Protocol of the Session on August 26, 2004

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen zu Beginn der 100. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode einen guten Morgen.

(Klein [SPD]: Guten Morgen, Herr Präsident!)

- Guten Morgen, Herr Geschäftsführer! - Insbesondere begrüße ich die Gäste, die an unserer außerplanmäßigen Sitzung teilnehmen werden.

Zum Abschluss der Legislaturperiode besteht heute die Möglichkeit, sich in der Gruppe der Abgeordneten konterfeien zu lassen. Deswegen habe ich es zugelassen, dass der Fotograf vor Einstieg in die Tagesordnung Gelegenheit bekommt, das Plenum zu fotografieren.

Mit der Einladung ist Ihnen ein Entwurf der Tagesordnung zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite im Hinblick auf die Tagesordnung Bemerkungen? - Das ist nicht der Fall.

Dann möchte ich darauf hinweisen, dass wir dieses Mal auf eine Mittagspause verzichten wollen, da nur drei Tagesordnungspunkte abzuarbeiten sind.

Ich bitte Sie um Ihr zustimmendes Handzeichen, damit wir gemäß dem Entwurf der Tagesordnung verfahren können. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann verfahren wir so.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Herr Vietze hat viel zu erzählen. Aber der Tag ist noch lang. Vielleicht besteht später Gelegenheit dazu.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Wir sind bei Tagesordnungspunkt 1:

Aufklärung der Verantwortung der Landesregierung und der Landesvertreter in den Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsräten sowie der Geschäftsführer für den bisherigen Verlauf 1991 bis 2001 der Entwicklung a) der Landesentwicklungsgesellschaft für Städtebau,Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg (LEG) und b) der LEG-Gruppe, ihrer Töchter und Beteiligungen

Beschlussempfehlung und Bericht des Untersuchungsausschusses 3/2

Drucksache 3/7777

Zu dieser Drucksache gibt es zahlreiche Anlagen. Wer Einsicht nehmen möchte, hat Gelegenheit dazu. Die Verwaltung hat dafür gesorgt, dass die Unterlagen im Saal sind.

Das Wort erhält der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Herr Helm, bitte.

Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Am 12. September 2001 beantragte die PDS-Fraktion einen Untersuchungsaus

schuss zur Aufklärung der Verantwortung der Landesregierung und der Landesvertreter in den Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsräten sowie der Geschäftsführer für den bisherigen Verlauf 1991 bis 2001 der Entwicklung der Landesentwicklungsgesellschaft für Städtebau, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg und der LEG-Gruppe, ihrer Töchter und Beteiligungen.

Der Ausschuss sollte Sachverhalte prüfen: zum satzungsgemäßen Auftrag und Gesellschaftszweck inklusive der Aufsichtspflichten der Landesregierung, die Zusammensetzung der Aufsichtsräte und deren Arbeitsweise, die Zusammensetzung der Geschäftsführung und deren Aufgabenerfüllung, die Schlussfolgerungen der Geschäftsführung, der Aufsichtsräte und der Gesellschafter auf die Kritiken des Landesrechnungshofes, das Zusammenwirken mit den beteiligten Banken, den Aufbau und die Entwicklung der LEG und jeder einzelnen Gesellschaft der LEG/LEG-Gruppe ab 1991 bis 2001.

Dazu wurden im Untersuchungsgegenstand 16 Fragenschwerpunkte mit 89 Unterfragen formuliert.

Der Einsetzungsbeschluss durch den Landtag erfolgte am 20. September 2001.

Am 24. Oktober 2001 wurden die Ausstattung und die Sitzverteilung beschlossen sowie die ordentlichen und die stellvertretenden Ausschussmitglieder gewählt. Damit war die Arbeitsfähigkeit hergestellt.

Bis zum heutigen Tag wurden 52 Ausschusssitzungen mit einer Gesamtzeit von ca. 160 Stunden durchgeführt. Insgesamt wurden 40 Zeugen vernommen, davon zwei dreimal, sechs zweimal, 32 einmal. Die letzte Zeugenvernehmung war am 6. Juli 2004.

Das vorgelegte Beweismaterial umfasst 158 Aktenordner mit einer Gesamtlänge von 15 Metern.

Der vorliegende Bericht mit 682 Seiten ist das Extrakt dieser Materialfülle und der Zeugenaussagen.

Die Vorlage zum heutigen Tage war nur möglich, weil vom ersten Tag der Zeugenvernehmung an eine sofortige Zuordnung der Einzelaussagen zur Einzelfrage des Untersuchungsgegenstandes erfolgt ist.

Für diese immense Fleißarbeit des Ausschussdienstes und die Exaktheit der Protokollführung besonders der Zeugenvernehmungen möchte ich mich - sicherlich auch in Ihrem Namen bei allen damit befassten Personen recht herzlich bedanken.

(Allgemeiner Beifall)

Mein Dank geht aber auch an die Ausschussmitglieder und die Referenten. Es gab nicht eine Sitzung, die durch mangelnde Teilnahme gefährdet war. Der Wille zur Aufklärung war bei allen Mitgliedern ausgeprägt.

Differenzen hinsichtlich der Beweiswürdigung durch die Ausschussmehrheit führten zu einer erfolgreichen Klage der PDSFraktion vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg.

Die Formulierung des Untersuchungsgegenstandes durch die beantragende PDS-Fraktion war allerdings ebenfalls unge

wöhnlich. Sie sollte nicht als Vorbild für zukünftige Untersuchungsausschüsse gelten.

Die 89 Einzelfragen stammen im Wesentlichen aus dem Fragenkatalog für Wirtschaftsprüfer zur Prüfung wirtschaftlicher Verhältnisse entsprechend § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz. Daraus könnte man ableiten, dass die Abschlusstestate der Wirtschaftsprüfer die Antwort auf die Fragen der Untersuchung geben. Sollte das nicht der Fall sein, müsste man im Umkehrschluss unterstellen, dass diese nicht den Tatsachen entsprechen. Auf diese Ebene haben wir uns nicht begeben, sondern wir haben versucht, mit Akribie alle Fakten, Berichte und Aussagen zu beleuchten und einzuordnen.

Der vorliegende Bericht mit 682 Seiten soll gegenüber der Öffentlichkeit kein Totschlagargument sein. Die vielen Fragen und die davon abgeleitete exakte Gliederung erleichtern die Lesbarkeit und das Auffinden bestimmter Aussagen der einzelnen Personen. Allein an dieser umfangreichen Faktensammlung ist zu erkennen, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht umsonst war. Dennoch wurde und wird diese Meinung vereinzelt noch vertreten, weil das politische Votum, mehrheitlich beschlossen, dem Bericht fehlt.

Die Äußerung von Ihnen, Herr Christoffers und Herr Warnick, dass ein Haufen wilder Kerle am Werk gewesen sei, sehe ich äußerst positiv, bescheinigt sie doch, dass die Ausschussmitglieder eine hohe Vitalität besitzen;

(Klein [SPD]: Genau, das ist ein Kompliment!)

denn ohne diese wäre der Untersuchungsauftrag in diesem Zeitraum nicht zu meistern gewesen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich stand als Vorsitzender des Ausschusses vor der Aufgabe, einen Bericht in der vorliegenden Form zu präsentieren oder zu erklären, dass der Ausschuss sein Ziel verfehlt hat. Dies wiederum wäre der Öffentlichkeit gleich gar nicht vermittelbar gewesen.

Ein gemeinsamer Bericht war nicht mehrheitsfähig, eine Fraktion in der Bewertung zu kritisch, eine andere nicht kritisch genug.

Die Kritik im Votum der SPD dazu ist für mich nicht von Ehrlichkeit geprägt. Sie selbst, Herr Klein, haben dem Versuch der PDS-Fraktion, zu einem gemeinsamen Bericht zu kommen, nicht zugestimmt.

(Klein [SPD]: Da war doch die Zeit davor!)

Die nachfolgenden Redebeiträge der einzelnen Fraktionen bzw. der Ausschussmitglieder werden zeigen, dass die Sicht auf die Ergebnisse, die Ursachen und die personelle Verantwortung für das Scheitern der LEG eine große Bandbreite hat. Versuche im Vorfeld, bis zur letzten Ausschusssitzung einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, scheiterten. Aus meiner Sicht wäre die Einigung auf einige gemeinsame Positionen auch wenig zielführend gewesen, da die Gesamtdarstellung der Ursachen und Verantwortungen nicht deutlich geworden wäre.

Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, alles zu erfahren und sich eine individuelle Meinung zu bilden. Ein „weichgespül

ter“ Bericht, in dem Fakten und Verantwortlichkeit dem gesuchten Konsens zum Teil zum Opfer fallen, wird dem nicht gerecht.

Die Vorgehensweise, die politische Bewertung in Sondervoten dem Bericht anzufügen, ist sicherlich ein Novum. Sie ist der kritischen Beurteilung nicht abträglich, nimmt sie doch die einzelnen Fraktionen in die Pflicht, eine ganzheitliche Betrachtung und politische Bewertung der Fakten darzulegen. Diese Voten liegen mehr oder weniger umfangreich vor, 300 Seiten insgesamt. Trotz geäußerter Kritik kann man darüber denken, wie man will, die gewählte Vorgehensweise ist in jedem Fall besser, als keinen Bericht vorzulegen. Letzteres musste ich verhindern.

Während der gesamten Zeit der Tätigkeit des Ausschusses habe ich mich strikt bemüht, die Neutralität des Vorsitzes und die gleichberechtigte Mitwirkung aller Ausschussmitglieder zu gewährleisten. Durch die Tatsache, dass die heutigen Redebeiträge nicht offizieller Teil der Berichterstattung sind, kann ich jetzt den Rahmen der Neutralität verlassen und meine persönliche Sicht auf einige Aspekte des Untersuchungsauftrages darlegen.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Liquidation der LEG auf eine Summe von Faktoren zurückzuführen ist, die sich negativ ergänzten und damit potenzierten. Hätte man dem allgemeinen wirtschaftlichen Grundsatz: „Überdenke alles, ehe du entscheidest“ beachtet, wäre es zu dieser Entwicklung nicht gekommen. Das hätte allerdings handelnder Personen bedurft, die die Strategie: „Wie komme ich nicht in Probleme hinein?“ beherrschen. So war die Situation: „Wie komme ich aus den Problemen heraus?“ ständiger Begleiter. Der Zeuge Dr. Pfeiffer bezeichnete das Handeln als „zerfleddertes Vorgehen“ in Brandenburg.

Von einer klaren Definition, was Landesentwicklung bedeutet, war wenig festzustellen. Projektakquise auf Zuruf und „Wünsch dir was“-Denken waren an der Tagesordnung, anstatt eine konsequente prioritäre Projektplanung mit einer klaren Zielfunktion und Definition des Weges und des Finanzbedarfs bis zum Ende der Entwicklung einzuhalten. Das schließt aber nicht aus, dass Schwerpunkte angefasst und erfolgreich entwickelt wurden.

Die fehlende Ressortanbindung seit der Gründung war einer der Konstruktionsfehler. Eine Anbindung der LEG-Finanzen an den Landeshaushalt erfolgte nicht. Damit entstand ein der Kontrolle des Haushaltsgesetzgebers entzogener Schattenhaushalt, der im Ergebnis den Landeshaushalt auch in den kommenden Jahren noch erheblich belasten wird.

Das erfolgreichere Modell Thüringen, das diese Grundsätze beachtet, stand vielleicht deshalb nicht zur Debatte, weil es nicht aus Nordrhein-Westfalen kam. Hier hat sich Brandenburg als einziges Land für einen Sonderweg - den Brandenburger Weg mit dem bekannten Ergebnis - entschieden.