Protocol of the Session on January 29, 2025

Es gibt eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, eine wichtige Lehre, die lautet: Die Erinnerung ist wichtig, aber sie ist nicht geeignet für die Instrumentalisierung in der Gegenwart, in der politischen Gegenwart, und vor allem nicht für den Wahlkampf. Wer Wahlkampf auf Kosten der Toten des Holocausts macht, der ist schäbig, meine Damen und Herren.

(Beifall AfD)

Im Übrigen kann man das richtige Gedenken oder das vermeintlich richtige Gedenken nicht er

zwingen. Wir kennen die verschiedenen Formen: Sprachlosigkeit, Demut, Schuldgefühle, Besinnung. Das ist alles zulässig, meine Damen und Herren. Es gibt eine unterschiedliche Erinnerungskultur in Ost und West. Im Osten war beispielsweise jedem klar, dass man nichts mit den Nazis zu tun hatte, schon gar nicht die nach 1945 Geborenen. Im Westen ist das ganz anders: Götz Aly, der vor ein paar Jahren hier stand bei einer Gedenkveranstaltung, hat ein Buch geschrieben, da steht „Unser Nationalsozialismus“ bereits im Titel. Und Patrick Bahners hat das folgendermaßen rezensiert – ich zitiere –: „Götz Aly [hat] uns vor Augen geführt, dass kein deutscher Staatsbürger sich heute davon freisprechen kann, vom Holocaust möglicherweise profitiert zu haben. Es bleibt die Schuld, die von allen beglichen werden muss.“

Meine Damen und Herren, da widerspreche ich ganz deutlich. Ich bin sehr wohl dafür, an das Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern und das Gedenken daran wachzuhalten, aber ich sage als Thüringer und als Ostdeutscher auch ganz klar: Es ist nicht mein Nationalsozialismus. Es ist auch nicht der Nationalsozialismus meiner Kinder

(Beifall AfD)

und es ist erst recht nicht der Nationalsozialismus meiner Enkel. Und das werde ich auch weiterhin so sagen, weil so, wie ich mich erinnere, tun es Hunderttausende, tun es Millionen andere im Osten, und es wäre gut, wenn das auch wieder toleriert werden würde. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als Nächste rufe ich Abgeordnete König-Preuss für die Fraktion Die Linke auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauer/‑innen auf der Tribüne und auch diejenigen am Livestream, was gerade hier zu hören war, war eine Form der Holocaustrelativierung von dem Vorredner hier am Pult und es ist am Ende immer wieder dasselbe – es ist der Versuch, die Singularität der Schoah infrage zu stellen, es ist der Versuch, die Erinnerung auch in Verantwortungsübernahme im Heute zu beenden, auszulöschen und es ist der Versuch einer sogenannten, im weitesten Sinne auch Abwehr von Verantwortung oder auch Abwehr von Schuld der noch lebenden Täter und Täterinnen.

(Abg. Möller)

Der Abgeordnete hat gerade unter anderem gesagt, dass es einen Konsens in der Erinnerung gäbe. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und geschaut, was denn in den letzten Tagen auf den Social-Media-Accounts der AfD-Fraktion veröffentlicht worden ist und wie die Kommentare dazu sind. Es gab unter anderem eine Veröffentlichung bei der Bundestagsfraktion zum 27. Januar, dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, in Israel Jom haScho'a. Kommentare sagen da unter anderem: Beendigung der uns aufgezwungenen Erinnerungskultur. Wir haben die Gräueltaten nicht begangen, Ende der uns und unseren Kindern aufgebürdeten Schuld. Ein weiterer: Wir wurden mit Schuldgefühlen sowie „Deutschsein ist nichts Positives“ erzogen. Ein dritter: Wir müssen aufhören, diesen Schuldkult zu propagieren. Ein vierter: Adi fehlt für solche Leute. – Ich glaube, es ist allen klar, wer mit der Abkürzung „Adi“ gemeint ist. Oder auch: Nur Deutschland und kein Israel. Warum gedenken wir nicht auch einmal der deutschen Frauen und Kinder, warum müssen wir uns immer noch mit diesem Thema – also in Bezug auf Jom haScho'a – auseinandersetzen? Die Erinnerungskultur erstickt uns. Irgendwann muss es auch gut sein. Gedenken wir auch Napoleon? Den Kreuzzügen? Das nervt nur noch. – Das ist nur eine Auswahl der Kommentare, die unter einem entsprechenden Posting der AfD-Bundestagsfraktion veröffentlicht waren. Es gibt ähnliche Kommentare von lokalen AfDlern hier in Thüringen.

1938 lebten 16,6 Millionen Juden und Jüdinnen weltweit, 2023 – das ist die letzte erhobene statistische Zahl – 16,8. Das heißt, irgendwann zwischen 2022 und 2023 ist die Anzahl der lebenden Juden und Jüdinnen wieder so hoch geworden, wie sie vor der Schoah war. Bis dahin war es eine Art Wiederherstellung des jüdischen Volkes in der Größenanzahl. So nennen es übrigens Juden und Jüdinnen selber, dass sie die Zeit gebraucht haben, um überhaupt wieder in einer ähnlichen Anzahl zu leben.

Bis heute – das haben Vorredner und Vorrednerinnen gesagt – gibt es einen grassierenden Antisemitismus. Und ja, den gibt es aus allen politischen Lagern, allerdings – und das muss man an der Stelle auch festhalten – gibt es gerade hier in Thüringen einen grassierenden Antisemitismus von rechts. Hakenkreuze, „Juden sind Täter“, „Tod den Juden“ und Ähnliches mehr wird in unterschiedlichsten Städten, auf Plakaten, an Wänden, in Aufklebern oder auch auf Schulhöfen oder sonst wo in der Gesellschaft von sich gegeben.

Und es gibt einen grassierenden Rassismus, auch Antiziganismus. Ich fand das großartig in den Re

den heute in der Gedenkstunde, dass alle Rednerinnen darauf aufmerksam gemacht haben, dass es eine Verantwortung im Heute gibt und dass man sich gegen jede Form der Diskriminierung stellen muss, dass man sich gegen Antisemitismus stellen muss und dass wir im Heute agieren müssen. Ja, Auschwitz mahnt – jeden Tag. Ich hätte mich gefreut, wenn die Fraktionen von CDU und BSW die Aktuelle Stunde heute hier genutzt hätten, um zu erklären, dass sie keinen Geschichtsrevisionisten zum Vizepräsidenten des Thüringer Landtags wählen und dass sie die richtigen Erklärungen und die richtigen Worte auch in entsprechende Handlungen umsetzen und dazu beitragen, dass solche Personen nie wieder an irgendeiner Stelle einen Zugriff auf die Demokratie, einen Zugriff auf Macht bekommen. Herzlichen Dank.

(Beifall Die Linke, SPD)

Als Nächsten rufe ich Herrn Abgeordneten Liebscher für die Fraktion der SPD auf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Kollegin König-Preuss. Vielleicht auch noch eine Anmerkung zum Vorredner: Natürlich ist es richtig, Geschehnisse vergleichend einzuordnen. Der Unterschied ist, ob man etwas vergleicht oder etwas gleichsetzt, so wie Sie es jetzt wieder einmal getan haben, indem Sie Coronamaßnahmen im Zusammenhang mit dem Holocaust gebracht haben oder auch vom Bombenholocaust gesprochen haben im Kontext der Bombardierung von Dresden. Das ist der entscheidende Unterschied und das ist genau das, was Sie seit Jahren betreiben und dem wir uns entgegenstellen müssen. Deswegen ist es richtig, dass die CDUFraktion heute die Aktuelle Stunde zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz unter dem Dreiklang „Mahnung, Gedenken und Verantwortung“ eingebracht hat.

Wir gedenken der 1,1 Millionen Opfer, die allermeisten von ihnen Jüdinnen und Juden, die allein in Auschwitz in deutschem Namen und von Deutschen ermordet wurden, systematisch, erbarmungslos und in einem hochgradig rationalisierten und industrialisierten Verfahren, in welchem die Leichen geschändet, geplündert und ausgebeutet wurden – selbst die Leichen. 1,1 Millionen Menschen, allein schon diese Zahl ist unfassbar. Hinter ihr stehen 1,1 Millionen einzelne Schicksale, die nicht vergessen werden dürfen. Aus meiner Heimatstadt

(Abg. König-Preuss)

Jena zum Beispiel Elsbeth Danziger, die als eine der ersten Jenaerinnen 1931 in Physik promovierte und 1933 in die vermeintlich sicheren Niederlande emigrierte. Sie wurde im Oktober 1942, am Tag ihrer Ankunft, in Auschwitz umgebracht, ebenso ermordet wurden ihre achtjährige Tochter Evelijn und ihr sechsjähriger Sohn Harry. Elsbeth Danzigers Mann Hans kam wenige Monate später, Ende Februar 1943, in einem Zwangsarbeiterlager bei Kattowitz ums Leben.

„In der leider sehr reichhaltigen Geschichte des Bösen, zu dem der Mensch fähig ist, bleibt Auschwitz unerreicht“, schrieb der Zeithistoriker und Journalist Joachim Käppner am Montag in der Süddeutschen Zeitung. Auschwitz steht zugleich aber auch nur stellvertretend für den Holocaust, die Schoah, die Vernichtung von 6 Millionen europäischen Juden, also ein Menschheitsverbrechen von weit größerem Ausmaß. Und wir denken bei Auschwitz auch an die weiteren Opfer der nationalsozialistischen Vernichtung, an die ermordeten Sinti und Roma, die getöteten oder dem Verhungern überlassenen sowjetischen Kriegsgefangenen, die verschleppten Zwangsarbeiter, die Homosexuellen, die politischen Gefangenen, die Kranken und Behinderten, kurz: an all jene, die ebenfalls entrechtet, schikaniert, vergast, erschossen, totgespritzt, dem Verhungern ausgeliefert oder umstandslos totgeschlagen wurden – auch schon vor 1939, auch mitten in Deutschland, auch vor aller Augen. Das ist unsere historische Schuld, der wir uns auch als Nachgeborene stellen und die wir annehmen müssen, und diese Schuld wird auch nicht dadurch geringer oder irgendwie leichter, indem man versucht, sie aufzurechnen gegen angebliche Kriegsverbrechen der Alliierten, und dabei etwa die Bombardierung Dresdens geschichtsrevisionistisch zum Bombenholocaust umdeutet – ich hatte es bereits erwähnt. Ich darf in diesem Zusammenhang nur daran erinnern, dass auch der Bombenkrieg von deutscher Seite ausgelöst wurde. Vor Dresden standen die deutschen Luftangriffe auf Warschau, Rotterdam, Coventry, auf die britischen Industriezentren, London, Moskau, Belgrad und weitere mit zigtausend Toten. Anlasslos und ohne militärisches Kalkül erfolgten die Bombardierungen deutscher Großstädte durch die Alliierten also wahrlich nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei dem Gedenken an Auschwitz und der Zurückweisung jedweder Leugnung oder Relativierung deutscher Schuld allein dürfen wir es aber auch nicht belassen. Ebenso zentral für uns müssen die von Auschwitz ausgehende Mahnung, das Nie-wieder und die daraus für uns Nachgeborene erwachsene Verantwortung sein – Verantwortung dafür, dass die Erinnerung an den Holocaust auch nach der Ära

der unmittelbaren Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wachgehalten wird. Das ist eine Aufgabe, der angesichts der Tatsache, dass mehr als jeder Zehnte junge Erwachsene in Deutschland laut einer aktuellen Umfrage noch nie etwas von den Begriffen „Holocaust“ oder „Schoah“ gehört hat, eine besondere Bedeutung zukommt. Verantwortung aber auch dafür, dass nie wieder derartige Verbrechen von Deutschen und in deutschem Namen begangen werden können. Verantwortung dafür, dass Antisemitismus und Judenhass in unserer Gesellschaft nicht geduldet werden, auch nicht, wenn sie sich als bloße Kritik an der israelischen Regierung tarnen. Verantwortung dafür, dass es Rechtsextremen, Geschichtsrevisionisten und Neonazis nicht gelingt, die Vorzüge unserer Demokratie dafür zu nutzen, ebendiese von innen auszuhöhlen, zu kapern und letztlich zu vernichten. Diese Pflicht, sich der historischen Schuld und der aus Auschwitz erwachsenen Verantwortung zu stellen, muss auch hier im Landtag für alle Demokraten handlungsleitend sein. Das betrifft unsere politischen Vorhaben, Schwerpunktsetzungen und Entscheidungen. Das betrifft aber auch die Frage, wen wir in Gremien und Staatsämter wählen und wen wir an der Spitze dieses Hauses sehen wollen.

(Beifall Die Linke)

Meine Partei und Fraktion war und ist in dieser Frage klar und wird es auch bleiben, und darauf können sich die Menschen in unserem Land auch verlassen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BSW, Die Linke, SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Damit erteile ich Herrn Minister Gruhner für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich will zunächst erst mal der CDU-Fraktion danken, dass sie diese Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gesetzt hat, denn es ist wichtig, dass wir uns gerade an diesen Tagen sehr konzentriert mit der Erinnerung an den 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz befassen.

Ich will auch noch mal an dieser Stelle dem Landtag, Herr Präsident, ausdrücklich danken, dass wir heute Morgen eine sehr würdige Gedenkstunde, aber eben auch eine sehr nachdenkliche Gedenk

(Abg. Liebscher)

stunde miteinander erleben konnten. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion hat gerade noch mal darauf verwiesen, dass es beeindruckend ist, wie Frau Geißler hier vor dem Hohen Haus gesprochen hat, wie sie ihre Lebensgeschichte geteilt hat und wie sie vor allem – und das fand ich so bemerkenswert – auch Zuversicht ausgestrahlt hat, dass sie in diesem hohen Alter auch Kraft ausgestrahlt hat, immer wieder deutlich zu machen, man darf nicht vergessen, und dass sie mit Kraft ihre Botschaft so auch gerade jungen Menschen rüberbringt. Deswegen, glaube ich, nötigt einem das nur Respekt ab, und man kann sich eigentlich nur verneigen vor Frau Geißler, aber auch vor allen Zeitzeugen, die immer wieder ihre Geschichte auch gerade jungen Menschen mit auf den Weg geben.

Diese Zeitzeugenberichte sind eben auch ein Stück weit – ja, man kann sagen – ein Mahnmal, die uns lehren, die unterstreichen, dass es eben niemals ein Ende von Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus geben darf. Es gibt einen sehr, finde ich, klugen Ausspruch von dem Theaterschriftsteller George Tabori, der gesagt hat: „Jeder ist jemand.“ Ich finde, dieser kurze Ausspruch bringt ein ganz entscheidendes Prinzip auf den Punkt, nämlich die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Zwischen 1933 und 1945 galt eben nicht „Jeder ist jemand“, sondern es galt „Juden sind niemand“. Deswegen ist dieser 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz eben im Besonderen auch ein Tag, an dem man sich klar entgegenstellen muss, wenn es Schlussstrichfantasien gibt, wenn es Relativierungen, Umschreibungen gibt, wenn es ein Sich-aus-der-Verantwortung-Stehlen gibt. Deswegen muss in diesen Tagen im Besonderen aber auch ganz generell die Botschaft sehr klar sein: Wir vergessen nicht und wir müssen jeden Tag das Niewieder tatsächlich auch leben. Deswegen will ich auch für die Landesregierung noch mal in Gänze sagen: „Jeder ist jemand“ ist etwas, was für uns als Gesellschaft unverhandelbar ist, aber auch etwas, wofür diese Landesregierung im Besonderen steht. Das ist ein Gebot des modernen Humanismus und es darf nicht angetastet werden.

Gleichwohl – und das ist gerade schon angesprochen worden – wird dieses Gebot auch in diesen Tagen, in den letzten Jahren wieder angetastet. Der Abgeordnete Bühl sprach davon, dass „Du Jude“ auf unseren Schulhöfen als Schimpfwort um sich geht, und das zeigt, dass es Anfangspunkte von Gewalt, von Hass gibt. Auschwitz war in gewisser Weise ein Endpunkt, aber dem sind Anfangspunkte vorausgegangen: Hass, Boykott von Geschäften, brennende Synagogen, Nürnberger Gesetze und vieles mehr. Das waren die Anfangspunkte, die zu diesem Endpunkt geführt haben. Auch heute erlebt

man – und darauf hat der Abgeordnete Bühl hingewiesen – wieder Anfangspunkte, denen man sich entgegenstellen muss. Auch das gehört zur Realität.

Vor allem seit dem 7. Oktober 2023 erleben wir auch auf deutschen Straßen, auch in Universitäten eine wirklich besorgniserregende Allianz. Es ist gesagt worden: In allen Lagern, Rechtsextreme, Linksextreme, Islamisten, Verschwörungstheoretiker, alle vereinen sich, um tatsächlich wieder antisemitische Hetze zu verbreiten. Und – auch das will ich sagen – auffällig ist dabei eben schon, dass dieser Hass oft als vermeintliche Kritik an Israel getarnt wird. Deswegen gehört, wenn wir über dieses Thema, über diese Fragen reden, wenn wir über Antisemitismus reden, wenn wir über Erinnern sprechen, auch das klare Bekenntnis dazu, dass das Existenzrecht Israels nicht infrage gestellt werden darf und dass ganz klar sein muss: Wer das Existenzrecht Israels infrage stellt, der stellt sich auch außerhalb der Grundwerte unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Auch das will ich noch mal sehr ausdrücklich hier unterstreichen.

(Beifall CDU, BSW)

Für die Landesregierung will ich noch einmal auf fünf zentrale Handlungsfelder hinweisen, die besonders wichtig sind im Kampf gegen Antisemitismus.

Das Erste ist natürlich, dass klar gilt: Schutz jüdischen Lebens in all seiner Vielfalt. Das bedeutet ganz selbstverständlich, dass wir den Schutz jüdischer Einrichtungen sicherstellen. Dafür steht Innenminister Georg Maier.

Zweitens geht es genauso darum, dass wir als Landesregierung Antisemitismus auch dann sehr klar begegnen, wenn die Justiz ins Spiel kommt, wenn es klar um Rechtsfolgen geht und wenn antisemitische Straftaten verfolgt werden. Dafür stehen unsere Justizministerin und die Landesregierung natürlich in Gänze.

Aber es geht drittens auch darum, dass wir Präventionsarbeit in unseren Bildungseinrichtungen betreiben, dass wir dort Schülerinnen und Schüler nicht nur sensibilisieren, sondern dass wir tatsächlich – auch die Fragen von Gedenkstätten sind gerade schon angesprochen worden – dafür sorgen, dass Präventionsarbeit mit Gedenkstättenbesuchen und anderem geleistet wird. Bildungsminister Christian Tischner hat das ja auch schon öffentlich ausgeführt.

Es geht viertens darum, dass wir als Landesregierung Erinnerungskultur nicht nur unterstützen, sondern dass wir sie weiter stärken, dass wir uns dar

(Minister Gruhner)

um kümmern, dass pädagogische Ansätze in Gedenkstätten weiterentwickelt werden und dass eben Erinnerungskultur auch eine ganz zentrale Rolle spielt, wenn es darum geht, Antisemitismus zu bekämpfen.

Und schließlich fünftens: Es wird auch weiter darum gehen, dass man verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure dabei unterstützt, wenn sie wichtige und wertvolle Arbeit leisten, um Antisemitismus entgegenzutreten.

Ich will abschließend noch mal eines sagen: Zuschauerdemokratie ist ja etwas, was immer etwas Gefährliches ist. Aber ich finde, wir als Landesregierung finden, gerade in dieser Zeit ist eine Zuschauerdemokratie besonders gefährlich. Und deswegen ist das auch der klare Appell, und das muss man, glaube ich, hier im Haus weniger sagen als andernorts, aber es gibt, wenn Antisemitismus um sich geht, wenn Antisemitismus um sich greift, keine Entschuldigung, nicht zu handeln, sondern da gibt es immer nur den klaren Auftrag, sich einzumischen und deutlich zu machen, dass Antisemitismus tatsächlich jeden angeht, jeden Menschen, jede Generation. Ich habe es vorhin gesagt, es gibt Anfangspunkte, und diese Anfangspunkte finden auch im Alltag statt, in der Schule, im Betrieb, in der Familie, im Sportverein. Und auch da geht es darum, dass man natürlich nicht den Helden spielt, aber dass man auch dort diesen Anfangspunkten, die wieder zu Endpunkten werden können, entgegentritt und – ganz einfach gesagt – den Mund aufmacht.

Abschließend will ich bei all dem Nachdenken und auch bei all den Sorgen, die wir uns gemeinsam machen, weil Antisemitismus zugenommen hat, trotzdem sagen, ich glaube, wir können sehr zuversichtlich sein, weil es eben so viele Menschen gibt, die sich engagieren, die für diese Demokratie einstehen, die sich zivilgesellschaftlich Antisemitismus entgegenstellen und die auch mit ganzer Kraft für unsere Demokratie eintreten. Ich finde, das macht auch zuversichtlich an diesem 80. Jahrestag, wo wir einerseits große Sorgen haben müssen, aber andererseits eben auch sehen, dass wir eine starke Demokratie haben in Thüringen, engagierte Menschen haben, die gegen Antisemitismus kämpfen, und vor allem, dass wir im ganz überwiegenden Maße einen großen politischen Konsens haben, dass wir diese Aufgabe auch parteiübergreifend gemeinsam angehen. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist für die Landesregierung eine wichtige, eine ressortübergreifende Aufgabe, dass wir uns dem annehmen und dass das auch weiterhin sehr stark im Zentrum dessen steht, was wir tun wollen, um

Demokratie in Thüringen stark zu halten. Vielen Dank.

(Beifall CDU, BSW, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Gruhner. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Damit schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde.