Renate Möbius

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren erstmals seit langer Zeit wieder hier in der Bürgerschaft über die Ergebnisse der Prüfungstätigkeit des
Rechnungshofs. Der Rechnungshof prüft und überwacht gemäß Artikel 133 a Absatz 1 unserer Landesverfassung die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Freien Hansestadt Bremen einschließlich ihrer Sondervermögen und der Betriebe.
Eine wesentliche Funktion des Berichts liegt darin, Themen, mögen sie mehr oder weniger bedeutsam sein, in den Blickpunkt von Parlament, Senat und Öffentlichkeit zu rücken. Obwohl die Veröffentlichung des Berichts schon ein halbes Jahr zurückliegt und damit sowohl in unserem politischen Bereich als auch in den Medien abgefeiert beziehungsweise verarbeitet wurde, verdient der Bericht und somit die Tätigkeit des Rechnungshofs eine parlamentarische Behandlung in Form einer Debatte.
Der Rechnungshof hat in seinem diesjährigen Jahresbericht erneut zum Teil ausführlich und eindringlich die Schuldensituation und den dadurch beeinflussten Zustand der bremischen Haushalte behandelt. Er hat dabei häufig auf Bewertungen aufgebaut, die er schon in den Vorjahren vorgenommen und in den jeweiligen Jahresberichten wiedergegeben hat. Wir alle kennen die wesentlichen Problemstellungen. Im Rechnungsprüfungsausschuss haben wir uns in diesem Jahr ausführlich und zum Teil kontrovers mit den Positionen und den Fragestellungen des Rechnungshofs einerseits und des Senats, vertreten durch den Senator für Finanzen, andererseits auseinander gesetzt.
Lassen Sie uns den wesentlichen Punkt ansprechen! Kernstück dieses Jahresberichts ist das Problem der Verschuldung. Die Zahlen sprechen für sich. Ich verweise auf den Rechnungshofbericht zum Thema Schuldenentwicklung. Die über den Haushalt abgewickelten Schulden erhöhten sich insgesamt beim Land einschließlich seiner Städte seit Beginn der Bundesergänzungszuweisungen von rund neun Milliarden um 1,6 Milliarden Euro auf rund 10,6 Milliarden Euro.
Nach Ansicht des Rechnungshofs ist unsere Haushaltssituation dramatischer, als es die vom Senat vorgelegten Zahlen vermuten lassen. So verschleiern nach Ansicht des Rechnungshofs die auf den Kanzlerbrief gebuchten Einnahmen und somit die Verschuldung über Nebenhaushalte die wahre dramatische Haushaltslage des Landes.
Wir wissen, dass Schuldenmachen an sich nichts Verbotenes ist, im Gegenteil! Es ist durchaus manchmal geboten, Kredite aufzunehmen, um den Staat und die Wirtschaft wirksam zu steuern und politische Ziele zu erreichen. Es kann grundsätzlich auch dauerhaft hingenommen werden, eine Marge an Kreditaufnahmen einzuplanen und zur Verfügung zu haben. Es ist jedoch bedenklich, wenn diese Marge ein hohes Volumen hat und zudem von Jahr zu Jahr wächst und gleichzeitig der wesentliche Einnahmeanteil, die Steuereinnahmen, über einen längeren Zeitraum wegbricht. Durch diese Entwick
lung, die zurzeit bei fast allen Bundesländern vorliegt, deren Ausgangsbasis im Gegensatz zu Bremen aber nicht die eines Haushaltsnotlagelandes war, manövrieren wir uns in eine Schuldenfalle. Durch die hohe Zinsausgabenquote verlieren wir nachhaltig unsere Gestaltungsspielräume für die Zukunft.
Ich zitiere aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1999 mit der Genehmigung des Präsidenten: „Dagegen sind die in Paragraph 11 Absatz 6 des Finanzausgleichsgesetzes geregelten Sonderzuweisungen für die Länder Bremen und Saarland zum Zwecke der Haushaltssanierung verfassungsrechtlich unbedenklich.“ Diese Zuweisungen werden in den Jahren 1999 bis 2004 kontinuierlich abgeschmolzen. Sie laufen spätestens im Jahre 2004 aus. Die beiden begünstigten Länder sind damit auf den Wegfall dieser Zuweisungen vorbereitet. Andere können auf das Auslaufen dieser Übergangsbundesergänzungszuweisungen bauen.
Mit den Sanierungszahlungen ist es uns schon nicht gelungen, den Schuldenstand zu halten. Um wie viel schwieriger ist es dann ohne Zahlungen des Bundes? Hierbei hilft uns auch nicht, den politischen Zeigefinger auf den Koalitionspartner CDU zu richten, der bis 2003 die finanzpolitische Verantwortung in unserem Land Bremen hatte.
Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Situation müssen wir uns selbstkritisch fragen, wie es rechtlich bestellt ist um den politisch gewollten Ansatz, Investitionen in Köpfe statt in Beton umzusetzen. Auch Investitionen in Köpfe müssen bezahlt werden können. Werden sie aus Krediten bezahlt, unterscheiden sich die daraus resultierenden Zinsen in nichts von den Zinsen für Kredite für echte Investitionen. Beide haben gemeinsam, dass sie die laufenden Ausgabenbudgets belasten und dort wiederum verhindern, dass mit ihnen zum Beispiel reguläre Personalausgaben bestritten werden können. Wir befinden uns in einem Teufelskreis.
Eine klare Aussage zu der Frage, in welchen Fällen Kredite aufgenommen werden dürfen, trifft das Grundgesetz in Artikel 115 beziehungsweise die Landesverfassung in Artikel 131 a. Kredite dürfen nur für Investitionen aufgenommen werden. Eine Anmerkung hierzu: Es heißt nicht, Investitionen dürfen nur mit Krediten finanziert werden. Dies gerät manchmal in der politischen Diskussion in Vergessenheit.
Angesichts der kontinuierlichen Rückentwicklung der Steuereinnahmen ist jedoch zum Selbstverständnis geworden, Haushalte mit Krediten zu finanzieren, als seien diese Einnahmen eine aktive Größe neben den Steuereinnahmen. Dieses unheilvolle Selbstverständnis hat sich inzwischen in fast allen
Bundesländern, beim Bund sowie in den Kommunen eingestellt. Gemäß Verfassungsgebot ist also zu überwachen, ob die Krediteinnahmen die investiven Ausgaben überschreiten.
Die wesentliche Beanstandung des Rechnungshofs ist, dass die im Haushalt ablesbaren investiven Ausgaben nur zu einem Teil investive seien. Ihrer Art nach seien sie vielmehr konsumtiver Natur, weil mit ihnen konsumtive Zwecke, das heißt laufende Verwaltungsaufgaben, bestritten und keine Investitionen getätigt werden.
Ja, das war auch nicht anders zu erwarten!
Diese Hinweise auf eine sehr kritische Haushaltspraxis müssen wir sehr ernst nehmen. Alle Ausgaben der öffentlichen Hand sind auf den Prüfstand zu stellen und nach dem Kriterium der Notwendigkeit zu beurteilen. Ich gehe davon aus, dass die Menschen in unserer Stadt und in unserem Land uns genau beobachten, wie wir die politischen Schwerpunkte unter Einbeziehung der Haushaltslage zukünftig setzen werden.
Dass sich die Rechnungslegung an dem für alle Länder geltenden Haushaltsrecht orientiert, ist ein unabdingbares Muss. Einen ersten Schritt, um eventuell eine Umkehr zu erreichen, haben wir damit getan, dass wir die Finanzverwaltung gebeten haben, den Umfang der Ausgaben für konsumtive Ausgabenzwecke aus investiv veranschlagten Mitteln nunmehr zu ermitteln und dabei auch die jeweiligen Maßnahmen zu benennen. Ich zitiere aus dem Bericht des Rechnungsprüfungsausschusses:
„Der Rechnungsprüfungsausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die zwischen dem Rechnungshof und dem Senat bestehenden Differenzen in der Frage der konsumtiven oder investiven Zuordnung von Ausgabenanteilen noch nicht abschließend bereinigt werden konnten. Er bittet die Beteiligten, diesbezüglich Abstimmungsgespräche fortzusetzen und hinsichtlich der angestrebten Verständigung sowohl die Zuordnungspraxis des Bundes und der übrigen Länder als auch die vom Senat erklärte Bereitschaft, Umsteuerungsmaßnahmen im Sinne des Rechnungshofs zur Haushaltsaufstellung 2006 einzuleiten, zu berücksichtigen.“
Nach meinen Erkenntnissen werden die zwischen dem Rechnungshof und dem Senat geführten Gespräche von beiden Seiten konstruktiv geführt, und ich gehe davon aus, dass wir, wie im Rechnungsprüfungsausschuss verabredet, zum Jahresbeginn 2005 die ersten Meldungen aus den einzelnen Ressorts erwarten können.
Die Forderung, den Schuldenstand des Landes darzustellen, beinhaltet ebenso, den Schuldenstand
der Gesellschaften vollständig, transparent und nachvollziehbar darzulegen, das heißt dann allerdings, nicht nur über die Schulden, sondern auch über das Vermögen die Bürgerschaft zu unterrichten.
Der Jahresbericht des Rechnungshofs gibt sowohl dem Senat als auch uns, der Bürgerschaft, wichtige Impulse, die auf unterschiedliche Art und Weise aufgegriffen werden. Von einfachen Senatsbeschlüssen bis hin zu parlamentarischen Initiativen der Bürgerschaft gibt es hierfür viele Beispiele, wie die Feststellungen, Forderungen und Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt werden.
Ich möchte an dieser Stelle im Namen des Ausschusses den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofs für ihre Arbeit danken. Nach meinem Eindruck liegt der wesentliche Erfolg der Arbeit des Rechnungshofs darin, dass er nicht als Ankläger, sondern vielmehr als kollegialer Ratgeber der Verwaltung und uns, dem Parlament, gegenüber fungiert.
Auch die sachgerechte und hilfreiche Zuarbeit aus den einzelnen Ressorts möchte ich hier nicht unerwähnt lassen und bedanke mich dafür auch im Namen des Rechnungsprüfungsausschusses herzlich. In meiner erstmalig wahrgenommenen Funktion als Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses habe ich die Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Rechnungsprüfungsausschuss trotz der schwierigen, aber auch lebhaften und konstruktiven Diskussionen als überaus kollegial erlebt, und für diese Zusammenarbeit möchte ich mich bei allen Beteiligten herzlich bedanken!