Ulrike Neumann

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frauenpolitik ist in diesem Land auf einem sehr guten Stand. Das möchte ich ausdrücklich so sagen. Dass Sie von der CDU mit dem Gleichstellungsgesetz immer schon Probleme hatten und dieses in der Richtung auslegen wollen, wie Sie es gerade brauchen, das ist auch bekannt.
Die Vorlage der Frauensenatorin für ein siebentes Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes ist erneut ein Schritt zur Konsolidierung und Weiterentwicklung dieses Reformprojekts aus der Zeit der ersten rot-grünen Koalition in Berlin. Neben erforderlich gewordenen redaktionellen Anpassungen geht es um die Pflicht des Senats, im Abstand von zwei Jahren über die Durchführung des Gesetzes und die Umsetzung seiner Ziele zu berichten. Hier werden zum einen Präzisierungen vorgeschlagen; den verschiedenen Einrichtungen wird genauer vorgegeben, welches Zahlenmaterial sie für die Berichterstattung vorlegen sollen. Das wird die Arbeit erleichtern und den Aufwand vermindern. Andererseits soll eine Ermächtigung in das Gesetz aufgenommen werden, durch Rechtsverordnung zeitnah und flexibel notwendig werdende Präzisierungen vorzunehmen. Die vorgeschlagenen Regelungen sind insgesamt sinnvoll und in sich schlüssig. Wir danken der Senatorin für die solide Arbeit ihres Hauses.
Im Namen der SPD-Fraktion stimme ich dem Anliegen des Gesetzentwurfs zu. Einzelheiten können wir im Ausschuss beraten.
Abschließen möchte ich mit einer politischen Bemerkung zur Zielrichtung des Gleichstellungsgesetzes: Der jetzige Übergangssenat stellt in seiner personellen Zusammensetzung einen deutlichen Fortschritt auf dem Weg der Gleichstellung dar. Diesen stellte der vorherige Senat in seiner Zusammensetzung nicht dar.
Nein! – Tun wir etwas dafür, dass sich das nach den Wahlen nicht wieder verschlechtert. – Danke! interjection: [Beifall bei der SPD – Kittelmann (CDU): Eine sehr mutige Rede!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleichberechtigung darf nicht formal gesehen, Gleichstellungspolitik nicht auf den Frauenhaushalt beschränkt werden. Frauenpolitik ist Querschnittsaufgabe. In allen Politikbereichen muss Gleichstellung Beurteilung und Entscheidungskriterium sein. Seit einiger Zeit nennen wir das gender-mainstreaming. Bei jedem Gesetz, bei jedem Verwaltungshandeln sollen die Auswirkungen auf das Verhältnis von Frauen und Männern geprüft und berücksichtigt werden. Mit dem Amsterdamer Vertrag hat dieser Grundsatz europäischen Verfassungsrang erlangt. In Berlin ist er Bestandteil der aktuellen Koalitionsvereinbarung.
In diesem Sinn möchte ich eine Bemerkung machen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Haushalt zu tun hat. Nachdem die Spitze unseren hohen Hauses ebenso zur frauenfreien Zone wurde wie der Stiftungsrat beim Lotto, haben wir jetzt im Senat eine geradezu märchenhafte Lösung. Damit meine ich nicht, dass an der Spitze drei männliche Bürgermeister stehen, sondern das Gabriele Schöttler im Senat gleichsam Schneewittchen wird mit sieben Zwergen.
Ich komme zum Haushalt. Der Frauenhaushalt selbst hat zwar Umschichtungen erfahren, er ist aber in der finanziell verengten Zeit nicht gekürzt worden, Frau Dr. Klotz! Eine Aufstockung der Mittel hat es für den Komplex der Anti-Gewaltarbeit gegeben. Das Berliner Interventionsprogramm gegen häusliche Gewalt BIG ist nach Abschluss der Modellphase in die Umsetzungsphase eingetreten. Eine Clearingstelle gegen häusliche Gewalt wird aufgebaut. Seit November 1999 fördern wir eine telefonische Hotline gegen häusliche Gewalt mit 500 000 DM.
Im Sinne des gender-mainstreaming vorbildlich ist die Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik des Senats. Bei allen Maßnahmen wird darauf geachtet, dass der Frauenanteil durchschnittlich etwa 50 % beträgt. Bei den Programmen zur Wirtschaftsförderung sind wir noch nicht so weit. Das Problem wird aber gesehen. Veränderungen sind auf den Weg gebracht, beispielsweise das Programm der Innovationsassistentin. Hier wird der personelle Transfer von den Hochschulen in kleine und mittlere Unternehmen finanziell gefördert. Die Arbeitsgruppe Frauen und Wirtschaft hat jetzt spezielle Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils von bis jetzt 20 % entwickelt.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine Bemerkung zur Diskussion um die Greencard machen. Wir verurteilen das Schüren rassistischer Emotionen, um diese in Wählerstimmen umzusetzen. Da wäre ein Wort der Distanzierung unseres Koalitionspartners sicherlich hilfreich.
Allerdings ist es andererseits kein Zeichen von weltläufiger Liberalität, wenn Unternehmen, die ihre Ausbildungspflichten über Jahrzehnte vernachlässigen, jetzt junge qualifizierte, extrem leistungsfähige und preiswerte Arbeitskräfte männlichen Geschlechts ohne Familie herholen. Vorrang muss die Qualifizierung und Beschäftigung der hier lebenden Menschen haben. Es ist auch eine Maßnahme, dass man hier die qualifizierten Menschen ausbildet, eine Maßnahme, den Haiders und anderen Rechtsradikalen das Wasser abzugraben.
Gerade auch für Frauen muss stärker als bisher der Weg in zukunftträchtige Arbeitsplätze im Bereich der Informationstechnologien geebnet werden. Dem dient unser Programm FIT, Frauen und Mädchen in Informations-, Telekommunikations- und
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Medienberufen. Im Ausländerrecht müssen wir bereit sein, nicht nur Arbeitskräfte herzuholen, sondern Menschen eine gesicherte Bleibe zu geben. Das von der Koalition vereinbarte selbständige Aufenthaltsrecht muss durchgesetzt und darf nicht behindert werden, auch nicht vom amtierenden Innensenator im Bundesrat. Hinsichtlich der besseren Integration von Frauen in qualifizierte Erwerbsarbeit werden die §§ 13 und 14 des Landesgleichstellungsgesetzes umgesetzt. Es wird sich zeigen, ob und wie es gelingen kann, durch öffentliche Auftragsvergabe Frauenförderung im Bereich der Privatwirtschaft anzuschieben. Dem werden wir unsere besondere Aufmerksamkeit widmen.
Einen Schlusssatz möchte ich noch anbringen. Alle Senatsverwaltungen müssen bei der Erstellung des Haushaltsplans darlegen, wie sie dem gleichstellungspolitischen Auftrag der Verfassung Rechnung tragen. Darin hat Berlin eine Vorreiterrolle im Sinne des gender-mainstreaming. Noch besser wäre es allerdings, wenn durch Auflagenbeschlüsse noch mehr Verbindlichkeit hergestellt würde. Das hat der Arbeits- und Frauenausschuss bereits 1998 einstimmig empfohlen. Die gelegentlich strukturkonservativen Haushälter werden sich dem auf Dauer nicht entziehen können. Ich bitte um Zustimmung zum Frauenhaushalt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum ersten Mal, seit ich im Abgeordnetenhaus rede, muss ich keine Sorge haben, aus Unachtsamkeit mit einer falschen Anrede zu beginnen. Ich brauche nicht mehr darauf zu achten, wer gerade präsidiert, die Anrede „Herr Präsident“ ist immer richtig. Welch ein „Fortschritt“ – ich bedanke mich dafür recht herzlich!
Keine angeblichen politischen Notwendigkeiten oder personellen Zwänge haben verhindern können, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern im Bereich der öffentlichen Verwaltung voranschreitet, langsam und allmählich, aber unaufhalt
sam. Das zeigt sich an dem vorliegenden 3. Bericht über die Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes für den Zeitraum von 1994 bis 1996. Wir diskutieren diesen Bericht – das wurde schon angemerkt – erst Jahre nach dem Ende des Berichtszeitraums, das ist etwas spät. Wir wissen inzwischen jedoch, der nächste Bericht, der 4. Bericht, für die Zeit bis 1998 wird früher vorliegen. Vor allem aber wissen wir natürlich, welch immenser Arbeitsaufwand in dem Bericht steckt, wie mühsam und zeitintensiv es ist, das Zahlenmaterial aus den verschiedenen Bereichen der Verwaltung zusammenzutragen und aussagekräftig aufzubereiten. Für die geleistete Arbeit möchte ich mich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bei der Verwaltung bedanken!
Nun zum Inhalt des 3. Berichts: Die Schere beginnt sich zu schließen, die Schere zwischen dem recht hohen Anteil der Frauen an den Beschäftigten im öffentlichen Dienst insgesamt und der geringen Repräsentanz von Frauen bei den qualifizierten und besser bezahlten Positionen. Diese Entwicklung ist erfreulich, aber sie vollzieht sich zu langsam. Sie muss deutlich beschleunigt werden. Das gilt vor allem für den geringen Anteil der Frauen an Spitzenfunktionen in den Referats- und Abteilungsleitungen der obersten Landesbehörden. Besonders fällt es auf, dass es in der Abgeordnetenhausverwaltung und in der Senatskanzlei, in der Innen- und in der Finanzverwaltung 1996 jeweils keine einzige Frau gab, die die Position einer Abteilungsleiterin bekleidete.
Ein interessantes Bild ergibt sich auch bei den Gerichten. Hier sind Frauen an den – –
Vielen Dank! Wir sprechen ja hier auch „nur“ über Frauenpolitik, und es sind ja auch „nur“ etwas über 50 % der Berliner Bevölkerung Frauen. Deshalb würde ich auch im Interesse des Berliner Parlaments darum bitten, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen!
Ich wiederhole noch einmal den positiven Aspekt, dass bei den Gerichten hier Frauen an den ganz hohen Positionen, nämlich den b e i d e n R 8-Stellen zu 50 % und bei den R 6-Stellen zu 40 % sind. Dem lagen bewusst politische gestaltende Entscheidungen zu Grunde. Ich begrüße das ausdrücklich. Bei den mittleren Leitungskadern – wenn man die vorsitzenden Richter einmal so nennen will – ist der Anteil der Frauen aber, auch gemessen an dem Anteil der Richterinnen, insgesamt erschreckend niedrig. Ich gehe aber davon aus, dass bereits die Zahlen für 1998 besser aussehen und die weitere Entwicklung auch hier positiv verlaufen wird.
Meine Damen und Herren! Die erzielten Erfolge haben sich nicht von selbst eingestellt. Sie sind das Ergebnis von Politik, das Ergebnis intensiven und beharrlichen Bohrens dicker Bretter. Daran beteiligen sich viele Frauen, und ich sage ganz freimütig, nicht nur Frauen aus den Regierungsfraktionen, sondern auch aus den Reihen der Opposition. Niemand wird sich aber wundern, dass ich besonders das Verdienst der beiden Sozialdemokratinnen hervorhebe, die ein Jahrzehnt für die Gleichstellungspolitik im Senat verantwortlich waren und verantwortlich sind.
Ich danke an dieser Stelle Christine Bergmann und Gabriele Schöttler. – Wenigstens die SPD-Fraktion könnte jetzt einmal klatschen!
Meine Damen und Herren, in dem vorliegenden Gleichstellungsbericht ist ein Aspekt nicht enthalten, der auch noch im nächsten, im vierten Bericht fehlen wird – eine Darstellung der Auswirkungen des Gleichstellungsgesetzes auf die private Wirtschaft. Hier haben wir erst am Ende der vergangenen Legis
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laturperiode die Verknüpfung von Frauenförderung und Auftragsvergabe durchsetzen können. Jetzt geht es darum, die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben Praxis werden zu lassen, damit später über Erfolge berichtet werden kann. Das sehe ich etwas anders als meine Kollegin aus der CDU-Fraktion. Noch stehen wir als Land Berlin mit dieser Stoßrichtung von Gleichstellungspolitik ziemlich allein da. Ich denke aber, dass die Bundesebene mit Christine Bergmann nachziehen wird. Andere werden folgen. Das wird sicherlich nicht einfach durchzusetzen sein. Widerstand formiert sich und muss überwunden werden.
Mit welchem Widerstand Frauenförderung und Gleichstellungspolitik wir auch bei uns rechnen müssen, zeigt die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Berliner Vergabegesetz und zur Durchsetzung von Tariftreue in der Bauwirtschaft. Diese Entscheidung des BGH wird keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Frauenförderung haben. Wir müssen aber skeptisch bleiben gegenüber denen, die Sozialstaat hin, Sozialstaat her, soziale Fragen für vergabefeindlich, vergabefremd und für unzulässig erklären. Wir müssen skeptisch sein gegenüber Richtern, die sich nicht nur über das Berliner Gesetz, sondern im Ergebnis auch über das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Vergaberecht stellen. Hier ist Nachhilfe nötig, Nachhilfe in Respekt gegenüber den parlamentarischen Gesetzgebern, die ihre Legitimation durch Wahlen vom Volk herleiten, dem Volk, in dessen Namen auch der Bundesgerichtshof seine Urteile spricht. Ich denke, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs und andere Entscheidungen der verschiedenen Gerichte gegen die aktive Förderung von Gleichstellung werden keinen Bestand haben – das aber nur, wenn Frauenförderung und Gleichstellungspolitik weiterhin aktiv, beharrlich betrieben werden.
Die positiven Auswirkungen des Berliner Gleichstellungsgesetzes in der privaten Wirtschaft werden sich erstmals in dem Bericht für den Zeitraum von 2000 bis 2002 niederschlagen. Wir brauchen einen langen Atem. – Ich danke!