Protocol of the Session on June 22, 2000

Meine Damen und Herren, ich mache einmal einen kleinen Einschub und möchte den Fraktionen die noch verbleibende Redezeit mitteilen. Ich denke, das ist für Ihre Disposition wichtig. Die SPD verfügt noch über 54 Minuten Redezeit, die CDU über 57 Minuten, die PDS über 42 Minuten, die DVU über eine Stunde und 45 Minuten und die Landesregierung über 55 Minuten. - Das war mein erster Einschub.

Mein zweiter Einschub: Wir haben hier seit 13 Uhr lauter „Energie"-Fans als Gäste, und zwar Gymnasiasten aus der Stadt Cottbus. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Wir führen die Aussprache fort. Das Wort bekommt die Fraktion der PDS. Herr Abgeordneter Dobberstein, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bestandteil des Einzelplanes 10 ist auch das Kapitel „Gewässerschutz und Wasserwirtschaft" mit einem geplanten Ausgabenvolumen in Höhe von jeweils 80 Millionen DM für dieses und für das Folgejahr. Das ist nicht wenig Geld. Dazu kommen noch Millionen Mark EFREMittel, die beim Wirtschaftsministerium veranschlagt sind.

Umso wichtiger ist es, dass dieses hauptsächlich für die Abwasserentsorgung vorgesehene Geld auch sinnvoll und effizient zum Einsatz kommt.

Leider wurde und wird, wie wir alle wissen, gerade im Abwasserbereich viel Unsinn verzapft und viel Unheil angerichtet. Das ist besonders bedauerlich, weil es hier um einen für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung und das Funktionieren der Wirtschaft lebensnotwendigen Bereich geht. Ich hoffe, nicht missverstanden zu werden. Natürlich sehe ich nicht nur die Misserfolge, sondern auch die erzielten Erfolge, insbesondere bei der Verbesserung der Güte der Fließgewässer und teils auch der Seen. Ich sehe auch die großen Anstrengungen, die von den Zweckverbänden, von den Landkreisverwaltungen und letzten Endes auch vom Ministerium des Herrn Birthler landesweit unternommen werden.

Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass die Begeisterung, die das Umweltministerium in seinem Abschlussbericht für das Jahr 1999 zum Ausdruck brachte, wo der zentralen Kanalisation der Vorzug gegeben wurde und wo sich das Ministerium riesig freute, dass etwa 70 % aller Haushalte in dieser Beziehung zum Erfolg geführt worden sind - das ist wirklich eine wahre Leistung -, nicht ungeteilt ist.

Man muss in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen dürfen: Wurden sie nicht mit den überdimensionierten Kläranlagen, kilometerlangen Leitungsnetzen, Energie fressenden Pumpsystemen und den daraus resultierenden negativen Folgen auf wirtschaftlichem, sozialem und ökologischem Gebiet zu teuer erkauft?

(Beifall bei der PDS)

Das sind Dinge, die uns die Öffentlichkeit in dieser Form nicht abnimmt.

Für mich ist der Kardinalfehler der bisherigen Abwasserpolitik, dass zentralen und großtechnischen Lösungen auch im ländlichen Raum der Vorrang vor siedlungsspezifischen und naturnahen Verfahren eingeräumt wurde. Das ist ein Unding, meine Damen und Herren, für ein dünn besiedeltes Land.

Konzentrierter Ausdruck dieser verfehlten Politik ist die Gesamtverschuldung der Aufgabenträger. Ich möchte diese Summen jetzt nicht nennen. Sie sind im Alleemeinen und im Besonderen bekannt. Aber ich möchte zwei Zahlen in Erinnerung rufen. Laut Statistischem Bundesamt beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung der Zweckverbände in Brandenburg das 5,3-fache des Durchschnitts der 15 anderen Bundesländer. Diese Zahlen sagen eigentlich alles. Wer sich tief gehend mit diesen Dingen beschäftigt, eine analytische Prognose dementsprechend in dieser Form erarbeitet, der wird feststellen müssen, dass wir auf dieser Strecke einen beachtlichen Nachholbedarf haben.

Aufgrund dieser Situation sollte es eigentlich unstrittig sein. dass die bisherige Abwasserpolitik nach dem Motto „Augen zu und durch" nicht mehr tragbar ist.

Allerdings habe ich erhebliche Bedenken, inwieweit die Verantwortlichen auch die Kraft für den erforderlichen Politikwechsel aufbringen, das heißt, für eine grundsätzliche Wende in der Abwasserpolitik.

(Zuruf von der PDS: Sehr richtig!)

Das von der Regierung in den letzten Wochen Verkündete ist eher marginale Korrektur bzw. bloße Kosmetik.

und kein Bürger des Landes möchte Dinge, die unmittelbar mit Abwasseranschluss und Abwassergebühren zu tun haben, umsonst haben. Sie wollen aber ein richtiges Leistungs- und Zahlungsverhältnis haben, das letzten Endes nachvollziehbar ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dellmann'

Herr Dobberstein, ist Ihnen bekannt, dass seitens des zuständigen Ministeriums sehr wohl intensive Gespräche geführt wurden? Ist Ihnen auch bekannt, dass seitens der Landesregierung keinerlei juristische Möglichkeiten bestehen, dort Einfluss zu nehmen?

Das ist mir bekannt, aber ich muss davon ausgehen, dass es an den Ort gebunden ist. Die Bevölkerung dieses Landes weiß darüber wenig bzw. nur das, was in der Zeitung in mehr oder weniger starken Ausführungen steht.

(Bischoff [SPD]: Dann müssen Sie es aber so sagen!)

Der zweiten Frage, Herr Dellmann, dass Sie in dieser Beziehung der Meinung sind, dass das Land keine Verantwortung hat, muss ich eindeutig widersprechen.

(Beifall bei der PDS) Ich frage Sie, Herr Minister Birthler, aber auch die Regierung insgesamt: Wieso reagieren Sie nicht bzw. nicht kreativ auf solche Signale wie den Hungerstreik, der im Spätsommer 1999 fiir jeden sichtbar war, den Marsch zum Reichstag, die Protestfahrradtour nach Brüssel und den zivilen Widerstand von Einwohnern des Dorfes Briesensee gegen Zwangsanschluss und den Versuch, mit der Gewalt von Baggern Tatsachen zu schaffen? (Beifall bei der PDS)

Das Nichtreagieren der Verantwortlichen wird von den Bürgerinitiativen und Bürgerbewegungen nicht nur in Briesensee, sondern landesweit als eine Provokation betrachtet und auch so gewertet. Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bereit sind, aus Staatsräson einer unsinnigen Politik zu folgen und dafür auch noch die Bezahlung zu gewährleisten.

Wir sollten uns darüber im Klaren sein: Keiner ist daran interessiert, dass solche Bewegungen, wie sie sich in Briesensee abzeichnen, landesweit nachvollzogen werden. Wir alle, die wir in diesem Raume sitzen, haben die Verantwortung dafür, dass sich solche Dinge nicht wiederholen.

(Beifall bei der PDS)

Sie wissen genauso wie ich, dass es politischer Wille der vorangegangenen Regierung im Lande Brandenburg war, das Abwasserproblem im Lande Brandenburg bis zum Jahre 1995 zu lösen, auch unter den Bedingungen, die Welten von den Eurorichtlinien entfernt waren. Das ist Fakt. Es hat aber keinen Sinn, lange in der Vergangenheit herumzukramen, sondern wichtig ist, dass wir gemeinsam mit der Bevölkerung einen Konsens finden, wie wir auf dieser Strecke weiterkommen, wie wir uns von den alten Methoden des Jahres 1990 lösen, wo wir ebenfalls kilometerlange Leitungen verlegt haben.

Denken Sie daran! Herr Minister Fürniß hat es sehr richtig ausgedrückt: Konzentrieren wir uns auf zukunftsfähige Technologien! Sie sind in großem Maße vorhanden. Wissenschaftler und entsprechende Fachleute in entsprechenden Unternehmen haben bereits vor langem bewiesen, dass es dezentrale Anlagen gibt_ die von den infrage kommenden Bürgern bezahlt werden. Diese Bürger erwarten, dass sie aus der Anschlusspflicht entlassen werden und als freie Bürger unter Beachtung entsprechender gesetzlicher Bestimmungen, seien es gesundheitliche oder Umweltbestimmungen, ordnungsgemäß Gruppenanlagen schaffen können, die in der Lage sind, bessere Klärungsleistungen, bessere Reinigungseffekte zu erzielen, als sie von der modernsten zentralen Kläranlage erzielt werden können. Das sollten Sie in diesem Zusammenhang einmal überprüfen.

Wir haben die Verantwortung dafür, dass wir uns gemeinsam die Aufgabe stellen, einen Umbruch, eine Wende in der Abwasserpolitik dieses Landes herbeizuführen. Keine Bürgerin

(Beifall bei der PDS)

Wir sollten uns daran gewöhnen, vom Abwasser zum Nutz

wasser zu kommen. Das heißt auf gut Deutsch, dass da, wo das Wasser gefördert und gebraucht wird, das Wasser dem Naturkreislauf unmittelbar wieder zugeführt wird. Das bedeutet, dass wir nicht nur helfen müssen, das örtliche Klima zu verbessern; vielmehr verhelfen wir damit zu einer besseren Ausnutzung des Wassers unmittelbar in der Region, unmittelbar bei denjenigen, die Haus und Hof besitzen und Landwirtschaft in größerem Maße betreiben.

(Zurufe von der SPD)

Wenn der eine oder andere „Uhu!" ruft, dann ist das bestimmt ein Städter. Er hat diese Prozesse natürlich nicht am Halse, im Gegensatz zu demjenigen, der an der Peripherie einer Stadt wohnt. Wir sollten dementsprechend davon ausgehen, dass die Förderrichtlinie, die das Haus Birthler erarbeiten ließ, durchaus gute Ansätze zeigt. Das heißt, wenn dort Fördermittel in Höhe von 3 Millionen DM zur Verfügung stehen, dann sollte der Koalition unmittelbar eine bessere Grundlage geschaffen werden, um ein besseres Öffentlichkeitsbild für alle, die in diesem Parlament sitzen, zu erreichen. Diese 3 Millionen DM sollten unmittelbar für das Jahr 2000 um 500 000 DM erhöht werden. Im nächsten Jahr sollten sie um 2 Millionen DM erhöht werden. Bisher haben Sie das abgelehnt.

Das heißt, Sie sind eigentlich nicht bereit, die bisher geleistete Arbeit auf dem Gebiet der Abwasserpolitik - kilometerlange Leitungen, große Pumpsysteme - über Bord zu werfen.

Herr Abgeordneter Dobberstein, gestatten Sie Zwischenfragen?

Bitte schön, Herr Dellmann!

Herr Dobberstein, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass durch die Ausbringung eines Vermerks zur gegenseitigen Deckungsfähigkeit sehr wohl mehr Geld als 3 Millionen DM für Kleinkläranlagen zur Verfügung stehen wird?

Ja, das weiß auch ich. Aber ich muss davon ausgehen, dass Prof. Dr. Niesche Recht hat. Er hat auf einer größeren Veranstaltung eindeutig gesagt, dass das schriftlich gegebene Wort gilt. Damit hat er seinen Minister korrigiert, der in dieser Frage großzügiger war. Er hat dementsprechend zum Ausdruck gebracht: Wenn auf diesem Gebiet mehr Geld gebraucht wird und der entsprechende Nachweis vorhanden ist, dann ist er zum Tolerieren bereit.

Herr Dobberstein, auch der Abgeordnete Gemmel möchte eine Frage stellen.

Das lasse ich nur zu. wenn mir die Antwort nicht von der Redezeit abgezogen wird.

Nein, die Uhr ist angehalten.

Herr Dellmann hat schon darauf hingewiesen: Der Landtag beschließt die Deckungsfähigkeit und deshalb ist die Deckungsfähigkeit gegeben, auch wenn Herr Dr. Niesche es anders sieht. Die Mittel stehen also insgesamt zur Verfügung.

Herr Abgeordneter Gemmel, ich möchte Sie binen, eine Frage zu stellen.

Sind Sie wirklich der Meinung, dass es nchug ist. den Men sehen zu suggerieren, es stünden nur 3 Millionen DM zur \ CT • fügung?

Sie irren sich. Herr Gemmel. Nicht ich suggenere itis. sondern der Haushaltsansatz. Tatsache ist. dass eine sinnvolle Umschichtung ein politisches Signal an die Burger gewesen wäre.

(Beifall bei der PDS)

Ich glaube, dass uns diese 500 000 DM in diesem Jahr in keiner Weise belastet hätten; vielmehr würden wir letzten Endes dem Innenminister weniger Arbeit bereiten, weil weniger Ordnungswidrigkeiten, die sich in der Zukunft durchaus ereignen können, auf dieser Strecke begangen werden. Die Finanzministerin Simon wird Geld sparen, wenn die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger in stärkerem Maße vorhanden ist, ihre eigenen Anlagen zu finanzieren. Ich bin auch der Meinung, dass in diesem Zusammenhang bessere Voraussetzungen für die Wirtschaft vorhanden sind, weil der Streit in der Öffentlichkeit entfällt oder zumindest weitestgehend zurückgedrängt wird.

Herr Dobberstein, Sie fahren mit Ihrer eigentlichen Rede fort?