Stanislaw Tillich

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Herr Ministerpräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem kurzen Bericht aus der Tätigkeit der Kommission für Wachstum, Strukturentwicklung und Beschäftigung – so heißt sie, und so wird sie auch weiter heißen, auch wenn einige anderer Auffassung sind – beginnen. Wir haben uns damit beschäftigt, zuerst eine Faktensammlung anzustrengen zur strukturwirtschaftspolitischen, aber auch sozialpolitischen
Bedeutung einerseits der Energieerzeugung aus Kohle und andererseits zu den Klimazielen und zu den eingegangenen internationalen Vereinbarungen, zu den Auswirkungen auf Deutschland und auf die Welt.
Jedem ist klar – auch hier in der Runde, glaube ich –, dass es auch ohne die Arbeit der Kommission aufgrund der genehmigten Kohleabbaupläne und der Laufzeit der Kraftwerke zu einem Ausstieg aus der Kohleverstromung kommt. Man kann darüber diskutieren, ob es fünf Jahre früher oder fünf Jahre später ist, ob sich der Markt bewegt oder nicht. In jedem Fall ist dies klar. Seit 1990 – sage ich jetzt einmal an einige Redner zuvor – gibt es in den Regionen der Lausitz und Mitteldeutschlands, aber auch im Hettstedter Revier und im rheinländischen Revier schon einen stattfindenden Strukturwandel, einen gewaltigen Strukturwandel. Herr Kollege Meyer hat nicht nur auf die Zehntausenden Arbeitsplätze hingewiesen, die verlorengegangen sind, sondern auch auf die Tausenden Arbeitsplätze, die in neuen Unternehmen entstanden sind.
Kommt es zu einem politisch gewollten und beschlossenen früheren Aus der Braunkohle, wird es zwingend notwendig sein, diesen Strukturwandel zu beschleunigen. Das heißt, wir müssen vorher – und so steht es auch im Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung – dafür Sorge tragen, dass es klar ist, dass es neue und alternative Arbeitsplätze in diesen Regionen geben wird. Dazu braucht es tragfähige Geschäftsmodelle, nicht irgendwelche Ideen und Vorschläge, sondern tragfähige Geschäftsmodelle mit Zukunftsperspektiven in diesen Regionen. Es braucht auch keine Strohfeuer oder Pilotprojekte, wie wir sie in der Vergangenheit hatten und leider niedergehen sahen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden uns der Frage stellen müssen: Warum investiert jemand in der Lausitz? Warum investiert er in der Lausitz oder im Landkreis Leipzig und nicht in Kassel, im Allgäu oder in der Eifel? Das heißt, wir brauchen besondere Anreize, regulatorisch, infrastrukturell und auch finanziell, damit das stattfindet, was in der Vergangenheit nicht in dem ausreichenden Maße stattgefunden hat, wie wir uns das gewünscht hätten. Wir brauchen darüber hinaus wettbewerbsfähige und bezahlbare Energiepreise. Wir brauchen Versorgungssicherheit und vor allem: Wir wollen keine Deindustrialisierung.
Das ist uns allen in der Kommission klar. Wir ringen um die richtigen Lösungen. Wir ringen um die richtigen Weichenstellungen. Wir beginnen gerade mit der inhaltlichen Debatte, nachdem wir uns am letzten Montag auf eine Gliederung zu dem Bericht verständigt haben. Diese geht davon aus, dass der Bericht im Dezember, wie es von der Bundesregierung gefordert ist, vorliegen wird oder eben nicht vorliegen wird. Eine Zwischenlösung wird es nicht geben, sondern es wird einen tragbaren, miteinander vereinbarten und mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossenen Bericht geben.
Eines muss uns allen klar sein: Die Anforderung an die Kommission ist gewaltig; denn an den Vorschlägen, die
von uns vorgelegt werden, werden sich die anderen 46 Kohleregionen in der Europäischen Union ausrichten. Gelingt diese Energiewende nicht, haben die Menschen in diesen Regionen keine Zukunftsperspektive. Dann werden auch die anderen in der Europäischen Union sich genau danach ausrichten, wie die Energiewende in Deutschland entweder gelungen oder eben nicht gelungen ist.
Ich gehe davon aus, dass nicht nur die Inder und die Chinesen darauf schauen, was wir gegenwärtig machen, sondern auch, wie wir damit umgehen und ob wir dabei in der Lage sind, Lösungen anzubieten, einen solchen Strukturwandel zu bewältigen, dass eine gelungene Energiewende unter den Kautelen, die ich beschrieben habe, möglich ist.
Die Menschen in der Lausitz und in der mitteldeutschen Region wollen verbindliche und verlässliche Zukunftsperspektiven. Sie wollen nicht einfach nur Worte. Sie wollen sehen, dass sich für sie in der Tat etwas tut.
Es geht in der Kommission nicht allein, wie es manchmal etwas übertrieben dargestellt wird, um ein oder zwei Grad Erderwärmung oder um eine eingesparte CO2-Tonne. Es geht nicht allein um die Menschen auf den Pazifikinseln. Es geht auch um die Menschen in der Nachbarschaft.
Ich habe damit jetzt die vierte Rederunde eröffnet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht auch um die Mitbürger vor unserer Haustür. Deshalb sage ich: Die inhaltliche Debatte dazu hat gerade erst begonnen, und – ich wiederhole mich – ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, dass wir hier eine schwierige, aber nicht unlösbare Aufgabe in der Kommission werden meistern können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit bin ich bei dem Inhaltlichen schon am Schluss.
Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, da ich das letzte Mal hier an diesem Mikrofon stehe, mich bei Ihnen persönlich zu verabschieden. Es ist meine letzte Plenarsitzung. Ich bin dankbar für die Zeit, in der ich als Landtagsabgeordneter und in verschiedenen Regierungsämtern habe diesen Menschen und diesem Land dienen dürfen. Ich danke allen in der Koalition, meiner eigenen Fraktion und den Koalitionsfraktionären, aber auch der Opposition für das stets kollegiale Miteinander.
Bei allem Streit um die Sache, liebe Kolleginnen und Kollegen, ging es und geht es und sollte es zukünftig auch immer um einen kollegialen, kulturvollen zivilen Umgang
miteinander gehen. Man kann es auch Mitmenschlichkeit nennen. Sie wissen alle, dass Worte verletzen können. Verletzenden Worten folgen nicht nur verletzende Worte, sondern – wir haben es erleben müssen – auf der Straße, bedauerlicherweise auch bei uns in Sachsen, eben auch Verletzungen von Menschen.
Deswegen bin ich der Überzeugung, dass es die diesem Hohen Hause letztendlich zustehende Verantwortung ist, Vorbild zu sein. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es Ihnen gelingt – die Debatte gerade war so schlecht nicht –, dass man kulturvoll, auch zivilisiert miteinander streitet in der Sache, aber eben das Gegenüber immer respektiert.
Glück auf! Gott schütze Sie und unser Land!
Vielen Dank.
Ja, mit Gottes Hilfe. Haj. Z Božej pomocu.