Protocol of the Session on January 29, 2025

Was in Aschaffenburg geschehen ist, aber auch in anderen Städten, ist eine grausame, eine schreckliche Tat. Und in den vergangenen Jahren sind viele dieser schrecklichen Taten passiert. Das zu reduzieren – das hat zum Glück schon Kollegin Merz gesagt –, das auf Menschen mit Migrationsgeschichte zu reduzieren, geht vollkommen an den Realitäten vorbei.

(Beifall Die Linke)

Wenn man es so wie die AfD machen will und pauschalisieren will, dann fangen wir doch woanders an. 86 Prozent derjenigen, die mit Messern angreifen, sind Männer. Dann lassen Sie uns mal über das Problem mit Männern sprechen!

(Beifall Die Linke, SPD)

(Unruhe AfD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Ich würde gern Herrn Minister Georg Maier das Wort geben.

Ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit.

(Abg. Küntzel)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die grausame Tat in Aschaffenburg, bei der offenbar ein psychisch kranker, ausreisepflichtiger afghanischer Staatsangehöriger zwei Menschen, darunter ein zweijähriges Kind, brutal ermordet und drei weitere schwer verletzt hat, hat uns alle tief erschüttert. Unsere Gedanken sind auch heute bei den Angehörigen, bei den Verletzten und wir wünschen ihnen baldige und vollständige Genesung.

(Beifall CDU, BSW)

Diese Tragödie reiht sich leider in eine Serie jüngster Gewalttaten ein: Mannheim, Solingen, Magdeburg und eben jetzt Aschaffenburg. Diese Serie macht noch mal deutlich, dass wir sehr dringlich die richtigen Konsequenzen ziehen müssen, um zukünftig Derartiges verhindern zu können. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

In diesem Zusammenhang ist mir aber ganz besonders wichtig, dass die Fakten sachlich wiedergegeben werden, insbesondere auch, um das, was heute auch hier wieder stattgefunden hat – nun hat Herr Höcke ja den Saal verlassen –, um populistischen Anwürfen entgegenzutreten. Messerangriffe im Sinne der bundesweiten Erfassung sind solche Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder auch ausgeführt wird. Im Jahr 2023 wurden im Freistaat Thüringen 418 solcher Fälle registriert. Von den 389 Tatverdächtigen, die ermittelt wurden, waren 163 nichtdeutscher Herkunft, was bedeutet, dass die Mehrheit der Tatverdächtigen deutscher Herkunft war. Der Anstieg ist also eben nicht allein, so wie manche hier den Eindruck erwecken wollen, auf Zuwanderer zurückzuführen. Das entspricht nicht den Tatsachen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Auch auf sta- tistische Gründe, nicht wahr?)

Ich will Ihnen noch ein paar statistische Zahlen nachliefern: Von den genannten 418 Straftaten im Jahr 2023 waren sieben Messerattacken Angriffe gegen das Leben – sieben. Davon ist niemand ums Leben gekommen – niemand, null. Es gab tatsächlich acht Verletzte, was acht zu viel sind. Von den ermittelten acht tatverdächtigen Personen waren zwei nichtdeutsch – zwei. Also worüber reden wir hier? Frau König-Preuss hat das ja eben richtigerweise eingeordnet. „Killing Fields“, natürlich ist mir der Begriff präsent. Bei den Killing Fields handelt es sich um systematischen Massenmord der damaligen Machthaber in Kambodscha in den Jahren

1975 bis 1979, bei dem über 100.000 Menschen brutal von einer maoistischen, nationalistischen Clique ermordet wurden. Das in Verbindung zu bringen, ist pure Hetze.

(Beifall CDU, BSW, SPD)

So wird die Bevölkerung in Deutschland von Ihnen durch Falschdarstellungen und durch derartige Vergleiche gegen Migrantinnen und Migranten aufgehetzt. Ich möchte mal erwähnen – Herr Höcke ist nicht im Raum, er hat eben von Vornamen gesprochen –, im Jahr 2021 waren die drei häufigsten Vornamen bei Messerattacken im Land Berlin Alexander, Christian und David. Es ist eben nicht so, wie Sie glauben machen wollen, wie Sie den Eindruck erwecken wollen, dass das ausschließlich ein Problem einer migrantischen Gemeinschaft bzw. von Zuwanderern ist. Das ist eben nicht der Fall und damit relativiere ich keinesfalls schwerwiegende Straftaten, die auch von Zuwanderern und Migranten begangen werden. Natürlich ist es unsere Aufgabe, dem entgegenzutreten, wie ich schon gesagt habe.

Deshalb haben wir uns auch im Kreis der Innenminister am Montag zusammengefunden, um noch einmal die Hintergründe der Straftaten beziehungsweise der Attacken in Aschaffenburg und der anderen erwähnten zu analysieren. Und natürlich müssen wir uns vor Augen halten, dass es ein Phänomen ist, mit dem wir umgehen müssen, dass besonders psychisch auffällige Personen, die bereits Gewaltstraftaten ausgeführt haben, eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Dass wir diese Gefährder besser in den Blick nehmen müssen. Dass wir die Informationen zusammentragen müssen. Dass die Informationen von den Gesundheitsbehörden zu den Sicherheitsbehörden fließen müssen. Dass die Informationen von den Ländern in die anderen Länder und zum Bund fließen müssen. Dass wir hier eine Verpflichtung haben, das besser zu machen. Dass wir die Informationen bekommen, ämterübergreifend, und damit umgehen, dass wir analysieren, wo sich Gefährdung auftut und dagegen präventiv vorgehen. An dieser Stelle können wir moderne Technik zum Einsatz bringen. Die IMK fordert ausdrücklich, die Rechtsgrundlagen für den biometrischen Abgleich rechtmäßig erlangter Daten sowie für die biometrische Gesichtserkennung in Echtzeit zu schaffen. Dies ermöglicht eine präzisere und schnellere Verfolgung von Straftaten und im besten Fall natürlich deren Verhinderung.

Um die öffentliche Sicherheit weiter zu stärken, wurden mit dem Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems vom 25. Oktober 2024 wichtige Neuerungen eingeführt. Neben der Verschärfung der Zuverlässigkeits- und Eignungsprüfung im Waffengesetz wurden Waffen

und Messer auf Volksfesten und öffentlichen Veranstaltungen unabhängig von der Klingenlänge verboten. Zudem wurde die Einrichtung von Waffen- und Messerverbotszonen rechtlich erleichtert. Auch in Thüringen haben wir diese Maßnahmen direkt unterstützt. Die Landkreise und kreisfreien Städte werden künftig in die Lage versetzt, durch Rechtsverordnung an kriminalitätsbelasteten Orten eigenständig Verbotszonen einzurichten. Diese Maßnahmen ermöglichen eine schnelle und flexible Reaktion auf aktuelle Bedrohungslagen und stellen sicher, dass die zuständigen Behörden handlungsfähig bleiben.

Abschließend möchte ich betonen, dass auch die präventive Arbeit nicht vernachlässigt werden darf. In Erfurt arbeiten wir an einem Pilotprojekt zur Einführung einer permanenten Videoüberwachung an besonders relevanten Orten. Diese Maßnahmen ergänzen bereits bestehende polizeiliche und ordnungsbehördliche Aktivitäten wie Schwerpunktkontrollen und gemeinsame Streifentätigkeiten. Die notwendigen technischen und organisatorischen Vorbereitungen befinden sich in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger hat für uns höchste Priorität.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Niemals!)

Daher werde ich mich weiterhin mit Nachdruck für die Umsetzung der von mir genannten Maßnahmen einsetzen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BSW, SPD)

Herzlichen Dank, Minister Maier. Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und rufe den nächsten Tagesordnungspunkt und nunmehr damit auch die letzte Aktuelle Stunde auf

e) auf Antrag der Fraktion der SPD zu dem Thema: „Für ein sicheres und weltoffenes Thüringen mit klaren Regeln und fairen Chancen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 8/392 -

Der erste Redner ist Herr Liebscher. Sie haben das Wort, Herr Liebscher.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Migrationsforscher Hans Vorländer sagte kürzlich – ich zitiere –: „Die aktuelle Debatte [um die Migrationspolitik] entspricht den Logiken der Politik.“ Kaum stehen Wahlen an, „versuchen Parteien, Aufmerksamkeit zu produzieren und vermeintliche Stimmungen aufzugreifen, um Stimmen zu gewinnen.“ Dass das so ist, haben wir in der Debatte um die vorhergehende Aktuelle Stunde hier im Haus sehr deutlich merken können, jedenfalls aus einer Richtung.

Und was machen wir als SPD-Fraktion? Wir bringen eine Aktuelle Stunde ein, mit der wir genau diese Debatte versachlichen wollen und diese eben auch gern so aufgegleist hätten, aber – wie schon angesprochen – der Rückzug und die Änderung des Themas durch die AfD-Fraktion hat das leider hier für die heutige Debatte verunmöglicht.

Eine Debatte, die gerade geführt wird, zu versachlichen, das bedeutet, Probleme klar zu benennen, auch den Finger in die Wunde zu legen, aber eben nicht mit Schaum vor dem Mund zu hetzen. Das Gewaltverbrechen von Aschaffenburg hat uns alle zutiefst erschüttert. Die Erkenntnisse über den Täter lassen den Schluss zu, dass diese Tat hätte verhindert werden können, und zwar nicht durch zusätzliche Maßnahmen und Verschärfungen, sondern durch die Anwendung und den Vollzug bereits bestehender Gesetze. Was uns in dieser Debatte über die Konsequenzen aus der schrecklichen Tat nicht hilft, sind Forderungen nach einer Verschärfung in der Migrationspolitik. All die nun kursierenden Forderungen sind vermeintlich einfache Antworten. Doch wir können und werden keine Menschen zurückweisen, die in unserem Land Schutz suchen. Das wäre nicht nur ein Verstoß gegen europäisches Recht und unser Grundgesetz. Es entspricht auch nicht unserer Vorstellung von einem Land, das Schutzsuchenden eine Zuflucht bietet. Und aus welcher historischen Verantwortung sich die Gesetze und unsere bisherige Haltung ergeben, ist gerade schon ausgeführt worden.

Das bedeutet jedoch nicht, unsere Pflicht zu ignorieren, für Sicherheit und Kontrolle zu sorgen, was die Bundesregierung auch bereits tut. Seit September letzten Jahres finden Kontrollen an den deutschen Grenzen statt, die bereits dazu geführt haben, dass beispielsweise 1.800 Schleuser festgenommen werden konnten. Allerdings – und da sind wir auch wieder beim Thema „einfache Antworten“ – müssen wir feststellen, dass wir überhaupt nicht die nötigen Ressourcen haben, um unsere Grenzen dauerhaft und schon gar nicht flächendeckend zu kontrollieren. Mal abgesehen davon, dass die aktu

(Minister Maier)

ellen Grenzkontrollen bereits nach der Schengener Vereinbarung eine Ausnahme darstellen, die maximal zwei Jahre durchgeführt werden kann. Außerdem ist das etwas, was ich auch gar nicht möchte, denn es steht der Idee eines freien Europas diametral entgegen. Wir sind in Deutschland bei den Sicherheits- und Asylgesetzen schon hart an der Grenze des Möglichen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Eine weitere einfache Antwort ist, dass wir nur mehr und konsequenter abschieben müssten, dann erledigen sich die Probleme von selbst. Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch hier ist die Antwort etwas komplizierter. Viele Rückführungen scheitern nicht daran, dass die Menschen sich einer Abschiebung entziehen, sondern daran, dass zum Beispiel keine Papiere vorliegen oder der zuständige Dublin- oder Herkunftsstaat den Menschen nicht zurücknehmen möchte.

In den letzten Wochen erlebten wir eine Zunahme der Debatte über Abschiebehaft, also der Inhaftierung von ausreisepflichtigen Personen. Abschiebehaft darf aber nur das letzte Mittel, die Ultima Ratio, für die Durchsetzung von Rückführungen sein. Die bestehenden Instrumente lassen es zu, insbesondere Gefährder in Ausreisegewahrsam oder Präventivhaft zu nehmen. Die Debatte über den Aufenthaltsstatus des Täters von Aschaffenburg lenkt daher vom eigentlichen Problem ab, dass mit der Anwendung bestehender Gesetze die Tat wahrscheinlich hätte verhindert werden können. Ja, hier müssen wir den Finger in die Wunde legen. Ja, hier gab es offensichtlich ein Versagen der Behörden, ein Vollzugsdefizit, aber nicht der Gesetze, deren Verschärfung nun gefordert wird.

Für uns als SPD-Fraktion ist die Sicherheitspolitik mehr als eine Verschärfung von Gesetzen, eine verstärkte Polizeipräsenz, eine Ausweitung der Grenzkontrollen oder die Überwachung des öffentlichen Raums mithilfe von Videokameras. Wir setzen uns für die Durchsetzung und Anwendung der bestehenden Regeln und Gesetze ein. Wir wollen den Fokus in der Debatte um Sicherheitspolitik erweitern, denn zu einem umfassenden Sicherheitskonzept gehören nicht nur Grenzkontrollen oder Abschiebungen, sondern beispielsweise auch die psychologische Betreuung insbesondere von Personen, die traumatisiert oder bereits auffällig geworden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für all diese Vorhaben brauchen wir eine starke Polizei und daran wird unser Innenminister Georg Maier weiter beharrlich arbeiten. Wir als Brombeere haben uns vorgenommen, in den kommenden fünf Jahren 1.800 neue Polizistinnen und Polizisten einzustel

len und darauf können sich die Thüringerinnen und Thüringer auch verlassen. Darüber hinaus setzen wir auf Fort- und Weiterbildungen der Sicherheitsbehörden im Umgang mit psychisch auffälligen Personen. Außerdem brauchen wir ausreichend Therapieplätze bei Psychologinnen und in stationären Einrichtungen. Als Brombeer-Koalition haben wir uns vorgenommen, eine zentrale Landesausländerbehörde zu schaffen, in der Aufnahme, Integration, Rückführung, aber auch die Anerkennung von Berufsabschlüssen gebündelt wird. Dabei ist und bleibt es wichtig, zwischen Flucht und Zuwanderung zu unterscheiden, denn wir brauchen Zuwanderung von Fachkräften, um dem demografischen Wandel zu begegnen.

Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass Thüringen ein weltoffenes Land ist und bleibt, das Zuzug und Integration ermöglicht, denn nur dies wird die Zukunft und die Stärke unseres Landes sichern. Wir wollen ein sicheres Thüringen, in dem sich alle Menschen geschützt und wohlfühlen. Dafür braucht es klare Regeln, an die sich alle halten. Wir wollen, dass diese Regeln konsequent durchgesetzt werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BSW, SPD)

Ich danke Ihnen und rufe als nächsten Redner Abgeordneten Hutschenreuther der BSW-Fraktion auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, werte Zuschauer, viel ist heute schon gesagt worden. Für diese Aktuelle Stunde ist das Gewaltverbrechen aus Aschaffenburg von der SPD zum Anlass genommen worden. Was sagt man dazu? Am heutigen Tag war eines der Mottos, unter denen dieser Tag gestellt wurde: Seid Mensch!

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Motti!)

Ja, danke für die Mehrzahl.

Seid Mensch – Margot Friedländer hat das gesagt. Aber was kann man als Mensch, als Vater, als großer Bruder, der selbst zum Kindergarten gegangen ist, zu so einem Gewaltverbrechen sagen? Nichts! Das macht sprachlos, wenn man nicht seine gute Kinderstube verlieren möchte.

(Beifall BSW)

Gestatten Sie mir jedoch, als Politiker, als Neupolitiker einige Worte zu verlieren, und zwar, dass wir uns nicht wieder in dem schaurigen Ritual der

(Abg. Liebscher)

Betroffenheit verlieren. Mit Ihrer Zustimmung zitiere ich an der Stelle Franz Josef Strauß, der das schaurige Ritual so beschrieben hat: „1. Akt: Es passiert ein schreckliches Verbrechen. 2. Akt: Bestürzung, Empörung. 3. Akt: Ruf nach harten Maßnahmen. 4. Akt: Warnung vor der Überreaktion. 5. Akt: Gar nichts. 6. Akt: Übergang zur Tagesordnung.“ Heutzutage vielleicht noch die reflexhaften Rufe nach Demos oder völlig unangebrachte Selfies.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, lassen Sie uns dieses schaurige Ritual nicht wieder vollziehen, sondern lassen Sie uns, auch wenn ich diesen Anlass nicht gewählt hätte, bereits beim Würdigen beginnen. Lassen Sie uns das Verbrechen von Aschaffenburg als das bezeichnen, was es war: als Mord an einem Zweijährigen, als Mord an Kai-Uwe Danz – denn auch dieser Mann verdient es, dass sein Name genannt wird –, als versuchte Ermordung eines weiteren zweijährigen Mädchens.