Dieter Puchta
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Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Antrag vom Oktober vergangenen Jahres zum Thema Flugsicherheit entstand vor dem Hintergrund des abscheulichen Verbrechens vom 11. September 2001 am World Trade Center. Eine traurige Aktualität hat das Thema Flugsicherheit nun durch den schrecklichen Unfall bei Überlingen erlangt, bei dem 71 Menschen den Tod fanden, darunter 59 Kinder aus Baschkirien. Wer wie ich leider Augenzeuge dieses schreckli
chen Unfalls war in nur 4 Kilometern Entfernung und miterlebt hat, wie die Menschen, als diese Flugzeuge auf sie zukamen, in die Häuser geflohen sind, der weiß, dass hier keine parteipolitische Auseinandersetzung auf dem Rücken der beklagenswerten Opfer durchgeführt werden darf. Das sage ich in völliger Übereinstimmung mit dem, was Herr Innenminister Schäuble sagte: man dürfe die Arbeit der Schweizer Skyguide nicht mit dem Thema Fluglärm verquicken. Allerdings wurde und wird dies sowohl von Teilen der Bevölkerung als auch den Medien und den örtlichen CDU-Landräten trotzdem ständig gemacht.
Deshalb zunächst zu Skyguide. Vorab: Mein Mitleid gehört in erster Linie dem Schweizer Fluglotsen; denn er ist meines Erachtens eher Opfer des Tohuwabohus bei der Skyguide im Kontrollzentrum als der Verantwortliche. Was das Organisationschaos bei Skyguide anbetrifft, stellen sich mir zwei Fragen. Die erste Frage ist, ob es überhaupt möglich ist, den Bereich der Flugsicherung privatwirtschaftlich zu organisieren. Wenn man sich einmal den Prospekt der Skyguide anschaut, dann findet man dort Begriffe wie Wirtschaftlichkeit und Rentabilität. Wenn man ferner weiß, dass nach der Privatisierung der englischen Eisenbahnen die Unfallzahlen beträchtlich zugenommen haben, muss man sich wirklich die Frage stellen, ob hier das klassische Nutzen-Kosten-Denken im Vordergrund stehen darf.
Die zweite Frage, die sich stellt, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass wir ja letztlich großes Glück im Unglück hatten; denn es hätte ja alles noch viel schlimmer kommen können, wenn beispielsweise die Flugzeuge in Wohngebiete abgestürzt wären oder das Bodenseetrinkwasser durch Kerosin total verunreinigt worden wäre. Deshalb möchte ich an dieser Stelle etwas wiederholen, was ich seit Jahren gebetsmühlenartig bei mir am Hochrhein immer wieder sage, nämlich: Es gibt keine Sicherheit bei einem Atomkraftwerk wie Leibstadt, das direkt in der Einflugschneise des Flughafens Zürich-Kloten liegt.
Wenn man sich dort auch damit herausredet, dass solche Atomkraftwerke beispielsweise gegen gezielte Flugzeugattacken wie beim World Trade Center geschützt sind, so darf man aber dennoch nicht vergessen: Es gibt bei den Atomkraftwerken eine wichtige Peripherie wie beispielsweise die Kühlaggregate und die Stromversorgung, und wenn Flugzeugteile, wie wir es in Überlingen erlebt haben, auf diese Peripherie abstürzen, kann dies durchaus zu großen Problemen führen.
Deshalb sage ich: Wer wirklich glaubwürdig für die Sicherheit der Menschen am Bodensee und am Hochrhein eintreten will, der muss sich entscheiden: Entweder fliegen oder Leibstadt abschalten. Bei dieser Alternative liegt es ja wohl auf der Hand, dass man Leibstadt, das direkt in der Einflugschneise liegt, endlich abschalten muss.
Nun stellt sich die Frage: Welche Lösung bietet sich für die Skyguide-Problematik an? Meines Erachtens muss als Allererstes Schluss sein mit der Zerstückelung des Himmels durch nationale Zuständigkeiten und Egoismen. Man muss vielmehr einen einheitlichen europäischen Luftraum schaffen.
Damit komme ich in diesem Zusammenhang zur Fluglärmdebatte. Im Schlepptau des örtlichen Landrats Dr. Wütz fordert die Landesregierung, dass die deutsche Flugsicherung von Skyguide die Zuständigkeit für die Flugsicherung ab der Schweizer Grenze übernehmen soll. Auch wenn dies unter bestimmten Bedingungen eintreten könnte, so ist das öffentliche Erheben dieser Forderung dennoch falsch. Denn diese Übernahme wäre betrieblich und außenpolitisch ein Rückschritt.
Aber weit schwerer wiegt die Tatsache, dass es überaus gefährlich wäre, wenn die Übergabe von der deutschen Flugsicherung auf die Schweizer Flugsicherung unmittelbar im Landeanflugbereich stattfinden würde. Das heißt, man kann die Verantwortlichkeit für die Luftüberwachung nicht mitten im Landeanflug wechseln. Dies würde im Übrigen auch zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen. Es käme auch zu zusätzlichen Gefahren im Überflugverkehr sowie zu Verspätungen beispielsweise im Bereich des Stuttgarter Flughafens.
Deshalb ist aus meiner Sicht die einzig sinnvolle Maßnahme: Skyguide und DFS müssen eine gemeinsame Luftverkehrskontrollgruppe einrichten.
Wenn wir nun beim Thema Fluglärm sind, möchte ich als örtlich Betroffener auch ausführen, dass es im Gegensatz zu dem, was viele vermuten, nicht um eine Konfrontation zwischen Deutschland und der Schweiz geht, sondern um eine Auseinandersetzung zwischen den Bewohnern der so genannten Züricher Goldküste mit dem Rest der Bevölkerung, und zwar sowohl auf deutscher als auch auf Schweizer Seite.
Deshalb sagen wir: Es kann nicht angehen, dass 90 % des Anflugverkehrs von Norden her über deutsches Gebiet, aber auch über viele Schweizer Gemeinden erfolgen. Wir sind dafür, dass die Lasten auch von uns getragen werden, aber die Lasten müssen gerecht verteilt werden.
Deshalb möchte ich um der historischen Wahrheit willen auch noch einmal kurz auf die Entwicklung hinweisen: Die SPD-geführte Bundesregierung hat das Luftverkehrsabkommen mit der Schweiz gekündigt. Obwohl die Schweiz seit 1984 systematisch, gezielt und bewusst vertragswidrig das Luftverkehrsaufkommen permanent erhöht hatte, geschah von 1984 bis 1998 überhaupt nichts.
Man hat dies stillschweigend hingenommen, und erst und ich finde, es ist wichtig, dass ihr Name hier auch genannt wird die örtliche SPD-Abgeordnete Karin Rehbock-Zu
reich hat durch ein ganz beharrliches und hartnäckiges Bohren beim damaligen Bundesverkehrsminister, dem Vorgänger von Bodewig, diese Maßnahme erreicht.
Das war der Saarländer. Der Saarländer war das, Herr Kollege.
Wie gesagt, wegen der Beharrlichkeit von Frau Rehbock wurde dieses Verkehrsabkommen von der Bundesregierung gekündigt.
Nun zeigt doch die Tatsache, dass das Schweizer Parlament den neuen Vorschlag der Bundesregierung abgelehnt hat, dass die Bundesregierung bis an das Äußerste ging, was der Schweiz aus ihrer Sicht überhaupt noch zumutbar war. Jeder, der schon einmal Verträge geschlossen hat, weiß doch, dass es gute Verträge sind, von denen beide Seiten sagen: Der Vertrag taugt nichts. Wenn solche Verträge geschlossen werden, dann weiß man, dass hier letztlich die Kompromisse bis zum bitteren Ende ausgereizt sind.
Deshalb ist die Forderung der Landesregierung, mit der Schweiz nachzuverhandeln, aus meiner Sicht falsch. Denn wozu nachverhandeln, wenn der Schweiz bereits die jetzigen Regelungen zu weit gehen?
Die einzig mögliche Maßnahme ist der Erlass einer einseitigen Rechtsverordnung, und dies muss in den nächsten Wochen meiner Meinung nach noch vor der Bundestagswahl; das sage ich ausdrücklich auf den Tisch.
Ich selbst sage sogar und ich habe diesbezüglich Bundesverkehrsminister Bodewig einen Brief geschrieben , dass noch vor der Ständeratsentscheidung in der Schweiz
Lieber Kollege Wieser, da Sie als Lehrer des Lesens mächtig sind, gebe ich Ihnen den Brief nachher.
Dem Schweizer Ständerat muss klar sein, was unweigerlich kommen wird, falls auch er im September diese Vereinbarung ablehnt. Wir erwarten, dass in dieser Verordnung der Bundesregierung die Flugbewegungen auf maximal 80 000 begrenzt werden, dass die Flughöhe im Warteraum RILAX auf über 3 050 Meter über Normalnull angehoben wird, dass eine Nachtflugbeschränkung zwischen 21 Uhr und 7 Uhr und eine Flugbeschränkung an Wochenenden und an Feiertagen zwischen 7 Uhr und 21 Uhr erfolgt.
Nur, eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss klar sein: Die Regelung, die wir jetzt der Schweiz oktroyieren wollen, haben wir natürlich mitnichten bei einem einzigen
deutschen Flughafen, auch nicht in Stuttgart. Deshalb ist klar: Wir müssen der Schweiz verständlich machen, dass wir für gutnachbarliche Beziehungen stehen. Wir wollen sie weiter pflegen, aber wenn der jetzige Vertrag sowohl vom Parlament als auch vom Ständerat abgelehnt wird, dann müssen wir diese einseitige Verordnung in Kraft setzen.
Zum Schluss: In unserem Antrag hatten wir ja das Kontrollsystem am Flughafen Stuttgart angesprochen. Da spreche ich nun die Landesregierung in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin des Flughafens an. Sicherlich sind einige von Ihnen in letzter Zeit auch geflogen. Ich finde es schon seltsam, dass jetzt dieser Flaschenhals vor der Personenkontrolle oben am Flughafen existiert. Ich habe das noch nirgendwo sonst gesehen. Bevor man zur Personenkontrolle kommt, muss man sich also durch einen furchtbar engen Flaschenhals drängen.
Noch etwas anderes an den Gesellschafter. Das habe ich wirklich noch an keinem internationalen Flughafen gesehen: Wenn man als Fluggast in Stuttgart ankommt, muss man entweder eine Euromünze oder eine Dollar-CentMünze haben, um sich mit einem Kofferkuli bedienen zu können. Ich habe neulich am Flughafen beispielsweise einen Asiaten gesehen
Ja, richtig, bei jedem Einkaufszentrum. Herr Scheuermann, haben Sie aber immer ausländisches Geld, und zwar Münzgeld, in der Tasche, wenn Sie irgendwo international landen?
Das ist doch der wesentliche Unterschied. Deshalb sage ich Ihnen zur Illustration:
Ich habe neulich einen Asiaten gesehen, der hatte gedacht, als er Cent und Dollar-Cent gelesen hat, er bräuchte jetzt beides, und ist im Flughafen herumgeirrt und hat ganz dringend Cent und Dollar-Cent gesucht. Ich denke, da könnte man einmal Abhilfe schaffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war jetzt vermutlich meine letzte Rede im Landtag. Übrigens ein Novum: Zum ersten Mal stehe ich bei einer Rede höher als die Präsidentin bzw. der Präsident.
Ich möchte zum Abschied sagen, dass ich sehr gerne Parlamentarier bin und war und dass ich deshalb auch durchaus sehr traurig aus diesem Hause gehe. Aber ich habe ganz gezielt und bewusst zu diesem Thema gesprochen, weil dieses bezeichnend für das ist, was mir in den letzten Monaten und Jahren immer mehr Mühe gemacht hat. Ich habe nämlich immer stärker den Eindruck: Je größer eigentlich die Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Parteien
sind, desto lautstärker und intensiver ist der politische Streit. In den allermeisten oder in vielen Fragen sind wir doch viel, viel enger zusammen, als wir in der täglichen Praxis zugeben, vor allem vor dem Hintergrund, dass unsere Politik ja sehr stark und immer intensiver von weltwirtschaftlichen Zusammenhängen dominiert wird. Auch beim heutigen Thema wollen CDU, SPD und auch die Grünen im Prinzip alle dasselbe. Wir wollen Entlastung und Sicherheit für die Bevölkerung am Hochrhein und am Bodensee und unterscheiden uns hierbei wirklich nur durch Nuancen. Herr Kleinmann signalisiert mir, dass das auch für die FDP/DVP zutrifft.
Vielen Dank und alles Gute für Ihre Zukunft und die des Landes.
Herr Minister, darf ich das, was ich gesagt habe, noch klarstellen: Es ist definitiv zu erwarten da sind wir uns völlig einig , dass auch der Schweizer Ständerat nicht zustimmen wird. Die Bundestagsabstimmung, über die Sie mutmaßen, ist, würde ich sagen, noch offen, aber der Ständerat wird höchstwahrscheinlich nicht zustimmen, weil dort die konservativen Mehrheiten noch stärker sind als in der Nationalversammlung der Schweiz. Jetzt sage ich: Es ist richtig, wenn die Regierung jetzt im Vorfeld die Verordnung veröffentlicht, damit die Schweiz genau weiß, was auf sie zukommen würde, weil dadurch vielleicht noch die Möglichkeit bestünde, dass der Ständerat angesichts dessen, was in der Schweiz ansonsten droht, doch noch zustimmt. Das glaube ich zwar letztlich nicht, aber die Möglichkeit besteht.