Vielen Dank, Herr Minister Gruhner. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Damit schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde.
Zunächst möchte ich die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse der Regelschule aus Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis herzlich hier im Thüringer Landtag begrüßen.
c) auf Antrag der Fraktion des BSW zu dem Thema: „Frühkindliche Bildung in Thüringen verbessern“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 8/374 -
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, eine zentrale Aussage meiner letzten Rede war: Kinder sind unser höchstes Gut, denn Kinder sind unsere Zukunft – verbunden mit der Bitte an alle Fraktionen, beim Ringen um die besten Entscheidungen hier in diesem Hause für den Freistaat Thüringen diesen Grundsatz nicht aus den Augen zu verlieren. Dieser Aspekt gerät in der politischen Diskussion häufig aus dem Blick. Debatten um Bildungsfragen sind häufig politisch überfrachtet. Prestigeprojekte wie das längere gemeinsame Lernen, das im Übrigen die Bildungsergebnisse im internationalen Vergleich nicht verbessert hat, stehen im Vordergrund, während der Sachstandsanalyse, wo die wirklichen Probleme in der Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten liegen, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte schulische Ausbildung ziehen, keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Dies gilt insbesondere für den Bereich der frühkindlichen Bildung. Als ich im Frühjahr am Bildungsteil unseres Wahlprogramms gearbeitet habe, habe ich mich auf die Suche nach Befunden zum Sprach
stand in der Schuleingangsphase begeben. Und was soll ich Ihnen sagen? Ich habe nichts gefunden. Wissen Sie auch warum? Es wird nicht getestet. Wir nehmen schulterzuckend die schockierenden Ergebnisse nationaler und internationaler Studien im Hinblick auf den miserablen Erfolg des deutschen Bildungswesens hin, diskutieren über soziale Ungleichheit, ohne nach den Ursachen für das miserable Abschneiden unserer Schülerinnen und Schüler zu fragen.
Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, kurz IGLU-Studie, von 2021 bescheinigt, dass jeder vierte Grundschüler in Deutschland nicht richtig lesen kann. Das heißt, ein Viertel der deutschen Grundschüler erreicht nicht einmal den internationalen Mindeststandard. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Skandal und einer Industrienation wie Deutschland absolut unwürdig.
Was machen andere Länder besser? Deutschland wendet im internationalen Vergleich deutlich weniger Zeit für den Leseunterricht auf – im Durchschnitt 141 Minuten pro Woche, während OECD- und EU-Länder im Schnitt etwa 200 Minuten dafür einplanen. England, das beste der europäischen Länder, wendet viel Zeit für das Lesen auf und kümmert sich seit Jahren darum, dass Kinder mit Sprachproblemen schon in der Vorschule stark gefördert werden.
Kommen wir zurück zur IGLU-Studie. 10,9 Prozent der Viertklässler geben an, dass sie nicht in Deutschland geboren wurden. Ein Blick auf das Zuwanderungsalter zeigt, dass etwa ein Drittel der Kinder, also 32,8 Prozent, zum Zeitpunkt der Zuwanderung jünger als drei Jahre war. 14,2 Prozent waren drei bis fünf Jahre alt. Bei diesen Gruppen kann die Sprache also bereits im vorschulischen Alter gefördert werden. Diese Kinder fielen bis jetzt durchs Raster. Sprachliche Defizite sind nicht nur ein Problem von Migrantenkindern, sondern leider auch von deutschen Kindern. Aus diesem Grund ist es ein zentrales Anliegen der Bildungspolitik des BSW, verbindliche Deutschtests zur Ermittlung von Sprachkompetenzen sowie Deutschkompetenzen für alle Kinder im 5. Lebensjahr durchzuführen, um genau die notwendige Sachstandsanalyse zu gewährleisten, entsprechende Fördermaßnahmen abzuleiten, um allen Kindern die gleichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start ins Schulleben zu ermöglichen. Denn gute Sprachkenntnisse sind die Basis für eine gelingende Bildung und auch für eine gute Integration von Migranten. Die Implementierung dieser Sprachtests und der sich daraus
Nun hatte uns die Vorgängerregierung einen desaströsen Haushaltsentwurf hinterlassen, der für 2025 nur geringe finanzielle Spielräume zulässt. Deshalb ergeht die Forderung des BSW, die notwendigen finanziellen Mittel spätestens im Doppelhaushalt 2026/2027 bereitzustellen.
Die solide Vermittlung von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen stellt die Basis für das weitere schulische Lernen dar. Zur Förderung der Lesekompetenzen soll ab dem 2. Schulhalbjahr 2024/2025 – so steht es auch im 100-Tage-Programm – ein Leseband mit Trainingseinheiten zur systematischen Förderung der Lesekompetenz eingeführt werden. Dieses Vorhaben soll ab dem Schuljahr 2025/2026 schrittweise auf viele weitere Thüringer Schulen ausgedehnt werden.
Ich komme gleich zum Schluss. Die Basis für ein erfolgreiches schulisches Lernen, meine Kolleginnen und Kollegen, sind solide Sprachkenntnisse. Ohne die Durchführung verbindlicher Sprachtests im 5. Lebensjahr lassen sich sprachliche Defizite weder eruieren noch sind Fördermaßnahmen möglich. Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmeister. Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeordneten Jankowski für die Fraktion der AfD das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, liebe Gäste auf der Tribüne, als ich die Aktuelle Stunde im System gesehen habe, war ich zunächst etwas verwundert. Die Überschrift lautet „Frühkindliche Bildung in Thüringen verbessern“. Dann wird aber in der Begründung deutlich, dass anscheinend der Begriff der frühkindlichen Bildung beim BSW alles andere als klar zu sein scheint, denn es wird wild gemischt zunächst zwischen Dingen, die Sie im Kindergartenbereich machen möchten, und dann wechselt man nahtlos in den Grundschulbereich, der per Definition aber nicht mehr zur frühkindlichen Bildung gehört. Unabhängig davon, dass ich persönlich den Begriff der frühkindlichen Bildung auch überhaupt nicht mag, sind die Forderungen, die hier zur Aktuellen Stunde gestellt werden, in meinen Augen doch etwas mau. Mir scheint es eher, Sie möchten etwas plump das 100-TageProgramm der Regierung promoten. Was den Kin
dergartenbereich angeht, wird betont, wie wichtig Sprachkompetenzen und vor allem Deutschkenntnisse für die zukünftigen Bildungserfolge sind. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht: Eine gemeinsame Sprache der Schüler und der Lehrer ist eine Grundvoraussetzung für einen ordentlichen Unterricht.
Ich bekomme beinahe wöchentlich Zuschriften und Anrufe von Grundschullehrern, die sich darüber beklagen, dass große Teile ihrer Klasse kein Deutsch sprechen und deswegen ordentliches Unterrichten nahezu unmöglich ist. Oftmals wird mir auch berichtet, dass das wichtigste Unterrichtstool einiger Grundschullehrer der Google Übersetzer auf ihrem Telefon ist, um sich überhaupt noch mit einem Teil ihrer Klasse verständigen zu können. Sie fordern nun, dass im 5. Lebensjahr und in den Kindergärten verpflichtende Sprach- und Deutschtests durchgeführt werden. Das kann ich vollkommen nachvollziehen und das ist sicherlich auch sinnvoll. Nur, was Sie mit keiner Silbe erwähnen, weder in der Begründung zur Ihrer Aktuellen Stunde noch hier am Pult: Was machen Sie denn mit den Kindern, die diese Sprachtests nicht bestehen? Wollen Sie sie dann für ewig im Kindergarten belassen? Da müssen Sie auf jeden Fall mal noch Antworten liefern.
Zudem sind die Kinder, die über den Kindergarten in unser Schulsystem kommen und nicht über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen, auch nur ein Teil des Problems. Viele durchlaufen den Kindergarten gar nicht erst und kommen direkt an unsere Schulen. So haben wir teilweise auch in der 8. und 9. Klasse Schüler, die Deutsch nur auf Grund- oder Vorkursniveau verstehen oder sprechen und demzufolge den Unterricht mehr oder weniger absitzen, weil sie dem Unterricht gar nicht folgen können. Wir als AfD haben deswegen einen Antrag zur Änderung des Schulgesetzes auf der Tagesordnung, um sich genau mit diesem Thema zu beschäftigen. Wir möchten, dass Schüler, die die Sprache nicht beherrschen, generell zunächst in Vorschaltklassen die Sprache erlernen müssen. Nur wer ausreichend Deutschkenntnisse besitzt, kann dann auch in regulären Unterricht überwechseln.
Dies ermöglicht es allen Schülern, sowohl den Schülern mit Deutsch als Muttersprache, aber auch den Schülern, die Deutsch noch nicht beherrschen, die bestmöglichen Lernerfolge zu erzielen. Unser Ansatz ist da deutlich umfassender als nur ein Test im 5. Lebensjahr, wobei Sie noch nicht einmal die
Als zweiten großen Punkt gehen Sie in der Begründung Ihrer Aktuellen Stunde auf die Wichtigkeit von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen ein. Da haben Sie vollkommen recht, da liegt einiges im Argen. Seit Jahren rutschen unsere Schüler gerade in diesen Kompetenzfeldern bei allen Erhebungen weiter ab, egal ob PISA, egal ob IQB.
Ihre Lösung: ein sogenanntes Leseband, welches Sie schrittweise einführen wollen. Ich finde die Idee gar nicht mal so schlecht. Aber das soll wirklich der große Wurf sein, um die Lesekompetenzen in Deutschland oder gerade in Thüringen zu verbessern? Ich glaube, das glauben Sie nicht mal selbst. Ich würde es eher als einen kleinen Baustein betrachten.
Es müssten im Grundschulbereich ganz andere Dinge angegangen werden, angefangen mit den Lernmethoden, die eingesetzt werden. Immer noch wird in Thüringen zum Teil die Lehrmethode „Lesen durch Schreiben“ angewendet, umgangssprachlich auch „Schreiben nach Gehör“ genannt – eine Methode, die nachweislich zu schlechten Ergebnissen führt.
Auch das Thema „Digitalisierung an Grundschulen“ sollte angegangen werden. Wir haben teilweise im Grundschulbereich ganze Tablet-Klassen in Thüringen. Auch hier ist hinreichend bekannt, welche negativen Auswirkungen dies auf das Erlernen von motorischen Fähigkeiten, aber auch auf das Erlernen einer Schreibschrift hat. Hierzu brachten wir als AfD-Fraktion bereits 2020 einen entsprechenden Antrag ein.
Auch das Thema „Entschlackung der Stundentafel im Grundschulbereich“ könnte man angehen. Sie hatten ja erwähnt, dass gerade in Thüringen oder gerade in Deutschland die Lesezeit in der Grundschule besonders eng ist. Da könnte man zum Beispiel fragen: Ist es denn wirklich sinnvoll, schon im Grundschulbereich mit der ersten Fremdsprache zu beginnen, oder sollte man sich nicht lieber erst einmal auf das Erlernen der Grundlagen in den Bereichen „Lesen“, „Schreiben“ und „Rechnen“ konzentrieren?
All das sind Themen, die man besprechen sollte. Aber eine Aktuelle Stunde bietet dafür nicht wirklich den entsprechenden Rahmen. Insgesamt muss ich deswegen sagen: Der Inhalt, den das BSW in der Aktuellen Stunde zur Diskussion gestellt hat, ist mehr als dünn. Ich bin insgesamt eher ein Freund, der dann direkt über die konkreten Anliegen spricht und nicht über irgendwelche halbgaren oder nebu
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jankowski. Als Nächste rufe ich Frau Abgeordnete Gerbothe für die Fraktion der CDU auf.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, werte Abgeordnete, Lesen, Schreiben, Rechnen sind Fähigkeiten, die für viele selbstverständlich sind, leider aber im Alltag zahlreicher Kinder und Jugendlicher zu großen Problemen führen. Die Bildung unserer Kinder ist der Schlüssel ihrer Zukunft, eine tragende Säule für ihr gesamtes Leben. So eröffnet das Lesen beispielsweise unseren Kindern die Möglichkeit, Zusammenhänge zu verstehen, kritisch zu denken und mit anderen zu kommunizieren. Wir als CDU-Fraktion begrüßen, dass das BSW dieses Thema heute hier debattieren möchte, denn es bedarf dringend der neuen Weichenstellung in der Bildungspolitik, welche im Regierungsvertrag niedergeschrieben wurde.
Mit Beginn des neuen Schuljahres plant die neue Landesregierung beispielsweise – wie bereits angesprochen – die Einführung verpflichtender Deutschtests zur Ermittlung von Sprachkompetenzen sowie Deutschkenntnissen im 5. Lebensjahr. Aber warum bedarf es dieser neuen Weichenstellung? In den vergangenen zehn Jahren hat Rot-Rot-Grün im Bildungsbereich vieles vernachlässigt. Das Resultat: Unterrichtsausfall auf Rekordniveau – im Herbst 2024 standen wir hier bei 11,2 Prozent –, fehlende Lehrkräfte und sehr langwierige Einstellungsverfahren.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mich selbst im Jahr 2019 als Quereinsteigerin für den Thüringer Schuldienst beworben und habe selbst dieses langwierige Einstellungsverfahren durchlaufen. Ich kann wirklich sagen: Daran muss sich dringend etwas ändern.
Dazu kommt für Schulleiter und Pädagogen im Schulalltag noch eine erdrückende Bürokratie. Die Arbeit am Kind ist merklich komplexer geworden. Die zeitlichen Ressourcen werden immer knapper. Kurzum: Die Anforderungen und die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte und für Schüler sind so anspruchsvoll wie nie zuvor. Unstrittig ist jedoch auch, dass sich die Schülerschaft an unseren Thüringer Schulen in den letzten Jahren verändert hat, heterogener geworden ist. Bereits im Schuljahr
2023/2024 hatten 14 Prozent der Schulanfänger in Thüringen einen Migrationshintergrund. Die Migrationsquote im Schuljahr 2023/2024 lag bei 11,8 Prozent. Dies ist eine Vervielfachung zum Schuljahr 2013/2014, als die Quote bei 1,7 Prozent lag. Aus genau diesen Gründen ist es wichtig, den Förderbedarf bzw. Sprachdefizite bei unseren Kindern so frühzeitig wie möglich zu erkennen, bevor sich die Defizite negativ auf das weitere Schulleben, auf die Schulkarriere auswirken. Es gilt doch, die Kinder, unsere Kinder bestmöglich zu fördern. Auch die allgemeine Bildungsgerechtigkeit, gerade mit Blick auf sozial benachteiligte Kinder, ist in den vergangenen Jahren weiter auseinandergegangen. Dies belegen zahlreiche Studien und Erhebungen. Und genau dem müssen wir entgegenwirken. Unser Anspruch ist es, dass jedes Kind unabhängig von seiner kulturellen oder sozialen Herkunft sowie den finanziellen Mitteln der Eltern die gleichen Bildungschancen erhält.
Wie ich bereits zu Beginn meiner Rede erwähnte, sind es die Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen, welche elementaren Einfluss auf den Schulalltag unserer Kinder haben. Davon hängen auch Erfolg und ein Stück weit sicherlich Spaß in der Schule ab. Wir begrüßen es daher, dass der neue Bildungsminister Christian Tischner ein Leseband eben für die systematische Leseförderung einführen möchte. In Bezug auf dieses Pilotprojekt und die Implementierung im Schulalltag sowie die Einführung von den erwähnten Sprachkompetenztests freue ich mich bereits jetzt auf die inhaltliche Debatte und die Vorstellung des Konzepts im Bildungsausschuss. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Gerbothe. Als Nächste rufe ich Frau Abgeordnete Große-Röthig für die Fraktion Die Linke auf.
Sehr geehrte Kolleginnen, das Beste ist für unsere Kinder gerade gut genug. Unter dieser Maxime stand die Amtszeit desjenigen Thüringer Bildungsministers, der sich zu Recht als Kinderminister bezeichnet hat, Helmut Holter. Aber was ist das Beste für Kinder im Kindergarten in jener ersten Bildungseinrichtung, die doch unser ganzes Leben prägt, und wie kann es noch besser werden? Um das Ergebnis gleich mal in Teilen vorwegzunehmen: Ein Sprachtest im 5. Lebensjahr, davon wird der Kindergarten auf jeden Fall nicht besser.