Protocol of the Session on February 28, 2001

Wir verschließen uns nicht der Tatsache, dass es Reserven bei der Quantität und Qualität der Ausbildung und Fortbildung der Lehrer für Arbeitslehre gibt. Herr Hundt hat auch schon gefordert: Lehrer in die Produktion. Diesmal stellen wir aber die Frage nach der Finanzierung dieser Aufgabe.

Fragen müssen wir die Regierungsfraktionen auch, wie sie sich angesichts der wirtschaftlichen Lage die Kooperation von Schule und Wirtschaft vorstellen. Mit welcher Wirtschaft bitte soll Schule in der Prignitz, in der Uckermark kooperieren?

(Beifall bei der PDS - Zuruf des Abgeordneten Müller [SPD])

Unsere Forderung nach verstärkter Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe bleibt also aktuell. Dennoch ist auch die PDSFraktion für eine stärkere Kooperation von Schule und Wirtschaft und den damit befassten von Ihnen genannten Bereichen, im Sinne der Erhöhung der Qualität von Bildung und Erziehung, also umgedreht. Wir beantragen daher die Überweisung des Antrages in die zuständigen Ausschüsse.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen. - Wir sind bei der CDU. Herr Abgeordneter Bartsch, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Schüler - fit für die Wirtschaft” - dieser etwas sportlich klingende Titel unseres Antrages beinhaltet ein Maßnahmenbündel, das neue Akzente in der brandenburgischen Bildungspolitik setzen wird. Wir haben in den letzten Sitzungen oft über Anforderungen der Zukunft geredet. Wir haben darüber geredet, welche Akzente in der Landespolitik zu setzen sind, damit in Brandenburg eine selbsttragende Wirtschaftsstruktur entsteht. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Debatte zur Großen

Anfrage der Koalitionsfraktionen „Brandenburg auf dem Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft” oder an die Aussprache zur Existenzgründeroffensive AGIL.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat in diesen Debatten wiederholt deutlich gemacht, dass ein positives Klima, die Anerkennung des Unternehmertums und wirtschaftlich denkende und handelnde Menschen zu den Grundvoraussetzungen erfolgreicher brandenburgischer Entwicklungen gehören.

Meine Damen und Herren, drei Punkte erscheinen mir wichtig, die ich gerne zur Erläuterung unseres Antrages ausführen möchte.

Erstens: Gelingt es uns, volkswirtschaftliche Grundzusammenhänge oder betriebswirtschaftliche Sichtweisen in die Schulen zu vermitteln, wird die heranwachsende Generation unternehmerisches Handeln als das wahrnehmen können, was es ist: verantwortungsvolles Handeln, das unsere Gesellschaft weiterentwickelt und Ausbildungs- und Arbeitsplätze schafft. Dieses positive Klima und die Anerkennung des Unternehmertums wird Brandenburg als Unternehmensstandort interessanter werden lassen.

Zweitens: Es wird immer wieder deutlich, dass es uns gelingen muss, die Selbstständigenquote im Land Brandenburg zu erhöhen. Jede erfolgreiche Existenzgründung schafft zwei bis drei neue Arbeitsplätze. Hier liegen Potenziale, die für mehr Beschäftigung erschlossen werden müssen. Oftmals werden nur Risiken der Selbstständigkeit angeführt, was den Menschen den Mut nimmt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen und damit für sich und andere Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Vermittlung von Grundzusammenhängen der wirtschaftlichen Abläufe wird unseren jungen Menschen ermöglichen, die Risiken der Selbstständigkeit besser beurteilen zu können, aber vor allem auch, die Chancen zu erkennen, die die Selbstständigkeit für jeden bietet.

(Beifall bei der CDU)

Die heute oftmals schon vorherrschende Sichtweise, dass ein Job in der öffentlichen Verwaltung die grösste Chance ist, die die Arbeitswelt bietet, wird so hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.

Drittens: Durch die Vermittlung der wirtschaftlichen Zusammenhänge und durch anspruchsvolle Praktika werden den Schülern frühzeitig die Anforderungen verdeutlicht, mit denen sie im späteren Berufs- und Arbeitsleben konfrontiert werden. Eigenverantwortung und Selbstständigkeit sind Anforderungen, die in jeder Stellenanzeige verlangt werden und deren Training die Chancen der jungen Brandenburgerinnen und Brandenburger im späteren Arbeitsleben wesentlich verbessern. Die Integration dieser Anforderungen in den Unterricht, so wie in unserem Antrag gefordert, ist ein wesentlicher Beitrag der Bildungspolitik zur positiven Entwicklung unserer Gesellschaft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den Schulen eine Grundausbildung an wirtschaftlichen bzw. wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen anzubieten ermöglicht unseren jungen

Brandenburgern, die Chancen, die die Zukunft ihnen in einer sozialen Marktwirtschaft bietet, zu erkennen und aktiv zu nutzen. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort geht an die Abgeordnete Fechner. Sie spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wurde gebeten, es ziemlich kurz zu machen. Ich werde es kurz machen, aber nicht ganz kurz. Worum geht es in dem vorliegenden Antrag? Ganz grob gesagt geht es um die Einführung des Faches Ökonomie. Ob dieses Fach nun wirklich Ökonomie heißen wird oder nicht, ist erst einmal unwichtig, es geht um den Inhalt.

(Schulze [SPD]: Ökonomie ist kein deutsches Wort!)

Der Antragsbegründung von Herrn Müller gibt es von meiner Seite her nichts Wesentliches hinzuzufügen. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind damit bei der Landesregierung. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist natürlich eine Sternstunde für die Regierung, wenn die Opposition der Koalition mitteilt, dass die Regierung das, was die Koalition fordert, schon umsetzt. Vielen Dank dafür!

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Aber das ist ja ganz im Sinne dessen, was ich vorhin schon gesagt habe: Wir müssen auch ab und an einmal loben, was auf diesem Gebiet schon läuft. Umso besser kann die Fehleranalyse ausfallen. Insofern bin ich Ihnen allen von Koalition und Opposition dankbar, dass Sie auch die Schwachstellen aufgezeigt haben, an denen wir noch Verbesserungen vornehmen können.

Herr Müller, ich habe einige Probleme mit der Überschrift: „Fit für das Leben und die Wirtschaft”.

(Müller [SPD]: Das Wort „Leben” ist schon im Antrag enthalten!)

- Von „Leben” ist in dem Antrag schon die Rede. In der Überschrift für den heutigen Antrag ist das Wort leider nicht mehr enthalten. Schließlich wollen wir eine junge Generation, die für beide Bereiche fit ist. Ich denke aber, dass wir insoweit übereinstimmen.

Neben vielen Einzelinitiativen, zu denen ich gleich in wenigen Schlagworten etwas sagen möchte, ist das wichtigste Vorhaben der nächsten Zeit die Bildung eines Netzwerkes für die Zukunft „Schule und Wirtschaft für Brandenburg”. Dies wird aller Voraussicht nach im März oder April endgültig auf den Weg gebracht werden können. Dabei wollen wir gemeinsam mit den Kammern versuchen, ein solches Netzwerk, in dem diese Partnerschaft auch wirklich zielführend organisiert wird, landesweit und später regional auf den Weg zu bringen.

Die Wünsche der Wirtschaft - das haben Sie gesagt - sind im Wesentlichen durch die Entscheidungen in den letzten Wochen und Monaten erfüllt worden. Jetzt muss die Forderung an die Wirtschaft lauten, ihrerseits für diese Partnerschaft zu mobilisieren. Wir haben gerade in dieser Woche in Rangsdorf wieder eine solche Partnerschaft unterzeichnen können. In einigen Kreisen, zum Beispiel in Teltow-Fläming, ist ein bemerkenswerter Beginn zu verzeichnen. Es geht im Übrigen nicht um Patenschaften; früher gab es Betriebspatenschaften. Vielmehr sind Partnerschaften das Ziel, weil jeder etwas einbringt.

Leistung gilt wieder, Leistung zählt wieder, Schule bringt Leistung. Darin liegt eine gewisse Ambivalenz, Herr Müller. Eine strikte Orientierung auf Prüfungen wäre natürlich bedenklich, denn in einem solchen Fall würde die Schule gerade nicht mehr das lehren, was Sie zu Recht fordern, nämlich das Erlernen des lebenslangen Lernens. Deshalb muss von der Schule insoweit immer eine Balance gehalten werden. Es muss um beides gehen: die Organisation von abprüfbaren Leistungen und zugleich das Lehren des lebenslangen Lernens. Dabei muss das lebenslange Lernen so einstudiert werden, dass man gute Erfahrungen damit sammelt und es sein Leben lang auch anwendet.

Kommt man heute in Schulen, dann kann es einem passieren, dass AG nicht nur Arbeitsgemeinschaft, sondern auch Aktiengesellschaft heißt. Es gibt an Brandenburger Schulen mittlerweile acht Aktiengesellschaften. Dabei verkaufen die Schülerinnen und Schüler an ihre Mitschüler, aber auch an Lehrer Aktien. Diese Aktiengesellschaften werden sich in den nächsten Wochen im MBJS präsentieren und zeigen, was sie zu leisten in der Lage sind.

Wir haben auch andere wichtige Initiativen gestartet. Ein Beispiel ist Trans-Job. Mit deren Hilfe soll in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ein besserer Übergang in das Berufsleben organisiert werden.

Ich will Herrn Bartsch ganz ausdrücklich zustimmen: Wir haben in den letzten Jahren geholfen, dass Existenzgründungen von jungen Leuten in größerem Umfang auch als ihr eigenes Ziel anerkannt werden. Waren es früher 1 % oder 2 % der Bevölkerung, die es für möglich hielten, sich einmal selbstständig zu machen, so sind es heute 30 % der Schülerschaft. Vonseiten der Wirtschaft gibt es dafür Anerkennung, und es werden Preise ausgesetzt. Ein Beispiel dafür ist der Preis der IHK Frankfurt (Oder).

Herr Müller, ich möchte Ihnen widersprechen, wenn Sie sagen, die Schülerinnen und Schüler würden nicht die erforderlichen Leistungen vorweisen können. Damit nehmen Sie eine Kritik der Wirtschaft auf.

Der Siemens-Personalvorstand, der nun wirklich für die meisten Einstellungen in Deutschland zuständig ist, sagt: Die Schüle

rinnen und Schüler von heute sind nicht schlechter als die Schüler früherer Generationen, sondern sie haben zum Glück nur anderes gelernt und weisen insofern ein anderes Wissen auf nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Ich war neulich sehr beeindruckt, als ich im Fernsehen die Befragung eines der größten Wirtschaftsbosse in Deutschland mitverfolgt habe. In diesem Interview antwortete er auf die Frage des Moderators, wann und von wem das Deutsche Reich gegründet worden sei, mit „Napoleon”.

Herr Minister, Sie überschreiten die vereinbarte Zeit.

Liebe Kollegen, Sie erkennen unschwer, dass auch bei der Wirtschaft insoweit noch Defizite vorhanden sind.

Ich glaube, wir können gemeinsam - Schule und Wirtschaft Schwachstellen analysieren und Defizite beheben. Ihr Antrag ist ein guter und wichtiger Beitrag dazu. Deshalb danke ich und freue mich auf die weitere Diskussion. Ich werde gern im Herbst Bericht erstatten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Koalitionsfraktionen mit der Drucksachennummer 3/2414 folgt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

(Zurufe von der PDS: Keine Überweisung? Der Minister hat davon gesprochen!)

- Der Minister hat vielleicht den Antrag nicht genau gelesen.

(Unruhe bei der PDS)

Von Überweisung ist überhaupt nicht die Rede. Soll ich den Antrag noch einmal vorlesen?

(Prof. Dr. Bisky [PDS]: Nein, nein!)