Heinrich Dietz
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Ja, ich nehme die Wahl an und danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Entwurf der PDS-Fraktion für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Thüringer Rechnungshof ist kein besonders geglückter Entwurf. Bei näherer Betrachtung kann man sich dem darin enthaltenen Lösungsansatz nicht anschließen. Die PDS-Fraktion schlägt eine Änderung des § 4 des Gesetzes über den Thüringer Rechnungshof vor. § 4 Satz 2 dieses Gesetzes lautet derzeit: "Die Mitglieder müssen die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes erworben haben." Satz 4 und 5 lauten: "Der Präsident oder der Vizepräsident und mindestens ein Drittel der übrigen Mitglieder müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Eine angemessene Anzahl der Mitglieder soll eine wirtschaftswissenschaftliche oder technische Vorbildung besitzen." Nach dem vorliegenden Entwurf der PDS wären für den Präsidenten und den Vizepräsidenten weder die Befähigung zum Richteramt noch die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes für die Ausübung ihres Amts Voraussetzung. Ich halte dies für keine gute Lösung und empfehle vielmehr, an der derzeitigen Regelung festzuhalten und begründe dies wie folgt:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass unsere Vorschrift § 4 Abs. 2 des Thüringer Rechnungshofgesetzes fast wörtlich mit § 3 Abs. 3 Bundesrechnungshofgesetz übereinstimmt, im Bund also die gleichen Anforderungen an die Qualifikation des Präsidenten und des Vizepräsidenten gestellt werden wie in Thüringen. Auch zahlreiche Rechnungshofgesetze anderer Länder verlangen, dass jedenfalls der Präsident oder der Vizepräsident sowie mindestens ein Drittel der weiteren Mitglieder die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Diese Vorgaben bestehen u.a. in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder auch in Niedersachsen. Die Gründe für die im Bund und den meisten Ländern geltenden Anforderungen an die Qualifikation der in Rede stehenden Persönlichkeiten sind nachvollziehbar und liegen auf der Hand. Da der Rechnungshof vor allem auch schwierige Rechtsfragen zu be
arbeiten hat, sollten der Präsident oder sein Stellvertreter, der Vizepräsident, und mindestens ein Drittel der übrigen Mitglieder die Befähigung zum Richteramt haben. Einige Länder verlangen sogar, dass sowohl der Präsident als auch der Vizepräsident über die Befähigung zum Richteramt verfügen, teilweise setzen sie die Zahl der juristischen Mitglieder noch höher an, z.B. das Saarland, Baden-Württemberg, Brandenburg und Bayern. Die bekanntermaßen erheblichen Anforderungen, denen die Mitglieder der Rechnungshöfe in ihren meist schwierigen Entscheidungen ausgesetzt sind, müssen sich auch in den Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter, insbesondere in juristischer und wirtschaftswissenschaftlicher Hinsicht niederschlagen. Diesem Erfordernis ist durch die derzeitige Rechtslage Rechnung getragen.
Daneben beurteilt die PDS die Aufgaben des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs nicht richtig, indem sie sich einseitig am Leistungsprofil eines Wirtschaftsexperten orientiert. Aber zu den Aufgaben des Präsidenten, im Vertretungsfall seines Vizepräsidenten, gehört vorrangig die Leitung der Behörde Rechnungshof und deren Vertretung nach außen. Das überwiegt gegenüber der eigentlichen Prüftätigkeit, d.h. der konkreten Überwachung und der Haushaltsführung der Landesbehörden usw. Der Präsident ist Hauptverwaltungsbeamter des Landesrechnungshofs und in dieser Eigenschaft Dienstvorgesetzter der Beschäftigten seiner Behörde. Dies erfordert insbesondere Kenntnisse des Personalrechts, Kenntnisse, die einem Wirtschaftsexperten gewöhnlich nicht geläufig sind. Da der Landesrechnungshof eine Einrichtung mit einer nach innen und außen wirkenden Behördenstruktur ist, sind auch umfassende Kenntnisse des Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozessrechts erforderlich. Hierfür eignen sich gewöhnlich Juristen und Beamte des höheren Dienstes besser als Wirtschaftsfachleute.
Noch ein Punkt: Die dem Landesrechnungshof von der Verfassung übertragenen Aufgaben, also die Prüftätigkeit, werden überwiegend von den Prüfungsbeamten des höheren und gehobenen Dienstes und den übrigen Mitgliedern des Kollegiums wahrgenommen, nicht quasi eigenhändig von dem Präsidenten oder dem Vizepräsidenten. Diesen obliegt mehr die Überprüfung und Überwachung der Tätigkeit ihrer Beschäftigten. Ihre Tätigkeit liegt also vornehmlich in der Leitung und Kontrolle des Rechnungshofs selbst. Wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse sind dafür nicht erforderlich, wohl aber rechts- und verwaltungswissenschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen.
Soweit der Landesrechnungshof die Behörden des Landes überprüft, erfordert diese Prüftätigkeit Kenntnisse des Verwaltungsaufbaus, des Verwaltungshandelns und der Ablauforganisation der kontrollierten Behörden, weshalb auch mindestens ein Drittel der Mitglieder die Befähigung zum Richteramt haben muss, so auch der Vorschlag der PDS. Um aber diese Mitglieder wiederum in ihrer Tätigkeit überwachen zu können, muss folgerichtig auch der Präsident oder der Vizepräsident dieselbe Befähigung haben.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist folgender: Der Präsident und der Vizepräsident sind nach jetzigem Recht - und dieses würde durch den Vorschlag der PDS insoweit nicht angerührt - in die Besoldungsgruppe B, also in eine Laufbahn des höheren Dienstes eingestuft. Es ist zumindest systemwidrig und unlogisch, diese Leitungspersonen zwar in die Besoldungsstruktur des höheren Dienstes einzugliedern, von ihnen aber nicht gleichzeitig die Voraussetzungen zu fordern, die an diese Besoldung geknüpft sind.
Noch ein kleiner Gesichtspunkt: Der PDS-Entwurf hat weitere Schwächen, z.B. lässt er die Verantwortlichkeit der Leitungspersonen offen. In § 6 Abs. 3 des jetzigen Gesetzes, den die PDS insoweit nicht ändern will heißt es: "Gegen den Präsidenten und den Vizepräsidenten können Disziplinarmaßnahmen nur in förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden." Wenn der Präsident und der Vizepräsident aber nach Ihrem Vorschlag nicht die Befähigung für die Laufbahn des höheren Dienstes haben müssen und sie im Einzelfall dann auch nicht haben, gibt es keine Möglichkeit für disziplinarrechtliche Sanktionen gegen sie; sie blieben gleichsam unangreifbar.
Und als letzten Punkt möchte ich darauf hinweisen, was die PDS hier will, ist für mich leicht durchschaubar. Sie wollen, meine Damen und Herren von der PDS, an der Spitze dieser wichtigen Behörde, die bewusst nicht nur auf haushaltstechnische Prüfungskompetenz, sondern auf richterliche Unabhängigkeit gegründet ist, eine reine politische Postenbesetzung. Dies würde aber dieser Behörde in ihrer Führungsspitze den Charakter der Beliebigkeit verleihen. Und das ist abzulehnen. An der Spitze müssen Personen stehen, die dem Regiment des Beamtenrechts unterstehen - sowohl was die persönlichen Voraussetzungen angeht, des Erlangens dieser Position, als auch was die Folge hieraus angeht, nämlich das besondere Gewaltverhältnis. Ich meine, dass man die spezielle Eigenschaft, auf die sogar die PDS bei einem guten Teil der Mitglieder des Landesrechnungshofs nicht verzichten will, nämlich auf die Befähigung zum Richteramt, auch für die Leitungspersonen fordern muss. Ich möchte dies mit einem Vergleich mit dem Kapitänspatent unterstreichen.
Sie kennen meine Vorliebe für die Seefahrt. Herr Kretschmer ist leider nicht mehr da.
Wenn von einem Teil der Mannschaft, also einem Drittel der Mitglieder des Landesrechnungshofs, die Befähigung zum Richteramt gefordert wird, das ist doch auch Ihre Position, gleichsam das Kapitänspatent, dann sollte es für den Chef der Kommandobrücke, also den Präsidenten oder seinen Vertreter, nicht genügen, dass er das Diplom eines Maschinisten oder Bordingenieurs besitzt.
Der PDS-Vorschlag würde das Ansehen und die innere Autorität des Behördenleiters schwächen, wenn von diesem eine geringere Qualifikation gefordert würde als von seinen Mitarbeitern, zumindest von einem Drittel seiner Mitarbeiter im Leitungsgremium. Daher meine Forderung, für den Mann auf der Kommandobrücke mindestens dieselbe Qualifikation wie für die Mannschaft, also das Kapitänspatent. Der PDS-Entwurf würde dies aber gerade nicht herbeiführen. Deshalb plädiere ich für seine Ablehnung. Vielen Dank.