Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in der gesetzlichen Krankenversicherung – das hat auch die Abgeordnete Güngör für die Linksfraktion so dargestellt – ist es ja nicht so, dass wir erst seit Kurzem von steigenden und höheren Ausgaben sprechen können. Also es ist kein neues Problem. Gleichwohl – und da sind wir uns, glaube ich, alle einig, und ich stimme da der Problemanalyse zu – ist jetzt über die Jahre ein Punkt erreicht worden, wo sich eben gerade dieses Bild, dass viele Beitragszahlende an den Briefkasten gegangen sind und schon dort einen Brief öffnen mussten, der ihnen keine guten Nachrichten eröffnet hat, sehr stark zugespitzt hat. In so ziemlich allen Bereichen – das wurde hier in allen Beiträgen der Abgeordneten deutlich – ist die Ausgabenentwicklung über den Einnahmen, und man kann, glaube ich, konstatieren, dass sich dieser Trend auch fortsetzen wird. Die gestiegenen Zusatzbeiträge treffen die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch die Arbeitgeber und auch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die diese Beiträge – das wissen Sie – anteilig tragen.
Besonders betroffen sind natürlich Menschen mit kleineren Einkommen. Ich glaube, hier ist es wichtig, dass wir auch selber auf unseren Sprachduktus achten und eben nicht über vermeintlich kleine Beitragserhöhungen sprechen. Denn je nachdem, was ich an Einkommen zur Verfügung habe, sind eben auch kleine Beiträge oft das Zentrale, was fehlt. Der Antrag der Fraktion Die Linke nimmt also nachvollziehbarerweise diese Folgen der Erhöhung in den Fokus. Dabei – und das ist mir natürlich wichtig – wird auch eingeräumt, dass die Gesetzgebungskompetenz ausschließlich beim Bund liegt.
In der Aktuellen Stunde soll natürlich trotzdem erörtert werden, wie das Land kurzfristig Betroffene unterstützen kann, um den langfristig ausufernden Beiträgen entgegenzuwirken. Hier sehen Sie schon, dass es da natürlich einen Dissens geben muss: Selbstverständlich ist das kurzfristige Helfinteresse nachvollziehbar, gleichwohl sprechen wir über einen Trend. Und wie wir diesen Trend erzeugt haben – das hat ja der Abgeordnete Zippel gerade sehr plastisch dargestellt –, ist natürlich, dass wir uns auch mit Personalschlüsseln und der Frage wie Wertschätzung von Berufen in der Bezahlung und all den ähnlichen Fakten befasst ha
ben, die sich natürlich in Kostensteigerungen niederschlagen müssen. Das war sozusagen ein absehbares Problem.
Gleichwohl ist es mir wichtig, noch mal zu differenzieren zwischen zwei verschiedenen Problemkreisen, die hier in dem Antrag ein bisschen miteinander verwoben werden. Es wäre natürlich nachvollziehbar, gerade mit Blick auf eine Bundestagswahl, hier eine Rede um das Thema „Welche Versicherungsart stellen wir uns denn vor?“ zu halten und dies zu diskutieren. Dann wären wir ja aber im Bundestag und nicht im Landtag. Und deswegen ist das hier keine Rede als Sozialdemokratin, die sich vorstellt, wie ein Versicherungssystem gegebenenfalls vom Kopf auf die Füße gestellt werden kann – das wäre sicherlich auch eine spannende Diskussion –, sondern die Frage ist, als Landesministerin und als Landesregierung, wie das Land gegensteuern kann.
Deswegen möchte ich die Gelegenheit nutzen, gar nicht die Dinge zu wiederholen, die Sie richtigerweise in der Analyse über steigende Kosten und über Wege als problematisch beschreiben, sondern darüber hinauszugehen und zu fragen: Was sind eigentlich die Punkte, die man als Landesregierung anpacken kann?
Da trifft es sich gut, dass Thüringen in diesem Jahr den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz übernommen hat. Das sehe ich als Chance, wesentliche Themen noch mal stark und pointiert, eben parteiübergreifend vorzutragen. Man kann es als Manko empfinden und sagen: Jetzt haben wir gerade einen Punkt erreicht, an dem diese Forderung nach Reform der Ursache, also da, wo die hohen Beiträge entstehen, schon sehr oft auch von meiner Amtsvorgängerin pointiert vorgetragen wurde. Die Frage ist immer: Wann ist ein günstiges Zeitfenster, in das solche Forderungen fallen? In diesem Sinne werte ich die Aktuelle Stunde als einen Auftakt, genau diese Kommunikation Richtung Bund zu richten, aber auch als eine Einladung, uns zu fragen, wie wir hier in unserem Landeshaushalt dafür Sorge tragen können, gute Gesundheitspolitik in Thüringen zu ermöglichen.
Da möchte ich auf den Abgeordneten Zippel zurückkommen, der am Ende richtig darauf hingewiesen hat, dass Gesundheitspolitik auch noch andere Spielfelder kennt. Gerade hier in Thüringen sehen wir uns mit massiven Herausforderungen zum Beispiel im Krankenhauswesen konfrontiert. Auch hier hat eine Bundesreform den langen Reformstau abgelöst. Hier haben wir als Land die Möglichkeit, zu fragen, wie wir verlässliche Ankerpunkte in unserer gesamten Krankenhausplanung setzen. Da sind
Wo ich die richtigen Prioritäten setzen möchte, möchte ich Ihnen abschließend noch kurz sagen. Mit dem Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz haben wir nicht nur die Möglichkeit, die richtigen Forderungen nach einer grundlegenden Reform einer Versicherung und damit auch der Lösung dieses Problems, was von der einbringenden Fraktion zu Recht beschrieben wurde, zu lösen, sondern uns auch im Bereich „Prävention“ stark und deutlich nach vorn zu positionieren. Insofern ist der Ressortzuschnitt, den wir als Gesundheitsministerium vertreten, nicht rein zufällig. Denn dass das Thema „Arbeit“ in diesem Ressort verankert ist, muss uns immer wieder deutlich darauf hinweisen – und das wird auch der Leitantrag sein, den Thüringen bei der GMK einbringt –, sich mit der Frage der Prävention zu beschäftigen. Denn es kann nicht unser Ziel sein, in Gesundheitspolitik immer nur über die Bewältigung von Krankheitsbildern zu sprechen. Wir müssen vor allem vermeiden, dass Personen überhaupt krank werden. Insofern finde ich die Mahnung zutreffend, die hier deutlich wurde, dass man kein gesellschaftliches Rollback will, indem psychisch Kranke stigmatisiert werden, indem wir Menschen vorwerfen, dass sie doch zu Hause mal ein bisschen mehr Selfcare hätten betreiben können, dass wir diese Punkte dahin holen, wo sie wirklich sind. Wir müssen Menschen ermöglichen, sich selbst gesund zu erhalten. Das ist unsere Aufgabe, der Politik, die richtigen Versorgungspunkte zu schaffen, festzustellen, dass der demografische Wandel uns vor enorme Herausforderungen stellt, da auch neu zu denken. Das hat die Regierungskoalition in ihrem Regierungsvertrag getan, indem sie nichtärztliche Assistenzberufe in den Fokus rückt, Telemedizin und auch die Poliklinik 2.0 in den Fokus rückt – alles gebündelt unter dem Label „20Minuten-Land“. Mein Beitrag wird es sein, in der GMK die Punkte, die Richtung Bund gespielt werden müssen, laut zu artikulieren. Ich freue mich, dass in den Haushaltsberatungen Ihr Engagement für Gesundheitspolitik ebenfalls deutlich wird. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde. Ich möchte an dieser Stelle die Schüler der 9. Klasse der Salzmannschule in Schnepfenthal herzlich hier im Hohen Haus begrüßen. Schön, dass Sie hier sind.
b) auf Antrag der Fraktion der CDU zu dem Thema: „Erinnerung als Fundament für das Handeln in der Gegenwart: 80 Jahre nach Auschwitz – Mahnung, Gedenken und Verantwortung“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 8/296 -
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, ich bin mir sicher, jedem von uns, der vorhin an der Gedenkstunde teilgenommen hat, sind die Worte von Frau Ingeburg Geißler noch sehr im Kopf. Wenn ich die Schüler der Schule in Schnepfenthal sehe und Frau Geißler selbst auch an dieser Schule war und sie selbst auch dieses Gebäude betreten hat, und zwar zu einer Zeit, in der sie hier als kleines Mädchen abgegeben worden ist, um deportiert zu werden, um der Vernichtung entgegenzusehen, und heute wieder in diesem Raum gestanden hat, direkt neben dem Gebäude, und gesagt hat, dass es für sie eine Genugtuung der Geschichte ist, dass sie heute hier stehen kann in Freiheit und mit Blick auf das, was vor uns liegt, dann ist das wirklich ein bewegender Moment gewesen. Der sollte uns alle aufrufen, das nicht nur als Blick in die Vergangenheit zu bewerten, sondern vor allen Dingen auch als Auftrag für die Zukunft. Deswegen war es uns wichtig, dass wir heute hier noch einmal eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema aufgerufen haben, um nicht nur den Gedenkakt hier zu haben, sondern auch für uns zu bewerten, was das denn für das politische Handeln bedeutet – 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und mit Blick auf das, was in Thüringen passiert ist.
„Du Jude“ – zwei Worte. Zwei Worte, die heute auf unseren Schulhöfen auch wieder zu hören sind. Das haben uns die Schülerinnen vorhin mitgegeben. Zwei Worte, die vor nicht allzu langer Zeit den Anfang des Wegs markierten, der am Ende in den Gaskammern von Auschwitz endete. Zwei Worte, die zeigen, dass der Hass nicht in Archiven verstaubt ist, sondern dass er immer noch unter uns lebt.
Dieser Auftrag, den wir heute gemeinsam aus diesem Rund mitnehmen sollten, ist, dass wir für uns selbst bewerten, was wir tun müssen, damit sich so etwas nie wieder wiederholt. Erinnerung darf
nicht für sich stehen. Erinnerung verlangt von uns lebendige Verantwortung, vor allen Dingen auch, die Gefahr der Verharmlosung und Relativierung historischer Schuld zu sehen und auch so zu handeln. Deswegen dürfen wir uns nicht einfach zurücklehnen, sondern wir müssen schauen, was es für unser politisches Wirken, für das, was in unserem Land passiert, bedeutet.
Die Schülerinnen haben uns heute sehr deutlich mitgegeben, was sie vermissen. Sie vermissen, dass das Thema in der Schule so lebendig behandelt wird, dass es auch bei den Menschen, bei den Schülern ankommt. Wir brauchen zum einen – und ich bin dankbar, dass unser Bildungsminister das in diesen Tagen auch schon gesagt hat, wir unterstützen das sehr ausdrücklich – eine Verankerung in den Lehrplänen, die es jedem Schüler möglich macht, eine Gedenkstätte zu besuchen, die es aber auch jedem Schüler aufgibt, dies zu tun und sich als fester Bestandteil des Unterrichts damit auseinanderzusetzen.
Wir brauchen eine intensive Auseinandersetzung – nicht nur anhand von Zahlen, Daten und Fakten, sondern auch auf eine empathische Weise. Das Ziel sollte nicht das Erzeugen von Schuld sein, sondern ein tiefes Verständnis für die Folgen von Hass und Ausgrenzung.
Das bedeutet auch, dass Gedenkstätten, die es im Land gibt, dass Orte, die es im Land gibt, mehr genutzt werden müssen, ob das zum Beispiel das Jonastal ist, das beschrieben wurde, oder anderes, was nicht die klassische große Gedenkstätte wie Buchenwald ist, oder die Stolpersteine, die wir überall haben, die sich mit konkreten Geschichten verbinden. Und das darf nicht nur ein Tag im Kalender sein wie heute oder am Montag, sondern es muss in den Unterricht, es muss in das konkrete Tun der Menschen in Thüringen eingehen.
Hannah Arendt fasste es so zusammen: Das Böse ist nicht spektakulär, es ist banal. Es entsteht durch Gedankenlosigkeit, durch Wegsehen, durch Gleichgültigkeit, durch Mitlaufen. Und das ist es, wovor wir uns heute hüten müssen. Auch das hat uns Frau Geißler vorhin mitgegeben, als sie hier auf dem Weg war zu diesem Gebäude und in der Straßenbahn weggesehen wurde. Das darf nicht wieder passieren. Das muss uns alle umtreiben. Das hat mich vorhin persönlich sehr stark bewegt.
Deswegen bewegt es vor allen Dingen auch, wenn man schaut, dass es auch hier im Haus Leute gibt, die den Volksverhetzungsparagrafen aus dem Strafgesetzbuch streichen wollen, die damit die Tür zur Entmenschlichung erneut einen Spalt weit öffnen wollen. Wer den Schutz vor Entmenschlichung
aufgibt, untergräbt die Grundlagen der Demokratie. Auch das muss uns an einem Tag wie heute beschäftigen, dass das nicht passieren darf. Das muss der gemeinsame Auftrag sein. Denn nur so können wir sicherstellen, dass wir nicht bei Floskeln stehen bleiben, sondern ein Versprechen der Verantwortung an unser Land abgeben – ein Land, in dem „Du Jude“ nie wieder als Beleidigung verstanden werden darf. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bühl. Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeordneten Quasebarth für die Fraktion des BSW das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, mein Vorredner, Herr Abgeordneter Bühl, hat gerade daran erinnert: Am Montag standen wir zusammen in Buchenwald in der Gedenkstätte und haben dort zusammen mit den anderen Abgeordneten der Parteien Die Linke, der SPD den Opfern des Naziregimes gedacht. Wir waren dort vereint, auch in dem Grauen. Wir haben den Worten von Dr. Wagner gelauscht. Ich konnte den Ort auf mich wirken lassen und spüren, so wie mir das seit langer Zeit nicht möglich war. Ich habe den Ort das ein oder andere Mal als Journalist besucht. Aber da ist man natürlich in der Arbeit gefangen und mit ganz anderen Themen beschäftigt und kann sich nur am Rande dem eigentlichen Gedenken widmen. Dieses Mal hatte ich ganz und gar die Möglichkeit dazu und ich war dankbar dafür. Ich war dankbar dafür, dort auf mich wirken zu lassen, dass dieser Ort, das Grauen, das dort stattgefunden hat, eben auch in Auschwitz stattgefunden hat, dessen Befreiung wir an jenem Tag gedacht haben, nichts anderes zulässt als Sprachlosigkeit. Ich war dankbar dafür, dass es die Gelegenheit gab, im gemeinsamen Zusammentreffen an jenem Ort dort dennoch ein Signal an die Welt zu senden: Wir sind hier, wir stehen hier und wir denken gemeinsam an diese Ereignisse. Durch unsere bloße Anwesenheit, durch unser gemeinsames Erinnern haben wir ein Bewusstsein für das Unaussprechliche dargebracht. Dieses Erinnern ist eben keine Pflicht, sondern ist ein Fundament, ein Fundament, auf das wir unser Handeln in der Gegenwart aufbauen müssen.
80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz möchte ich mit Ihnen nicht nur über das Gedenken sprechen, sondern auch darüber, was es heute ganz praktisch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Erinnerung allein genügt nicht. Ich denke, es muss Aufgabe und Auftrag sein, ein Auftrag, der uns da
zu bewegt, unser Denken, aber auch unsere Sprache und demzufolge auch unser Handeln immer wieder zu hinterfragen. Ich war deswegen sehr dankbar, dass wir heute hier eine der Zeitzeuginnen bei uns zu Gast hatten und sie die Gelegenheit erhielt, über ihre Erinnerungen zu sprechen. Denn das hat bei mir wiederum die Erinnerung an eine Begegnung mit eben einer solchen Zeitzeugin wachgerufen. Das war eine andere Frau, ich habe ihren Namen leider vergessen. Aber sie erinnerte mich in jeder Phase an ebendiese Ingeburg Geißler, die wir heute hier erleben durften. Es war eine genauso kleine, schmale, zierliche, zerbrechliche Frau, die aber nach außen hin eine solch unfassbare Kraft ausgestrahlt hat, eine solche Lebendigkeit, dass mir die Begegnung mit dieser Frau bis heute in Erinnerung geblieben ist. Es war nicht nur das, was sie in ihrer Rede damals zum Ausdruck brachte, sondern wir hatten kurz danach die Gelegenheit, ein paar Worte miteinander zu wechseln, und da sagte sie einen Satz zu mir, der für mich und mein weiteres Leben durchaus auch bestimmend werden sollte. Sie sagte: Der Tag, an dem ich frei war, das war nicht der Tag, an dem der Zaun fiel. Der Tag, an dem ich wirklich frei war, das war der Tag, an dem ich den Hass in mir loslassen konnte. – Das hat mich damals tief getroffen. Der Satz hat mich gelehrt, dass Freiheit nicht nur das Fehlen von Unterdrückung ist. Freiheit beginnt dort, wo wir die Entscheidung treffen, unsere Menschlichkeit über Dunkelheit zu stellen. Es ist eine Entscheidung, die wir jeden Tag treffen müssen. Jeden Morgen, wenn wir aufstehen, treffen wir diese Entscheidung aufs Neue, in unseren Gedanken, in unserer Sprache und in unserem Handeln. Es ist leicht, den Finger auf andere zu richten. Es ist leicht, die Verantwortung in den Fehlern der Vergangenheit oder bei anderen Menschen zu suchen, aber wir alle tragen Verantwortung – jeder von uns! Verantwortung beginnt dort, wo wir unsere eigenen Denkweisen, unsere Vorurteile und unsere Verhaltensmuster infrage stellen.
Gerade wir als Politiker sind in dieser Beziehung gut beraten, mit gutem Beispiel voranzugehen, um eine Kultur der Menschlichkeit, der Empathie und eine Kultur der Begegnung zu fördern, nicht nur außerhalb dieses Plenums, sondern – und das halte ich für besonders sinnvoll – gerade auch innerhalb dieses Plenums. Die gemeinsame Veranstaltung in der Gedenkstätte Buchenwald war ein Symbol, sicherlich, ein starkes Zeichen dafür, dass wir in den zentralen Fragen unserer Verantwortung eben nicht nur durch Parteien, sondern durch unsere Menschlichkeit verbunden sind. Diese Menschlichkeit darf nicht an der Gedenkstätte enden, sie muss in unser
Handeln hier im Landtag einfließen. Sie muss unsere politische Arbeit leiten. Davon bin ich überzeugt.
Lassen Sie uns nicht nur an die Vergangenheit erinnern, sondern diese Erinnerung in Verantwortung transferieren. Lassen Sie uns den Mut aufbringen, immer wieder aufs Neue hinzusehen, zuzuhören und nachzufragen. Auschwitz mahnt uns und es verpflichtet uns, heute und jeden Tag! Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Quasebarth. Als Nächsten rufe ich Abgeordneten Möller für die Fraktion der AfD auf.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, diese Aktuelle Stunde ist vom Titel ein typisches Umreißen der Praxis des Erinnerns in unserem Land. Es gibt zum einen den Kern, die Lehre der Geschichte wachzuhalten, und das ist richtig und da wird man lagerübergreifend auch in diesem Haus zustimmen. Es braucht eine Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten, an die Millionen Opfer. Da gibt es selbst in unserer tief gespaltenen Bundesrepublik einen klaren Konsens.
Der Dissens, meine Damen und Herren, beginnt bei der Verknüpfung mit der gesellschaftlichen Gegenwart. Er findet auch in dieser Aktuellen Stunde statt. „Antisemitismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus in unserer Zeit“ wird in dem Antrag erwähnt. Die praktische Ableitung davon ist beispielsweise, dass ich als Vertreter der AfD am Montag nicht in Buchenwald erwünscht war und dort nicht sein durfte.
Ich sage es mal so: Schon wegen der spezifischen Einzigartigkeit des historischen und abgeschlossenen Menschheitsverbrechens der Nationalsozialisten verbieten sich Vergleiche. Es gibt auch heute in der Tat Dummheit, es gibt Extremismus, es gibt autoritäre, es gibt totalitäre Positionierungen, aber nichts von dem, egal von wem, ist vergleichbar mit dem, was damals zwischen 1933 und 1945 geschehen ist.
Wer vergleicht, meine Damen und Herren, der tut das aus politischen Gründen. Meistens machen das Leute, die nicht mal den Unterschied zwischen Faschismus und Nationalsozialismus kennen. Meis
tens haben diese Leute keine Argumente in der Gegenwart und meistens sind sie bemerkenswert blind, was passieren würde, wenn diese Unanständigkeit, den historischen Verbrechenssachverhalt mit der heutigen Politik zu vergleichen, gegen sie selbst gerichtet werden würde. Denn – die Frage darf erlaubt sein – welche Lehren hat denn diese Gesellschaft in den letzten Jahren gezogen? Der Nationalsozialismus – das wissen wir alle – war gewalttätig, der starke Hass bekämpfte die Schwachen und löschte sie aus. Und ich lese auch heute, dass unser Land unglaublich gewalttätig ist. Wo werden die Schwachen geschützt? Ich sehe das nicht. Wenn beispielsweise auch politische Straftäter mit Hämmern auf ihre Gegner einhämmern, dann sieht die deutsche Justiz teilweise darin ein achtenswertes Motiv. Wo ist da die Konsequenz, wo ist die Lehre aus dem Nationalsozialismus, meine Damen und Herren?
Schaue ich mir den Nationalsozialismus an und sehe den Antisemitismus, diesen eliminatorischen Antisemitismus, und dann sehe ich die judenfeindlichen Hetzjagden in Berlin, meine Damen und Herren: Wo ist die Konsequenz? Wo ist die Lehre aus dem Nationalsozialismus?
Eine Lehre aus dem Nationalsozialismus waren die Grundrechte. Wie spielend wurden diese Grundrechte in den letzten Jahren abgeschafft, wie spielend hat man sich über sie hinweggesetzt? Es wurden Ausgangssperren, es wurde eine Spaltung der Gesellschaft in die, die alles dürfen, und die, die nichts dürfen, gemacht. Mit welcher Wonne wurde das teilweise sogar zelebriert, sogar körperlicher Zwang diskutiert! Wo war die Lehre da, meine Damen und Herren, aus dem Nationalsozialismus? Und lassen Sie mich eines sagen in dem Zusammenhang: Ich höre oft die Aussage „Wir haben das nicht gewusst“. Aber das ist eine Aussage, die gerade in Bezug auf die Nazizeit nicht gilt, und sie sollte auch da nicht gelten.
Es gibt eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, eine wichtige Lehre, die lautet: Die Erinnerung ist wichtig, aber sie ist nicht geeignet für die Instrumentalisierung in der Gegenwart, in der politischen Gegenwart, und vor allem nicht für den Wahlkampf. Wer Wahlkampf auf Kosten der Toten des Holocausts macht, der ist schäbig, meine Damen und Herren.