Hans Heribert Blättgen

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Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Egal, wohin Sie kommen, egal, mit wem Sie reden: Seit Monaten beherrscht ein Thema alle in dieser Nation, näm lich das Thema Flüchtlinge. Das ist kein Wunder; denn das Problem ist gewaltig, und wie gewaltig es ist, machen ganz wenige Zahlen deutlich: mehr als 14 000 Asylanträge im Sep tember, mehr als 100 000 Flüchtlinge in diesem Jahr, und die se Zahlen beziehen sich einzig und allein auf Baden-Württem berg.
Eine solche Krise kann nicht durch nationale Alleingänge ge löst werden. Vielmehr können wir nur durch enge Kooperati on mit unseren Partnern in Europa und im Nahen Osten zu ei ner Lösung kommen.
Am letzten Wochenende haben sich die Regierungschefs der unmittelbar von der Balkanroute betroffenen Staaten in Brüs sel getroffen – endlich, möchte man an dieser Stelle sagen; denn es war lange überfällig –, und sie haben ein 17-PunkteProgramm erstellt.
Ein ganz wesentlicher Punkt in diesem Programm ist aus un serer Sicht das Bekenntnis zu einer engeren Kooperation und Konsultation der Staatschefs untereinander. Wenn man das ernst nimmt, dann ist die Folge daraus – so ist es auch formu liert –, dass eine Politik, die die Flüchtlinge ohne Rückspra che über die Grenze durchwinkt, nicht akzeptabel ist und des wegen auch nicht mehr praktiziert werden soll.
Dem müssen jetzt – wir haben es eben mehrfach gehört, und ich denke, das ist auch Konsens – auch entsprechende Taten folgen. Wenn man das letzte Wochenende vor Augen hat, dann kommen da erste Zweifel auf, weil sich das anscheinend noch nicht bis in jeden Staat herumgesprochen hat, dass das jetzt umgesetzt werden soll.
Eine Vielzahl weiterer Maßnahmen wurden verabredet; wir haben sie eben gehört. Auch hier gilt: Die Verabredung ist das eine, das Umsetzen dieser Verabredung das andere, und dar an wird die EU mit Sicherheit gemessen.
Für uns sind die wichtigsten Ergebnisse des Gipfels zusam mengefasst die zwei folgenden: Erstens arbeitet die Bundes regierung mit den Balkanländern intensiv an einer konstruk tiven Lösung, um das Problem in den Griff zu bekommen, und – ganz wesentlich in diesem Zusammenhang – angesichts des humanitären Elends hat auch die EU den dringenden Hand lungsbedarf endlich erkannt und konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Dass nun gehandelt wird, meine Damen und Herren, ist si cherlich ein Fortschritt. Ein Wermutstropfen: Ungarn sieht sich weiterhin nur in der Beobachterrolle, und die Türkei war leider gar nicht dabei. Aber immerhin: Ein Anfang ist ge macht.
Meine Damen und Herren, die EU ist eine Solidargemein schaft;
das haben wir heute schon mehrfach gehört. Aus meiner Sicht ist das auch gut so. Aber das gilt natürlich nicht nur, wenn es um die Verteilung von Fördergeldern geht, sondern insbeson dere dann, wenn es – wie jetzt – um die Aufnahme von Flücht lingen geht.
Hier zeigt das Solidarprinzip leider erstaunliche Lücken. Des halb erwarten wir von der EU Regelungen, die eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge sicherstellen. Wenn das nicht ge lingt, wenn es da keinen Konsens gibt, dann, meine ich, soll ten die Geldströme künftig den Flüchtlingsströmen folgen.
Nur zu, ich höre es gern.
Das heißt, die Staaten, die viele Flüchtlinge aufnehmen, sol len auch entsprechend EU-Mittel erhalten und andersherum dann genauso. Ich denke, wenn es an den Geldbeutel geht, dann wird jeder irgendwo nachdenklich – ein probates Mittel.
In diesem Zusammenhang gehören natürlich auch die Stan dards der Unterbringung und Versorgung EU-weit überprüft und angepasst. Es kann nicht sein, dass die Standards in dem einen Land deutlich besser sind als in einem anderen Land. Das muss auf ein Niveau nivelliert werden.
Mit all diesen Maßnahmen bekämpfen wir allerdings nur die Auswirkungen dieser Flüchtlingsflut. Eine dauerhafte Lösung kommt aber nur dann zustande, wenn wir die Ursachen nach haltig bekämpfen. Dazu müssen wir in die Herkunftsländer. Auch hier gibt es erste Ansätze, die ausgebaut werden müs
sen und die mit Sicherheit, bevor sie Wirkung zeigen, auch ei nige Zeit brauchen werden, um sich da entfalten zu können. Aber es ist wichtig, dass auch in den Herkunftsländern Maß nahmen ergriffen werden, und auch hier ist die EU wesentlich gefordert.
Ob schließlich die Selfies der Kanzlerin die Ursache für den Flüchtlingsstrom sind, wie Herr Kollege Rülke das behauptet hat, bleibt zumindest einmal fraglich.
Fraglich ist für uns allerdings nicht die Einrichtung von Tran sitzonen. Denn in Deutschland wird es mit der SPD keine Transitzonen an den Grenzen geben.
Wenn Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Union, diese befürworten, dann sollten Sie uns auch sagen, wie das Ganze umgesetzt werden soll. Es gibt aus meiner Sicht zwei Mög lichkeiten: Entweder die Menschen gehen freiwillig in diese Transitzonen – das ist aber praxisfremd; wir haben offene Grenzen, und ich gehe davon aus, dass sie das nicht tun – oder aber Sie zwingen die Menschen dazu. Dann wird aus einer Transitzone schnell ein Internierungslager, und das wollen wir mit Sicherheit auch nicht.
Dann komme ich auch allmählich zum Ende. Herr Kollege Reinhart, Sie hatten gerade auch wieder angesprochen, dass die grün-rote Regierungsmehrheit sich der Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Rückkehr von Flüchtlingen verweigert. Das ist schlicht falsch. Sie haben es aber veröffentlicht.
Ja. – Das ist schlicht falsch. Vielmehr tut die Landesregierung genau das Gegen teil: Sie forciert nämlich die Maßnahmen zur Rückführung, soweit es in ihrer Macht steht – und auch sehr erfolgreich. Im bundesweiten Ranking steht Baden-Württemberg ziemlich gut da. Wir lehnen vielmehr die Transitzonen ab, und deswegen werden wir auch die Abschiebung weiter so fortführen wie bisher.
Meine Damen und Herren, zum Abschluss: Schwarzmalerei und Panikmache helfen nicht, genauso wenig wie braune Het ze. Ich denke, das Wochenende hat zumindest seitens der EU ein Signal gegeben, dass man verstanden hat, dass man etwas tun muss. Der Grundstein auf europäischer Ebene ist gelegt. Packen wir es an; gemeinsam werden wir es mit Sicherheit schaffen.
Danke.