es zu unterstützen. Kreativität ist ein Standortvorteil, der zukünftig stärker genutzt werden muss. Die Staatsregierung Sachsens hat uns

gezeigt, wie es geht. Nicht alle rechtlichen Auslegungen der sächsischen Regierung haben sich letztendlich bei der EU durchgesetzt; jedoch sind Arbeitsplätze entstanden und die Steuereinnahmen fließen.

Wir sollten es uns nicht zu Eigen machen, jedes Risiko bis zur letzten Sekunde abzuwägen und unzählige Gutachter zu beschäftigen und dadurch wertvolle Chancen ungenutzt zu lassen. Zeit ist ein entscheidender Faktor. Wer auf wirtschaftlichem Gebiet agiert, muss berücksichtigen: Entscheidungen werden immer trotz einer gewissen Unsicherheit getroffen. Es gibt keine absolute Sicherheit. Wer das nicht berücksichtigt, kann Zukunft nicht gestalten.

Gehen wir mit dem nötigen Selbstbewusstsein in die Verhandlungen. Lassen wir den Brandenburger Adler als Adler und nicht als Taube über Brandenburg kreisen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Bartsch und erteile Herrn Abgeordneten Christoffers für die Fraktion der PDS das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Auf der Grundlage der bisherigen Beiträge hätte ich mich mit einer Positionierung dahin gehend schwer getan, dass die Chipfabrik für Frankfurt (Oder) und nicht nur für Frankfurt (Oder) eine ganz große Chance ist und unbedingt realisiert werden muss. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass man den Ernst der Situation möglicherweise verkennt. Es geht doch nicht darum, dass Adler über Brandenburg fliegen oder Ähnliches.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Vielmehr stellt sich die Frage, in welcher Situation wir uns befinden. Alle neuen Bundesländer sind in einer Umbruchsituation, wobei heute zu treffende Entscheidungen dafür ausschlaggebend sein werden, mit welcher wirtschaftlichen und sozialen Substanz wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu rechnen haben. Aufgrund dieser Situation findet in den neuen Bundesländern auch eine gesellschaftliche Evaluierung statt, und zwar nicht nur über Wahlen, nicht nur über Fachgremien, sondern auch über eine zunehmende Distanz der Bevölkerung zu dem Glauben, zu der Überzeugung, zu der Motivation, dass wir im Osten eine Chance haben.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sollte man auch die Bewertung von Chancen und Risiken des Projektes Chipfabrik verstehen.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle, dem Emirat Dubai dafür zu danken, dass es bei dem Projekt geblieben ist, obwohl die politische Informationssituation in Brandenburg nicht immer einfach war; diese Informationspolitik war nicht vertrauensfördernd. Letztlich hat dieses dauerhafte Engagement dazu geführt, dass jetzt eine Situation entstanden ist, in der über die Umsetzung realistisch entschieden werden kann. Dafür bedanke ich mich auch als Oppositionspolitiker.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Warum reden wir schon wieder von einem Leuchtturm? Ich kenne genügend Leuchttürme in Brandenburg. Die Verknüpfung von Politik und Wirtschaft konnte ich am Beispiel des Lausitzrings erleben. Ich hoffe, dass es möglich ist, den theoretischen Streit der 70er Jahre nicht zu wiederholen, als es um die Frage ging, ob wir eine nachfrage- oder eher eine angebotsorientierte Politik brauchen. Dieser Streit ist schon lange entschieden. Wir verkörpern auch nicht die ordnungspolitische Reinheit. Das können wir uns als neues Bundesland nicht leisten. Wir müssen mit den uns zur Verfügung stehenden Instrumenten ordnungs- und strukturpolitische Entscheidungen einleiten, die es uns gestatten, Potenziale zu entwickeln. Deshalb ist die Chipfabrik kein Leuchtturm.

Das Projekt in Frankfurt (Oder) unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten vom Lausitzring oder ähnlich gelagerten Projekten. Zum einen geht es um die Entwicklung von Technologien. Ziel ist die Wertschöpfung aus einer Technologieforschung heraus. Auf diese Weise entstehen zukunftsfähige Arbeitsplätze. Zum anderen geht es darum, dass über die Chipfabrik regionalisierte Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wissenschaft und mittelständischen Unternehmen geschaffen werden. Mit diesem Projekt haben wir die Chance, internationale und regionale Entwicklungen gemeinsam zu realisieren. Dieser Aspekt unterscheidet das Projekt der Chipfabrik wesentlich vom Lausitzring und anderen so genannten Leuchttürmen. Deshalb sollte man mit einem solchen Begriff in diesem Zusammenhang vorsichtig umgehen, denn er impliziert eine Skepsis gegenüber Großprojekten, die in Brandenburg angebracht ist. Das hat die Vergangenheit gezeigt.

(Beifall bei der PDS)

Ich bin nicht dafür verantwortlich, welche Informationen die Landesregierung oder die sie tragenden Koalitionsparteien über ein Projekt des Landes haben. Als ich von der Kabinettsentscheidung und den eingebrachten Konditionen erfuhr, stellten sich mir sofort einige Fragen: Welche dieser Konditionen ist neu? Können Sie mir das erklären? Welche dieser Konditionen ist nicht schon seit Wochen und Monaten Gegenstand der Debatte? Fällt tatsächlich erst jetzt auf, dass bei einer Beteiligung möglicherweise vertraglich sichergestellt werden muss, dass keine Kapitalnachschusspflicht besteht bzw. eine Kapitalerhöhung nicht infrage kommt? Wenn das der Fall ist, dann wage ich die Ernsthaftigkeit der Diskussion im politischen Raum zu bezweifeln. Fällt erst jetzt auf, dass die gesellschaftsrechtliche Stellung des IHP eines der zentralen Probleme ist? Ich erinnere mich an die Sitzung der PDS-Fraktion in Frankfurt (Oder), als dies eines der Hauptthemen gewesen ist.

Ich habe mich nicht umsonst bereits im Juni letzten Jahres zu Wort gemeldet und gesagt, dass dieses Projekt aus dem laufenden Haushalt nicht zu finanzieren ist. Im Rahmen einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses haben wir auf einem Zettel die Projekte aufgeschrieben: Bonazi in Schwedt und Testring in Hennigsdorf. Es geht um Risiken, die sich aus der Entwicklung der LEG ergeben, sowie um Infrastrukturprojekte nicht nur in Potsdam. Es geht um die Entwicklung von Vorhaben im Bereich der Biotechnologie sowie um die vorhandenen Verpflichtungsermächtigungen. Unter dem Strich ergab sich eine Summe, die im Haushalt nicht eingestellt war.

Wenn sich tatsächlich erst heute im politischen Raum das Be

wusstsein dafür auszuprägen beginnt, dass man nicht das eine Projekt realisieren kann, ohne das andere zu gefährden, dann muss ich Ihnen entgegenhalten, dass Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben.

(Beifall bei der PDS)

Wenn es das Ziel ist, Ansätze zur Förderung des Mittelstandes in unserem Land umzusetzen, dann muss jedem klar sein, dass man Mittel, die sowohl für Großansiedlungen als auch im Bereich des Mittelstandes notwendig sind, nicht gegeneinander ausspielen kann. Deshalb erwarte ich vom Kabinett, dass eine klare Entscheidung gefällt wird. Wenn die Chipfabrik, bei der es nicht nur um eine indirekte Beteiligung geht, finanziert wird, dann muss auch sichergestellt werden, dass das Land Brandenburg in anderen Bereichen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik handlungsfähig bleibt. Dafür gibt es den Industrieansiedlungsparagraphen. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie in den Haushaltsberatungen zwei unserer diesbezüglichen Anträge abgelehnt haben. Ein Antrag verfolgte das Ziel, einen bestimmten Prozentsatz der GA-Mittel für den mittelständischen Ansatz sperren zu lassen. Der zweite Antrag zielte auf die Erweiterung des Industrieansiedlungsparagraphen auf begleitende Maßnahmen, die notwendig sind, um eine Industrieansiedlung zu realisieren. Dazu zählt - nebenbei bemerkt - auch die Ausbildung von Studenten.

Ich wiederhole die Frage: Welche dieser Problemstellungen ist neu? Ich hätte mir vor Wochen eine Entscheidung gewünscht. Sie lag auf der Hand und hätte darin bestehen müssen, der ILB einen Verhandlungsauftrag zu erteilen. Ich bin froh, dass die Entscheidung nun gefallen ist.

Ebenso begrüße ich es, dass es gelungen ist, die am Projekt beteiligten Partner bei der Stange zu halten. Zumindest in Europa gibt es kein Projekt, bei dem amerikanische, deutsche und arabische Interessengruppen zusammenarbeiten. Es hat dem Ansehen des Landes Brandenburg in der arabischen Welt weiß Gott nicht geschadet, dass wir versucht haben, die verschiedenen Interessengruppen zusammenzuführen mit dem Ziel, dieses Projekt ein Stück weit gemeinsam zu realisieren.

Bedeutet das alles, dass man die Risiken außer Acht lassen darf? Natürlich nicht! Natürlich gibt es ein Risiko. Bei einer indirekten Beteiligung in Höhe von 35 Millionen Euro kann der Fall eintreten, dass es schief geht. Die Situation auf dem Weltmarkt, zum Beispiel die im asiatischen Raum, kann nicht für einen Zeitraum von 20 Jahren prognostiziert werden. Das funktionierte nicht einmal in der zentral verwalteten Wirtschaft; dort wurde es “Plankorrektur” genannt.

Der Wirtschaftsminister wies schon darauf hin, dass Experten außerhalb der Politik und verschiedenste Institutionen Gutachten erstellt haben, die ein positives Urteil über die Machbarkeit und die Marktchancen implizieren. Zudem engagiert sich die Europäische Investitionsbank. Wer sich mit der Verfahrensweise dieser Bank beschäftigt, der weiß, dass sie vor der Absegnung eines Engagements eine eingehende Prüfung des Projektes in Größenordnungen vornimmt, von der wir im Land Brandenburg nur träumen können. Das sind Sicherheiten.

Die Risiken habe ich schon benannt. Jetzt ist eine Abwägung zu treffen. Sollen die Chancen wahrgenommen werden, ohne die

Risiken völlig außer Acht zu lassen, oder sollen wir das alles bleiben lassen? Bei diesem Projekt sollten wir die Chancen wahrnehmen.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf zwei Problemkreise aufmerksam machen. Bei diesem Vorhaben haben wir uns zeitweise so verhalten, als ob wir einen Dorfteich auf dem Dorfanger öffentlich versteigern. Wenn man zulässt, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, bei diesem Projekt handele es sich nur um das Vorhaben eines Hauses, dann hat man die Komplexität dieses Ansiedlungsbegehrens nicht verstanden.

(Beifall bei der PDS)

Entweder steht die Landesregierung als Ganzes hinter dem Projekt - und das auch öffentlich - oder es wird schwierig, so etwas im Rahmen von internationalen Verhandlungen durchzuhalten.

Die Informationspolitik kann nur als katastrophal bezeichnet werden. Ich entschied mich, mit meiner eindeutigen Stellungnahme zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit zu gehen, als in den Medien aus einem Protokoll vom November letzten Jahres eine Einschätzung veröffentlicht worden ist. Das war ein Zeitpunkt, zu dem die Verhandlungen mehr als schwierig waren und alles auf der Kippe stand. Wer so agiert, der handelt verantwortungslos. Einschätzungen, die ein halbes Jahr alt sind, haben mit der aktuellen Situation nichts zu tun. Wenn Kabinettsvorlagen an die Presse gehen, bevor das Kabinett sie zur Kenntnis genommen hat, dann beglückwünsche ich die Presse zu ihren Informationsquellen. Die Ernsthaftigkeit des Interesses an diesem Projekt wird damit jedoch nicht unter Beweis gestellt.

Wenn ständig Zweifel geäußert und auch noch fokussiert in die Öffentlichkeit getragen werden, dass beihilferechtliche Probleme nicht berücksichtigt würden, dann schadet das dem Projekt. Das ist doch ein normaler Sachverhalt. Man spricht mit der Europäischen Kommission und befindet sich in einem Pränotifizierungsverfahren. Es war bekannt, dass beihilferechtliche Probleme nicht ausgeräumt worden sind, aber beachtet werden, wenn ich von einem Pränotifizierungsverfahren zu einem Notifizierungsverfahren übergehe.

Meine Damen und Herren, ich hätte mir diese Entscheidung vier Wochen früher gewünscht. Sie ist erst jetzt getroffen worden. Ich hoffe sehr, dass die ILB auf der Grundlage vorhandener Ergebnisse schnell zur Vertragsausgestaltung kommen kann. Ich hoffe auf Chancen nicht nur für Frankfurt (Oder); denn mit diesem technologie- und strukturpolitischen Projekt ist auch eine für Ostdeutschland insgesamt sehr interessante Entwicklung verbunden. Wir sollten schnell zur Umsetzung kommen, um den erwähnten Vorsprung in technologischer wie in zeitlicher Hinsicht tatsächlich nutzen zu können. - In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Christoffers.