Mehmet Ali Seyrek

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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema der Großen Anfrage ist ein sehr ernstes gesellschaftliches Thema. Es geht um die Gesundheit unserer Gesellschaft und insbesondere die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
Ich möchte einige mir wichtige Punkte zur Thematik und zur Antwort des Senats auf die Große Anfrage umreißen. Erstens: Weltweit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Anteil übergewichtiger und fettleibiger Kinder vervielfacht. Zweitens: Bei der Entstehung von Übergewicht, Fettleibigkeit und Diabetes haben Ernährungsfaktoren eine zentrale Bedeutung. Dieser Zusammenhang ist
vielfach wissenschaftlich belegt und in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert.
Drittens: Neben der mangelnden körperlichen Aktivität begünstigen, aus Sicht von Wissenschaftlern, vor allem zuckerhaltige Nahrung und Softdrinks die Entstehung von Übergewicht und Fettleibigkeit. Diese gelten als Auslöser verschiedener Krankheiten wie Diabetes und anderer chronischer Krankheiten. Viertens: Gerade im Kindesalter, wenn der Körper wegen des Wachstums besonders viel Energie braucht, hat der Mensch, das Kind einen ausgeprägten Appetit auf Süßes. Aus übergewichtigen Kindern werden meist übergewichtige Erwachsene mit gesundheitsschädlichen Folgeschäden im Erwachsenenalter.
Fünftens: Neben dem erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht eine Fehlernährung millionenfaches psychisches und physisches Leid. Aus dem Übergewicht ergeben sich neben körperlichen Risiken wie Stoffwechsel- und Herz-Kreislauferkrankungen auch psychosoziale Probleme wie ein niedriges Selbstwertgefühl, Depressionen, erhöhte Gefahr zur Entwicklung einer Essstörung und soziale Isolation. Sechstens: Neben diesen bisher hier aufgeführten Punkten, geht aus der Antwort des Senats auch hervor, dass gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien deutlich häufiger von Übergewicht und Fettleibigkeit betroffen sind.
Meine Damen und Herren, bei diesem Befund ergibt sich ein dringender Handlungsbedarf. Politik steht in der Verantwortung, wirksamere Maßnahmen zu ergreifen, die der Entwicklung zum Übergewicht, zur Fettleibigkeit und deren Folgeerkrankungen, insbesondere bei den Kindern und Jugendlichen, entgegenwirken.
Die Antwort des Senats zeigt, dass das Land Bremen gezielt das Thema Ernährung und Bewegung in den Schulen und Kitas in verschiedenen Formaten verstärkt eingeführt hat. Zwei Beispiele. Erstes Beispiel: Seit dem Jahr 2012 sind in den Kindertageseinrichtungen unter kooperativer Zusammenarbeit mit Krankenkassen Pflegekonzepte zum Thema gesunde Ernährung entwickelt worden. Zweites Beispiel: Für gesundes und nachhaltiges Essen bei der Gemeinschaftsverpflegung in Kitas und Schulen bietet eine Vernetzungsstelle regelmäßig Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen für Küchenkräfte, Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher an.
Aufklärung und Verbesserung der Gemeinschaftsverpflegung in Kitas und Schulen reichen aber nicht aus. Um eine nachhaltige Verbesserung in unserer Gesellschaft zu erzielen, muss das Gesamtkonzept Maßnahmen enthalten, die die Lebensmittelindustrie in die Verantwortung nehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern eine gesunde Ernährung auch möglichst kostengünstig möglich machen. Dazu gehören zwei Beispiele, als erstes das Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde, zuckerreiche Produkte wie Softdrinks, Süßigkeiten und Snacks.
Zweitens, für einen Laien und auch Kinder verständliche Nährwertkennzeichnungen wie die Ampel für zusammengesetzte Produkte. Damit wird beim Einkauf auf einen Blick vergleichbar, welches Lebensmittel weniger Zucker, Fett und Salz hat. Drittens, Maßnahmen, auch gesetzliche Maßnahmen, mit verbindlichen Zielen, die zu einer Reduktion des Zucker-, Salz- und Fettgehalts in Lebensmitteln führen. Auf die, von der CDU und FDP zumeist vorgeschlagene freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie zu setzen, so zeigt die Vergangenheit, ist Augenwischerei und eine Verleugnung von Interessen der Industrie.
Freiwillige Selbstverpflichtung führte zu keinen wirksamen Ergebnissen. Ich stimme mit der Äußerung des Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte überein. Er sagte: Wir können nicht darauf vertrauen, dass diejenigen die Lösung bieten, die das Problem verursachen. CDU und FDP müssen sich fragen, ob sie der Lebensmittelindustrie, die mit zuckerhaltiger Nahrung auf Kosten der Gesundheit der Gesellschaft viel Geld verdient, weiterhin ihr Vertrauen schenken, dass sie wirksame Lösungen bieten.
Angesichts der weiterhin hohen Zahl und dem Anstieg von ernährungsbedingten Erkrankungen bei Kinder und Jugendlichen,
insbesondere aus Familien mit niedrigem Einkommen und Bildungsstand, müssen auf Bundesebene endlich wirksamere Maßnahmen ergriffen werden. Das sind wir mindestens unseren Kindern schuldig.
Meine Damen und Herren, in Bremen und Bremerhaven gehen wir das Thema weiter an. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt, was schon bekannt ist und was auch wissenschaftliche Studien belegen: Armut ist ein Gesundheitsrisiko, Armut macht krank, wer arm ist, stirbt früher, und arme Menschen sind häufiger krank und sterben früher als wohlhabende. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Was im Nachkriegsdeutschland galt, gilt heute immer noch: Auch in der reichen Bundesrepublik des Jahres 2018 gilt, materielle Armut geht mit einer deutlich verminderten Lebenserwartung und überdurchschnittlich häufigen Erkrankungen einher.
Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage zeigt deutlich, Leben in sozialen Brennpunkten bedeutet eine niedrigere Lebenserwartung. Ein Schwachhausener Bürger wird durchschnittlich fast 81 Jahre alt, ein Gröpelinger dagegen erlebt statistisch gesehen seinen 73. Geburtstag nicht mehr, das ist ein Unterschied von acht Lebensjahren. Armut ist der wichtigste Grund für Risikofaktoren, für Krankheiten, Leiden und vorzeitigen Tod, und sie konzentriert sich dabei auf Stadtteile.
Festzustellen ist dabei häufig, dass Strukturen und Akteure des Gesundheitswesens nicht auf die Bedarfe sozial benachteiligter Menschen ausgerichtet sind. Am offenkundigsten wird dies beim eingeschränkten Zugang von ärmeren Menschen zum Gesundheitswesen anhand der regionalen Verteilung von Arztpraxen. Während in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Privatpatienten ein Überangebot zu verzeichnen ist, sind in sozialen Brennpunkten deutlich weniger zu finden. Dabei sind der Anteil an Kranken, der Schweregrad der Krankheiten und der notwendige medizinische Aufwand in benachteiligten Stadtteilen ungleich höher. Hier versagt die zuständige Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigung kläglich.
Mit unserem im November letzten Jahres eingebrachten Antrag „Ärztliche Versorgung besser steuern, soziale Lage in Quartieren berücksichtigen“ haben wir die Verantwortlichen aufgefordert, die Versorgungsbedürfnisse und den jeweiligen Sozialindex der Stadtteile bei der regionalen ärztlichen Versorgung zu berücksichtigen. Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung muss sich endlich ihrer Verantwortung stellen, für eine kleinteiligere Verteilung der ärztlichen Angebote sorgen und dabei im Besonderen die benachteiligten Stadtteile berücksichtigen.
Neben einer besseren ambulanten ärztlichen Versorgung müssen gerade in den benachteiligten Stadtteilen die Anstrengungen zur Prävention verstärkt werden. Der Erfolg der Präventionsangebote muss sich vor allem daran messen, die Benachteiligten zu erreichen. Im Land Bremen werden viele Gesundheitsprogramme von Krankenkassen und von ortsspezifischen Einrichtungen angeboten. Einrichtungen wie zum Beispiel der Gesundheitstreffpunkt West, Frauengesundheit in Tenever, Programme wie „Wohnen in Nachbarschaften“, „TippTapp – Gesund ins Leben“ und die neuen Fachkräfte für Prävention und Gesundheitsförderung in Schulen sind Angebote, die an der Lebenswelt ärmerer Menschen ansetzen. Trotz dieser Vielzahl von Programmen und Einrichtungen ist auch Kritik zu hören: Akteure und Programme laufen nebeneinander her, sie sind nicht vernetzt. In der Vernetzung der Programme und Akteure müssen wir in Bremen besser werden.
Eine Plattform, um eine bessere kommunale Vernetzung zu erreichen, bietet die Umsetzung des Präventionsgesetzes, die im Rahmen der Umsetzung des Präventionsgesetzes stattfindende Präventionskonferenz dient als Strategieform. Ziele sind die Verbesserung der hierzulande bereits etablierten Akteure und Programme sowie die Qualitätsentwicklung und gesundheitsförderliche Maßnahmen.
Ein paar Sätze noch! Effekte im Sinne messbarer und nachhaltiger Auswirkungen sind aber erst mittel- bis langfristig zu erwarten.
Am Ende meiner Rede noch eine kurze Anmerkung zur Forderung nach einem aktuellen Gesundheitsbericht, der letzte Bericht stammt ja aus dem Jahr 2010! Ob ein aufwendig neu zu erstellender Bericht neue Erkenntnisse bringt, bezweifele ich. Die enge Verknüpfung von sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit ist bekannt und auch in welchen Stadtteilen Bremens und Bremerhavens soziale Problemlagen bestehen.
Ein neuer Bericht würde nach meiner Einschätzung keinen großen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen. Ich plädiere daher dafür, wie der Senat
auch in der Großen Anfrage und in der Antwort in der Fragestunde zum Landesgesundheitsbericht vorschlägt, dass unter Nutzung von verfügbaren Daten Fragen über den Gesundheitszustand und das Gesundheitsverhalten der Bremer Bevölkerung beantwortet werden.
Darauf aufbauend und bei der Vorlage einer fundierten Ausarbeitung für die Weiterführung der Landesgesundheitsberichterstattung, an der der Senat zurzeit arbeitet, ist zu bewerten, ob ergänzende Daten zu erheben sind. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Wir fragen den Senat:
Erstens. Ist die gesetzliche Vorgabe aus Paragraf 24 Absatz 1 des Bremischen Krankenhausgesetzes umgesetzt, wonach Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher für alle Krankenhäuser im Land Bremen berufen werden, und falls nein, was tut der Senat dagegen?
Zweitens. Welche Informationen hat der Senat über die Arbeit der Patientenfürsprecherinnen und Pati entenfürsprecher in den Krankenhäusern in Bremen und Bremerhaven?
Drittens. Wie trägt der Senat Sorge dafür, dass Pa tientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher ihrer ehrenamtlichen Arbeit unabhängig von einer Einflussnahme seitens der Krankenhausleitung nach gehen können?