Johanna Werner-Muggendorfer

Appearances

16/20 16/23 16/38 16/64

Last Statements

Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es mir jetzt abgenommen wird, wenn ich sage, dass ich mich sehr freue, da stehen und zu Ihnen, zu euch reden zu können. Ich glaube, kaum jemand wird sich so freuen wie ich. Nehmen Sie es mir ab, dass es für mich wirklich schön ist, hier zu stehen und die Weihnachtsworte der Oppositionsfraktionen, ich hoffe sogar, im Namen aller, sprechen zu dürfen.
Ich war in der Arbeitsgruppe "Lebendigeres Parlament" und stelle fest: Heute können wir mit dem lebendigeren Parlament zufrieden sein. Wir haben heute bewiesen, dass es bei uns lebendig zugehen kann.
Als "weihnachtspolitische" Sprecherin, die ich mittlerweile bin, führe ich natürlich sehr gerne ein bisserl auf die Weihnachtszeit hin. Ich spreche auch sehr gerne die Wünsche für das kommende Jahr aus. Es ist nicht zu glauben, dass schon fast wieder eine halbe Periode - oder eine halbe Parodie, wie ein ehemaliger Kollege immer sagte - herum ist. Es geht also alles sehr schnell. Deshalb trifft auch der bekannte Spruch "Ja, is denn heut scho wieder Weihnachten?" zu.
Ich freue mich natürlich, dass ich den Dank an alle aussprechen darf, also an das gesamte Hohe Haus und vor allen Dingen an die Beschäftigten im Bayerischen Landtag,
- ja, des schadt net -,
angefangen bei den sichtbarsten guten Geistern, nämlich den Offiziantinnen und Offizianten. Ich muss ehrlich sagen: Schee schaun’s aus in de roten Jacken.
Das beweist wieder einmal, dass Rot eine schöne Farbe ist.
- An dieser Stelle werden wir uns doch hoffentlich nicht streiten. Die neuen Uniformen machen etwas her. Sind wir uns da einig? - Sie sehen sehr gut aus.
Ich möchte mich bei allen bedanken, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, angefangen beim Reinigungspersonal. Ich denke oft daran, wenn ich sehe, wie es in den Sitzungsräumen aussieht, was alles auf den Boden geschmissen wird. Diesbezüglich könnte man sicherlich das eine oder andere verbessern.
- Es tut mir leid, wenn ich jetzt etwas verraten habe. Manchmal sieht es aber wirklich schlimm aus. Ich bedanke mich ganz herzlich beim Reinigungspersonal, aber natürlich auch, ganz willkürlich herausgegriffen, beim Stenografischen Dienst. Wenn ich bayerisch spreche, weiß ich, dass ich die Stenografinnen und Stenografen vor große Herausforderungen stelle, das richtig hinzuschreiben. Ich gebe gerne zu, dass es heute noch schlimmer kommt. Ich bedanke mich ganz herzlich auch bei jenen, die man nicht so sieht, zum Beispiel die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Telefonzentrale. Sie alle sind dienstbare Geister, die uns zuarbeiten. Ich möchte mich in Ihrer und unser aller Namen ganz herzlich bedanken, auch bei der Polizei, die man sieht. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir uns am Ende eines Jahres ganz herzlich bei allen Sichtbaren und Unsichtbaren bedanken.
Es gibt eine reibungslose Zusammenarbeit und Zuarbeit. Ich glaube, jede und jeder von uns kann immer wieder feststellen, wie gut die Landtagsverwaltung funktioniert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist schon wieder ein Jahr vorbei. Am Ende eines Jahres sollte man auch etwas zurückblicken und, weil Weihnachten ist, eher das Gemeinsame betonen. Das Trennende haben wir ja das gesamte Jahr oder bis vorhin gehabt. Daher meine ich, dass wir öfter darüber nachdenken sollten, mit was wir uns eine Freude bereiten können. Ich habe festgestellt, dass das gar nicht schwer ist. Zum Beispiel kann man den Oppositionsfraktionen eine Freude bereiten, wenn man ihren Anträgen zustimmt. Das geht ganz einfach;
das ist ganz billig; das kostet noch nicht einmal etwas.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, gestern hätte dazu eine Chance bestanden - wir haben es schon fast gespürt, wie die Abstimmung beinahe hätte ausgehen können. Wer es nicht mehr weiß: Ich spreche vom Landesbankgesetz. Es geht um die Verjährung. Die Zustimmung war schon fast spürbar und sichtbar. Was aber macht die Opposition? - Sie zieht den Gesetzentwurf zurück. So geht Parlament auch. Wir wissen aber, dass es um den Inhalt ging, weniger darum, sich zu profilieren. An dieser Geschichte war im Übrigen Berlin schuld. Es ist sowieso günstig, wenn wir, wenn irgendetwas nicht funktioniert, immer sagen können: Daran ist Berlin schuld. Das sollte man sich auch immer etwas vorbehalten. Also gab es hinsichtlich des gemeinsamen Abstimmens wieder keine Weihnachtsfreude.
Ich hatte mir überlegt: Mit was kann man denn den Abgeordneten noch eine Freude machen? Gestern ist mir etwas aufgefallen - das war zu beobachten -: Wenn die Redezeit nicht ausgeschöpft wird und die Sitzung plötzlich zu Ende ist, kann man damit - sogar mit solch kleinen Dingen! - den Abgeordneten eine Freude machen. Das hat Wilhelm Busch schon festgestellt.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, mit dem Bedanken bin ich noch nicht ganz zu Ende; denn ich möchte mich auch ganz besonders bei den Medien, bei ihren Vertreterinnen und Vertretern bedanken - sind noch ein paar da? - Ja, ein paar sind schon noch da. Ohne Sie und Ihre Arbeit wüsste draußen gar niemand, was wir hier tun oder aber auch was wir nicht tun. Ich glaube, ich brauche nicht extra zu betonen, dass dies noch verbesserungsfähig ist. Sicherlich ist das eine oder andere verbesserungsfähig. Aber das kennen Sie ja: Die Politiker sind mit nichts zufrieden. Das ist immer so. Das ist aber auch die Triebkraft für unsere Arbeit. Wir machen die Medien aufmerksam. Triebkraft unserer Arbeit ist - das trifft auf uns alle zu; da darf ich wieder alle mit ins Boot nehmen -, dass wir die Lebensverhältnisse der Menschen in Bayern verbessern wollen. Ich glaube, darauf können wir uns einigen. Das wollen wir. Es ist auch völlig klar, dass das nicht ohne Auseinandersetzung und ohne Streit - im positiven, objektiven Sinne - geht.
Wir haben in Bayern einen wunderbaren Kompass haben, von dem wir uns leiten lassen können, der anzeigt, was für die Menschen gut ist: Das ist die Hoegner-Verfassung. Wenn man öfter in sie hineinsehen würde, würde man das eine oder andere Hilfreiche feststellen. Ich bringe als Beispiel etwas Tagesaktuel
les. Zum Beispiel steht in der Verfassung - ich zitiere -:
Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.
Wunderbar; schöner kann man es nicht sagen. In der Verfassung steht nicht, dass dies nur für Eingeborene gilt. Die Bayerische Verfassung gilt auch für alle, die zu uns gekommen sind, egal ob kurzzeitig oder für länger. Dies sollten wir uns gerade an Weihnachten einmal vor Augen führen.
In diesem Zusammenhang gehe ich sogar so weit, die Franken einzubeziehen.
Wenn wir darüber sprechen, was im vergangenen Jahr war, fällt mir die Wirtschaftskrise ein. Man hat den Eindruck, dass es gar keine Krise war. Jeder fragt: War da etwas? Am Ende eines Jahres schadet es sicher nicht, daran zu denken, dass es Menschen gibt, die unsere Hilfe brauchen. Man sollte auch an die Wohlhabenden denken - einfach gesagt: Es gibt welche, die auch etwas abgeben könnten. An Weihnachten sollte man wieder öfter betonen, wie wichtig es ist, solidarisch mit all denen zu sein, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich sehe es auch als unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker an, ab und zu darauf hinzuweisen.
Mir ist aber noch etwas wichtig. Das Wunderbare an einer Weihnachtsansprache ist ja, dass es keine Zeitbegrenzung gibt. Ich kann mich ausbreiten. Für mich ist das wunderbar. Statt noch eine halbe Stunde zu sprechen, habe ich mir vorgenommen, etwas zum Dialekt zu sagen, weil mir das so wichtig ist. Das passt eigentlich immer. Unsere Dialekte in Bayern sind wunderschön, viel prägnanter und aussagekräftiger als die Hochsprache. Erfreulicherweise gibt es viele Tendenzen und Anläufe, die Wichtigkeit des Dialekts wieder stärker zu betonen. Ich weiß, dass die Franken beim Altbayrischen etwas schnaufen. Ich will aber nicht in Fränkisch, sondern in Altbayrisch sprechen. Das nächste Mal kommt dann jemand aus Franken und übernimmt diesen Teil.
Ich finde, dass man manches in Bayrisch viel schöner als in der sogenannten Hochsprache sagen kann. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich habe ein paar
Beispiele mitgebracht, die zeigen, dass man in Bayrisch einen ganz komplizierten Sachverhalt schöner und kürzer sagen kann. Zum Beispiel: A bisserl wos geht oiwei - auf Hochdeutsch übersetzt: Ein Kompromissvorschlag wäre vorstellbar. Schöner kann man das doch nicht sagen.
Wir haben heute wieder gemerkt: A bisserl wos geht oiwei.
Ein weiteres Beispiel: So is aa wieder ned. Das könnte man übersetzen mit: Der Sachverhalt ist komplizierter, als er sich darstellt. Das kommt bei uns manchmal auch vor. Wenn heute jemand sagt: Aber heit nimma, wäre das auf Hochdeutsch und langatmig übersetzt: Es ist uns leider heute nicht mehr möglich. Es klingt doch viel netter, wenn jemand sagt: Aber heit nimma.
Das Beste, was in unserer Sprache als Füllsel gebraucht wird und was immer passt: Ja mei. Wenn Sie einmal nicht mehr weiter wissen, dann sagen Sie "Ja mei". Übersetzt hieße das: Das ist nun einmal der Lauf der Dinge. Wir sollten uns da heraushalten.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich möchte die Weihnachtsansprache nicht beenden, ohne etwas Weihnachtliches vorgetragen zu haben. Im Bayerischen gibt es ein paar schöne Aphorismen und Gedanken. Harald Grill bringt das wunderbar. Er hat gesagt: Mit de Lebkucha ist’s wia mit de Leid: Wenns oid wern, wern de oana hart und de andern weich. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit diesen nachdenklichen Worten wünsche ich Ihnen und all denen, die heute nicht da sein können, vor allem den kranken Kolleginnen und Kollegen, ein ruhiges schönes Weihnachtsfest oder - kurz auf bayerisch - a guade Zeit.
Liebe Frau Präsidentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Als weihnachtspolitische Sprecherin - die bin ich mittlerweile - mache ich mir natürlich Gedanken, was in einer solchen Rede in diesem Jahr im Vordergrund stehen könnte. Man liest dann nach, was im abgelaufenen Jahr alles gesagt wurde.
Das vorige Jahr war wohl das denkwürdigste. Da habe ich über das Ankommen gesprochen, weil in diesem Haus sehr viele neu angekommen sind. Neu war die Zahl von fünf Fraktionen. Neu war die Regierungskoalition. So etwas hatten wir in den letzten 50 Jahren noch nicht gehabt. Daher war das vorige Jahr sehr denkwürdig.
Während im vorigen Jahr das Ankommen im Mittelpunkt stand, geht es jetzt um das Auskommen, darum, wie wir miteinander auskommen. Das soll in diesem Jahr mein Schwerpunkt sein.
Auf Bayerisch gesagt: Es geht ois sein’ Gang! Aber es geht auch nicht von selbst. Daher sehe auch ich die Notwendigkeit, am Anfang all denen Danke zu sagen, die dafür sorgen, dass in diesem Haus "ois sein’ Gang" geht. Natürlich kann man nicht alle erwähnen. Die Frau Präsidentin hat sich schon bei allen bedankt. Aber viel
leicht darf ich auf ein paar Bereiche besonders zu sprechen kommen.
Ganz besonders herausstellen möchte ich das Landtagsamt, von der Pforte bis zum Plenardienst.
Das ist ein hilfreiches Team, eine hilfreiche Truppe. Deshalb vielen herzlichen Dank!
Aber es gibt in unserem Haus auch viele Unsichtbare. Wir sehen sie nicht. Sie tun ihren Dienst, und es würde ganz schön einschlagen, wenn sie nicht arbeiteten. Das sind zum Beispiel die Putzfrauen, es ist der Telefondienst. Und ganz besonders sind es die Techniker; wenn wir die nicht hätten, würden wir vor stummen Lautsprechern sitzen. Also auch denen, die unsichtbar sind und ihre Arbeit machen, einen ganz herzlichen Dank!
Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionsgeschäftsstellen, die uns oft den Rücken freihalten - da spreche ich sicher auch im Namen aller Fraktionen, auch der Regierungsfraktionen -, spreche ich vielen Dank für Ihre Zu- und Mitarbeit aus.
Ich will noch etwas zu den Sichtbaren sagen. Die für uns am sichtbarsten sind die Offizianten und - die gibt es mittlerweile Gott sei Dank auch - Offiziantinnen. Sie stehen uns gut zur Seite. Ich freue mich schon auf das nächste Jahr, weil dann die roten Jacken kommen; dann gfoit’s ma no vui besser. Auch denen vielen Dank!
Herzlichen Dank sage ich auch den anderen Uniformträgern im Hause: den Polizisten und Polizistinnen, die uns immer begleiten und darauf achten, dass uns nichts passiert.
Sichtbar - manchmal erfreulich, manchmal nicht erfreulich - ist auch die Arbeit der Medien. Ich schaue jetzt ganz explizit hinauf. Ich meine aber die anderen Medien genauso. Auch für die Arbeit der Medien herzlichen Dank. Wenn sie nicht berichten, dann - so sage ich es zu meiner Zeitung - moana de Leit, i dua nix.
Also berichten Sie darüber, dass wir etwas tun. Begleiten Sie uns kritisch. Aber berichten Sie. Vielen Dank für Ihre Arbeit!
Weil bald Weihnachten ist - ganz ist es noch nicht so weit -, darf man sich etwas wünschen. Ich wünsche mir, dass nicht immer nur die schlechten Nachrichten gute Nachrichten sind, dass nicht immer die schlechten Nachrichten auf der ersten Seite stehen, sondern die guten Nachrichten in den Mittelpunkt gestellt werden. Ab und zu liefert dieses Haus auch die Gelegenheit, gute Nachrichten zu bringen. Für das, was dies sein könnte, kann ich nachher vielleicht noch einen Tipp geben.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wie gesagt, ging es mir im vorigen Jahr um das Ankommen, und jetzt geht es mir um das Miteinander-Auskommen. Die Abläufe, die Diskussionen, die schwierigen, hitzigen Debatten sind für viele sicherlich neu, für viele aber auch etwas Gewohntes.
Ich will mich heute ganz besonders mit dem Gang in unserem Haus beschäftigen, mit dem Gang, der unser Plenum trennt in "ennt und drennt". Das ist die altbayrische Version. Die Franken haben dafür nichts Gescheites. Die sagen "hüm und drüm"; etwas Besseres habe ich nicht gefunden. Und die Schwaben und Allgäuer sagen "hiined und dinad". Ich will allen Dialekten gerecht werden und meine Gedanken in der entsprechenden Form ausdrücken. Auf Hochdeutsch heißt das natürlich "hüben und drüben" oder "diesseits und jenseits".
Der Gang trennt uns bis auf einen Ausreißer in Oppositions- und Regierungsfraktionen. Das ist in diesem Haus gewissermaßen die Grenze. Was mich, die ich schon länger da bin, sehr freut, ist, dass die Grenze immer weiter da hinüberrückt. Das ist etwas Positives der letzten Zeit.
Ganz entscheidend ist der Gang für die Frage, wer wo sitzt, auf welcher Seite der Einzelne sitzt, wer etwas zu sagen hat, wer was wird oder auch schon etwas war; - es werden ja immer mehr.
Dann geht es noch um "vorn und hint" oder "ob’n und unt’". Aber das klären die Fraktionen.
Dieser Gang ist in diesem Haus ganz entscheidend; entscheidend dafür, ob Anträge angenommen oder abgelehnt werden. Dieser Gang trennt Vorschläge von ihrer Umsetzung. Dieser Gang wird manchmal unüberwindbar. Ab und zu, wenn auch selten, werden über diesen Gang Brücken gebaut. Ich will nicht falsch verstanden werden. Wir müssen in diesem Haus nicht alle einer Meinung sein; dies wäre furchtbar langweilig. Wir treten auch an, unterschiedliche Meinungen zu haben. Unterschiedliche Parteien vertreten auch unterschiedliche Wählergruppen, Wählerinnen und Wähler.
Ich äußere jetzt noch einen Weihnachtswunsch. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann möchte ich gerne, dass die Ideen der Oppositionsfraktionen öfter gleich angenommen werden und dass den Vorschlägen der Oppositionsfraktionen von den Regierungsfraktionen öfter zugestimmt wird. Das wäre ein Weihnachtswunsch;
denn umgekehrt findet dies ja statt. Wenn die Regierungsfraktionen gute Ideen haben, werden sie immer unterstützt. Es ist kein Weihnachtsmärchen, sondern vom Landtagsamt erarbeitet worden, dass fast 70 % unserer Anträge, Gesetze und Entscheidungen in diesem Haus einstimmig gefasst werden. Das ist eine gute Nachricht, die man ab und zu vielleicht auch als Beispiel dafür anführen könnte, dass wir uns auch über vieles Trennende hinweg einig sein können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Weihnachtsrede ist nicht dazu gedacht, die politische Auseinandersetzung fortzusetzen, sondern dazu, um auf ein paar Dinge hinzuweisen. Dieses Jahr 2009 war auch ein Gedenkjahr. Wir haben in diesem Jahr 20 Jahre Mauerfall gefeiert; da gab es auch ein "ennt" und "drennt". Dieses Zusammenkommen haben wir in diesem Jahr gefeiert. Ich möchte an dieser Stelle einen Gedanken vertiefen - die Wertschätzung der Demokratie. Uns muss wirklich klar werden, wie wichtig die Demokratie für uns ist; wir müssen verdeutlichen, dass wir sie wertschätzen.
Das Jahr 2009 hat uns auch an 60 Jahre geglückte De mokratie, 60 Jahre Grundgesetz erinnert. Darauf kön nen wir alle sehr stolz sein. Wir müssen aber erkennen und deutlich machen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Das bekommen wir nicht geschenkt. Für diese Demokratie müssen wir alle arbeiten. Dass wir Parlamente, Wahlen und Möglichkeiten haben, unsere Gesellschaft zu gestalten, ist ein hohes Gut. Deshalb müssen wir, gerade wir, die wir in diesem Parlament sitzen, alle dafür sorgen, dass wir nicht zur Passantendemokratie verkommen, sondern dass die Menschen sehen, dass es sich lohnt, sich für andere einzusetzen, dass es sich lohnt, wählen zu gehen, weil diejenigen, die man wählt, es schon richtig machen. Ich hätte auch den Wunsch, dass dies deutlich wird.
Wir haben uns in den vergangenen Tagen das eine oder andere Mal an verschiedener Stelle darüber unterhalten: Das Verhalten in diesem Raum ist auch für das Miteinanderauskommen ausschlaggebend, von dem ich geredet habe; das "ennt" und "drennt" spielt natürlich auch hier eine große Rolle.
Das Jahr 2009 - Frau Präsidentin hat es angesprochen - hat uns vor viele große Herausforderungen gestellt, und ich fürchte, das Jahr 2010 wird nicht besser. Am
Ende des Jahres 2009 möchte ich gerade kurz vor Weihnachten eher das Verbindende statt das Trennende betonen, unsere Arbeit für die Demokratie, für die Menschen herausstellen. Das verbindet uns alle, jeden und jede an seinem, an ihrem Platz. Weihnachten ist immer etwas Nachdenkliches, aber auch etwas Fröhliches. Deshalb wünsche ich allen "a guade Zeit mit de eigenen Leit" und für 2010: "Wenns oide Johr erfolgreich war, dann frei di aufs Neie, und wars es ned, dann erst recht".
Frau Präsidentin, Frau Ministerin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Mich freut es, dass der Ministerpräsident bei diesem Thema so aufmerksam zuhört. Das sind wir nicht gewohnt - das muss ich einmal sagen -, weil das in früheren Zeiten bei derartigen Themen eher nicht der Fall war. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
- Herr Maget kommt schon noch. Keine Sorge, den habe ich im Griff. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.
Frau Ministerin, Sie haben Ihre Regierungserklärung
- Der Maget, der mag schon!
Frau Ministerin, Sie haben Ihre Regierungserklärung unter das Motto "Raum für Familien - Chancen für Kinder" gestellt. Ich stelle fest, dass wir an vielen Stellen dieselbe Wortwahl treffen, dass wir aber wahrscheinlich an vielen Stellen Verschiedenes meinen, wenn es darum geht, dass Kindern mehr Raum eingeräumt wer
den muss. Kinder brauchen Platz und Plätze, und zwar an vielen Orten, in der Familie, in der Wohnung, in der Gesellschaft und in Kinderbetreuungseinrichtungen. Diese Räume zu schaffen, haben Sie versprochen, aber Ihrem Anspruch - das möchte ich an einigen Beispielen aufzeigen - werden Sie nicht immer gerecht.
Sie haben viel Richtiges gesagt und haben dafür auch von uns Beifall erhalten. Die Bayerische Verfassung, die Sie zitiert haben, ist uns Leitlinie. Trotzdem bleibt der Eindruck, den ich an einigen Beispielen festmachen möchte, dass es zwischen Theorie und schön geschriebenen Reden auf der einen Seite und der Praxis auf der anderen Seite riesige Unterschiede gibt.
Einig sind wir uns sicher darin, dass die Familie nicht nur Privatsache ist. Sie sagen aber auch, Familie und Eltern sind nicht ersetzbar. Als Adoptivmutter mag ich mir das nicht gefallen lassen. Familie muss auch ersetzbar sein. Hier musste etwas passieren, und die Zahl der Fälle ist gestiegen, in denen Eltern die Kinder genommen wurden, weil sie ihrer Aufgabe nicht gerecht wurden. Ich sage, in diesen Fällen ist Familie ersetzbar.
Ich muss mit einigem aufräumen, was Sie unterschwellig haben durchklingen lassen für den Fall, dass der Staat die Verantwortung übernimmt. Tatsächlich will niemand den Eltern die Kinder wegnehmen und diese in staatliche Verantwortung nehmen. Es kommt nicht in der Früh die Staatspolizei und holt die Kinder ab. Tatsächlich wollen wir, dass die Eltern ihrer Aufgabe gerecht werden können, aber dort, wo es nicht funktioniert, muss der Staat eingreifen und hilfreich die Hand reichen. Das ist unser Anspruch an familienergänzende Einrichtungen.
Frau Ministerin, Sie haben den schönen Vergleich mit dem Bild und dem Rahmen gebracht. Allerdings haben Sie sich das Bild nicht angesehen, Sie haben nicht registriert, wie sich das Bild verändert, wie sich Familie verändert. In den vergangenen Jahrzehnten haben Sie nicht gesehen, dass sich die Familie und das Bild verändern und dass sich der Rahmen, den der Staat gibt, dem anpassen muss. Sie haben die Situation sehr starr gesehen und haben nicht auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die es in den vergangenen Jahren gab, reagiert - siehe Kinderbetreuung, siehe Erwerbstätigkeit von Frauen. Diese gesellschaftlichen Veränderungen erfordern eine Begleitung des Staates.
Zu den vergangenen Jahren, von denen ich schon einige überblicke, muss ich sagen: Kinderbetreuung und außerschulische Betreuung waren in diesem Hause immer ein sozialdemokratisches Thema.
- Aber wirklich, da kenne ich mich aus, Herr Miller. Ich sage Ihnen: waren und sind! Wir haben in diesem Parlament viele Vorstöße unternommen. Leider hat die CSU-Mehrheit alle diese Vorstöße abgeblockt. Wir wären viel weiter in der Kinderbetreuung, hätten Sie in den vergangenen Jahren auf uns gehört.
Aber ich will nicht nur schimpfen. Ich lobe ausdrücklich, dass ein Umdenken stattgefunden hat, dass sich gerade in den letzten fünf Jahren etwas getan hat, langsam, aber immerhin. Ich will meinen Respekt dafür kundtun, dass es ein Umsteuern gegeben hat. Es ist aber sehr schwierig, wenn man in der Kinderbetreuung von null auf 35 kommen will. Wenn man bei der Versorgung von Kindern von null bis drei Jahren eine Versorgungsquote von 3,6 % hat und 35 % erreichen will, dann steht man vor großen Aufgaben. Gott sei Dank können Sie hier auf der sozialdemokratischen Kommunalpolitik aufbauen. Denn die meisten Kinderkrippenplätze sind in sozialdemokratisch geführten Kommunen eingerichtet worden, und zwar ohne dass es dafür eine staatliche Förderung gegeben hätte.
Wir wollen aber heute festhalten, was Familien brauchen. Was brauchen Familien? - Das beginnt, wie alles auf der Welt, mit dem Geld. Geld ist das A und O und entscheidet über sehr vieles. Für Familien sind Einkommen, Beschäftigung und Arbeitsplätze wichtig. Wir werden heute noch im Rahmen der Dringlichkeitsanträge über viele Frauenarbeitsplätze sprechen, wenn es um Quelle geht. Wir brauchen also existenzsichernde Löhne und Arbeitsplätze; denn die Erwerbsarbeit vermindert das Armutsrisiko für Familien mit Kindern. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten auch in diesem Zusammenhang den gesetzlichen Mindestlohn ansprechen, der wichtig ist, damit Familien existieren können. Das brauchen Familien!
Vom Frauenverdienst will ich gar nicht sprechen. Sie sind schließlich auch Frauenministerin. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, dass Frauen 23 % weniger für die gleiche Arbeit bekommen. Für dieselbe Arbeit gibt es nicht denselben Lohn; wir müssen sicherlich noch sehr viel unternehmen, um das zu ändern.
Der Sozialbericht, den wir Gott sei Dank nach zehn Jahren bekommen haben, zeigt leider, dass Kinder ein Armutsrisiko darstellen, gerade für Alleinerziehende. Dazu wird meine Kollegin noch etwas sagen. Ich möchte aber auch deutlich machen, dass Armut gerade für
Familien und Kinder ein Ausgrenzungstatbestand ist. Kinder werden ausgegrenzt, aber sie wollen doch dazugehören, sei es beim Sport, sei es bei der Kultur, sei es bei der Musik. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir an dieser Stelle ansetzen. Ein gutes Einkommen ist da genauso wichtig wie die Ernährung für ein gesundes Aufwachsen. Wir wissen alle, dass Kinder fehlernährt werden, wenn das Familieneinkommen nicht gut ist. Gutes Einkommen verhindert auch Überschuldung. Auch das ist ein Thema für Familien; hier brauchen wir mehr Beratung.
Ich komme zur Rente. Dabei sollten Sie nicht auf den Bund schielen. Ich sage Ihnen: Gutes Einkommen verhindert auch schlechte Renten. Auch hier kann man sicherlich ansetzen,
wenn man über die Altersversorgung spricht.
Ich möchte hier aber über Landespolitik sprechen. Familien und ihre Kinder brauchen - das haben Sie etwas stiefmütterlich behandelt - von Anfang an gerechte Bildungschancen. Sie haben den Anfang beschrieben, aber es geht weiter. Wir alle wissen, dass Bildung der Schlüssel für gute Lebenschancen ist. Das Schulangebot ist in unserem Land nicht gerecht verteilt; dazu möchte ich zwei Sätze sagen. Wir haben ganze Landstriche, in denen Kinder einen sehr weiten Weg zum Gymnasium hätten und deshalb dort nicht hinfahren. So werden sie vom Abitur ferngehalten, sage ich einmal. Wir brauchen also gerechte Bildungschancen für alle Kinder von Anfang an.
Das ist wieder ein Thema, von dem ich sage: In der Theorie hört es sich sehr gut an, liest es sich sehr gut, was Sie sagen, aber die Praxis passt nicht zu diesen Aussagen.
Bei dem mangelnden Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen will ich mal ein bisschen verweilen. Die Kinderbetreuungseinrichtungen - das BayKiBiG hat uns jetzt viele Jahre lang beschäftigt - und die Versorgung der Kinder zwischen null und drei Jahren sind Gott sei Dank in diesem Haus Thema geworden, weil - das muss ich allerdings sagen - der Bund angeschoben hat, weil es ein Bundesgesetz gibt, weil die Länder mitziehen müssen und weil der Bund dafür Geld gibt. Das gehört in diesem Haus auch einmal gesagt.
Sie geben an, dass es im Jahr 2008 15.116 Plätze in Kinderkrippen gibt, dass es in der Tagespflege über 5.000 Plätze gibt. Das, das möchte ich auch sagen,
finde ich auch notwendig. Das ist eine gute Hilfe an vielen Stellen. Aber die Ausbildung, die Sie mit 160 Stunden ansetzen, ist mir noch nicht genug. Wenn die Tagespflege wirklich helfen soll, muss sie qualitätvolle Betreuung sein.
Aber lassen Sie mich jetzt fragen, wo die Kinder zwischen null und drei Jahren sind. Sie geben in Ihrer Regierungserklärung für 2009 an, hier gebe es 58.000 Plätze. Sie sagen, 13,7 % der Kinder zwischen null und drei Jahren seien versorgt. Wo sind diese Kinder? Die Krippenplätze habe ich schon genannt; ich habe auch etwas zur Tagespflege gesagt. Irgendwo aber müssen die anderen sein. Die sind im Kindergarten. Und davon verstehe ich jetzt wirklich etwas: Zweijährige im Kindergarten - ich sage Ihnen: Das ist der völlig falsche Ansatz, wenn man diesen Kindern gerecht werden will und wenn es so bleibt, wie es ist.
- Ja freilich. Da weiß ich wirklich, wovon ich spreche. Da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln, Herr Sackmann. Zweijährige in Gruppen von 25 bis 27 Kindern zwischen drei und sechs Jahren unterzubringen, wird niemandem gerecht: Damit werden Sie weder den Kindern noch den Eltern und schon gar nicht den Erzieherinnen gerecht, weil die überfordert sind.
Ich möchte wissen, wie Sie die restlichen Plätze auf 100.000 erreichen wollen, wenn Sie so großspurig sagen: Bis 2012 haben wir das erreicht. Ich fürchte, Sie wollen die alle in die Kindergärten schicken. Das ist aber der falsche Ansatz. Wenn wir über Qualität in diesem Bereich reden, ist das falsch.
Jetzt komme ich noch zu den Förderkosten. Sie haben nicht gesagt, dass diese 340 Millionen vom Bund kommen. Grund dafür, dass das Geld von den Kommunen nicht abgerufen wird, ist sicherlich irgendein Verwaltungsproblem, das gelöst werden muss. Nur ein ganz geringer Anteil dieses Geldes ist schon abgerufen. Die 100 Millionen, die Sie, wie Sie uns seit vielen Jahren virtuell ankündigen, bei der Investitionsförderung für Kinderkrippen drauflegen, brauchen Sie gar nicht, weil die Bundesmittel nicht ausgeschöpft werden. Diese 100 Millionen sollten wir lieber in das letzte kostenlose Kindergartenjahr stecken; da sind sie gut aufgehoben.
Zur Qualität möchte ich nur noch eines sagen, weil Sie den Bildungs- und Erziehungsplan immer so vor sich hertragen. Es reicht nicht, wenn man das Buch ins
Regal stellt. Zwar stehen schöne Sachen drin, aber man muss den Bildungs- und Erziehungsplan auch umsetzen können. Dafür brauchen wir die entsprechenden Kriterien in den Einrichtungen: kleine Gruppen, gut ausgebildetes Personal. Nur dann kann man den Bildungsund Erziehungsplan umsetzen. Es reicht nicht, ihn nur zu haben.
Dazu wäre auch eine bessere Fachkraftquote notwendig. In Bayern haben wir nur 52,8 % Fachkräfte; das ist ein Dilemma. Damit sind wir Schlusslicht in der Bundesrepublik. Wir müssen uns noch viel mehr anstrengen, damit gut ausgebildete Leute für unsere Kinder zuständig sind.
An dieser Stelle möchte ich eine Lanze für die Erzieherinnen und Erzieher, für die Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger brechen, die draußen ihre Arbeit tun. Ich weiß, sie gehen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Sie leisten hervorragende Arbeit, aber sie sind jetzt an einem Endpunkt angelangt. Deshalb streiken sie. Ich wünsche von hier aus - ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie auch - viel Erfolg für die Tarifverhandlungen, die heute Nacht unterbrochen wurden, um finanziell wenigstens ein kleines bisschen mehr zu erreichen für diejenigen, die diese wertvolle Arbeit leisten.
Zur Qualität der frühkindlichen Bildung kann man viele Ansatzpunkte finden. Ich habe ein paar genannt. Es gibt eine marktwirtschaftliche Begründung, auf die vielleicht viele abfahren, weil sie eine solche Begründung für die bessere halten. Die Bertelsmann-Stiftung hat eine Berechnung veröffentlicht, die sogar für Marktwirtschaftler interessant ist: Frühkindliche Bildung hat eine Rendite von 8 %. Das ist doch was in der heutigen Zeit! Man muss ja nicht direkt der Ackermann sein, aber 8 %, denke ich, ist eine ordentliche Rendite. Auch dieses Argument spricht für Qualität in der frühkindlichen Bildung. Da gäbe es, gerade wenn wir das BayKiBiG anschauen, einige Stellschrauben, an denen man etwas verändern könnte. Sie haben gesagt, Sie seien für Vorschläge dankbar. Ja, was haben wir denn alles für Vorschläge gemacht? Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen, den Anstellungsschlüssel zu verändern. Jetzt allmählich reden Sie auch darüber, den Anstellungsschlüssel zu verändern. Aber das nützt nichts, wenn es lediglich als Ziel in Ihrer Regierungserklärung steht. Bitte machen Sie es doch zur Wirklichkeit und geben die entsprechenden Finanzen,
damit wir den Anstellungsschlüssel tatsächlich verringern können und die Erzieherinnen und Erzieher für die
Kinder da sein können. Es ist ja ein guter Vorschlag, zu sagen, man gibt finanzielle Anreize, wenn der Anstellungsschlüssel verringert wird. Aber es wäre noch günstiger, den Anstellungsschlüssel gleich zu verändern und zu sagen, dass er so eingehalten werden muss.
Sie haben auch etwas zum Fachkräftemangel gesagt und dazu, was uns in den nächsten Jahren bevorsteht. Wir werden da ein Riesenproblem bekommen. Wir werden nicht mehr genügend ausgebildete junge Leute haben. Sie haben gesagt, Sie wollen in einen Dialog eintreten. Dann haben wir wieder Theorie und Praxis, die nicht zueinander passen. Warum machen Sie denn nichts? Warum ergreifen Sie keine Maßnahmen? Warum starten Sie nicht eine Kampagne für den Erzieherberuf?
Das könnten Sie doch machen. Dazu muss man nicht einen Dialog führen. Es gibt viele Vorschläge von uns, etwa die berufsbegleitende Fortbildung, das Telekolleg. Das ist alles schon mal da gewesen; man kann da wirklich etwas tun.
Das BayKiBiG haben wir schon immer als den falschen Ansatz angesehen. Gewichtungsfaktoren stigmatisieren Kinder, sie sind der falsche Ansatz. Auch die ProKopf-Förderung halten wir für einen falschen Ansatz. Meine Kolleginnen und Kollegen und ich haben das ja immer wieder gesagt. Ich will nur ein Beispiel nennen, weil Sie das herausgehoben haben, die Sprachförderung. Der Faktor von 1,3 wird gegeben, wenn ein Kind Eltern nicht deutscher Herkunft hat. Schon darum muss man sich streiten, wenn ein Elternteil des Kindes nicht deutscher Herkunft ist. Das ist doch der falsche Ansatz. Der Ansatz muss bei der Sprachkompetenz liegen. Wenn ein Kind nicht gescheit Deutsch kann, muss es sprachlich gefördert werden, egal welche Eltern es hat.
Das sollte, glaube ich, der Ausgangspunkt sein. Und da meine ich nicht Bayerisch oder Fränkisch, bloß dass das klar ist.
In die Sprachförderung wird wirklich sehr viel Geld gesteckt. Aber ich bin der Meinung: Wenn man die Gruppen und die Einrichtungen so ausstatten würde, dass sie die Sprachförderung selbst vornehmen können, müssten wir die ganzen Programme nicht durchführen und müssten wir die Kinder nicht in der Gegend herumfahren. Statten wir die Gruppen doch so aus, dass sie diese Förderung selbst vornehmen können! Dann müsste man natürlich noch darüber reden, dass die Einrichtungen von Bürokratie entlastet werden müssen.
Auch das Folgende haben Sie in Ihrer Regierungserklärung angesprochen und ich will es noch einmal sagen: Frühkindliche Bildung gehört mehr erforscht. Es ist eine Schande und ein Armutszeugnis, dass es in Bayern keinen Lehrstuhl für diesen Themenbereich frühkindliche Bildung gibt. Es ist ein Armutszeugnis, darauf zu warten, dass irgendein Stifter kommt. Da ist der Staat gefordert. Schade, dass Herr Heubisch nicht da ist, dann könnte man es ihm gleich sagen. Das wäre der richtige Ansatz.
Ich weiß, wir haben das Deutsche Jugendinstitut und auch das Institut für Frühpädagogik. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber es ist wirklich schade, dass es in Deutschland mehr Lehrstühle für Japanologie als für frühkindliche Bildung gibt. Damit, meine ich, kann man sich nicht zufriedengeben.
Was die Finanzierung anbelangt, so haben Sie gesagt, dass Bayern im Vergleich mit den anderen Bundesländern hervorragend dastünde. Das freut einen. Dagegen will ich nichts sagen, wenn wir so gut sind. Aber ich verstehe nicht, wie dann folgende Zahlen zustande kommen. Vom Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung wird vorgerechnet, dass Bayern für ein Kind in der Kinderbetreuung 2.925 Euro pro Jahr ausgibt und Berlin 7.082 Euro. Irgendetwas kann da nicht stimmen. Hinzu kommen die Ungerechtigkeiten in Bezug auf die Elternbeiträge. Es gibt Einrichtungen, in denen die Unterbringung nichts kostet. Gerade im Umland von München gibt es sehr viele Kindergärten, die kostenlos sind, aber es gibt auch welche, die mehrere hundert Euro kosten. Auch das, meine ich, kann uns nicht zufriedenstellen. Deshalb muss die frühkindliche Bildung kostenfrei sein.
Das ist unser Anspruch. Ein Einstieg wäre das letzte Kindergartenjahr.
Zu den Finanzen könnte man sagen, dass Sie viele Mitfinanzierer wie zum Beispiel Europa haben. Ich will bloß noch einen Aspekt ansprechen, weil auch das zum Thema Familie und Bildungsgerechtigkeit gehört, dass man sich darauf zurückbesinnt, dass es europäische Mittel zum Beispiel für das Nachholen des Hauptschulabschlusses gibt. Ich finde, es ist wirklich ein Armutszeugnis für Bayern, wenn wir den Schülerinnen und Schülern, die den Hauptschulabschluss nachholen wollen, nicht mit bayerischem Geld zur Seite stehen, sondern darauf verweisen, dass sie sich von Europa etwas
geben lassen sollen. Da lässt man die Familien und Kinder im Stich. Das finde ich falsch.
Was brauchen Familien, was brauchen Kinder? Ich habe es gesagt: Platz, also bezahlbaren Wohnraum, und Plätze, wo Kinder auch willkommen sind, Spielplätze, die nicht von den Anwohnern bekämpft werden. Kinder brauchen Rechte. Ich würde mir wünschen, dass wir uns darin einigen zu fordern, dass Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden. Das wäre sehr schön.
Die CSU hat es immerhin in ihrem Programm, aber zwischen Theorie und Praxis herrscht mal wieder eine Diskrepanz. Ich könnte mir vorstellen, dass wir, wenn wir diese Kinderrechte schon eingeführt hätten, diese unsägliche Fernsehsendung, bei der Kinder verliehen werden, vielleicht hätten verhindern können, weil den Kindern Rechte zustünden.
Kinder brauchen Wertschätzung. Darin sind wir uns wieder einig. Wir müssen sie ernst nehmen. Das gilt ganz besonders für junge Erwachsene, für Jugendliche. Das bedeutet auch, dass man sie nicht als Objekte betrachtet, sondern dass man sie mitwirken lässt, dass man sie an Entscheidungen beteiligt und Demokratie ausübt. Zum Thema Jugendsozialarbeit will ich nur sagen: Das ist, finde ich, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mehr ist das nicht.
Es gäbe noch Vieles aufzuzählen, was Familien brauchen, wie der Rahmen um das Bild, das sich ständig verändert, und dazu ist Geld notwendig. Das haben Sie gesagt. Ich sage Ihnen auch, weil immer wieder das Thema Verschuldung angesprochen wird: Mir ist es lieber, wir haben gut ausgebildete, starke Kinder, die mit den Schulden intelligent umgehen können, die wir ihnen jetzt hinterlassen müssen.
Auch heute gilt wieder: Erwachsene sind auf die Nachsicht der Kinder angewiesen. Deswegen ist es auch notwendig, dass wir sie entsprechend wertschätzen und ihnen eine kinderfreundliche Gesellschaft bereiten, nicht eine kinderentwöhnte, sondern eine, in der sich junge Leute wieder trauen, Kinder zu bekommen, dass sie sich wieder trauen, den Kinderwunsch zu verwirklichen. Das kann man ihnen nicht verordnen, das kann man in kein Gesetz schreiben. Das müssen wir alle miteinander tun. Da, liebe Frau Ministerin, sind wir an Ihrer Seite, da sind wir auf jeden Fall dabei, eine kinderfreundliche Gesellschaft zu entwickeln. Wir sollten dabei eigentlich Vorbild sein.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Rücken kaputt, Geldbeutel leer", dieser Titel war heute in einer Zeitung zu lesen. Gestern war ein Streik der Erzieherinnen und Erzieher, was eigentlich sehr ungewöhnlich ist. Dieser Berufsstand hält sich sehr damit zurück, auf sich aufmerksam zu machen. Es ist aber höchste Zeit, genau hinzuschauen, wie es den Erzieherinnen und Erziehern und dem pädagogischen Personal in den Einrichtungen geht. So kann es einfach nicht mehr weitergehen.
Wir sind es gewohnt, dass die Ärzte mit den Mitteln des Streiks auf sich aufmerksam machen. Dass Erzieherinnen und Erzieher und das pädagogische Personal so etwas tun, ist ein ungewöhnlicher Schritt, er ist aber höchst notwendig.
Ich will etwas vorausschicken, denn ich gehöre selber diesem Berufsstand an. Der Erzieherberuf ist ein sehr schöner Beruf und er macht Spaß. Bei den Anforderungen, die von der Gesellschaft und denen, die mit Erziehung etwas zu tun haben - egal ob Träger der Einrichtungen, Gesetzgeber oder Eltern -, an diesen Beruf gerichtet werden, ist aber sehr bald das Ende der Fahnenstange erreicht. Man kann erkennen, dass die Arbeit nicht mehr zu leisten ist. Die beruflichen Anforderungen, die wir als Gesetzgeber mit dem BayKiBiG und dem Bildungs- und Erziehungsplan dem pädagogischen Personal gewissermaßen aufhalsen, und natürlich auch der eigene Anspruch, die Arbeit gut zu leisten, sind nicht mehr einlösbar unter den Bedingungen, die die Kolleginnen und Kollegen vor Ort vorfinden.
Wir wollen heute mit unserem Antrag erreichen, dass wir gemeinsam - darum hoffe ich auch darauf, dass wir dieses Thema nicht streitig behandeln - diesem Berufsstand unsere Wertschätzung und Anerkennung aussprechen und dass wir unsere Solidarität mit dem pädagogischen Personal deutlich machen.
Es wäre mir ein großes Anliegen, dass von diesem Haus aus heute den Beschäftigten in den Einrichtungen gesagt wird: Ihr leistet eine hervorragende Arbeit; das, was ihr macht schätzen wir, und wir unterstützen euch in eurem Anliegen.
Ich will es gerne ein bisschen untermauern. Natürlich darf diese Wertschätzung nicht nur auf dem Papier stehen. Wenn es um Pädagogik und Erziehung geht, sagen alle, wie wichtig die frühkindliche Bildung und wie wichtig dieser Zeitabschnitt im Leben eines Kindes ist und weshalb diesem Zeitraum so große Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Ich vergleiche die Bildung immer mit einem Haus. Die frühkindliche Bildung ist mit dem Fundament eines Hauses zu vergleichen. Wenn das Fundament nicht gut ist, ist auch das restliche Haus nicht zu halten. Deshalb wollen wir nicht nur davon reden, dass wir die Bildung hoch einschätzen, sondern wir müssen dafür auch etwas tun.
Ich will auch noch etwas zu dem gestrigen Streik sagen. Dieser hatte eine ganz bestimmte Zielrichtung. Bei diesem Streik der Erzieherinnen und Erzieher ging es um die Gesundheit und um die Beeinträchtigungen, die das pädagogische Personal erleben muss. Der Lärm, den das Personal den ganzen Tag auszuhalten hat, wird mit dem Lärm eines Düsenflugzeugs verglichen. Die körperliche Belastung ist bekannt. Fast alle Beschäftigten haben Haltungsschäden, weil sie auf zu kleinen Stühlen sitzen müssen. Das muss ich nicht weiter erläutern. Hinzu kommt noch die psychische Belastung, weil man den Anforderungen nicht gerecht werden kann.
Unsere Forderungen beziehen sich auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Gruppen sollen kleiner gemacht werden. Die Altersgruppen sind zu berücksichtigen. Eine bessere Bezahlung soll auch erreicht werden. Dabei muss ich etwas zu den Anträgen sagen, die die anderen Fraktionen eingereicht haben. Die Anträge der anderen Fraktionen, vor allem der Regierungsfraktionen, sind nicht falsch. Den Regierungsfraktionen muss man allerdings sagen, dass wir schon längst auf dem Weg sein könnten. Wenn die Regierung die Wertschätzung der Erzieherinnen und Erzieher ernst genommen hätte, könnten wir schon wesentlich weiter sein.
Das, was geschrieben ist, ist nicht falsch. Mich ärgert es aber ein bisschen, wenn alles auf die Tarifvertragsparteien abgeschoben wird. Wir wollen uns nicht in die Tarifverhandlungen einmischen. Das steht uns nicht zu. Ich halte aber auch nichts davon, nur zu sagen, die Tarifparteien sollen dies regeln. Würde der bayerische Staat mehr Geld im Haushalt einstellen für die Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher, könnte mehr bezahlt, kleinere Gruppen gebildet und für die Arbeitsbedingungen des pädagogischen Personals sehr wohl etwas getan werden.
Unsere Forderungen beziehen sich auf die besseren Arbeitsbedingungen, nämlich für kleinere Gruppen den Anstellungsschlüssel zu verkleinern und das Alter der Kinder und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. Wegen der besseren Bezahlung möchte ich eines unterstreichen, weil ich in den Berichten zum gestrigen Tag einiges gelesen habe. 2.000 Euro brutto für einen Beruf mit fünfjähriger Ausbildung und vorheriger mittlerer Reife, sind Konditionen, mit denen niemand zufrieden sein kann und mit denen man in München nicht leben kann. Man muss sehen, dass diese Bezahlung nicht ausreicht und man viel tun muss, um die Wertschätzung in Bezahlung auszudrücken.
Hinzu kommt die Gesundheitsprävention, um die es gestern ganz besonders ging. Wir müssen darauf achten, dass die Menschen, die mit unseren Kindern arbeiten, nicht krank werden, sondern dass sie bei der Bewahrung ihrer Gesundheit unterstützt werden. Untersuchungen, die einige Institute durchgeführt haben, zeigen, dass keine 20 % hoffen, gesund in Rente gehen zu können, und immer mehr Erzieherinnen und Erzieher krank werden.
Wegen der Bezahlung wird stets argumentiert, man könne sich das nicht leisten, weil das Geld nicht vorhanden sei. Ich frage deshalb: Sind die frühkindliche Bildung und das pädagogische Personal systemrelevant? Wenn ja, muss das Geld dafür da sein.
Eines will ich abschließend unterstreichen: Anerkennung definiert sich auch über Bezahlung. Erziehungspersonal verdient mehr als nur ein Dankeschön.