Annegret Krauskopf

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rechtzeitig zum „Tag der Medienkompetenz“ liegt ein Antrag der Regierungskoalition vor, in dem eine Initiative Kinder- und Jugendmedienschutz 2006 gefordert wird. Sinnvoller wäre es gewesen, Sie hätten den „Tag der Medienkompetenz“ abgewartet, um die Ergebnisse, die Kinder und Jugendliche erarbeitet haben, auch noch auszuwerten. Dieser Antrag hat also eine Alibifunktion.
Die Länge des Antrags sagt nichts über seine Qualität aus. Man gewinnt den Eindruck, dass sich die Regierungskoalition verpflichtet fühlte, zum „Tag der Medienkompetenz“ einen Antrag einzubringen. Aus meiner Sicht beinhaltet dieser Antrag keine neuen Erkenntnisse. Er listet in erster Linie bestehende Maßnahmen und Angebote auf und fordert die Konsolidierung dieser Angebote. Er ist weder zukunftsweisend noch lösungsorientiert. Dass zum Beispiel Medienkompetenz generationsübergreifende Aspekte hat, ist uns allen bekannt. Dass immer neue Medien den Markt beherrschen und Kinder und Jugendliche davon Gebrauch machen, ist uns auch bekannt.
Beim Lesen dieses Antrags habe ich mir die Frage gestellt, ob Ihnen nicht bewusst ist, dass Medien
kompetenz mehr als nur Jugendmedienschutz beinhaltet. Wir haben ein Jugendschutzgesetz, das alle Bereiche des Kinder- und Jugendschutzes umfasst. Wenn wir die Möglichkeiten des Jugendschutzgesetzes nutzen – so denke ich –, haben Kinder und Jugendliche eine größtmögliche Absicherung.
Die Änderung und die Verschärfung von Gesetzen sowie die Forderung nach mehr Kontrolle helfen Kindern und Jugendlichen nicht, ihre Medienkompetenz zu stärken. Sinnvoll wäre es, im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, um damit Kindern und Jugendlichen bestmögliche Voraussetzungen für ihre Entwicklung zu schaffen.
Elternhaus und Schule spielen hierbei eine große Rolle.
Hier spreche ich Sie, Herr Ministerpräsident, in Abwesenheit ganz persönlich an.
Ihre Wahlkampfversprechen, Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in den Fokus Ihres Handelns zu stellen, erweisen sich als Wahlkampfgeplänkel. Sie sind derjenige, der ressortübergreifend die Mittel zur Verfügung stellen kann. Indessen lassen Sie den zuständigen Minister – ist der auch nicht mehr da? – im …
… Regen stehen.
Trotz besseren Wissens und – so denke ich – auch Wollens muss Herr Minister Laschet Ihre Politik der sozialen Kälte vertreten. Sie gehen durchs Land und versuchen, den Menschen zu suggerieren, dass das Jahr 2006 das Jahr der Kinder, der Bildung und der Familie sei. Die Menschen merken aber, dass gerade diese Bereiche von starken Kürzungen betroffen sind. Menschen gehen auf die Straße, um Sie an Ihre Wahlversprechen zu erinnern – auch Menschen mit einem CDUParteibuch. Und in Dortmund haben Sie, Herr Ministerpräsident, gerade den Pinocchio-Preis verliehen bekommen.
Medienkompetenz und Jugendmedienschutz betreffen alle Bereiche der Kinder- und Jugendpolitik und müssen auch fiskalisch ressortübergreifend gesehen werden.
Wenn es unser Ziel ist, Kindern und Jugendlichen Medienkompetenz zu vermitteln, dann müssen wir sie in ihrer gesamten Persönlichkeit stärken. Das heißt, wir als verantwortungsbewusste Politiker müssen Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, dieses Ziel zu erreichen. Starke Kinder und Jugendliche können Entscheidungen treffen und entsprechend mit den Medien umgehen.
Gewaltdarstellungen in den unterschiedlichen Medien prägen das Verhalten des Menschen insgesamt – nicht nur das der Kinder.
Gesetze können unterstützend wirken. Verbote können an manchen Stellen Sinn machen. Ein gesetzliches Handyverbot an Schulen würde das Problem nicht lösen. Denn der Rektor kann es heute schon aussprechen. Die Schulverfassung sollte gemeinsam mit den Schülern demokratisch abgeklärt und somit transparent gemacht werden.
Die Regierungskoalition fordert unter anderem, den Handel stärker zu kontrollieren. Das bedeutet: Die Kommunen werden wieder einmal in die Pflicht genommen und wieder einmal belastet.
Wir Erwachsene stehen vor allen in der Verantwortung, Kindern den Weg zu einer sinnvollen Nutzung der neuen Medien zu weisen, sodass letztendlich der Nutzer das neue Medium beherrscht und nicht von ihm beherrscht wird. Dazu benötigen Eltern Hilfe und Unterstützung. Dies gilt aber ebenso für die Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieher.
Das globale Angebot über das Internet bietet vielfältige Möglichkeiten, und wir haben überhaupt keinen Einfluss darauf, was weltweit in das Netz gestellt wird.
Die großen Internetanbieter sind sich diesbezüglich ihrer Verantwortung bewusst und haben eine Eigeninitiative gegen Gewalt im Internet ins Leben gerufen. Die Selbstverpflichtung der Medienanbieter entspricht allzu oft nicht den hohen moralischen Ansprüchen, die man stellt, ist aber trotzdem ein sinnvoller Beitrag zum Kinder- und Jugendschutz.
Der beste Kinder- und Jugendschutz kann nicht durch ein Gesetz, das von außen kommt und
strafrechtliche Konsequenzen hat, erreicht werden. Wir brauchen starke Kinder und Jugendliche. Wir brauchen eine Familienpolitik, die der derzeitigen gesellschaftlichen Situation gerecht wird. Wir brauchen eine Bildungspolitik, die Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten schafft, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entfalten und zu leben.
Ich unterstütze den vierten Absatz Ihres Antrages, in dem es heißt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:
„Mit allen Schutzmechanismen wird man aber immer nur einen Teilerfolg erzielen können. Wichtiges Ziel ist daher auch die Entwicklung von Medienkompetenz, sowohl bei Kindern und Jugendlichen, aber nicht zuletzt auch bei den Eltern. Nur medienkompetente Bürger können kritisch und verantwortungsvoll mit der medialen Vielfalt umgehen.“
Den letzten Satz würde ich nicht so übernehmen. Ich würde das Wort „medienkompetente“ durch „nur in ihrer Persönlichkeit gestärkte“ ersetzen und nach „verantwortungsvoll“ das Wort „auch“ einfügen.
Daher bitte ich Sie, Herr Minister Laschet: Nehmen Sie die Volksinitiative ernst, und halten Sie Ihr Versprechen, die Kürzungen in der Kinder- und Jugendpolitik zurückzunehmen und somit Kindern und Jugendlichen ein Heranwachsen in einem geschützten Raum zu sichern. Handeln wir jetzt! Denn Kinder und Jugendliche sind nicht nur unsere Zukunft – sie sind unsere Gegenwart.