Protocol of the Session on September 20, 2000

Aus den dargelegten Gründen lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf und auch die Überweisung ab. - Ich danke Ihnen.

Das Wort geht an den Abgeordneten Vietze. Er spricht für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Womeyer hat hier auf die Rechtslage. die in Brandenbur g durch Abgeordnetengesetz und Fraktionsgesetz gegeben ist. verwiesen und zugleich deutlich gemacht. dass Handlungsbedarf besteht. Dieser beginnt mit dem sachlichen Anspruch der Prüfung. Unmittelbar nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat es verschiedene Erklärungen von SPD. CDU und PDS gegeben, die alle daraufhingewiesen haben. dass die Begründung. die das Bundesverfassungsgericht für die Verfassungswidrigkeit bestimmter Regelungen des Thüringer Abgeordnetengesetzes angeführt hat. schwerwiegend ist, dass deutlich gemacht wurde. dass die Zahlungen. die für einzelne herausgehobene Funktionen erfolgen - die systematische Ausdehnung ‘ on Funktionszulagen sozusagen -. der Freiheit des Mandats abträglich seien und dass selbstverständlich - so hat es auch unsere Fraktion in die öffentliche Diskussion eingebracht - eine Prüfung dieses Sachverhalts notwendi g ist.

Wir haben das an den Vorsitzenden des Hauptzinsschusses. Herm Fritsch. geschrieben. Dieser hat es auf die Tagesordnung der letzten Sitzung des Hauptausschusses gesetzt. Wir haben uns im Hauptausschuss gemeinsam dazu verständi gt. dass wir erstens zur Kenntnis nehmen. dass der Präsident des Landtages bereits aktiv geworden ist. dass gemeinsam mit den Präsidenten der anderen Landtage eine Prüfung erfolgt. uni zu einem einheitlichen Verfahren in Auswertung dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu kommen. und dass zweitens sicherlich auch in den Fraktionen der anderen Landtage darüber nachgedacht wird, verschiedene Gutachten erstellt werden und dass wir sicherlich gut beraten sind. die verschiedenartigsten Gutachten zu bündeln und die damit verbundenen Konsequenzen für die Regelung in Brandenburg heranzuziehen und dem Parlament bei Handlun gsbedarf einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.

Es gibt keinen Anlass zu billiger Polemik, etwa nach dem Motto: Die gierigen Politiker auf dem Brauhausberg wollen die Urteile aus Karlsruhe bewusst nicht zur Kenntnis nehmen. - Ich finde. dazu gibt es keinen Anlass.

Und. liebe Frau Hesselbarth. es ist auch im Um gang mit den Kollegen. die hier sitzen, unfair. denn wir haben uns klar und deutlich in der Öffentlichkeit zu diesem Verfahren geäußert. das - wie ich finde - ein sehr verantwortungsvolles Verfahren ist. Ich gehe davon aus. dass Sie. wenn Sie schon einen Gesetzentwurf einbringen. die Begründung der Karlsniher Richter wirklich lesen und aus der Konsequenz daraus ihre Vorschläge hier einbringen sollten.

Zum Beispiel hat das Karlsniher Verfassungsgericht die besondere Rolle des Fraktionsvorsitzenden herausgehoben und sogar gesagt. dass diese eine Entlohnung in der Höhe einer zweiten Diät legitimiert. Nun haben wir einen derartigen Fall zumindest in unserer Fraktion - nicht.

(Beifall hei CDU und SPD) Wenn Sie also der Meinung sind. dass die diesbezügliche Ent

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scheidung der Karlsruher Richter mit der gegebenen Begründung für Brandenburg notwendig ist. dann müssten Sie das in Ihren Gesetzentwurf aufnehmen. Oder wollen Sie diese Entscheidung. die in der Argumentation der Verfassungsrichter begründet wird. für Brandenburg nicht? Dann müssten Sie begründen. warum Sie nur den einen Teil dieser Argumentation verwenden wollen und den anderen nicht. Ich finde, dazu kann man nur eines sagen: Das ist alles nicht durchdacht.

Wir haben in Brandenburg auch keine Entschädigungen aus den Fraktionskassen. Dies spielt übrigens in der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes überhaupt keine Rolle. sondern dort g ibt es den Hinweis auf gestaffelte Diäten. Wir haben ‚jedoch keine gestaffelten Diäteis. Wir haben Zuwendungen. Aufwandsentschädigun gen, also eine ganz andere Prämisse.

Demzufolge sage ich: Es wäre gut. wenn sich die DVU-Fraktion vor Einbringung eines Gesetzentwurfes erstens ausgiebig mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vertraut machte. zweitens genau lesen würde. was im Abgeordnetengesetz und im Fraktionsgesetz des Landtages Brandenburg steht. und drittens die Möglichkeit nutzte. reit den anderen Mitgliedern des Hauptausschusses jene Regelungen herauszuarbeiten. die - nach sachlicher Prüfung - der Sache dienlich sind. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Präsident Dr. Knoblielsi

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfes mit der Dnicksache 3/1674 an den Hauptausschuss, der federführend sein soll. sowie an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und an den Rechtsausschuss. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Gesetzentwurf in der Sache zustunint. mö ge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in der Sache abgelehnt und das Verfahren für diesen Gesetzentwurf beendet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und komme zum Tagesordnungspunkt 6:

Starke Gemeinden für Brandenburg

Leitlinien der Landesregierung

Drucksache 3 1482 (Beifall bei der PDS und vereinzelt bei SPD und CDU)

Das Wort geht - falls Redebedarf besteht - an die Landesregierung. - Da dies nicht der Fall ist. erhält die antragstellende Fraktion auf Wunsch noch eimnal das Wort. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich ausdrücklich darüber, dass sich das Parlament zum ersten Mal mit einem Gesetzentwurf der DVU-Fraktion inhaltlich ausführlich beschäftigt hat. Ich denke. dass wir auch im Hauptausschuss dem ich. ums ich die Möglichkeit habe, beiwohnen werde darüber ausführlich sprechen können.

Herr Homeyer. an Sie persönlich gerichtet möchte ich sagen: Es verwundert mich sehr. dass gerade Sie hier nach vorn gehen und zu diesem Thema sprechen, denn bekanntlich sind Sie derjenige ins Landtag von Brandenburg. der drei Einkommen bezieht. Jetzt sprechen Sie mir nicht von Einkommenshierarchien und dergleichen mehr!

(Beifall hei der DVU und Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Ich finde das verwerflich. Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen.

Ich denke. wir werden im Ausschuss Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.

Ich bitte Sie trotzdem: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der DVU)

Dazu liegen Ihnen der Entschließungsantrag der PDS-Fraktion mit der Drucksache 3/1716 sowie der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU mit der Drucksache 3/1732 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Schönhohm. Sie haben das Wort.

!Minister des Innern Schönhohm:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die von der Landesregierung in ihrer Sitzung am 11. Juli dieses Jahres beschlossenen Leitlinien stellen ein solides Fundament für eine Neuordnun g der gemeindlichen Ebenen in unserem Lande dar. Sie machen deutlich, von welchen Voraussetzungen und Vorstellungen die Landesregierung zur Schaffung einer leistungsstarken kommunalen Ebene aus geht. und sie geben durch die umfassende Begründung den einzelnen Gemeinden zugleich auch für den Einzelfall ableitbare Handlungsoptionen.

Die Leitlinien sind nicht am grünen Tisch entstanden_ sondern das Ergebnis von Regionalkonferenzen - insgesamt 19 an der Zahl - mit allen Landkreisen, mit den Oberbür g ermeistern und mit etwa 600 ehrenamtlichen Bürgermeisten. Ich sage dies deswegen, weil sich ins Rahmen dieser Diskussion herausgestellt hat. dass parteiübergreifend die Notwendigkeit einer Refoms eingesehen wird. Auf der anderen Seite geht es immer wieder um die Frage. wie.

Dic Leitlinien gehen dem Landkreistag nicht weit genug und dem Städte- und Gemeindetag zu weit. Das zeigt. dass hier ein Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse der Gemeinden und den Interessen der Landräte besteht. Dieses Spannungsverhältnis gilt es ins Interesse der Entwicklung unseres Landes auszugleichen. Von daher denke ich. dass die Neugliederung unserer Gemeinden nicht so sehr eine Fra ge der pimeipoliti

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sehen Zugehörigkeit ist, sondern häufig eine Frage der regionalen Zuordnung.

Ich würde mir wünschen. dass wir uns im Rahmen dieser Diskussion - vor allen Dingen auch in den Ausschüssen - darauf verständi gen. was wir gemeinsam wollen. Wir wollen starke Gemeinden haben, wir wollen die kommunale Selbst vent a hing stärken und wir wollen die Identität dieser Gemeinden erhalten. Ich denke. dass dies auf der Basis der Leitl mien möglich ist.

In diesem Zusammenhang hat die Frage der Freiwilligkeit schon im Vorfeld eine große Rolle gespielt. Ich möchte von irrer aus noch einmal an alle in unserem Hause appellieren. die Gemeinden darin zu unterstützen. diesen Weg der Freiwilli gkeit zu gehen. Am Ende dieses Weges wird das Kabinett einen Vorschlag unterbreiten und das Parlament darüber dann im Rahmen eines Gesetzes endgülti g beschließen.

Sehr fiel Bewegun g hat es jetzt schon gegeben. Sehr Bereitschaft zu Verändening ist erkennbar. aber es gibt auch noch Unsicherheit und Nachfragen. ich denke, dass auch von der heutigen Diskussion und von den Entschließungsanträgen ein Si gnal in das Land gehen kann. dass unser Landta g. dass Sie, meine sehr \ erehnen Damen und Herren. meine lieben Kolleginnen und Kollegen. diesen Weg unterstützen. weil er ein Weg zum Nutzen von Brandenburg ist.

Uni Fragen zu beantworten. um Unsicherheiten auszuräumen. haben wir in meinem Ministerium für , jeden Landkreis einen Mitarbeiter als Ansprechpartner eingeteilt, der den Landrat berät, der aber auch für die Kommunen und die Ämter zur Verfügung steht. Von daher gesehen geht es damm, wie wir durch Zusammenwirken von Innenministerium, Gemeinden. Landkreisen. Amtsdirektoren und Bür germeistern zu gemeinschaftlich vertretenen Lösungen kommen.

Die bisherigen Erfahrun gen der Gemeinden, welche sich freiwillig zusammengeschlossen haben. sind außerordentlich positiv. Ich nenne nur drei Gemeinden: Kalkwitz im Süden, Löwenberger Land im Norden und Nuthe-Urstromtal in der Mitte. Gehen Sie hin und unterhalten Sie sich mit den dortigen Bürgermeistern. die früher zum Teil Amtsdirektoren waren, und Sie stellen fest. dass sich hier etwas positiv entwickelt hat!

Meine Damen und Herren. ich habe all diese Erkenntnisse hei vielen Diskussionen gesammelt und glaube, bei diesen Diskussionen kann man wirklich etwas lernen. zum Beispiel, dass das Problem vielschichtiger ist und dass viele weiter sind. als wir manchmal denken.

Aus den Leitlinien ergibt sich, dass nach Auffassung der Landesregierun g nicht nur eine umfassende Neugliedentilg der Gemeinden in Brandenburg erforderlich ist, sondern dass auch strukturell starke Gemeinden mit arbeitsfähigen Gemeindevertremngen angestrebt werden. in denen eine lebendige Selbstverwaltung die Grundlage des örtlichen Lebens bildet und dieses Leben auch selbst in die Hand nimmt. Dazu wollen wir die Selbstverwaltungsrechte der Orte erweitern und die Mitwirkungsmöglichkeiten durch bürgeischaftliches Engagement verstärken, damit der Bürger weiß, dass er unmittelbar auf das örtliche Umfeld. auf die Gestaltung seiner Heimat Einfluss nehmen kann. Ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung und Erweiterung der Gemeindeordnung wird dem Landtag in Kürze zugeleitet.

In einem weiteren Schritt werden wir dann in einem Artikelgesetz die notwendige Novellierung der Kommunalverfassung erarbeiten, zum Beispiel eine Erweiterun g des kommunalen Wirtschaftsreehts vorschlagen. die Stellung der Hauptverwaltungsbeamten. die gegebenenfalls gestärkt werden muss_ überprüfen. sowie Klarstellun gen und allgemeine Bereinigungen vornehmen. damit die Kommunalverfassung wieder wie aus einem Guss handhabbar wird. Ein solches Artikelgesetz stelle ich nur für die zweite Hälfte des kommenden Jahres vor.

Vereinzelt wird in den Diskussionen behauptet. dass es allein am Geld bege, wenn die kleineren Gemeinden in Brandenburg ihre Handlungsfähigkeit erloren hätten. und dass eine bessere Finanzausstattung die Probleme lösen würde.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hinweisen. das in einer umfangreichen Untersuchung Kommunalfinanzen und kommunalen F"inanzausgleich in Brandenburg wissenschaftlich auf den Prüfstand gestellt hat. Diese Untersuchung ist Ihnen schon Anfang dieses Jahres vorgelegt worden und Sie können aus ihr ablesen, dass das Land Brandenburg im Zusammenhang nm der kommunalen Finanzausstattung einen für die Kommunen auskömmlichen Transfer vornimmt - eine Feststellung. die in diesem Sinne auch schon das Landesverfassungsgericht mit seinem Urteil zur Neulietzegörieke-Entseheidung getroffen hat.

Das Land Brandenburg liegt im Vergleich mit den anderen neuen Bundesländern im oberen Drittel der Zuweisungen an die kommunale Ebene. Das Gutachten fügt jedoch kritisch an - das will ich nicht verschwei gen -. dass die Gemeinden zu stark durch Einzelförderungen aus den Ressorts gebunden sind und die Schlüsselmasse hierzu im Vergleich zu gering ist - ein Thema. das wir hier schon verschiedentlich hatten. ein Thema. das wir auch angehen müssen. Eine Änderung dieser vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gesehenen Disproportion wird sicherlich Aufgabe eines künfti gen Finanzausgleichsgesetzes sein.

Lassen Sie mich hierzu einige Bemerkungen machen, da dies verschiedentlich diskutiert wurde. Wir wollen dieses Finanzausgleichsgesetz nicht nur deshalb vorlegen, weil wir dies in der Koalitionsvereinbarung beschlossen haben, sondern weil ein Finanzausgleichsgesetz notwendig ist. das langfristig die Finanzbeziehungen des Landes zu den Gemeinden regeln soll. Wenn wir aber eine langfristige Regelung wollen, ist auch klar, dass diese zeitlich in den Prozess der Neugliederung einzupassen ist.

In diesem Sinne habe ich schon im Juni darauf hingewiesen, dass ein auf Dauer angelegtes Finanzausgleichsgesetz ohne Kenntnis der langfristig im Land Brandenburg vorgesehenen Gemeindestnakturen den Vorwurf in sich bergen würde. manipulativ in die Neugliederung der Strukturen eingreifen zu wollen. So ist zum Beispiel eine Hauptansatzstaffel als Verteilungsansatz nur begründbar. wenn die Gemeindestniktur hinsichtlich Anzahl und Größe der Gemeinden bekannt ist und ausreichende Erkenntnisse über den gemeindlichen Finanzbedarf vorliegen. Diese Erkenntnisse können doch nicht jetzt vorweggenommen werden,

Zum weiteren Vorgehen für ein Finanzausgleichsgesetz_ das ich für zwingend halte. um die Ausgestaltung einer dauerhaften

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Finanzbeziehung zwischen Land und Kommunen richtig zu gewahrleisten. erscheint es mir sinnvoll. in einem ersten Schritt im Jahre 2001 Eckwerte für die Ausgestaltung eines solchen Gesetzes im Landtag zu verabschieden. Es ist doch nicht zu übersehen, dass eine ausreichende Diskussion zur richtigen Weichenstellung. die für die Zukunft notwendig ist, noch nicht stattgefunden hat. Daher wird dies eine umfangreiche Diskussion werden und - wie ich meine - auch werden müssen. Es werden Verteilungsfragen aufgeworfen. mit denen wir uns ausführlich beschäftigen müssen. um UllS darüber klar zu werden. ob sie so gewollt sind und zu welchen Veränderungen sie führen werden. Das alles kann in einem ersten Schritt am besten in Eckwerten mit einer Richtungsvorgabe geschehen.