René Rock
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Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Wissler, ich möchte nun in dieser Form eine Frage an Sie richten, die Sie allerdings nicht zu beantworten brauchen. Dennoch möchte ich in diesem Zusammenhang noch auf etwas hinweisen: Sie haben sich gerühmt, dass Sie demonstriert hätten und dass dies wichtig gewesen sei. Ich hingegen war beispielsweise bei der öffentlichen Vorstellung der Messdaten in Bezug auf die Schadstoffbelastung der Luft,die auf dem E.ON-Gelände von unabhängigen Sachverständigen vom TÜV Süd vorgestellt worden sind. Dort habe ich Sie bzw.andere Mitglieder Ihrer Partei allerdings vermissen müssen. Sie sind immer dabei, wenn es darum geht, irgendwelche polemischen oder auch politischen Statements abzugeben, doch wenn es darum geht, Sachkunde zu erlangen sowie sich zu informieren, muss ich Sie leider immer vermissen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch von mir zunächst Glückwünsche an die Ministerin.
Ich muss auf zwei, drei Dinge Bezug nehmen, die Frau Fuhrmann hier erklärt hat.Frau Fuhrmann,Sie haben sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Sie müssen sich darüber im Klaren sein,dass vieles von dem,was Sie heute vorgetragen haben, auch davon abhängig ist, ob Sie den kurzen Sprint, den Sie als SPD angetreten haben, zu Ende führen oder nicht. Das werden wir in aller Ruhe beobachten und dann sehen, ob Sie wirklich dort ankommen, wo Sie hinwollen.
Am meisten hat mich an Ihren Ausführungen verwundert, dass Sie als SPD – die Kollegen der LINKEN natürlich auch – immer das Bild einer Gesellschaft malen, die am Abgrund steht, in der so viele Dinge schlecht laufen, so viele Dinge schlecht sind und es den Menschen schlecht geht. Das ist das Bild, das Sie hier immer wieder zu malen versuchen.
Da frage ich mich immer – vielleicht sollte sich das jeder in diesem Hause fragen –: Wer hat die Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn Jahren regiert? – Die SPD hat dieses Land in den letzten zehn Jahren regiert.
Sie von der SPD erklären immer und jedem, wir brauchten einen gesetzlichen Mindestlohn. Als Sie die Kohl-Regierung abgelöst haben, hätten Sie doch die Chance gehabt,einen Mindestlohn einzuführen.Da hat kein Mensch in Deutschland an so etwas gedacht.
Sie haben das nicht durchgesetzt. Sie hatten die Mehrheit und haben keine Mindestlöhne eingeführt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihre Partei regiert dieses Land seit zehn Jahren. Deshalb ärgert es mich, wenn Sie hier immer so tun, als hätten Sie mit den Verhältnissen in diesem Land nichts zu tun. Sie sollten mit ein bisschen
mehr Demut hier antreten und sich an die Dinge erinnern, für die Sie Verantwortung tragen.
Jetzt möchte ich gerne etwas zur Agenda 2010 sagen. Das Thema, das die Ministerin ins Zentrum ihrer Regierungserklärung gestellt hat, war: Wirkt die Agenda 2010? Gibt es weniger Arbeitslose und mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte? Das ist das Thema, dem ich mich hier widmen möchte.
Die Agenda 2010 wirkt; das ist sicher richtig. Wirkt sie aber so,wie es sich die Initiatoren damals überlegt haben? Sind die Ziele erreicht worden, ist die Agenda so umgesetzt worden, wie man sich das damals vorgestellt hat? An dieser Stelle muss ich feststellen, dass die Agenda 2010 zu einem Symbol geworden ist. Man ist dafür, oder man ist dagegen, aber wir sollten die einzelnen Aspekte der Agenda einmal konkret betrachten. Was war wirksam, was war nicht wirksam? Ich glaube, dass es die Agenda 2010 gerade im Bereich des Arbeitsmarktes verdient, dass man ein wenig konkreter hinschaut.
Genau das möchte ich tun. Ich möchte mich mit den vier Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt beschäftigen, die den Kern der Agenda 2010 ausmachen. Das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen beinhaltet die Zeitarbeit, Erleichterungen der Einführung neuer Formen der Arbeit,die Förderung der beruflichen Weiterbildung und die Gewährung von Unterhaltsgeld durch die Arbeitsagenturen.
Ich möchte mich hier auf das Thema Zeitarbeit konzentrieren. Von den genannten vier Punkten ist der Aspekt Zeitarbeit am erwähnenswertesten, denn hier sind Änderungen im Bereich der Verleihzeit und der Angleichung der Löhne der Stammbelegschaften umgesetzt worden. Das hatte zur Folge, dass die Zeitarbeitsfirmen Jobmotor Nummer eins in Deutschland geworden sind. 730.000 Menschen sind in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Darunter sind 66.000 Beschäftigte, die ergänzende Hilfe nach SGB II bekommen. Das sind gut 9 %. Dieser Prozentsatz liegt weit unter dem Durchschnitt der Beschäftigten allgemein. Man kann also nicht sagen, dass die Zeitarbeit in diesem Bereich besondere Probleme aufwirft. Sie müssten sich die Zahlen einmal genauer anschauen. Das ist nicht so.
Der positivste Effekt im Bereich der Zeitarbeit ist der sogenannte Klebeeffekt. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht die höchste Zahl nennen, die von Gutachten ausgewiesen werden, sondern einen Mittelwert nehmen. Danach bekommen 25 % der Menschen, die über Zeitarbeitsfirmen in Betriebe kommen, dort eine Festanstellung. Das ist der positivste Effekt der Zeitarbeit. Genau dieser Effekt muss gestärkt werden.
Damit stehen wir in absolutem Widerspruch zu dem, was Frau Fuhrmann hier erklärt hat und was mit Zahlen überhaupt nicht zu belegen ist.
Sie müssen sehen, dass in Deutschland rund 1 % der Arbeitnehmer in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind. In Frankreich sind es 2,1 %, in den Niederlanden 2,5 % und in England 5 % der Beschäftigten.Hier zeigt sich,dass wir sogar ein bisschen Luft nach oben haben und in diesem Sektor noch mehr Beschäftigung initiieren können. Für
mich bedeutet das: Hartz I ist der Teil der Agenda, der wirklich wirkt. Deshalb ist er wirklich gut und muss von uns unterstützt werden.
Kommen wir zum Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Das Pseudonym dafür ist die Ich-AG. Das ist wohl jedem im Bewusstsein. Außerdem gehören dazu die Bekämpfung der Schwarzarbeit – das haben sich schon viele auf die Fahne geschrieben –, die Einrichtung von Jobcentern sowie Regelungen der Beschäftigungsarten, Minijob und Midijob.
Von diesen vier Punkten ist der bekannteste die sogenannte Ich-AG. Dieser Ansatz hat viele Menschen in eine echte Katastrophe geführt. Schauen Sie sich an, wie viele Menschen in der Schuldnerberatung gelandet sind, die in eine Ich-AG abgedrängt worden sind.
Ich glaube, dass das Thema Ich-AG kein positives Thema war. Ich glaube auch, dass die Initiativen, die im Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt genannt sind, kein Erfolg waren, dass sie wenig positive Entwicklung gezeigt haben und deshalb nicht weiterverfolgt gehören.
Das ist Einschätzungssache, Herr Kollege. – Ich denke, das zweite Gesetz kann man ruhig in der Schublade verschwinden lassen.
Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt betrifft die Restrukturierung und den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in die Bundesagentur für Arbeit. Diese Umstrukturierung – da werden mir viele recht geben – hat vor allem die Beraterfirmen gefreut.Die haben daran richtig viel Geld verdient.
Ob sich außer dem Wechsel des Namens wirklich etwas maßgeblich geändert hat, müsste mir einmal jemand beweisen. Da habe ich größte Zweifel.
Ich denke, es ist allgemein bekannt, dass wir, die FDP, einen ganz radikalen Lösungsansatz vertreten, was die Arbeitsagentur betrifft. Dazu stehen wir. Darum glauben wir auch, dass Hartz III nicht gewirkt hat.
Jetzt komme ich zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.Das ist das Gesetz,womit die Agenda 2010 eigentlich am meisten verbunden wird und das auch immer wieder im Zentrum des Interesses steht. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist das zentrale Gesetz der Agenda 2010, zumindest was die Auslegung angeht. Es ist seit dem 01.01.2005 gültig. Ob dieses Gesetz tatsächlich zur Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit beigetragen hat, lässt sich bei dieser Datenlage momentan nicht wirklich im Detail evaluieren.
Die Einschätzung, dass dieses Gesetz eine grundsätzliche Änderung des alten Sozialstaats herbeigeführt hat, ist sicherlich unbestritten. Das Ziel, den Sozialstaat weiterzuentwickeln, also von einem alimentierenden Staat zu einem aktivierenden Staat überzugehen und eine aktivierende Arbeitsmarktstrategie zu schaffen, ist zumindest
grundsätzlich erreicht. Das ist aus unserer Sicht zu begrüßen.
Die beiden Elemente der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik, nämlich Fördern und Fordern, müssen aber dringlich – darin stimmen wir mit den GRÜNEN überein – weiter vorangetrieben, umgesetzt und verfeinert werden. Da besteht noch viel Handlungsbedarf.
Zu der erhofften Offensive und den erhofften positiven Strukturveränderungen aufgrund der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist es vielerorts nur bedingt gekommen, da die verschiedenen Verwaltungen nicht immer wirklich konstruktiv zusammenarbeiten. Ich glaube, dort wird viel Augenwischerei betrieben.Wer sich einmal die Details anschaut, bemerkt, dass es im System an vielen Stellen noch knirscht.
Jedenfalls hat die Zusammenlegung von zwei Verwaltungen oftmals einen Stellenmehrbedarf ausgelöst, anstatt Personalreserven zu heben.Auch das ist eher bedauerlich und nicht positiv zu sehen.
Warum ist es dazu gekommen? Ich will es Ihnen sagen: Die Vorbereitung, die rechtliche und verfassungsmäßige Absicherung, der Zeitplan und die Vorgaben für die Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt waren schlecht. Diese schlechten handwerklichen Arbeiten waren sozusagen das Markenzeichen der Regierung Schröder, und das hat sich auch im vierten Gesetz in der Form fortgesetzt.
Erschreckend ist allerdings, dass das kleine Pflänzchen des aktivierenden Fallmanagements, das in den Argen und in den Optionskreisen immer stärker wächst und das auch von den Menschen vor Ort – von den Fallmanagern – intensiv gefördert wird, durch Bundesarbeitsminister Scholz, der ebenfalls ein SPD-Politiker ist, drangsaliert wird.
Das steht in absolutem Widerspruch zu dem, was Frau Fuhrmann an dieser Stelle gesagt hat.
Bei Hartz IV ergibt sich aus Sicht der Liberalen somit ein durchwachsenes Bild. Noch nie hat ein Gesetz im Nachkriegsdeutschland eine solch gewaltige Auswirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung gehabt. Das Absurde daran ist, dass es so wirksam war, obwohl es nur schleppend und unvollständig umgesetzt worden ist. Vielleicht lag es gerade an dieser schleppenden und unvollständigen Umsetzung, dass es diese Wirkung erzielen konnte.
Ich will noch einmal etwas zu den Erfolgszahlen sagen,die Frau Ministerin Lautenschläger hier vorgetragen hat. Mit den Zahlen ist es immer so eine Sache: Wer lange genug sucht, findet immer die Zahlen, die er braucht.
Von daher möchte ich Ihnen einmal die Zahlen der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit vom 28. August vortragen. Der Abbau der Arbeitslosigkeit konzentriert sich, wie auch in den vergangenen Monaten, auf den Rechtskreis des SGB III. Hier sank die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 8,3 % und im Vergleich zum Vorjahresmonat um 24,5 %. Im Rechtskreis des SGB II, also bei den Langzeitarbeitslosen, sank die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat um
1,7 % und im Vergleich zum Vorjahresmonat um 11 %. Das ist logisch: Dadurch steigt nämlich auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen an sich. Diese statistische Entwicklung kann man also auch anders interpretieren.
Darum ist es wichtig, dass endlich eine wissenschaftliche Evaluation vorgelegt wird. Dann können wir tatsächlich einschätzen, wie und wo das SGB II, also die Umsetzung von Hartz IV, wirkt und wo wir unbedingt nachsteuern müssen.
Nach meiner Ansicht gibt es bei Hartz IV noch große Optimierungspotenziale. Hier kann auch das Land Hessen offensiv werden und noch einiges dazu beitragen,damit es vor Ort besser läuft.
Aus dieser Betrachtung lässt sich meiner Ansicht nach folgender Schluss ziehen: Die vier Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, genannt Agenda 2010 – es gehört noch etwas mehr dazu; aber das ist es, was die Menschen zentral im Blick haben –, wirken nur in wenigen Bereichen positiv. Sie sind oftmals Stückwerk. Sie tragen die Krankheit ihrer Väter in sich. Es gibt nämlich maßgebliche handwerkliche Fehler,die wir jetzt nachträglich ausbügeln müssen.
Sie sind das unvollkommene Resultat der Erkenntnis von Herrn Schröder und den damals Mitwirkenden, dass der alte Sozialstaat der Bundesrepublik den Herausforderungen der Zukunft und des wiedervereinigten Deutschlands nicht mehr gewachsen war. Dies ist eine Erkenntnis, die sich endlich bei uns allen festsetzen muss.
Die alte Sichtweise, wonach Arbeitsmarktpolitik nur Wirtschaftspolitik ist, die sich lediglich mit den Marktregeln befasst, ist durch die neue Sichtweise ersetzt worden, die sich mittlerweile jeder angeeignet hat, wonach Arbeitsmarktpolitik gleichzeitig auch Sozialpolitik ist. Für uns Liberale hieß es schon immer, dass sozial ist, was Arbeit schafft.
Das ist ein Grundsatz, den die FDP schon lange vertritt.
Ein Arbeitsplatz ist viel mehr als ein Instrument, um das Armutsrisiko zu verringern.Arbeitslosigkeit – bzw. Langzeitarbeitslosigkeit – führt sehr schnell zu psychosozialen Erkrankungen.
Ich hatte vor kurzer Zeit ein intensives Gespräch mit Mitgliedern einer Selbsthilfegruppe von Menschen über 45 Jahren, die sich zusammengeschlossen haben, um über das Thema Arbeitslosigkeit und ihre Probleme zu reden. Sie haben versucht,über das,was ihnen der Staat anbietet, Wege aus der Arbeitslosigkeit zu finden. Dieser Gruppe haben fast nur Frauen angehört. Mir wurde mitgeteilt, man habe den Eindruck, dass Männer ganz andere Verdrängungsmechanismen nutzen, die eher destruktiv sind.
In Gesprächen mit diesen Menschen wird einem sehr schnell klar, dass Arbeitslosigkeit krank macht. Deshalb ist es das Ziel der FDP, Bedingungen dafür zu schaffen, dass Arbeitsplätze entstehen können und dass die aktivierenden Leistungen des Staats zu einer partnerschaftlichen
Leistung für seine Bürger werden, womit den Menschen durch Fördern und Fordern ein Weg zurück in die Arbeitswelt ermöglicht wird. Das ist wirkliche Sozialpolitik.
Zurzeit zeichnet sich ab, dass wir auf dem Arbeitsmarkt einen Akademiker- und auch einen Facharbeitermangel haben. Unser größtes Sorgenkind ist nach wie vor der Niedriglohnsektor.
Die FDP vertritt hier den Ansatz eines aktivierenden Bürgergelds, wonach jedem Bürger ein Mindesteinkommen garantiert ist, dessen Höhe es ihm aber sinnvoll erscheinen lässt, auch Zuverdienstmöglichkeiten zu nutzen, die schlechter bezahlt sind und vielleicht sogar seiner Leistungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt angemessen sind. Von daher haben wir als eine der wenigen Parteien wirklich eine Antwort auf die entscheidenden sozialen Fragen. Diese können nicht durch einen Mindestlohn, sondern nur durch ein Mindesteinkommen, eben das Bürgergeld der FDP, gelöst werden.
Abschließend möchte ich feststellen: Die Agenda 2010 war aus meiner Sicht eine Risikogeburt mit massiven Komplikationen und sehr unangenehmen Nebenwirkungen, z. B. der Entstehung der Partei DIE LINKE.
Auch wenn das Kind klein und unansehnlich ist, ist es an uns, seine Zukunft positiv und erfolgreich zu gestalten. Wir als FDP wollen das machen; denn wenn dieses Kind erwachsen ist – das wird es bald sein –, wird es schön aussehen, ein süßes Baby sein. Es wird sich weiterentwickeln, und es wird uns weiterbringen. Irgendwann – davon bin ich fest überzeugt – werden auch die Nebenwirkungen dieser Geburt verschwunden sein. Auch das ist ein Ziel unserer Politik.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Herr Rock. – Als nächster Rednerin darf ich Frau Schulz-Asche für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich will ein paar Worte zu der Petition bzw.zur Familie Kazan sagen. Die Abgeordneten der FDP im Petitionsausschuss haben sich in der Sondersitzung des Ausschusses am 31. Juli dafür ausgesprochen, dass Frau Kazan und ihren Kindern eine Rückkehr nach Deutschland für einen zunächst begrenzten Zeitraum ermöglicht wird.
Den Kindern der Familie Kazan wurde durch Gerichtsurteil des VG Frankfurt das Recht auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zuerkannt. Das Land Hessen hat hiergegen Berufung eingelegt. Bereits in der letzten Debatte im Plenum zu diesem Thema hat die FDP dargelegt, dass sie die Urteilsbegründung für sehr nachfragefähig hält. Es bleibt abzuwarten, welches Urteil im Berufungsverfahren ergehen wird. Sollte das Land Hessen im Berufungsverfahren scheitern, wird das für alle ausländischen Familien in Hessen, die nach dem Aufenthaltsgesetz ausreisepflichtig sind, aber aufgrund ihres langen Aufenthalts hier geborene und gut integrierte Kinder haben, zu Aufenthaltserlaubnissen führen. Das wäre ein Präzedenzfall, der sehr große Auswirkungen hätte.
Da nicht auszuschließen ist, dass die Familie Kazan auf diesem Wege doch noch ein Aufenthaltsrecht erhält, wäre es aus humanitären Aspekten aus unserer Sicht notwendig, der Familie Kazan, gerade den Kindern, zu ermöglichen, bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens weiterhin die deutsche Schule zu besuchen. Die Familie, be
sonders die Kinder, sind der türkischen Sprache in Wort und Schrift nicht hinreichend mächtig,um in das türkische Schulsystem integriert zu werden. Sie hätten später wieder Probleme, den Anschluss in Deutschland zu finden.
Das Land Hessen sollte hier im Interesse der betroffenen Kinder großzügig sein und dem vorläufigen Gerichtsurteil folgen. Es vergibt sich unserer Ansicht nach nichts dabei, für die Dauer des Berufungsverfahrens den Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, zumal der Lebensunterhalt – das haben wir hier mehrmals gehört – der Familie gesichert ist. Die Kinder sollten nach unserer Sicht nicht unter den juristischen Mühlsteinen leiden müssen. Darum werden wir der Beschlussempfehlung zu dieser Petition zustimmen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute über einen Tagesordnungspunkt, zu dem es anscheinend wenig Streit gibt, wo wir uns in großem Maße einig sind und wozu heute schon viel Kluges und Vernünftiges gesagt worden ist.Wir haben eine sehr juristisch geprägte Argumentation und Darstellung des Sachverhalts und der Probleme erlebt. Ich möchte noch ein paar Fragen der Logik hinzufügen, die das ergänzen können.
Wir haben hier einmal wieder das Thema Hartz-IV-Gesetz, über das wir schon oft debattiert haben. Es gibt zwei Grundsätze, die allgemein von uns getragen werden und zu denen ein großer Konsens immer wieder herausgestellt wird. Das ist zum einen die Zusammenführung der Arbeitsmarktförderung und der Sozialverwaltung, um die Leistungen und auch die Beratung zusammenzuführen, um Dinge zu optimieren.
Ein zentraler Punkt, der immer wieder Thema von politischen Diskussionen war und der von uns positiv begleitet wird, ist der Grundsatz Fordern und Fördern.
Für das Fordern gibt es sowieso genügend Instrumente. Das Fördern ist schon schwieriger. Beim Fördern ist es so: Wir haben die Optionskreise und die Argen herausgefordert, in kürzester Zeit eine Infrastruktur zu schaffen, die das ermöglicht. In dieser Zeit ist nicht alles optimal gelaufen. Man hat die Möglichkeit eröffnet, Eingliederungsmaßnahmen und Verwaltungskosten beim Aufbau dieser Verwaltung als gegenseitig deckungsfähig zu erklären.Somit ist schon viel Geld, das eigentlich für Eingliederungsmaßnahmen vorgesehen war, im Verwaltungshaushalt verschwunden. Das ist kein guter Prozess gewesen, aber ein Prozess,den man nachvollziehen kann,da in einer sehr schwierigen Situation in kurzer Zeit etwas erreicht werden sollte.
Nun ist es so: Regional betrachtet gibt es schon seit vielen Jahren eine gewisse Förderstruktur, die auch früher schon genutzt worden ist. Diese Förderstruktur ist ausgebaut worden im Zuge der Verbesserung des Förderns. Diese Förderstruktur ist regional unterschiedlich. Das ist gut so und auch richtig.
Denn was heute zur Diskussion steht und durch § 16 SGB II ganz besonders infrage gestellt wird, ist eben: Wird diese regional unterschiedliche Förderstruktur, werden die unterschiedlichen Maßnahmen, die individuell auf die Menschen zugeschnitten sind, eine Zukunft haben? Das haben sie nicht, wenn Berlin weiter auf dieser Interpretation der rechtlichen Grundlage besteht.
Eine Beschränkung der Fördermaßnahmen allein auf das SGB III führt einen weiten Schritt zurück. Denn gerade die individuelle Förderung ist das, was den maßgeblichen Unterschied ausmacht, was es dem Fallmanagement ermöglicht, Vermittlungshindernisse aus dem Weg zu räumen und den Menschen einen Weg zurück in den Arbeitsmarkt oder überhaupt erst in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Man kann es fast nicht glauben, dass man heute darüber diskutieren muss, dass ein fehlender Hauptschulabschluss oder mangelnde Deutschkenntnisse Vermittlungshindernisse sind. Das ist fast nicht nachzuvollziehen. Es muss klar sein, dass das Grundsätze sind und dass alles getan werden muss,was dazu beiträgt,diese grundlegenden Vermittlungshindernisse aus dem Weg zu räumen. Das müsste eigentlich auch den Herren in Berlin irgendwann einmal einsichtig sein.
An der Stelle will ich die Frage stellen, was der Hintergrund dieser Maßnahmen ist. Ist es die Einsparung? Ist es eine Optimierung der Leistungen? Oder steckt vielleicht etwas ganz anderes dahinter? Ich frage mich oft, wie man feststellen will, ob das viele Geld, das ausgegeben wird, zweckgerichtet ausgegeben wird. Man überprüft das, man sammelt Daten. Ich weiß nicht, wie viele Daten mittlerweile in Berlin vorliegen. Aber man hat keinen transparenten Prozess, um festzustellen, was wirkt und was nicht wirkt. Habe ich Interesse am Erfolg dieser Maßnahmen, dann muss ich klarstellen, was wirkt und was nicht wirkt. Dann kann ich mir überlegen, wo ich Geld sparen kann. Aber was heute passiert, ist ein Anschlag auf die Idee, die hinter dem Ideal des Forderns und Förderns steht.
Die wissenschaftliche Begleitung, mit der wir erkennen könnten, was etwas bringt und was weniger bringt, spielt hier überhaupt keine Rolle. Es wird rein juristisch argumentiert. Da fragt man sich tatsächlich, ob das nur politisch motiviert ist. Denn einfach nur Einsparungen durchzuführen wäre an dieser Stelle zu kurz gesprungen. Es ist wirklich ein Anschlag auf die Umsetzung des Gesetzes. Dem müssen wir uns entgegenstellen. Daher ist der Antrag der GRÜNEN genau das richtige Mittel, eine klare Willensbildung des Hessischen Landtags dazu darzustellen.
Eigentlich hat das Agieren der Bundesregierung schon fatale Folgen gezeigt. Es ist darauf hingewiesen worden, dass wir nicht im luftleeren Raum handeln, sondern dass die Kommunen, dass die Träger der Option schon handeln. Seit November 2007 ist den Trägern bekannt, dass die Bundesregierung Einsparungen plant, dass die Bundesregierung eine Veränderung der Auslegung des Gesetzes plant. Wer in die Haushalte der optionalen Träger hineinschaut, sieht, wie sich die Gelder für die Maßnahmen seit 2007 verringert haben. In dem Kreis, aus dem ich komme, haben sie sich halbiert. Natürlich hat sich der Kreisausschuss die klare Frage gestellt: Wenn die Mittel vielleicht nicht erstattet werden, ist die Kommune leistungsfähig, diese Maßnahme in gleichem Maße aufrechtzuerhalten? Was kann man dem Haushalt der Kommune an dieser Stelle zumuten?
Das bedeutet, dass das Agieren der Bundesregierung seit 2007 bereits zu einer Verschlechterung der Situation der Arbeitsuchenden geführt hat. Das ist ein Skandal.
Jetzt komme ich auf ein Thema zu sprechen, das die FDP in Berlin immer wieder angesprochen hat. Solange die Finanzströme nicht nachhaltig geklärt sind und die Kommunen nicht tatsächlich in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich mit dem Geld umzugehen, eigenverantwortlich zu agieren, und immer Angst haben müssen, dass sie in Berlin den Hahn abgedreht bekommen, ist doch ganz klar, dass man hier immer vorsichtig sein wird. Die Vorsicht ist in der Situation, die wir heute vorfinden, sogar geboten.
Ich will zum Ende kommen. Wir Liberalen unterstützen den Antrag der GRÜNEN. Wir finden das, was in Berlin stattfindet, sehr ärgerlich. Es ist aus unserer Sicht ganz besonders bedauerlich, dass das Auftreten des entsprechen
den Ministeriums der Bundesregierung dazu geführt hat, dass die Eingliederungsmaßnahmen bereits gelitten haben und dass die Arbeitsuchenden die Leidtragenden dieser Politik sind. Deshalb hoffe ich, dass diese Initiative zu einem Erfolg und zu mehr Einsicht in Berlin führt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem Tariftreuegesetz beginnen. Als Liberale haben wir hierzu eine klare Haltung. Wir haben festgestellt, dass damit keine Beschäftigungseffekte entstehen. Die Sozialversicherungen profitieren hiervon auch nicht. Die Arbeitnehmer, die aus dem Ausland zu uns kommen, können bis zu 24 Monate lang in ihr eigenes Sozialsystem einzahlen, bevor sie bei uns Zahlungen leisten müssen.Wir haben festgestellt, dass das mit mehr Bürokratie einhergehen würde, die wir uns sparen könnten. Wir haben vor allen Dingen von der EU bestätigt bekommen, dass es überhaupt nicht durchsetzbar ist. Daher sind wir über diese Entwicklung mehr als dankbar; und wir werden natürlich den Antrag der SPD ablehnen.
Nun zum Antrag der SPD, den die Fraktionsvorsitzende begründet hat. Hierzu muss man wirklich sagen: Man muss den GRÜNEN dafür dankbar sein, dass sie in diesem Antrag zunächst einmal eine Forderung formuliert haben, damit wissen wir, wohin die SPD mit diesem Antrag überhaupt will.
Wir haben verschiedene Bereiche angesprochen. Ein Bereich betrifft die Niedriglöhne.Was Sie machen wollen, ist
ziemlich schwierig, denn es gibt 738.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die ergänzende Leistungen erhalten. Das sind die sogenannten Aufstocker. Es ist abenteuerlich, diese alle in einen Topf zu werfen und mit einer politischen Begründung abzuarbeiten. Es ist völlig abenteuerlich und nicht haltbar.
Ich will das beispielhaft an der Frage festmachen: Wie komme ich aus dem ALG-Bezug heraus? Welche Möglichkeiten gibt es für eine Integration? Was machen die Argen und Optionskommunen, um die Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen? – Wir wollen an dieser Stelle Flexibilität haben, und ich muss Ihnen in diesem Zusammenhang ganz deutlich sagen: Sie, die SPD, haben mit Ihrem Hartz-IV-Gesetz nicht nur dazu beigetragen, dass beim Versuch, Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen, was wir gar nicht schlecht finden, eben solche Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Sie haben – Sie machen nun seit zehn Jahren in Deutschland Politik –
vor allen Dingen indirekt dazu beigetragen, dass in diesen zehn Jahren eine gnadenlose Bürgerabzocke vorangetrieben wurde und die Steuern und Abgaben erhöht wurden. Sie haben damit einen Anschlag auf die Mittelschicht in Deutschland verübt. Das ist die Wahrheit.
Wenn Sie heute gemeinsam mit den GRÜNEN fordern, dass wir einen gesetzlichen Mindestlohn bräuchten, dann frage ich Sie: Warum haben Sie das im Jahre 1998, als Sie die Mehrheit besaßen, nicht einfach eingeführt? – Das hat einen ganz einfachen Grund, denn als die bürgerliche Mehrheit in Berlin abgewählt worden ist,hat kein Mensch im politischen Raum einen Mindestlohn gefordert. Erst nach zehn Jahren SPD-Regentschaft in Deutschland kommen Sie mit dieser Idee eines Mindestlohns – sozusagen als Götze, den Sie zur Rettung der Menschheit und zur Rettung der Beschäftigten in Deutschland vor sich hertragen.Das ist ein völlig ungeeignetes Instrument,welches Sie da vor sich hertragen.
Sie setzen immer wieder das Bild in die Welt, dass böse, ausbeuterische und gnadenlose Unternehmer die Menschen lediglich auf dem Existenzminimum halten würden. Das ist falsch. Sie haben mit Ihrer Abgabenpolitik maßgeblich zu diesem Zustand beigetragen.
Nun zum Änderungsantrag der GRÜNEN. Dieser zielt in seiner Aussage ganz zentral auf die Einführung eines Mindestlohns ab, und damit hat der Antrag der SPD überhaupt erst eine Aussage bekommen, über die wir hier reden können.
Die GRÜNEN stellen in ihrem Antrag fest,dass es bei der Einführung eines Mindestlohns zwei konkrete Probleme gebe – nämlich die regionale Höhe des Mindestlohns sowie die Frage, wer diesen festlegen solle. Hierauf haben Sie nach unserer Meinung keine wirklich überzeugenden Antworten gegeben. Es ist nun einmal so, dass es in unserer sozialen Marktwirtschaft einen marktgerechten Lohn gibt. Für jemanden, der einigermaßen logisch denken kann, muss doch klar sein, dass, wenn man, da es einen
marktgerechten Lohn gibt, einen Mindestlohn einführt, der unter dem marktgerechten Lohn liegt, dieser keinerlei Auswirkungen haben wird. Über das muss man doch langsam einmal nachdenken. Liegt der Mindestlohn aber darüber, dann besteht die Gefahr, dass es Verdrängungseffekte gibt. Das ist logisch und liegt auf der Hand. Das müsste von der Sozialdemokratie endlich einmal begriffen werden.
Das merke ich. – Nun zur Tarifautonomie, denn man kann es fast nicht glauben. Gerade die Gewerkschaften, die ebenfalls immer wieder in dieses Horn stoßen, werden vielleicht eines Tages feststellen, dass sie die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden. Das ist etwas von beinahe historischer Bedeutung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich fragen, weshalb wir in Deutschland das Modell der Tarifautonomie haben und wenn Sie sich einmal darüber Gedanken machen, wie es entstanden ist, dann müssen Sie wissen, dass sich unsere Verfassungsväter das Ende der Weimarer Republik sehr genau angeschaut und sich Gedanken darüber gemacht haben, weshalb diese Republik gescheitert ist. Nachdem sie sich das angeschaut hatten, haben sie festgestellt: Wir brauchen eine andere Regelung, als dass der Staat bei den Löhnen eingreift.Wir brauchen eine Tarifautonomie.
Ich kann Ihnen nur raten,ab und an einen Blick in die Geschichtsbücher zu werfen, denn das kann Ihnen nur weiterhelfen.
Wir als Liberale wollen nicht dastehen und sagen: „Das Problem haben wir nicht erkannt“, sondern wir haben eine andere Lösung. Diese Lösung heißt Mindesteinkommen. Damit kommen wir als Staat unserer Verpflichtung nach, sicherzustellen, dass die Menschen, die in unserer Gesellschaft leben, ein Existenzminimum zum Leben haben, das sie durch Arbeit aufstocken können, bis sie es schaffen, von dem Einkommen selbständig zu leben. Das ist aus unserer Sicht das einzig Richtige, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Jetzt komme ich zu etwas, was ich fast nicht glauben konnte, als ich es gelesen habe: Ihre Ausführungen zu Leiharbeitskräften. Das ist wirklich schwierig. Schauen wir uns an, wie das alles entstanden ist. Zur Wende des Jahrtausends haben verantwortliche Menschen in Berlin, Herr Schröder, Herr Fischer, Herr Clement, festgestellt, dass sie der Arbeitslosigkeit nicht Herr werden. Sie haben sich Gedanken gemacht, wie sie gerade bei der Langzeitarbeitslosigkeit weiterkommen können. Sie haben festgestellt, dass der momentan existierende Sozialstaat und die Arbeitsmarktregeln nicht genügen. Sie haben mit den so genannten Hartz-IV-Gesetzen – der Name ist mittlerweile ein bisschen belastet;so sind sie in Deutschland aber nun einmal bekannt – ein arbeitsmarkt- und sozialpolitisches Experimentierfeld aufgemacht.Das war ein mutiger Schritt, leider mit viel zu vielen Fehlern behaftet. Wenn ich mir vorstelle, was Sie nun verlangen: Sie verlangen die Aufhebung all dessen, was die SPD, was Ihre Partei in Berlin beschlossen hat. Nichts anderes verlangen Sie.
Die Kollegin der GRÜNEN hat sich wenigstens noch daran erinnert, wer dafür die Verantwortung trägt. SPD und GRÜNE haben am 23.12.2002 die Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes beschlossen. Große Teile traten aber erst am 01.01.2004 in Kraft. Die zentralen Bestandteile, die Sie damals beschlossen haben, sind genau die Punkte, die Sie heute wieder revidieren wollen, nämlich die Festlegung an den Einkommen der Stammbelegschaften und die Frage, wie lange ein Leihbeschäftigter in einem Unternehmen beschäftigt sein darf. Genau diese zwei entscheidenden Kernaussagen haben Sie als SPD beschlossen – niemand anderes.
Es ist Ihre Politik, die Sie heute zurückschrauben wollen. In vielen Bereichen wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Politik revidieren würden. Aber gerade in dem Bereich ist Ihre Politik nicht falsch gewesen.Wenn Sie heute Zahlen von Hessen mit denen Deutschlands vergleichen, dann erlauben Sie mir, dass ich heute die Zahlen von Deutschland mit denen im restlichen Europa vergleiche. 1 % der Beschäftigten ist in Deutschland in Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Die Zahlen sind von 2006. Sie sind nicht ganz aktuell. Aber neuere habe ich so schnell nicht gefunden. In Frankreich sind es 2,1 %, in den Niederlanden 2,5 % und in England 5 %. Das sind die Zahlen, die wahrscheinlich Herrn Schröder und seine Mitstreiter damals bewegt haben, zu sagen: An der Stelle gibt es Beschäftigungspotenzial. Hier gibt es ganz entscheidend etwas für die Beschäftigung in Deutschland zu tun. – Das hat man getan. Den Schritt, den man damals mutig gegangen ist und der sich nach unserer Erkenntnis – ich werde Ihnen ein paar Zahlen vorlesen – bewährt hat, wollen Sie zurückgehen. Das, was funktioniert hat, wollen Sie zerschlagen. Ich glaube, damals hieß das Gesetz Hartz-IVGesetz. Das wollen Sie komplett zurückdrehen. Es ist Ihr eigenes Gesetz, über das Sie sich heute im Parlament beschweren.
Wir haben – ich habe die Zahlen gerundet – insgesamt 730.000 Beschäftigte im Leiharbeitssektor. 250.000 würde man unter dem Begriff Hilfsarbeiter subsumieren. 110.000 Menschen sind im Dienstleistungssektor beschäftigt. Von der Gesamtzahl 730.000 erhalten 66.000 ergänzende Sozialhilfe. Das liegt weit unter dem Schnitt. Von daher kann man der Lohnarbeit nicht Dinge zuweisen,die faktisch nicht bestehen. Die Frau Kollegin hat bereits darauf hingewiesen, dass es diesen sogenannten Klebeeffekt gibt, dass viele Menschen den Weg von der Leiharbeit in ein festes Beschäftigungsverhältnis gehen. Dazu gibt es unterschiedliche Zahlen. Aber es ist auf jeden Fall eine Zahl, über die sich jede Arbeitsagentur mehr als freuen würde.
Dann komme ich gar nicht zu meinem besten Teil. Den muss ich wohl noch später bringen.
Das mögen Sie vielleicht so sehen. – An der Stelle will ich feststellen: Sie haben die Restauration des alten sozialpolitischen Systems in Deutschland vor. Der Weg, den wir beschritten haben, eine Reform der Sozialpolitik in Deutschland durchzuführen, ist der richtige.Wir sind vielleicht nicht auf dem besten Wege.Aber wir haben uns aufgemacht. Wir müssen an der Stelle weiterarbeiten und versuchen, voranzukommen. Die Restauration ist schon einmal an den Liberalen gescheitert.Auch Ihre Restauration wird an uns Liberalen scheitern. Das kann ich Ihnen versprechen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde befassen wir uns heute – das ist bei meinem Vorredner nicht ganz deutlich geworden – vor allem mit dem Thema Bundesverfassungsgericht: das Urteil vom 20. Dezember 2007 betreffend die Argen nach § 44b SGB II.
Aufgrund dieses Urteils hat Herr Scholz einen Vorschlag gemacht. Er hat ein Eckpunktepapier zu kooperativen Jobcentern vorgelegt. Die Folge der Einrichtung von kooperativen Jobcentern ist eine weitere Zentralisierung. Das würde die Autonomie der Kommunen bzw. ihre Möglichkeiten, selbst zu handeln, stark beschneiden.Wir Libe
rale halten das für den falschen Weg.Aber die Diskussion „Argen oder Optionskommune“ möchte ich hier gar nicht in letzter Konsequenz führen.
Wenn die Leistung der kommunalen Träger hier bewertet wird, will ich jedoch auf eines hinweisen. 2005 waren die Kommunen aufgefordert, ein Gesetz umzusetzen. Es war schwierig, überhaupt Ressourcen aufzutreiben und Fallmanager zu finden. All das auf die Schiene zu setzen hat Zeit gebraucht, und in vielen Bereichen ist es mit Sicherheit noch optimierbar. Ich glaube, das ist unstrittig.
Es wird den Kommunen allerdings auch nicht immer einfach gemacht. Das muss man auch einmal sagen, wenn jetzt von Berlin her eine Bewertung vorgenommen wird. Ich glaube, dass in fast allen Kreisen mit großem Engagement an diesem Thema gearbeitet wird, und ich glaube, dass es bei den Kommunen richtig aufgehoben ist.
Wir haben bis 2010 die Möglichkeit, eine Änderung vorzunehmen. An der Stelle sollte man sich ruhig ein wenig Zeit nehmen. Man sollte überlegen und sich umschauen. Ich glaube,bei der Verabschiedung dieses Gesetzes ist vieles überhastet vor sich gegangen, und das hat auch viel zu den Problemen beigetragen, die wir alle vor Ort kennengelernt haben.
Man sollte sich die Zeit nehmen, zu überlegen, an welcher Stelle man etwas verändern muss.Ich möchte noch einmal auf das Problem hinweisen: Wie bewertet der Bund gewisse Maßnahmen,die die Kreise umsetzen – nach SGB II oder nach SGB III? Das ist vor allem eine Frage der Finanzierung und hängt auch damit zusammen, wer diese Maßnahmen trägt.
An der Stelle möchte ich auf ein ganz wichtiges Problem hinweisen. Die meisten werden wissen, dass die FDP dem Optionsgesetz in Berlin nicht zugestimmt hat, und zwar wegen der Frage:Wie sind die verfassungsrechtliche Situation und der Kommunale Finanzausgleich an der Stelle geregelt? Wir glauben, dass wir, wenn hier eine Veränderung eintreten soll,auch dieses Thema nachhaltig angehen müssen.
Wir müssen nämlich sicherstellen, dass die Kommunen keine ungeahnten Risiken eingehen, wenn sie sich für die Förderung der Arbeitslosen und ihre Integration in den ersten Arbeitsmarkt engagieren. Auch möchte ich diese allgemeine Debatte über die Arbeitslosigkeit etwas herunterbrechen. Zuallererst geht es in dieser Debatte um die Einzelschicksale, um den einzelnen Arbeitslosen. Ich glaube, ein Arbeitsloser ist sehr dankbar, wenn er in seinem Fallmanager einen Partner findet, der ihm eine Möglichkeit aufzeigt, wie er aus dieser für ihn schwierigen Situation herauskommt.
Diese Partnerschaft ist das Gute an dem System. Diese Partnerschaft müssen wir so gestalten, dass der Fallmanager mit dem jeweiligen Arbeitslosen kreativ an dessen Vermittlungsproblemen arbeiten kann, sodass dieser Mensch eine Chance erhält – es geht immer um den Menschen –, wieder in den ersten Arbeitsmarkt und in das gesellschaftliche Leben integriert zu werden.
Für uns ist ganz klar: Die Lösung muss bei den Kommunen liegen. Wir werden uns dieser Debatte natürlich stellen.Wahrscheinlich wird in den Ausschüssen noch intensiver über dieses Thema diskutiert.
Für die FDP ist klar:Wir wollen,dass das 4.Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, allgemein „Hartz IV“ genannt, jetzt, nachdem es da ist, zu einem Erfolg geführt wird. Für uns ist auch klar, dass noch viel daran gearbeitet werden muss, damit dies gelingt. Das läuft noch nicht rund. Wir müssen unsere Erfahrungen dazu beitragen. Wir müssen uns in den Diskussionsprozess mit der Bundesregierung einschalten. Da gibt es mit Sicherheit noch viel zu tun. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen. – Danke.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der soeben gehörte Wortbeitrag hat mich natürlich provoziert. Wenn ich mir anhören muss, dass in diesem Hause scheinbar eine Fraktion – womöglich nur eine Person – die Mo
ral gepachtet hat, dann ist das für mich mittlerweile unerträglich.
Wir müssen uns diese Vorhaltungen von Ihnen nicht ununterbrochen machen lassen. Es ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung, wenn Sie hier derart auftreten. Wir haben ganz klar gesagt, wo wir ansetzen wollen. Wir haben über dieses Thema bereits im Ausschuss debattiert, doch Sie haben sich hierzu im Ausschuss mehr als zurückgehalten, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
Für meine Fraktion möchte ich natürlich ausdrücklich darauf hinweisen:Wenn wir feststellen,dass es Kinder gibt – es geht uns hierbei ausdrücklich darum, dass nicht nur Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen, betroffen sind –, die in den Schulen entsprechende Defizite haben, dann sind wir der Meinung, dass kurzfristig geholfen werden muss, und zwar auf dem kleinen Dienstweg.
In diesem Zusammenhang greift das Konzept der FDP: die 105-prozentige Versorgung an den Schulen sowie die Autonomie der Schule. Diesem Problem muss man natürlich nachgehen. Den Schulen muss es personell ermöglicht werden,den Lehrern oder den Sozialarbeitern so viel Zeit zur Verfügung zu stellen, diesem Problem überhaupt nachzugehen. Es nutzt nichts, wenn einfach 2 oder 3 c zum Mittagessen hinzugegeben werden und die Probleme, die dort bestehen, nicht nachhaltig angegangen werden. Das ist richtig. Wenn wir das Konzept „Autonomie der Schule“ vorantreiben und die Verantwortung nach unten geben, wird sich dies lösen. Ich bin sicher, dass die soziale Kompetenz und die Menschlichkeit dort noch immer am größten sind, wo Probleme auftreten – und nicht hier in der ersten Reihe des Landtags. Die Leute, die damit tagtäglich zu tun haben, sind die Richtigen, um sich darum zu kümmern. Unsere Aufgabe ist es, ihnen hierfür einfach die Möglichkeit zu geben. – Vielen Dank.
Frau Ministerin, ist es richtig, dass im sogenannten HartzIV-Gesetz geregelt wurde – wir haben über Kindergärten gesprochen –, dass die Zuständigkeit für die Erstattung der Kindergartenbeiträge und für die Kosten von HartzIV-Empfängern eindeutig bei der kommunalen Seite ist?
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Armuts- und Reichtumsbericht wurde hier bereits vorgestellt.
Natürlich hat das Thema Armut und Reichtum die Gesellschaft schon immer beschäftigt. Schon die alten Griechen haben sich ihre Gedanken darüber gemacht und sich grundsätzlich mit dem Thema Armut und Reichtum auseinandergesetzt. Hier gilt es natürlich, zu differenzieren: Was bedeutet Armut, was bedeutet Reichtum?
Natürlich haben wir das in der EU ordentlich geregelt. Es wurde genau festgelegt, wie viel Prozent was bedeutet. Es wurden drei Kategorien gebildet: die einkommensstarke Schicht, die Mittelschicht und die armutsgefährdete Schicht, die nochmals in die Armen differenziert wird.
Wir haben das so festgelegt, dass wir das Nettoeinkommen genommen haben. Wir haben ein mittleres Einkommen gebildet. „Armutsgefährdete Schicht“ bedeutet in Deutschland: Mit einem nur 60-prozentigen Anteil am medialen Einkommen ist man „von Armut gefährdet“; mit einem 40-prozentigen Anteil gilt man als arm. So viel zur Festlegung – nur damit wir uns einmal klarmachen, was dies bedeutet. Anhand absoluter Zahlen kann man sich dies natürlich noch einmal anschauen.
Der Armuts- und Reichtumsbericht ist in Deutschland nichts Neues. Die Bundesregierung hat bereits zwei Berichte vorgelegt, und ein dritter müsste in diesem Jahr eigentlich irgendwann veröffentlicht werden, damit wir diese Zahlen auch akut haben. In diesen Berichten der
Bundesregierung werden natürlich auch Aussagen für die Bundesländer getroffen. Wir haben von den GRÜNEN bereits vorgetragen bekommen, dass man einige Zahlen ganz einfach abrufen kann, wenn man dies möchte. Daher glauben wir, dass ein identischer Bericht, wie ihn die Bundesregierung vorlegt, für uns in Hessen zu kurz greift. Wir müssen uns hinsetzen, und wir müssen uns überlegen – hierzu gibt es in Ihrem Entwurf gewisse Ansätze –, was wir mit einem solchen Armuts- und Reichtumsbericht erreichen wollen. An dieser Stelle wird es sich für meine Fraktion entscheiden, wie wir mit diesem Thema endgültig umgehen werden.
Ich habe mir die Zahlen des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung für die Jahre 2001 bis 2005 angeschaut, und ich habe festgestellt, dass die Entwicklung, gerade auch aus liberaler Sicht, beängstigend ist. In Deutschland nimmt die Mittelschicht ab. Sie nimmt rapide ab. Jetzt muss ich leider feststellen – wir haben hier immer einen einvernehmlichen Landtag –, dass diese Entwicklung natürlich ganz intensiv ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie regieren seit dem Jahre 1998.Aufgrund dieser Zahlen muss ich feststellen, dass Sie in diesem Zusammenhang eine gewisse Verantwortung tragen. Auch das bildet sich in diesem Armuts- und Reichtumsbericht ab. Ich bin mir sicher, dass, wenn wir, die FDP, in Berlin mitregieren würden, die Nettoeinkommensentwicklung in Deutschland anders aussehen würde als derart, wie man dies nun feststellen kann.
Von dieser Position werden Sie mich auch nicht abbringen können, denn ich muss mir nur die Zahlen anschauen. Sie wollen Zahlen haben, doch sprechen diese eine eindeutige Sprache. Seit dem Jahre 1998 ist diese Entwicklung in Deutschland festzustellen.
Daher ist natürlich dieser Armuts- und Reichtumsbericht, den die Bundesregierung vorlegt, ein Offenbarungseid ihrer politischen Arbeit in Berlin. In diesem Zusammenhang sind Sie leider nicht allein aktiv,sondern es sind auch noch andere gefragt, die dort Politik betreiben.Wir haben an dieser Stelle allerdings nicht das Interesse, eine politische Diskussion zu führen, sondern wir wollen mit diesem Armuts- und Reichtumsbericht – wie er am Ende auch immer heißen mag – in Hessen etwas erreichen.
In diesem Zusammenhang sind die Überlegungen, die hier vorgetragen wurden, nicht verkehrt. Wir müssen schauen, was regional los ist.Wir haben eine Kommunalisierung der sozialen Mittel in Hessen. Wir müssen schauen, wie eine zielgerichtete Steuerung dieser Mittel möglich ist. Dazu ist es richtig, eine Sozialberichterstattung sowie auf Kreisebene einen Sozialstrukturatlas zu haben. Das sind alles wichtige Instrumente, um herauszubekommen, wie wir diese Mittel zur Verminderung von Armut einsetzen können.
Es ist hier bereits angeklungen, dass es in Bezug auf die Frage, wie man Armut bekämpfen kann, verschiedene Grundüberzeugungen gibt.Wer sich mit der Literatur der Sozialforschung auseinandergesetzt hat, der wird festgestellt haben, dass es immens unterschiedliche Ansätze gibt.Eines ist aufgrund der Berichterstattung,die wir kennen, klar: Es ist kein Bericht zu erwarten, der uns die ab
solute Erkenntnis bringt, sondern es sind inzwischen viele Indikatoren bekannt. Ein wichtiger Indikator ist – das ist ganz klar – die Bildung. Es gibt in unserem Lande eine ganz deutliche Korrelation zwischen Bildung und Armut. Das ist etwas, dem wir uns zuwenden müssen. Darum glaube ich auch, dass die Bildungsdiskussion, die hier heute Morgen geführt worden ist, ganz intensiv etwas damit zu tun hat, wie viele Menschen aus der Armut herauskommen können oder dort verharren müssen.
Hierzu möchte ich nur eine Zahl nennen, und zwar haben im Jahre 1970 5 % der Menschen in Armut gelebt, und diese haben keine Berufsausbildung gehabt. Im Jahre 2004 sind es 20 bis 25 %,die in Armut leben und keine Berufsausbildung haben. Ich will für meine Fraktion klarstellen: Wir haben kein Interesse daran, eine Grundsatzdebatte zu führen und zu fragen, was diese Zahlen politisch aussagen. Dies würde, so glaube ich, für einige hier im Hause,die in Berlin mitregieren,nicht so gut ausgehen. Für uns ist es bei dieser Debatte wichtig, zu fragen: Wie können wir mit den Mitteln, die vorhanden sind, Menschen konstruktiv aus der Armut verhelfen? Für uns gibt es hierbei natürlich den einen Ansatz, dass wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten wollen. Dies spielt für uns eine ganz zentrale Rolle.
Wir wollen hier weiterhin ansetzen. In diesem Zusammenhang wissen wir auch, dass sich die Hessische Landesregierung in der letzten Zeit nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat.
Daher sehen wir hier Handlungsbedarf. An dieser Stelle wollen wir als Liberale unseren Teil beitragen. Alles Weitere werden wir hierzu im Ausschuss sagen. Ich denke, dies wird eine konstruktive Debatte werden. Dieser Bericht muss verwertbare Zahlen bringen. – Danke.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte die Möglichkeit, bis jetzt sehr ausführlich die Debatte zu verfolgen, bis ich hier selbst mein Statement und das meiner FDP-Fraktion abgeben möchte. Es ist viel gesagt worden. Ich finde, es war viel Allgemeines dabei. Es war viel dabei, was uns bekannt ist, und es ist auch viel dabei gewesen, was wir aus den Wahlkampfdiskussionen, von unseren Aktionen und Veranstaltungen vor Ort schon kannten.
Unstreitig ist auch für die FDP, dass der Klimaschutz eine wichtige Aufgabe ist. Man fragt sich natürlich auch, warum in diesem Hause so eine Diskrepanz bei so vielen Dingen vorhanden ist und warum diese Fronten so verhärtet sind, wenn wir uns doch im Grundsatz einig sind.
Vorrangig das Ziel der Energieeinsparung – ganz wichtig, wird von allen akzeptiert, Energieeinsparung ist ein zentrales Thema.
Effiziente Nutzung von Energie – auch das ohne Widerspruch ein wichtiges Thema.Wir alle wollen das so umsetzen.Wir wollen das fördern.
Stärkere Nutzung regenerativer Energien – auch das wird hier wahrscheinlich einvernehmlich unterschrieben.
Dezentrale Kraftwerke, optimale Ausnutzung der natürlichen Ressourcen,Wasserkraftwerke – alles unbestritten.
Ich glaube, der große Dissens in diesem Haus – das trifft mit Sicherheit auch für meine Fraktion zu – besteht in der Frage, wie schnell und in welchem Umfang man die oft von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen überhaupt realisieren kann.
Da bin ich ein bisschen überrascht gewesen, als ich den Antrag der CDU gesehen habe: die Frage 2020 20 % – 2020 jetzt 40 %. Ich konnte noch nicht ganz erkennen, wie wir das erreichen können:
die Frage Anhörung, Nachhaltigkeitsstrategie im Bereich Energieproduktion, angereichert mit mehr Investition in Forschung und ansonsten nicht viel Neues als das, was wir hier gehört haben.
Mir fehlt ein wenig der Glaube, dass Sie Ihre ehrgeizigen Ziele umsetzen können – die ich Ihnen zugestehe und die ich auch als jemand, der sich umweltpolitisch interessiert, für gut halte.Aber es ist bereits angeklungen: Sie lassen in dieser ganzen Situation zwei Aspekte außen vor.
Der erste Aspekt – ich komme in meiner Rede auf das Thema Staudinger nochmals zurück – ist die Akzeptanz regenerative Energien in der Bevölkerung. Sie ist für jemanden, der von dieser Umsetzung nicht direkt betroffen ist, natürlich bedeutend größer als die Akzeptanz der Menschen für Kohlekraftwerke,wenn sie davon direkt betroffen sind.
Aber bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Gewinnung regenerativer Energien in der Region werden Sie sich mit den gleichen Menschen auseinandersetzen müssen, die Sie nun auf Ihrer Seite glauben.
Ich will Ihnen das Beispiel nennen. In diesem ganz engen Kreis, in dem das Kraftwerk Staudinger gebaut werden soll, ist auch ein Areal von 200 ha für Windkraftanlagen vorgesehen, für gut 40 Anlagen. Wenn ich Ihre Anträge überblicke, dann haben Sie vor – zumindest in der SPD ist immer wieder der Schwerpunkt Windkraft zu erkennen –, die Windkraft ganz enorm zu fördern und auch Zielvorgaben dafür vorzuschreiben. Ich sage Ihnen: Auch Ihnen wird es schwerfallen, in der Region die Menschen bei diesem Thema mitzunehmen. Darum sollten Sie sich davor hüten, einer Polemik Vorschub zu leisten, die Sie an einer
anderen Stelle vielleicht bei den gleichen Bürgern wieder einholt.
Daher sollten wir uns vielleicht auf eines verständigen:auf das Machbare. Ich kann Ihnen zusagen: Die FDP-Fraktion wird in den Diskussionen, die sich jetzt abzeichnen, bei all dem, was wir für machbar halten – und jetzt kommt eine Einschränkung – und was auch bezahlbar ist, mitmachen.
Ich bin schon verwundert, dass manche der Fraktionen – Frau Wissler –, die hier ganz massiv den Ausbau der regenerativen Energien fordern, zugleich in den Kommunalparlamenten, in denen sie als Fraktionen sitzen, Anträge einbringen und einen sozialen Strompreis fordern. Die Umsetzung der Maßnahmen zur Gewinnung regenerativer Energien wird erst einmal Geld kosten. Der größte Teil dieser Kosten wird bei den Verbrauchern hängen bleiben.
Das ist eine Wahrheit, und der werden Sie sich nicht entziehen können.
Der Beweis dafür ist doch, dass die Leute, die am stärksten die Umsetzung von Maßnahmen zur Gewinnung regenerativer Energien fordern, in den gleichen Parlamenten, in denen sie diese Forderung erheben, einen sozialen Strompreis fordern.Es muss Ihnen doch klar werden,dass es hier einen inhaltlichen Zusammenhang gibt.
Deswegen wird meine Fraktion darauf ein Auge halten.
Nun zum Thema Staudinger. Ich selbst wohne fast nebenan. Hier ist das Thema der Gesundheit der Bevölkerung ganz wichtig. Bei diesem Thema gibt es verschiedene Abstufungen der Prioritäten. Hier haben wir viel über CO2 gesprochen. Aber für einen Anwohner, für die direkt Betroffenen, ist natürlich die Schadstoffemission, NOx und SOx und vor allem der Feinstaub, ein ganz wichtiges und massives Thema, das die Gesundheit der Bürger betrifft. Dieses Thema – und dazu dient dieser Antrag – muss von uns allen ernst genommen werden.Auch für die Bevölkerung vor Ort muss im Zuge des Genehmigungsverfahrens sichergestellt werden, dass diese Mehrbelastung, von der oft gesprochen wird, real nicht stattfindet, und zwar nachweislich.
Die Landesregierung hat dazu ein Raumordnungsverfahren angekündigt, und der Scopingtermin dazu hat schon stattgefunden. Jetzt muss Staudinger allmählich die Unterlagen zusammenbringen. Ich denke, dieses Raumordnungsverfahren muss in der Region als vertrauensbildende Maßnahme verstanden werden und wird das auch. Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein zentrales, ein prioritäres Anliegen für jede Maßnahme,über die wir hier reden.
Ein zweites Thema ist der CO2-Ausstoß. Wenn man natürlich die Daten für Großkrotzenburg nimmt und sich wirklich auf Großkrotzenburg beschränkt, dann kann mir niemand erzählen, dass dort in absoluten Zahlen nicht mehr CO2 emittiert werden wird.
Herr Al-Wazir, in Ihrer Rede ist es aber klar geworden: Wir sprechen hier nicht nur über Großkrotzenburg, son
dern über das Weltklima. Sie selbst – alle, die Sie hier sitzen, wir eingeschlossen – haben gesagt: Das können wir nicht in Hessen entscheiden, sondern wir wollen das regional entscheiden. Wir wollen bei der Ingelheimer Aue mitsprechen. Alle diese Themen lassen sich nicht einfach auf einen Ort reduzieren.
Ich will an dieser Stelle überhaupt nicht polemisch werden.Wenn ein SPD-Bundesumweltminister – die meisten von uns werden den „Spiegel“-Artikel gelesen haben – gewisse Dinge von sich gibt und die in einer solchen Zeitschrift als Realitäten darlegt,dann ist das,was er dort sagt, nicht völlig aus der Realität.
Das müssen Sie doch akzeptieren. Eine Modernisierung von Anlagen, die einen um 20 % höheren Wirkungsgrad zur Folge hat, ist doch, global betrachtet, kein Nachteil.
Wenn Sie es hier tatsächlich fertigbringen sollten – ich bezweifle das, aber Sie können sicher sein, ich werde dabei kein Bremsklotz sein; wir als FDP werden bei den regenerativen Energien kein Bremsklotz sein, mit einer Einschränkung, die ich bereits genannt habe –, was wir nicht wirklich glauben können,dann sind wir dankbar:wenn die regenerativen Energien mit gesetzlicher Priorität in unser Energienetz eingespeist werden dürfen und dadurch automatisch andere Kraftwerke überflüssig werden, wie Sie das im EEG auf Bundesebene im Endeffekt sicherstellen.
Liebe Freunde, das Thema Klimaschutz ist ein Thema – –
Herr Kaufmann, das wird schon noch.
Ich sage es trotzdem noch einmal: Liebe Freunde, ich bin da voller Hoffnung.Wir werden hier gemeinsam daran arbeiten müssen. Bei der Mehrheitssituation in diesem Hause wird bei der Umsetzung Zusammenarbeit erforderlich sein.
Ich habe die Ausführungen von SPD und GRÜNEN gehört und warne Sie noch einmal: Der Landesentwicklungsplan und dessen Umsetzbarkeit wird ein Thema sein, das Ihnen allen regional auf die Füße fallen kann, wenn Sie es nicht schaffen, das ordentlich zu kommunizieren und alle mitzunehmen. Bei Ihnen ist dieses Wort beliebt: Wir müssen die Bürger mitnehmen. – Ich verspreche Ihnen: Sie werden sich genauso und noch viel mehr als hier in der Debatte anstrengen müssen,wenn Sie draußen,beispielsweise in Seligenstadt, den Menschen erklären wollen, dass im Stadtwald 40 oder 50 Windkraftanlagen stehen könnten. Noch steht dort keine, aber das könnte passieren.
Frau Pauly-Bender, wir haben es oft genug diskutiert.
Ich weiß, Sie haben eine andere Meinung als Ihre kommunalen Vertreter vor Ort. Aber die SPD in Seligenstadt war die erste Partei – nicht wir als FDP –,
die gesagt hat: Liebe Freunde, einen solchen Blödsinn doch bitte nicht bei uns.
Von daher, liebe Kolleginnen: Es ist schön, was Sie hier vortragen. Aber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, Sie müssen daraus auch Realität machen. Das ist Ihr Anspruch.
Wir werden vielleicht nochmals eine Debatte zu Staudinger führen. Wenn Sie glauben, Sie können die Menschen mitnehmen, indem Sie sie auf der einen Seite motivieren, zu demonstrieren, und Argumente in den Raum stellen, die – wenn man die TÜV-Gutachten liest, die veröffentlichten Gutachten und Messungen – so nicht haltbar sind, dann wird Ihnen das irgendwann in der Diskussion bestimmt auf den Fuß fallen.
Mit dieser Prophezeiung möchte ich eigentlich schon schließen. Eines aber möchte ich noch dazu sagen: Wir möchten klarmachen,dass wir hier keine Verhinderer sein werden. Aber wir werden alles, was Sie hier vorlegen, auf die Machbarkeit und auf die Finanzierbarkeit überprüfen.
Sie können nicht nur ein Argument bringen: das Thema Weltklima und Klimaerwärmung. Sie müssen auch sagen, dass wir in einem komplizierten Geflecht arbeiten. Daran werden Sie sich messen lassen müssen.
Wir werden im Ausschuss immer wieder die Möglichkeit haben, darüber zu diskutieren. Das wird sich nicht von heute auf morgen entscheiden, auch wenn sich die Reden so anhören: Es gibt neue Mehrheiten, und morgen haben wir 40 % regenerative Energien. – Das ist vielmehr noch ein langer Weg,und wir werden noch über viele Details reden. Glauben Sie uns, wir sind dabei – aber mit kleinen Einschränkungen. – Danke schön.